9,99 €
Das furiose Fantasy-Epos von einer dunklen Anderswelt!
Während Rhulad Sengar, der unsterbliche Herrscher über die Tiste Edur und das ehemalige Königreich Lether, ganz in seinem Wahn aufgeht, sich mit immer neuen Meisterkämpfern zu messen, sammeln sich rings um sein Reich gewaltige Mächte weltlicher und magischer Natur. Da bricht der Sturm des Verderbens los und droht nicht nur Lether, sondern einen ganzen Kontinent in den Untergang zu reißen ...
Ein Meisterwerk von unübertroffener mythologischer Tiefe!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 1283
Steven Erikson
Im Sturm des Verderbens
Das Spiel der Götter 13
Roman
Aus dem Englischen von Tim Straetmann
Wir streben danach Die Bestie anzugreifen Die in unseren Seelen kauert Aber diese Kreatur ist rein Und scheuen Blickes Und sie beobachtet unsere rasenden Verbrechen Geduckt aus dem Käfig Unserer Grausamkeit heraus
Um meinetwillen und Eures Schicksals willen werde ich In diesen Händen Die Gnade des Tieres annehmen und Zerbrochene Träume bessern – Freiheit, lange Zeit Ungefesselt und ungebunden – Die Bestie wird töten, wenn ich morde
Im Sündenerlass Bediente sich eine Liste unbemerkter Unterschiede Dieser Hände Unentschuldigte Freiheit Seht, wie sauber Dieses Blut verglichen mit eurem ist Das Todesgrinsen Eures bestialischen Zähnefletschens beeinträchtigt
Die Züge eures Gesichtes Das ist es, was uns unterscheidet In unseren Seelen Meine Bestie und ich, aneinandergekettet Wie wir es sein müssen, Wer führt und wer geführt wird, Diese Frage wird tatsächlich niemals Den Anmutigen und Unschuldigen gestellt
Hund in einer GasseBekenntnisse
TIBAL FEREDICT
Ein Kiel und ein halber Rumpf waren noch von dem Wrack übrig, in dem wir Schiffbrüchigen uns versammelten, und der Sturm der vergangenen Nacht hing wie Sprühregen in der Luft, als wir in das Bett aus gebogenen Rippen hinunterkrochen.
Ich hörte viele gemurmelte Gebete, sah Hände hin und her zucken, um dies oder jenes abzuwehren, wie es das Bedürfnis einer jeden Seele ist, deren Unterhaltung mit der Angst bereits in der Kindheit begonnen hat, und hätte ich mich an meine erinnern können, wäre mir wohl auch in den Sinn gekommen, auf diese Weise vor dem Entsetzen zu fliehen.
Unter den gegebenen Umständen konnte ich jedoch nur auf die Krebsschalenernte aus winzigen Skeletten hinunterblicken – auf die geschwänzten Kobolde mit ihren menschenähnlichen Gesichtern, ihren Falkenkrallen und allen Arten von seltsamen Verschönerungen, die den hellen, sonnigen Alptraum bis ins Detail perfekt ausgestalteten.
Es ist kein Wunder, dass ich an jenem Tag dem Meer abgeschworen habe. Der Sturm und das zerbrochene Schiff hatten einen höchst unheiligen Schwarm an die Oberfläche getrieben – und ach, zweifellos gab es noch viel mehr, die diese verdammte Insel umkreisten.
Also war ich es, der schließlich ein überaus unappetitliches Durcheinander von sich gab. »Ich vermute, nicht alle Kobolde können fliegen.«
Trotzdem war das doch wohl kaum ein ausreichender Grund, um mir die Augen auszudrücken, oder?
Blinder Tobor vom Finger
Tja, also das da drüben, meine Freunde, das ist mal eine wirklich schöne Frau.«
»Wenn du sie so magst.«
»Nun, warum sollte ich nicht, du verdammter Grabwühler? Die Sache ist die – und so ist es doch eigentlich immer: Seht euch bloß mal den hoffnungslosen Halsabschneider an, der bei ihr ist. So was kapiere ich nicht. Sie könnte jeden hier drin haben. Sie könnte sogar mich haben. Aber nein, sie hockt da drüben neben diesem hinkenden, einarmigen, einohrigen, einäugigen und nasenlosen Hirtenhund. Ich meine, wenn wir schon über Hässlichkeit reden.«
Der dritte Mann, der bisher noch nichts gesagt hatte, blickte ihn verstohlen von der Seite an, betrachtete die an ein Vogelnest erinnernden Haare, die wie Steuerruder abstehenden Ohren, die vorquellenden Augen sowie die scheckigen Flecken – Narben von Brandwunden – in einem Gesicht, das ihn an einen zerquetschten Kürbis erinnerte; kurz und von der Seite her, dieser Blick – und dann schaute Gurgelschlitzer schnell wieder weg. Schließlich wollte er auf keinen Fall ein weiteres Mal in dieses trällernde, unheimliche Gelächter ausbrechen, bei dem jeder, der sich in Hörweite befand, zu erstarren schien.
Früher hat sich mein Lachen nie so angehört. Aber jetzt, jetzt jagt das verdammte Geräusch sogar mir selbst Angst ein. Nun, er hatte ein paar ölige Flammen schlucken müssen, und die hatten schlimme Sachen mit seinem Kehlkopf angestellt. Der Schaden war nur zu hören, wenn er lachte, und wie er sich erinnerte, hatte es in den Monaten, die auf den … ganzen Kram gefolgt waren, wenig Grund zur Heiterkeit gegeben.
»Da ist der Inhaber dieser Schenke«, bemerkte Totstink.
Es war leicht, über alles und jeden zu sprechen, da hier niemand außer ihnen Malazanisch verstand.
»Ja, das ist noch einer, der runde Augen kriegt, wenn er sie anschaut«, sagte Sergeant Balsam höhnisch grinsend. »Und mit wem sitzt sie da? Hol mich der Vermummte, aber ich kapier das alles nicht.«
Totstink beugte sich langsam über den Tisch und füllte sorgfältig seinen Krug wieder auf. »Es geht um das Fass, das geliefert werden soll. Brullygs Fass. Sieht ganz so aus, als hätten der Hübsche und das tote Schätzchen da drüben sich freiwillig gemeldet.«
Balsams Glotzaugen traten noch ein bisschen weiter aus ihren Höhlen. »Die ist nicht tot! Aber ich sag dir, was tot ist, Totstink – der in einer Pfütze ersoffene Wurm zwischen deinen Beinen, der ist tot!«
Gurgelschlitzer beäugte den Korporal. »Wenn du sie so magst«, hatte Totstink gesagt. Ein halb ersticktes gurgelndes Geräusch entfleuchte ihm, das seine beiden Kameraden zusammenzucken ließ.
»Was gibt es da zu lachen, im Namen des Vermummten?«, wollte Balsam wissen. »Lass es einfach – und das ist ein Befehl.«
Gurgelschlitzer biss sich kräftig auf die Zunge. Tränen verschleierten ihm den Blick, als der Schmerz in seinem Schädel hin und her flitzte wie ein Kieselstein in einem Eimer. Er schüttelte stumm den Kopf. Lachen? Ich doch nicht.
Der Sergeant starrte Totstink wieder düster an. »Tot? Für mich sieht sie nicht besonders tot aus.«
»Vertrau mir«, erwiderte der Korporal, nachdem er einen kräftigen Schluck genommen hatte. Er rülpste. »Is’ schon klar, sie passt auf, dass es keiner merkt, aber die Frau da drüben ist schon vor einiger Zeit gestorben.«
Balsam saß, über den Tisch gebeugt, da, kratzte sich den verfilzten Haarschopf. Schuppen rieselten herunter und landeten wie Farbkleckse auf dem dunklen Holz der Tischplatte. »Bei den Göttern hienieden«, flüsterte er. »Vielleicht … vielleicht sollte irgendjemand … ich weiß ja nicht … aber vielleicht … sollte jemand … es ihr mal sagen?«
Totstinks größtenteils haarlose Brauen schoben sich in die Höhe. »Entschuldigt, werte Dame, aber Ihr habt einen Teint, für den man sterben könnte – und ich vermute, genau das habt Ihr bereits getan.«
Ein weiteres Krächzen von Gurgelschlitzer.
»Stimmt es, werte Dame«, fuhr der Korporal fort, »dass eine perfekte Frisur und ein teures Make-up einfach alles überdecken können?«
Ein abgewürgtes Quieken von Gurgelschlitzer.
Köpfe drehten sich in ihre Richtung.
Totstink genehmigte sich einen weiteren Schluck. Das Thema begann ihm Spaß zu machen. »Lustig, Ihr seht gar nicht aus, als wärt Ihr tot.«
Das schrille Lachen brach sich explosiv Bahn.
Als es wieder erstarb, herrschte im Schankraum plötzlich Stille, wenn man von dem Geräusch absah, das ein Krug verursachte, der über eine Tischplatte rollte, über die Kante fiel und scheppernd auf den Boden prallte.
Balsam starrte Totstink düster an. »Das warst du. Du machst einfach immer weiter und weiter. Noch ein Wort, Korporal, und du bist gleich toter als sie.«
»Was ist das für ein Geruch?«, fragte Totstink. »Oh, ja, richtig. Die Essenz der Fäulnis.«
Balsams Wangen blähten sich, und sein Gesicht nahm einen merkwürdigen, purpurnen Farbton an. Seine gelblichen Augen sahen aus, als wären sie kurz davor, aus den Höhlen zu springen.
Gurgelschlitzer versuchte, die Augen zuzukneifen, aber das Bild wollte nicht aus seinem Kopf verschwinden. Er kreischte hinter vorgehaltenen Händen. Schaute sich hilflos bettelnd um.
Alle Aufmerksamkeit war nun auf sie gerichtet; niemand sprach mehr. Selbst die schöne Frau, die mit dem verstümmelten Tölpel eingelaufen war, und der Tölpel selbst – dessen eines Auge unter einem strengen Stirnrunzeln hervorblinzelte – hatten aufgehört zu sprechen; sie standen beiderseits des Bierfasses, das der Gastwirt herausgebracht hatte. Und auch der Wirt selbst sagte nichts, sondern starrte Gurgelschlitzer nur mit offenem Mund an.
»Nun«, bemerkte Totstink, »da geht unser Ansehen als böse Jungs dahin. Gurgelchen hier stößt Lockrufe aus – man kann nur hoffen, dass es hier auf der Insel keine Truthähne gibt. Und du Sergeant, siehst aus, als würde dein Kopf gleich wie’n Knaller explodieren.«
»Es war dein Fehler, du blöder Kerl!«, zischte Balsam.
»Wohl kaum. Wie du sehen kannst, bin ich ruhig. Wenn auch ein bisschen beschämt über meine Begleitung, leider.«
»Schön, dann schieben wir dich ab. Beim Vermummten, Gilani ist ein verdammt viel hübscherer Anblick als du …«
»Ja, aber die ist zufällig lebendig, Sergeant. Also ganz und gar nicht dein Typ.«
»Ich wusste es nicht!«
»Nun, das ist ein überaus jämmerliches Eingeständnis, findest du nicht auch?«
»Hör auf«, mischte Gurgelschlitzer sich schließlich ein. »Ich hätte es auch nicht sagen können, Totstink.« Er deutete mit einem Finger auf den Korporal. »Noch ein Beweis mehr, dass du ein verdammter Totenbeschwörer bist. Jetzt mach nicht so ein entsetztes Gesicht, das kaufen wir dir nicht mehr ab. Du hast gewusst, dass sie tot ist, weil du sie riechen kannst – du kannst den Gestank der Toten riechen, wie’s dein Name schon sagt. Tatsächlich würde ich fast wetten, dass genau das der Grund ist, warum Tapferer Zahn dir diesen Namen gegeben hat – dem entgeht nie was, stimmt’s?«
Die Geräuschkulisse um sie herum lebte langsam wieder auf, begleitet von mehr als nur einer Handvoll abwehrenden Gesten und dem mehrstimmigen Scharren von Stühlen, die durch den Dreck zurückgeschoben wurden, als einige Stammgäste sich verstohlen durch die Vordertür verdrückten.
Totstink trank noch mehr Bier. Und sagte nichts mehr.
Die tote Frau und ihr Begleiter gingen nach draußen; Letzterer mühte sich hinkend ab, das Fass auf einer Schulter zu balancieren.
Balsam gab ein undeutliches Geräusch von sich. »Da gehen sie hin. Wieder mal typisch, oder? Ausgerechnet, wenn wir nicht vollzählig sind.«
»Darüber brauchst du dir nun wirklich keine Sorgen zu machen, Sergeant«, sagte Totstink. »Es ist alles unter Kontrolle. Obwohl … wenn der Inhaber auf die Idee kommt, ihnen zu folgen …«
Gurgelschlitzer schnaubte. »Wenn er das tut, wird er es bedauern.« Er stand auf, rückte seinen Regenumhang zurecht. »Ihr habt Glück, ihr beide. Ihr könnt hier sitzen und dafür sorgen, dass eure Ärsche immer fetter werden. Da draußen ist’s nämlich verdammt kalt, versteht ihr?«
»Ich mache mir Notizen über diese ganze Aufsässigkeit«, knurrte Balsam. Er tippte sich an die Schläfe. »Hier drin.«
»Nun, das ist mal eine Erleichterung«, sagte Gurgelschlitzer. Dann verließ er die Schenke.
Triller Brullyg, Tyrann des Forts der Zweiten Jungfrau und Möchtegern-König der Insel, lümmelte im hochlehnigen Sessel des ehemaligen Gefängnis-Präfekten herum und starrte unter zwei dichten Brauen hervor düster zu den beiden Fremden am Tisch neben der Tür. Sie spielten mal wieder eines ihrer verdammten Spiele. Mit Fingerknochen, einer länglichen hölzernen Schüssel und gespaltenen Krähenfedern.
»Zwei Hüpfer bringen mir einen Kehrer«, sagte der eine von ihnen, obwohl Brullyg sich dessen nicht ganz sicher war – eine Sprache heimlich zu lernen, war keine leichte Sache, aber er war schon immer gut in Sprachen gewesen. Triller, Letherii, Tiste Edur, Fent, die Handelssprache oder die der Meckros. Und jetzt Spritzer von diesem … diesem Malazanisch.
Die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Sie hatten sie ihm genommen, ebenso mühelos, wie sie ihm sein Messer und seine Kriegsaxt genommen hatten. Fremde, die ganz ruhig in den Hafen gesegelt waren – es waren nicht so viele an Bord gewesen, als dass man sich hätte große Sorgen machen müssen. So hatte es zumindest den Anschein gehabt. Außerdem hatte es zum damaligen Zeitpunkt genügend anderen Ärger gegeben, mit dem er sich herumschlagen musste. Ein Meer voller Eisberge, die sich der Insel schnell genähert hatten und viel bedrohlicher als jede Flotte und jede Armee gewesen waren. Sie hatten gesagt, sie könnten sich darum kümmern – und er war ein Ertrinkender gewesen, der zum letzten Mal untergeht.
Der Möchtegern-König der Insel, zermalmt und zerquetscht unter gefühllosem Eis. Dieser Wahrheit ins Auge zu sehen war in etwa so gewesen, als hätten Drachenklauen sein Segel zerfetzt. Nach allem, was er getan hatte …
Die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Er fragte sich mittlerweile, ob diese Malazaner das Eis mitgebracht hatten. Ob sie es auf der wilden jahreszeitlichen Strömung losgeschickt hatten, so dass sie kurz davor ankommen und ihre Hilfe anbieten konnten, um die Bedrohung abzuwenden. Brullyg erinnerte sich, dass er ihnen nicht einmal geglaubt hatte, aber die Verzweiflung hatte mit ihrer eigenen Stimme gesprochen. »Macht das, und ihr werdet so lange ihr wollt königliche Gäste sein.« Bei diesem Angebot hatten sie gelächelt.
Ich bin ein Idiot. Und schlimmer noch.
Und jetzt herrschten zwei armselige Trupps über ihn und jeden verdammten Einwohner dieser Insel, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Außer dafür zu sorgen, dass niemand die Wahrheit erfährt. Und das wird mit jedem Tag ein bisschen schwieriger.
»Der Kehrer ist im Trog, nimm dir’n Knöchelchen und das war’s dann wohl«, sagte der andere Soldat.
Möglicherweise.
»Er ist weggerutscht, als du geatmet hast – ich hab’s gesehen, du bescheißt!«
»Ich hab nicht geatmet.«
»Oh ja, richtig, du bist ja auch ein verdammter Kadaver, beim Vermummten, was?«
»Nein. Ich hab nur nicht geatmet, als du gesagt hast, ich hätte geatmet. Schau, er ist im Trog, oder willst du das etwa abstreiten?«
»Lass mich das mal aus der Nähe anschauen. Ha! Nein, ist er nicht!«
»Du hast gerade geseufzt und ihn bewegt, verdammt!«
»Ich hab nicht geseufzt.«
»Klar, und du bist auch nicht am Verlieren, was?«
»Nur weil ich verliere, heißt das noch lange nicht, dass ich genau da geseufzt hab. Aber schau, er ist nicht im Trog.«
»Warte mal ’nen Moment, während ich atme …«
»Dann werde ich seufzen!«
»Sieger atmen. Verlierer seufzen. Von daher bin ich der Sieger.«
»Aber sicher, für dich ist bescheißen so natürlich wie atmen, ja?«
Brullyg löste den Blick von den beiden Soldaten neben der Tür und richtete seine Aufmerksamkeit auf den dritten im Zimmer. Die dritte. Beim Hexenzirkel, sie war eine Schönheit. Diese dunkle, märchenhafte Haut … und diese leicht schräg gestellten Augen, die geradezu einladend leuchteten – verdammt sollte er sein, alle Geheimnisse der Welt lagen in diesen Augen. Und dieser Mund! Diese Lippen! Wenn er doch nur die anderen beiden loswerden und ihr vielleicht die beiden gemeinen Messer unauffällig wegnehmen könnte, tja, dann würde er diese Geheimnisse auf genau die Art und Weise entdecken, wie sie es von ihm wollte.
Ich bin der König der Insel. Schon bald. Noch eine Woche, und wenn bis dahin keine der schlampigen Töchter der toten Königin auftaucht, fällt alles mir zu. König der Insel. Beinahe. Aber ich bin nahe genug dran, um den Titel zu benutzen, klar. Und welche Frau würde das armselige Soldatenleben wohl nicht für das weiche, warme Bett einer königlichen Ersten Konkubine aufgeben? Klar, das ist eine Sitte der Letherii, aber als König kann ich meine eigenen Regeln aufstellen. Und wenn’s dem Hexenzirkel nicht gefällt – nun, da sind immer noch die Klippen.
Einer der beiden Malazaner am Tisch sagte: »Sei vorsichtig, Masan, er macht schon wieder dieses Gesicht.«
Die Frau namens Masan Gilani streckte sich auf ihrem Stuhl wie eine Katze, hob ihre glatten, ganz und gar nicht dürren Arme in einem Bogen, der ihre großen Brüste in runde Bälle verwandelte, über denen sich das abgetragene Gewebe ihres Hemdes spannte. »Solange er mit dem falschen Hirn denkt, Läppchen, ist alles in bester Ordnung.« Dann lehnte sie sich zurück, streckte die vollkommenen Beine aus.
»Wir sollten ihm wieder eine Hure bringen«, sagte der Mann namens Läppchen, während er die Fingerknöchelchen in einem kleinen Ledersäckchen verstaute.
»Nein«, sagte Masan Gilani. »Totstink konnte schon die letzte nur mit Mühe wiederbeleben.«
Aber das ist nicht der wahre Grund, stimmt’s? Brullyg lächelte. Nein, du willst mich für dich. Außerdem bin ich normalerweise nicht so. Ich hatte ein paar … Enttäuschungen zu verarbeiten. Das ist alles. Sein Lächeln verblasste. Sie benutzen wirklich andauernd ihre Hände beim Sprechen. Machen alle möglichen Gesten. Merkwürdige Leute, diese Malazaner. Er räusperte sich und sagte auf Letherii, auf diese langsame Weise, die sie anscheinend brauchten: »Ich würde gerne mal wieder einen Spaziergang machen. Meine Beine brauchen Bewegung.« Eine Geste zu Masan Gilani, die ihm mit einem wissenden Lächeln antwortete, das ihn tief unten entflammte – so sehr, dass er auf seinem Sessel herumrutschte. »Mein Volk muss mich sehen, versteht ihr? Wenn sie erst einmal anfangen, Verdacht zu schöpfen – nun, wenn irgendjemand weiß, wie ein Hausarrest aussieht, dann die Bürger des Forts der Zweiten Jungfrau.«
Läppchen antwortete ihm auf Letherii mit einem schrecklichen Akzent: »Du kriegst dein Bier, wenn heute Nacht kommt, ja? Am besten willst du hier drauf warten. Wir gehen mit dir heute Nacht.«
Wie’s eine Konkubine in irgendeinem Hafen mit ihrem verhätschelten Hündchen machen würde. Ist das nicht toll? Und wenn ich ein Bein hebe und dich anpisse, Läppchen – was dann?
Diese Soldaten hier flößten ihm keine Angst ein. Das tat der andere Trupp – derjenige, der immer noch auf der anderen Seite der Insel war. Der mit dem dürren kleinen stummen Mädchen. Sie hatte so eine Art, wie aus dem Nichts aufzutauchen. Aus einem Lichtwirbel – er fragte sich, was wohl die Triller-Hexen von diesem pfiffigen Trick halten würden. Läppchen – oder Masan Gilani oder Galt, es spielte keine Rolle, wer – musste lediglich ihren Namen rufen.
Sünd.
Die war wirklich grässlich, und dabei war noch nicht mal eine Kralle zu sehen. Er vermutete, dass er den ganzen Zirkel brauchen würde, um sie loszuwerden. Am liebsten unter großen Verlusten. Schließlich hatte der Hexenzirkel so eine Art, den gewählten Herrschern der Triller auf die Pelle zu rücken. Und sie sind unterwegs, wie Raben zu einem Kadaver, nichts als Spucke und Gekicher. Natürlich können sie nicht fliegen. Sie können nicht mal schwimmen. Nein, sie brauchen Boote, um die Meerenge zu überqueren – unter der Voraussetzung, dass der Finger jetzt nicht ein einziges Durcheinander aus Eis ist, wonach es von hier aus aussieht.
Der Soldat namens Galt stand von seinem Stuhl auf, zuckte zusammen, als hätte er dabei einen stechenden Schmerz im Kreuz gespürt, und schlenderte dann gemächlich dorthin, wo der am höchsten geschätzte Besitz des Präfekten an der Wand hing – oder, genauer gesagt, eine ganze Wand einnahm. Vom Alter verblichen – und in der linken unteren Ecke voller Blutflecken, die vom armen Präfekten stammten – zeigte der Wandteppich die Erste Landung der Letherii, auch wenn es in Wirklichkeit nicht die erste Landung der Kolonisten war. Die Flotte war irgendwo gegenüber des Fingers in Sichtweite der Küste gekommen. Einige Fent waren mit ihren Kanus hinausgefahren, um mit den Fremden Kontakt aufzunehmen. Ein Austausch von Geschenken war schiefgegangen, was zu einem Gemetzel an den männlichen Fent und der anschließenden Versklavung der Frauen und Kinder des Dorfes geführt hatte. Drei weitere Siedlungen hatten das gleiche Schicksal erlitten. Die nächsten vier, weiter südlich an der Küste, waren rasch aufgegeben worden.
Die Flotte hatte schließlich die Halbinsel Sadon an der Nordküste der Verdränger-See umrundet und war dann am Lenth-Arm vorbei und in die Bucht von Gedry gesegelt. Die Stadt Gedry war dort gegründet worden, wo die Erste Landung stattgefunden hatte, an der Mündung des Lether. Dieser Wandteppich, der locker tausend Jahre alt war, war Beweis genug. In diesen Tagen herrschte die allgemeine Überzeugung, dass die Landung dort stattgefunden hatte, wo die Hauptstadt selbst lag, ein gutes Stück flussaufwärts. Merkwürdig, wie die Vergangenheit verändert wurde, damit sie zur Gegenwart passte. Eine Erkenntnis, die Brullyg nutzen konnte, wenn er erst einmal König war. Die Triller waren ein gescheitertes Volk, vom Schicksal dazu bestimmt, nichts als Tragödien und mitleiderregende Dinge zu erfahren. Sie waren Wächter des Gestades – aber unfähig, es vor dem Hunger der unermüdlichen See zu schützen. All das musste … geändert werden.
Die Letherii hatten Niederlagen erlitten. Viele. Ihre Geschichte in diesem Land war blutig, und es war eine Geschichte voll Verrat, Lügen und herzloser Grausamkeiten. Die nun alle als glorreich und heldenhaft betrachtet wurden.
So muss ein Volk sich selbst sehen. So müssen wir Triller uns sehen. Ein blendend helles Leuchtfeuer an diesem dunklen Gestade. Wenn ich erst König bin …
»Seht euch dieses verdammte Ding mal an«, sagte Galt. »Die Schrift da an den Rändern – das könnte Ehrlii sein.«
»Ist es aber nicht«, murmelte Läppchen. Er hatte einen seiner Dolche auseinandergenommen; auf dem Tisch vor ihm lagen der Knauf, ein paar Nieten und Bolzen, ein hölzerner, lederumwickelter Griff, ein geschlitztes Heft und die Klinge mit dem Erl. Es schien, als wüsste der Soldat nicht so recht, wie er das alles wieder zusammensetzen sollte.
»Ein paar von den Buchstaben …«
»Ehrlii und Letherii stammen von der gleichen Sprache ab«, sagte Läppchen.
Galt sah ihn misstrauisch an. »Woher weißt du das?«
»Ich weiß es nicht, du Idiot. Man hat es mir erzählt.«
»Wer?«
»Ich glaube, Ebron. Oder Scherbe. Was spielt das für eine Rolle? Jemand, der solche Dinge weiß, das ist alles. Beim Vermummten, du machst mir Kopfschmerzen. Und schau dir nur den Schlamassel hier an.«
»Ist das mein Messer?«
»Das war es.«
Brullyg sah, wie Läppchen den Kopf ein wenig zur Seite neigte. Dann sagte der Soldat: »Schritte am unteren Ende der Treppe.« Bei diesen Worten begannen seine Hände sich so schnell zu bewegen, dass sie zu verschwimmen schienen, und noch während Galt auf die Tür zuging, drehte Läppchen den Knauf fest und warf das Messer in Richtung seines Kameraden. Der es mit einer Hand auffing, ohne auch nur einen Schritt langsamer zu gehen.
Brullyg lehnte sich in seinem Sessel zurück.
Masan Gilani stand auf und zog die bösartig aussehenden Messer mit den langen Klingen aus den Scheiden an ihren Hüften. »Ich wollte, ich wäre mit meinem eigenen Trupp hier«, sagte sie und machte einen Schritt auf Brullyg zu.
»Rühr dich nicht von der Stelle«, murmelte sie.
Er nickte mit trockenem Mund.
»Wahrscheinlich ist es die Bierlieferung«, sagte Läppchen von der einen Seite der Tür, während Galt sie entriegelte und weit genug aufschob, dass er durch den Spalt spähen konnte.
»Schon klar, aber die Stiefel klingen falsch.«
»Nicht nach dem üblichen sabbernden alten Knacker und seinem Sohn?«
»Ganz und gar nicht.«
»Na schön.« Läppchen griff unter den Tisch und brachte eine Armbrust zum Vorschein. Eine wirklich fremdländische Waffe, ganz aus Stahl – oder zumindest aus etwas, das letheriischem Stahl sehr ähnelte. Die Schnur war so dick wie der Daumen eines Mannes, und der Bolzen, der in der Nut lag, hatte eine x-förmige Spitze, die einen letheriischen Schild durchbohren mochte, als wäre er aus Birkenrinde. Der Soldat spannte die Armbrust, in dem er den Haken zurückkurbelte und irgendwie arretierte. Dann schob er sich an der Wand entlang in die Ecke.
Galt wich zurück, als die Schritte auf der Treppe näher kamen. Er machte ein paar Handbewegungen, die Masan Gilani mit einem undeutlichen Brummen beantwortete, und dann hörte Brullyg, wie hinter ihm Stoff zerriss – einen Augenblick später spürte er die Spitze eines Messers zwischen seinen Schulterblättern. Sie hatte das Messer durch die verdammte Sessellehne gestoßen. Sie beugte sich vor. »Sei nett und dumm, Brullyg. Wir kennen die beiden, und wir können uns vorstellen, weswegen sie hier sind.«
Nachdem Galt einen Blick nach hinten auf Masan Gilani geworfen und einmal genickt hatte, trat er an die Tür und öffnete sie weit. »Oho«, sagte er gedehnt in seinem schrecklichen Letherii, »wenn das nicht dieser Kapitän ist und ihr Erster Maat. Geld ist wohl ausgegangen zu schnell? Wie kommt ihr das Bier bringt?«
Ein heftiges Knurren von draußen. »Was hat er gesagt, Kapitän?«
»Was auch immer, er hat es auf jeden Fall schlecht gesagt.« Eine Frau. Und diese Stimme – Brullyg runzelte die Stirn. Diese Stimme hatte er schon einmal gehört. Die Messerspitze grub sich ein bisschen tiefer in sein Rückgrat.
»Wir bringen Triller Brullyg sein Bier«, fuhr die Frau fort.
»Das ist schön«, sagte Galt. »Wir sehen, dass es zu ihm kommt.«
»Triller Brullyg ist ein alter Freund von mir. Ich will ihn sprechen.«
»Er ist beschäftigt.«
»Womit?«
»Denken.«
»Triller Brullyg? Das bezweifle ich jetzt aber wirklich – und wer bist du überhaupt, im Namen des Abtrünnigen? Du bist kein Letherii, und du und diese Freunde von dir, die in der Schenke rumhängen, nun ja, niemand von euch war als Gefangener hier. Ich habe mich umgehört. Ihr seid von dem merkwürdigen Schiff, das in der Bucht vor Anker liegt.«
»Tja, Kapitän, das ist ganz einfach. Wir sind gekommen für all das Eis geht. Und so Brullyg hier belohnt uns. Wir Gäste. Königliche Gäste. Jetzt leisten wir Gesellschaft. Er lächelt die ganze Zeit nett. Wir auch nett.«
»Nette Idioten, glaube ich«, sagte der Mann draußen grummelnd – vermutlich der Erste Maat des Kapitäns. »Aber allmählich wird mein Arm müde – also geh zur Seite, und lass mich das verdammte Ding reinbringen.«
Galt warf einen Blick über die Schulter nach hinten, auf Masan Gilani, die auf Malazanisch sagte: »Warum schaust du mich an? Ich bin nur hier, um dafür zu sorgen, dass diesem Mann auch weiterhin die Zunge raushängt.«
Brullyg leckte sich Schweißperlen von den Lippen. Warum klappt es immer noch, obwohl ich es weiß? Bin ich tatsächlich so blöd? »Lasst sie rein«, sagte er leise. »Dann kann ich sie beruhigen und wieder wegschicken.«
Galt sah erneut Masan Gilani an, und obwohl sie nichts sagte, mussten sie sich doch irgendwie verständigt haben, denn er zuckte plötzlich die Schultern und trat zurück. »Kommt das Bier.«
Brullyg sah zwei Gestalten das Zimmer betreten. Die vordere war Skorgen Kagan, der Hübsche. Was bedeutete … ja. Der Möchtegern-König lächelte. »Shurq Elalle. Du bist nicht einen Tag älter geworden, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe. Und Skorgen – stell das Fass ab, bevor du dir die Schulter ausrenkst und der Liste deiner Gebrechen hinzufügen musst, dass du schief bist. Stich das verdammte Ding an, dann können wir alle was trinken. Oh«, fügte er hinzu, als er sah, dass die beiden Piraten die Soldaten erst jetzt richtig wahrnahmen – wobei Skorgen fast vor Schreck hochgeschnellt wäre, als er Läppchen in der Ecke entdeckte, der die Armbrust nun angelegt hatte –, »das sind ein paar von meinen königlichen Gästen. An der Tür: Galt. In der Ecke: Läppchen. Und dieses Liebchen hier mit einer Hand hinter meiner Sessellehne ist Masan Gilani.«
Shurq Elalle nahm sich einen der Stühle unweit der Tür und zog ihn so weit, dass er Brullyg gegenüberstand. Nachdem sie sich hingesetzt hatte, schlug sie die Beine übereinander und verschränkte die Hände in ihrem Schoß. »Brullyg, du halbverrückter betrügerischer Geizhals von einem Dreckskerl. Wenn du allein wärst, würde ich dir auf der Stelle deinen schwabbeligen Hals zudrücken.«
»Ich kann nicht behaupten, dass deine Feindseligkeit mich erschüttert«, antwortete Brullyg, der die Anwesenheit seiner malazanischen Leibwächter plötzlich als sehr beruhigend empfand. »Aber weißt du, es war nie so schlimm oder hässlich, wie du geglaubt hast. Du hast mir nur nie Gelegenheit gegeben, es zu erklären …«
Shurqs Lächeln war gleichermaßen schön wie düster. »Ach, Brullyg, du warst doch nie jemand, der irgendwas erklärt hat.«
»Ein Mann verändert sich.«
»Da wärst du der Erste.«
Brullyg widerstand der Versuchung, die Schultern zu zucken, denn das hätte ihm einen ziemlich hässlichen Schnitt auf dem Rücken beschert. Stattdessen hob er in einer entschuldigenden Geste die Arme. »Lass uns das beiseiteschieben. Das ist doch alles Geschichte. Die Unvergängliche Dankbarkeit ruht sicher und geborgen in meinem Hafen. Die Fracht ist entladen, und deine Geldbörse prall gefüllt. Ich nehme an, du brennst darauf, unsere gesegnete Insel zu verlassen.«
»So was in der Art«, antwortete sie. »Leider sieht es so aus, als hätten wir Schwierigkeiten, die … äh … Erlaubnis zu bekommen. Momentan blockiert das verdammt nochmal größte Schiff, das ich je gesehen habe, die Hafeneinfahrt, und eine schlanke Kriegsgaleere steuert den Hauptpier an, um dort anzulegen. Weißt du«, fügte sie mit einem weiteren flüchtigen Lächeln hinzu, »es fängt irgendwie an, wie eine … nun ja … Blockade auszusehen …«
Die Messerspitze verschwand aus Brullygs Rücken, und Masan Gilani kam um den Stuhl herum, während sie die Waffe wieder in die Scheide schob. Als sie nun sprach, tat sie das in einer Sprache, die Brullyg noch nie zuvor gehört hatte.
Läppchen hob erneut die Armbrust, zielte auf Brullyg und antwortete Masan in der gleichen Sprache.
Skorgen, der neben dem Fass gekniet und mit einem Handballen auf den Zapfhahn eingeschlagen hatte, stand auf. »Im Namen des Abtrünnigen, was geht hier vor, Brullyg?«
Von der Tür her erklang eine Stimme. »Nur dies. Dein Kapitän hat Recht. Unsere Warterei ist zu Ende.«
Der Soldat namens Gurgelschlitzer lehnte mit verschränkten Armen am Türrahmen. Er grinste Masan Gilani an. »Sind das nicht gute Neuigkeiten? Jetzt kannst du deine köstlichen Kurven und all das nehmen und zum Pier runtertänzeln – ich bin mir sicher, Urb und die anderen vermissen sie schon ganz furchtbar.«
Shurq Elalle, die immer noch auf ihrem Stuhl saß, seufzte vernehmlich. »Ich glaube nicht, dass wir diesen Raum so bald wieder verlassen werden, mein Hübscher. Warum holst du uns nicht ein paar Krüge und schenkst uns ein?«
»Sind wir Geiseln?«
»Nein, nein«, antwortete sein Kapitän. »Gäste.«
Mit deutlich stärker schwingenden Hüften als notwendig, schlenderte Masan Gilani aus dem Zimmer. Brullyg stöhnte leise.
»Wie ich vorhin schon gesagt habe«, murmelte Shurq, »Männer ändern sich nicht.« Sie blickte Galt an, der sich den anderen Stuhl herangezogen hatte. »Ich nehme an, ihr werdet nicht zulassen, dass ich diesen ekelhaften Wurm erwürge?«
»Tut mir leid, nein.« Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Zumindest nicht jetzt gleich.«
»Also, wer sind eure Freunde da unten im Hafen?«
Galt zwinkerte ihr zu. »Wir haben ein bisschen was zu erledigen, Kapitän. Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Insel ein wunderbares Hauptquartier abgibt.«
»Dein Letherii hat sich aber bemerkenswert verbessert.«
»Das muss an der netten Gesellschaft liegen, Kapitän.«
»Gib dir keine Mühe«, sagte Gurgelschlitzer, der immer noch am Türrahmen lehnte. »Totstink sagt, sie steht auf der falschen Seite vom Tor des Vermummten, ganz egal, was du siehst oder zu sehen glaubst.«
Galt erbleichte langsam.
»Ich weiß nicht so recht, was er damit meint«, sagte Shurq Elalle, die glutvollen Augen auf Galt gerichtet, »aber mein Appetit ist lebendig wie eh und je.«
»Das ist … widerlich.«
»Ich nehme an, es erklärt die Schweißperlen auf deiner Stirn.«
Galt wischte sich hastig über die Stirn. »Die ist ja noch schlimmer als Masan Gilani«, beklagte er sich.
Brullyg rutschte nervös auf seinem Stuhl herum. Die Wahl des richtigen Zeitpunkts. Darin waren diese verdammten Malazaner Meister. Meine Freiheit hätte wirklich ein bisschen länger währen können. »Beeil dich ein bisschen mit dem Bier, Hübscher.«
Festzustellen, dass man allein dastand – von allem losgelöst –, während eine unglückliche Armee sich unruhig wand, war der schlimmste Alptraum eines Befehlshabers. Und wenn du sie zu diesem Zeitpunkt auch noch dazu gebracht hast, sich geradewegs in die Wildnis eines Ozeans zu begeben, kann es eigentlich nicht mehr viel schlimmer kommen.
Die Wut hatte sie vereint. Für eine gewisse Zeit. Bis die Wahrheit einzusickern begann, wie Dasselfliegen-Maden unter die Haut. Ihr Heimatland wollte sie töten. Sie würden ihre Familien nicht wiedersehen – keine Frauen, keine Männer, keine Mütter, keine Väter. Keine Kinder, die man auf den Knien reiten lassen konnte, während man sich so seine Gedanken machte – sich fragte, in die Augen welches Nachbarn man jetzt wohl schaute. Keine Abgründe, die es zu überbrücken galt, keine Verletzungen, die geheilt werden mussten. Alle geliebten Menschen … so gut wie tot.
Armeen werden widerspenstig, wenn so etwas passiert. Es war fast genauso schlimm, wie keine Beute zu machen und keinen Sold zu bekommen.
Wir waren Soldaten des Imperiums. Unsere Familien waren auf unseren Lohn angewiesen, auf die Steuererleichterungen, die Ablösesummen und Pensionen. Viele von uns waren jung genug, um darüber nachzudenken, ihren Abschied zu nehmen und ein neues Leben anzufangen – ein Leben, bei dem man kein Schwert schwingen und irgendeinem zähnefletschenden Schläger in die Augen sehen musste, der einen in Stücke hauen will. Ein paar von uns waren verdammt müde.
Also – was hat uns zusammengehalten?
Nun ja, kein Schiff liebt es, allein zu segeln, oder?
Aber Faust Blistig wusste, dass da noch mehr war. Geronnenes Blut, das alle an Ort und Stelle hielt wie Leim. Das Brandmal des Verrats, der Stachel der Wut. Und eine Anführerin, die ihre eigene Liebe geopfert hatte, damit sie alle überleben konnten.
Er hatte zu viele Tage und Nächte an Bord der Geiferwolf verbracht, hatte keine fünf Schritt von der Mandata entfernt gestanden und ihren steifen Rücken gemustert, während sie auf die ruppigen Wogen hinausgestarrt hatte. Eine Frau, die nichts verriet – aber manche Dinge kann ein Sterblicher nicht verbergen, und eines dieser Dinge war Kummer. Er hatte sie gesehen und sich Fragen gestellt. Würde sie das alles überstehen?
Irgendjemand – vielleicht war es Keneb gewesen, der manchmal Tavore besser als alle anderen zu verstehen schien, vielleicht sogar besser als sie sich selbst – hatte dann eine schicksalhafte Entscheidung getroffen. Die Mandata hatte ihre Adjudantin verloren. In Malaz. Ihre Adjudantin – und ihre Geliebte. Nun, was die Geliebte anging, konnte möglicherweise nichts getan werden, aber die Rolle der Adjudantin war eine offizielle Position, und eine, die für jeden Befehlshaber unerlässlich war. In diesem Fall ging es natürlich nicht um einen Mann – es würde mit Sicherheit eine Frau sein müssen.
Blistig erinnerte sich an jene Nacht. Der elfte Glockenschlag war gerade über das Deck gehallt – die zerzauste Flotte, flankiert von den Kriegsthronen der Verender, hatte sich drei Tage östlich von Kartool und am Beginn eines weiten, nordwärts ausschwingenden Bogens befunden, der sie um die stürmischen, tödlichen Meeresstraßen zwischen der Insel Malaz und der Küste von Korel herumführen würde –, und die Mandata hatte allein knapp hinter dem Mast auf dem Vorderdeck gestanden, während der Wind unbeständig an ihrem Regenumhang gezupft hatte, was Blistig unwillkürlich an eine Krähe mit gebrochenen Flügeln hatte denken lassen. Und dann war eine zweite Gestalt aufgetaucht und dicht links neben Tavore stehen geblieben. Dort wo T’amber gestanden hätte. Wo jede Adjudantin einer Befehlshaberin gestanden hätte.
Tavore hatte erstaunt den Kopf gedreht, und dann waren Worte gewechselt worden – zu leise, als dass Blistig etwas hätte verstehen können –, und schließlich hatte der Neuankömmling salutiert.
Die Mandata ist allein. Genauso wie eine andere Frau, die anscheinend ebenso von kummervollen Gedanken erfüllt ist wie Tavore, aber diese andere besitzt eine Schärfe, einen Zorn, der so hart ist wie Arenstahl. Und sie hat nicht allzu viel Geduld, was möglicherweise genau das ist was hier gebraucht wird.
Warst du das, Keneb?
Natürlich hatte Lostara Yil, einst Hauptmann bei den Roten Klingen, mittlerweile nur noch eine weitere geächtete Soldatin, keinerlei Neigung gezeigt, eine Frau in ihr Bett zu nehmen. Genauer gesagt, hatte sie niemanden in ihr Bett genommen. Dabei war es keine Qual, sie anzusehen, wenn man eine Vorliebe für zerbrochenes Glas hatte, das wieder zusammengeflickt worden war. Und für Tätowierungen wie die Pardu sie trugen. Aber es war genauso wahrscheinlich, dass die Mandata nicht so dachte. Es war zu früh. Und die falsche Frau.
In der ganzen Flotte hatten Offiziere berichtet, dass die Soldaten über Meuterei tuschelten, ausgenommen – was mehr als merkwürdig war – die Seesoldaten, die niemals über die nächste Mahlzeit oder die nächste Runde Trog hinaus zu denken schienen. Bericht um Bericht, in immer nervöserem Tonfall vorgetragen, und es hatte den Anschein gehabt, als wäre die Mandata nicht willens oder nicht in der Lage, sich auch nur im Entferntesten damit zu beschäftigen.
Körperliche Wunden lassen sich sehr gut heilen; es sind die anderen, die eine Seele ausbluten lassen können.
Nach jener Nacht hatte Lostara Yil wie eine verdammte Zecke an einer mürrischen Tavore gehangen. Adjudantin der Befehlshaberin. Sie hatte gewusst, was sie zu tun hatte. Da von ihrer Befehlshaberin ganz offensichtlich keine Anweisungen gekommen waren, hatte Lostara Yil sich der Aufgabe angenommen, beinahe achttausend unglückliche Soldaten zu verwalten. Als Erstes war es nötig gewesen, die Sache mit dem Sold zu regeln. Die Flotte hatte Kurs auf Seft genommen, ein armseliges Königreich, das durch Bürgerkriege und die malazanische Einmischung in Stücke gerissen worden war. Vorräte mussten gekauft werden, aber noch wichtiger war, dass den Soldaten Landgänge erlaubt wurden, und dafür war Geld vonnöten – und das Versprechen, dass es mehr geben würde, wenn die ganze Armee nicht in den Hintergassen des ersten Hafens verschwinden sollte.
Die Truhen der Armee gaben nicht her, was nötig war.
Also machte Lostara Jagd auf Banaschar, den ehemaligen D’rek-Priester. Machte Jagd auf ihn und trieb ihn in die Enge. Und schlagartig waren die Schatztruhen wieder prall gefüllt.
Aber – warum Banaschar? Woher hat Lostara es gewusst?
Von Wühler natürlich. Dem dürren Zwerg, der mit diesen nicht ganz richtigen Bhok’arala in der Takelage rumturnt – ich habe ihn noch kein einziges Mal runterkommen gesehen, ganz egal, wie schlimm das Wetter auch sein mag. Dennoch hatte Wühler irgendwie über Banaschars verborgenen Geldbeutel Bescheid gewusst, und irgendwie hatte er es Lostara mitgeteilt.
Die Vierzehnte Armee war plötzlich reich gewesen. Natürlich wäre es verhängnisvoll gewesen, wenn man zu viel auf einen Schlag ausbezahlt hätte, aber das wusste Lostara. Es hatte gereicht, dass das Geld gesehen worden war und das Gerücht darüber sich wieselflink auf allen Schiffen der Flotte hatte ausbreiten können.
Da aber die Soldaten waren, was sie nun einmal waren, hatte es nicht lange gedauert, bis sie sich über etwas anderes beklagten, und dieses Mal hatte die Adjudantin der Mandata ihnen keine Antwort geben können.
Wo gehen wir hin, im Namen des Vermummten?
Sind wir immer noch eine Armee – und wenn wir noch eine sind, für wen kämpfen wir dann? Die Vorstellung, zu Söldnern zu werden, kam nicht sonderlich gut an, wie sich herausstellte.
Es ging das Gerücht, Lostara Yil hätte eines Nachts in der Kabine der Mandata einen Streit mit Tavore gehabt. Eine Nacht voller Schreie, voller Flüche … und vielleicht auch Tränen. Oder es war sonst etwas passiert. Etwas so Einfaches, wie dass Lostara ihre Befehlshaberin einfach mürbe gemacht hatte, wie D’reks Soldaten – die Würmer –, die an den Knöcheln der Erde nagten, schnipp-schnapp mittendurch. Was auch immer genau geschehen war, die Mandata war … aufgewacht. Die gesamte Vierzehnte war kurz davor gewesen auseinanderzufallen.
Die Fäuste sowie alle Offiziere im Range eines Hauptmanns oder höher waren zu einem Appell an Bord der Geiferwolf gerufen worden. Und zum allseitigen Erstaunen war Tavore an Deck gekommen und hatte eine Rede gehalten. Sünd und Banaschar waren ebenfalls da gewesen, und mittels Zauberei war dafür gesorgt worden, dass die Worte der Mandata von allen gehört werden konnten, selbst von den Mannschaften hoch oben in der Takelage und in den Krähennestern.
Eine verdammte Rede, beim Vermummten.
Von Tavore. Die die Lippen normalerweise fester zusammengekniffen hatte als eine Katze an Toggs Zitzen – aber damals hatte sie gesprochen. Nicht lang, nicht kompliziert. Und es war keine Großartigkeit oder Genialität zu spüren gewesen. Es war eine offene Rede – alle Worte vom staubigen Boden aufgehoben, auf einem durchgekauten Riemen aufgefädelt, und dann war noch nicht mal draufgespuckt worden, um sie zum Glänzen zu bringen. Es waren auch keine kostbaren Steine darin zu finden gewesen. Keine Perlen, keine Opale, keine Saphire.
Bestenfalls ungeschliffene Granate.
Bestenfalls.
An Tavores Schwertgürtel hatte ein Fingerknochen gehangen. Vergilbt, an einem Ende verkohlt. Sie hatte einige Zeit stumm dagestanden, ihre reizlosen Gesichtszüge hatten abgespannt gewirkt, gealtert, ihre Augen waren matt wie dreckiger Schiefer gewesen. Und als sie schließlich gesprochen hatte, war ihre Stimme leise, merkwürdig bedächtig, bar aller Gefühle gewesen.
Blistig konnte sich noch immer an jedes einzelne Wort erinnern.
»Es hat Armeen gegeben, befrachtet mit Namen und dem Erbe von Zusammenkünften, von Schlachten, von Verrat. Die Geschichte hinter dem Namen ist die geheime Sprache einer jeden Armee – eine Sprache, die niemand außer ihr verstehen und erst recht nicht sprechen kann. Das Erste Schwert Dassem Ultors – die Ebenen von Unta, die Hügel von Griss, Li Heng, Y’Ghatan. Die Brückenverbrenner – die Raraku, der Schwarzhundsumpf, der Mottwald, Fahl, Schwarz-Korall. Coltaines Siebte – der Gelor-Kamm, der Vathar und der Tag des Reinen Blutes, Sanimon, der Untergang.
Ein paar von euch haben die eine oder andere dieser Sprachen gesprochen – mit Kameraden, die nun gefallen, die nun Staub sind. Für euch sind sie die zersprungenen Behältnisse eures Kummers und eures Stolzes. Und ihr könnt nicht allzu lange auf einer Stelle stehen bleiben, sonst würde der Boden um eure Füße herum sich in bodenlosen Schlamm verwandeln.« Dann hatte sie den Blick gesenkt, einen Herzschlag lang, einen zweiten, ehe sie wieder aufgeblickt und die traurigen Gesichter gemustert hatte, die vor ihr aufgereiht waren.
»Auch wir Knochenjäger haben inzwischen unsere geheime Sprache. Grausam in ihrer Geburt in Aren, heruntergekommen in einem Strom aus altem Blut. Coltaines Blut. Ihr wisst das. Ich brauche euch das nicht zu erzählen. Wir haben unsere eigene Raraku. Wir haben unser eigenes Y’Ghatan. Wir haben Malaz – die Stadt Malaz.
In dem Bürgerkrieg auf Seft hat ein Kriegsherr die Armee eines Rivalen gefangen genommen und sie anschließend vernichtet – und zwar nicht, indem er die Soldaten abschlachten ließ; nein, er hat einfach nur den Befehl gegeben, dass die Waffenhand eines jeden Soldaten den Zeigefinger verlieren sollte. Die verstümmelten Soldaten wurden dann zum Rivalen des Kriegsherrn zurückgeschickt. Zwölftausend nutzlose Männer und Frauen. Die man ernähren musste, die man nach Hause schicken musste, die eine bittere Niederlage schlucken mussten. Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde ich … an diese Geschichte erinnert.«
Ja, hatte Blistig damals gedacht, und ich glaube, ich weiß auch, von wem. Bei den Götten, wir wissen es alle.
»Auch wir sind verstümmelt. In unseren Herzen. Ihr alle wisst das. Und daher tragen wir ein Knochenstück an unserem Gürtel. Das Erbe eines abgetrennten Fingers. Und ja, wir können nicht anders, als Bitterkeit zu empfinden.« Sie hatte eine Pause gemacht, mehrere Herzschläge lang geschwiegen, und er hatte das Gefühl gehabt, als hätte die Stille selbst in seinem Schädel geknirscht.
Dann hatte Tavore weitergesprochen. »Die Knochenjäger werden in unserer geheimen Sprache sprechen. Wir segeln, um unserer Bürde einen weiteren Namen hinzuzufügen, und es könnte sein, dass er sich als der letzte Name erweist. Ich glaube das nicht, aber das Gesicht der Zukunft liegt hinter Wolken verborgen – wir können es nicht sehen. Wir können nicht wissen, was geschehen wird.
Die Insel Sepik, ein Protektorat des malazanischen Imperiums, ist nun bar allen menschlichen Lebens. Männer, Frauen und Kinder – alle sinnlos abgeschlachtet. Wir kennen das Gesicht des Schlächters. Wir haben die dunklen Schiffe gesehen. Wir haben gesehen, wie die brutale Magie enthüllt wurde.
Wir sind Malazaner. Und das bleiben wir auch, ganz egal, was die Imperatrix sagt. Reicht das allein nicht schon, um zu reagieren?
Nein, das reicht nicht. Mitleid reicht niemals. Genauso wenig wie der Durst nach Rache. Aber vorerst und für das, was uns erwartet, wird es vielleicht ausreichen. Wir sind die Knochenjäger, und wir segeln einem weiteren Namen entgegen. Über Aren, über die Raraku und über Y’Ghatan hinaus überqueren wir jetzt die Welt, um den ersten Namen zu finden, der wirklich unser eigener ist. Den wir mit niemandem sonst teilen. Wir segeln, weil wir eine Antwort geben wollen.
Und da ist noch mehr. Aber darüber werde ich nichts sagen … nicht mehr, als dies: ›Was euch in der Abenddämmerung des Vergehens der alten Welt erwartet, wird … ohne Zeugen geschehen.‹ T’ambers Worte.« Eine weitere schmerzhafte lange Pause.
»Es sind harte Worte, und es könnte gut sein, dass sie Groll nähren, wenn wir so schwach sind, ihn zuzulassen. Aber ich als euer Befehlshaber sage zu diesen Worten dies: Wir werden unsere eigenen Zeugen sein, und das wird reichen. Es muss reichen. Es muss immer reichen.«
Selbst jetzt noch, mehr als ein Jahr später, fragte sich Blistig, ob sie gesagt hatte, was notwendig war. Ehrlich gesagt, war er sich nicht einmal sicher, was sie tatsächlich gesagt hatte. Was es bedeutete. Mit Zeugen, ohne Zeugen, ist das tatsächlich ein Unterschied? Aber er kannte die Antwort auf diese Frage, auch wenn er nicht genau sagen konnte, was er da wusste. Etwas rührte sich tief im Abgrund seiner Seele, als wenn seine Gedanken schwarze Wasser wären, die unsichtbare Felsen liebkosten, sich zu Formen krümmten, die nicht einmal Unwissenheit ändern konnte.
Nun, wie kann irgendwas von alledem einen Sinn ergeben? Ich verfüge nicht über die richtigen Worte.
Aber ich will verdammt sein. Sie hatte sie. Damals. Sie hatte sie.
Ohne Zeugen. In dieser Vorstellung lag etwas Verbrecherisches. Eine tiefe Ungerechtigkeit, über die er schimpfte. Schweigend. Wie alle anderen Soldaten der Knochenjäger. Vielleicht. Nein, ich täusche mich nicht – ich sehe etwas in ihren Augen. Ich kann es sehen. Wir schimpfen über Ungerechtigkeit, ja. Das, was wir tun, wird von niemandem gesehen werden. Unser Schicksal wird ungemessen bleiben.
Tavore, was hast du da aufgeweckt? Und – hol uns der Vermummte – was lässt dich glauben, dass wir irgendetwas von alledem gewachsen sind?
Es hatte keine Desertionen gegeben. Er verstand es nicht. Er glaubte nicht, dass er es jemals verstehen würde. Was in jener Nacht geschehen war, was bei jener merkwürdigen Rede geschehen war.
Sie hat uns gesagt, wir würden diejenigen, die wir lieben, niemals wiedersehen. Das hat sie uns gesagt, oder?
Womit für uns was geblieben ist?
Wir einander, nehme ich an.
»Wir werden unsere eigenen Zeugen sein.«
Und war das genug?
Vielleicht. Bis jetzt.
Aber jetzt sind wir hier. Wir sind angekommen. Die Flotte … die Flotte brennt – bei den Göttern, dass sie das wirklich tun würde. Es ist kein einziges Transportschiff mehr übrig. Sie sind verbrannt, sind vor dieser verdammten Küste auf den Meeresgrund gesunken. Wir sind … abgeschnitten.
Willkommen im Imperium von Lether, Knochenjäger.
Leider sind wir nicht gekommen, um zu feiern.
Das tückische Eis lag jetzt hinter ihnen, die zerbrochenen Berge, die das Meer erfüllt und sich auf den Finger geschoben hatten, um alles zu Staub zu zermalmen. Auf dem abgeschabten Felsen gab es keine Ruinen, über die man sich in ferner Zukunft hätte Gedanken machen können, dort war kein einziges Anzeichen menschlicher Existenz zurückgeblieben. Eis bedeutete die völlige Auslöschung. Es arbeitete nicht wie Sand, es deckte nicht einfach nur sämtliche Spuren zu. Es war genau so, wie die Jaghut es gewollt hatten: eine Negierung, eine Säuberung bis hinunter auf den nackten Fels.
Lostara Yil zog ihren pelzbesetzten Umhang enger um sich, als sie der Mandata zum Voderdeck der Geiferwolf folgte. Vor ihnen lag der geschützte Hafen; ein halbes Dutzend Schiffe ankerte in der Bucht, darunter die Silanda – deren um den Mast herum aufgehäufte Tiste-Andii-Köpfe unter einer dicken Persenning verborgen waren. Es war nicht leicht gewesen, die Knochenflöte von Gesler zu bekommen, wie sie sich erinnerte; und von den Soldaten der beiden Trupps, die an Bord des verfluchten Schiffs zurückgeblieben waren, war nur einer willens gewesen, sie zu benutzen: dieser Korporal –Totstink. Noch nicht einmal Sünd wollte die Flöte anrühren.
Vor der Teilung der Flotte hatte es ein wildes Hin und Her innerhalb der Trupps und Kompanien gegeben. Die Strategie für diesen Krieg erforderte gewisse Umstellungen, und, wie erwartet, waren nur die wenigsten von den Veränderungen begeistert. Soldaten sind so konservative Mistkerle.
Aber immerhin haben wir dafür gesorgt, dass Blistig keine echte Befehlsgewalt mehr hat – der ist wirklich schlimmer als ein alter Köter mit Rheuma.
Lostara, die immer noch darauf wartete, dass ihre Befehlshaberin zu sprechen begann, drehte sich um; sie wollte einen letzten Blick auf den Kriegsthron werfen, der die Hafeneinfahrt blockierte. Zur Zeit war das das einzige Schiff der Verender in diesen Gewässern. Sie hoffte, es würde ausreichen für das, was kommen würde.
»Wo ist der Trupp von Sergeant Strang jetzt?«, fragte die Mandata.
»An der Nordwestspitze der Insel«, antwortete Lostara. »Sünd hält das Eis fern …«
»Wie?«, wollte Tavore wissen, nicht zum ersten Mal.
Und Lostara konnte ihr nur die gleiche Antwort geben, die sie ihr schon unzählige Male zuvor gegeben hatte. »Ich weiß es nicht, Mandata.« Sie zögerte kurz, ehe sie hinzufügte: »Ebron glaubt, dass dieses Eis stirbt. Dass es zu einem Ritual der Jaghut gehört, das nun zerfällt. Er hat bemerkt, dass die Wasserlinien an den Klippen dieser Insel deutlich höher als irgendwelche früheren Hochwasserlinien sind.«
Darauf sagte die Mandata nichts. Der kalte, feuchte Wind schien ihr nichts auszumachen, wenn man davon absah, dass aus ihrem Gesicht jegliche Farbe gewichen war, als hätte sich das Blut aus sämtlichen oberflächlichen Gefäßen zurückgezogen. Ihre Haare waren sehr kurz geschnitten, als wollte sie jeden Hinweis auf ihre Weiblichkeit zunichtemachen.
»Wühler sagt, die Welt ertrinkt«, sagte Lostara.
Tavore wandte sich halb um und blickte zu den dunklen Wolkenschleiern am Himmel hinauf. »Wühler. Noch ein Geheimnis«, sagte sie.
»Er scheint in der Lage zu sein, sich mit den Naechts zu unterhalten, was … nun ja … bemerkenswert ist.«
»Er kann sich mit ihnen unterhalten? Es ist mittlerweile schon schwierig geworden, sie überhaupt auseinanderzuhalten.«
Die Geiferwolf schlängelte sich an den vor Anker liegenden Schiffen vorbei und hielt auf den steinernen Pier zu, auf dem zwei Gestalten standen. Vermutlich Sergeant Balsam und Totstink.
»Geht nach unten, Hauptmann, und sagt den anderen Bescheid, dass wir demnächst von Bord gehen«, sagte Tavore.
»In Ordnung, Mandata.«
Bleib eine Soldatin, sagte Lostara Yil zu sich, ein Satz, der hundert Mal am Tag flüsternd durch ihren Geist hallte. Bleib eine Soldatin, und alles andere wird vergehen.
Während das erste Licht der Morgendämmerung den Himmel im Osten fahl werden ließ, preschte eine Schar berittener Letherii die schmale Küstenstraße entlang, die Berme des hügeligen Ufers zu ihrer Linken, den undurchdringlichen, wild wuchernden Wald zu ihrer Rechten. Der Regen hatte sich in feuchten Nebel verwandelt, der den letzten Zugriff der nächtlichen Dunkelheit verstärkte, und das Hufgetrappel klang merkwürdig gedämpft und verhallte rasch, kaum dass der letzte Reiter außer Sicht war.
Pfützen auf dem Weg beruhigten sich wieder, waren aber noch trüb vom aufgewirbelten Schlamm. Die Nebelschwaden trieben wabernd zwischen die Bäume.
Eine Eule, die hoch oben auf dem Zweig eines toten Baums saß, hatte die Truppe vorbeireiten sehen. Als die Echos verhallten, blieb sie, wo sie war, reglos, die großen, niemals blinzelnden Augen auf ein wirres Durcheinander aus Büschen und Sträuchern zwischen schlanken Pappeln gerichtet. Wo etwas nicht so war, wie es zu sein schien. Und ein Unbehagen heraufbeschwor, das ausreichte, ihren räuberischen Geist zu verwirren.
Das Gestrüpp verschwamm, als würde es sich in einer heftigen Böe auflösen – obwohl kein Wind wehte –, und nachdem es verschwunden war, erhoben sich Gestalten, die aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schienen.
Die Eule kam zu dem Schluss, dass sie noch ein bisschen länger warten sollte. Auch wenn sie hungrig war, erfüllte sie nichtsdestotrotz eine seltsame Zufriedenheit, gefolgt von einer Art Zupfen in ihrem Geist, als ob etwas … fortgehen würde.
Buddl rollte sich auf den Rücken. »Mehr als dreißig Reiter«, sagte er. »Lanzenreiter, leicht gerüstet. Mit merkwürdigen Steigbügeln. Beim Vermummten, mir tut der Kopf weh. Ich hasse Mockra …«
»Genug genörgelt«, sagte Fiedler, während er zusah, wie sein Trupp – abgesehen von dem nun still daliegenden Buddl – sich zu regen begann, ebenso wie Geslers Leute wenige Schritte entfernt unter ein paar Bäumen. »Bist du dir sicher, dass sie nichts gerochen haben?«
»Diese vordersten Kundschafter sind fast auf uns draufgetreten«, sagte Buddl. »Da war irgendwas … besonders in einem von ihnen. Als ob er irgendwie … ich weiß nicht … besonders empfindlich gewesen wäre, nehme ich an. Er und diese verdammte hässliche Küste, an die wir nicht gehören …«
»Beantworte einfach nur meine Fragen«, unterbrach Fiedler ihn erneut.
»Wir hätten die Burschen überfallen sollen«, murmelte Koryk, während er die Knoten sämtlicher Fetische überprüfte, die er mit sich herumtrug; dann zog er seinen übergroßen Vorratspack heran, um die Riemen nachzusehen.
Fiedler schüttelte den Kopf. »Kein Kampf solange unsere Füße nicht trocken sind. Ich hasse das.«
»Und warum bist du dann ein verdammter Seesoldat, Sergeant?«
»Zufall. Außerdem waren das da Letherii. Wir sollen zunächst einmal jeden Kontakt mit ihnen vermeiden.«
»Ich habe Hunger«, sagte Buddl. »Obwohl … nein. Das war die Eule, verdammt. Wie auch immer, ihr würdet nicht glauben, wie es ist, nachts mit den Augen einer Eule zu sehen. So hell wie mittags in der Wüste.«
»Die Wüste«, sagte Starr. »Ich vermisse die Wüste.«
»Du würdest sogar ’nen Latrinengraben vermissen, wenn das der letzte Ort wäre, aus dem du rausgekrabbelt bist«, bemerkte Lächeln. »Koryk hatte seine Armbrust auf die Reiter gerichtet, Sergeant.«
»Was bist du – meine kleine Schwester?«, wollte Koryk wissen. Er ahmte Lächelns Stimme nach. »Koryk hat seinen Kindermacher nicht geschüttelt, nachdem er gepinkelt hat, Sergeant! Ich hab’s gesehen!«
»Gesehen?« Lächeln lachte. »So nah würde ich dir niemals kommen, Halbblut, glaub mir.«
»Sie wird besser«, sagte Krake zu Koryk, dessen einzige Antwort in einem Grummeln bestand.
»Seid still. Alle«, sagte Fiedler. »Wir wissen nicht, wer sonst noch in diesen Wäldern lebt – oder die Straße benutzt.«
»Wir sind allein«, erklärte Buddl, der sich langsam aufsetzte und die Hände seitlich an den Kopf legte. »Vierzehn grummelnde, furzende Soldaten zu verstecken ist nicht leicht. Und wenn wir in dichter bevölkerte Gebiete kommen, wird es noch schlimmer werden.«
»Einen erbärmlichen Magier dazu zu bringen, den Mund zu halten, ist sogar noch schwieriger«, sagte Fiedler. »Überprüft eure Ausrüstung. Alle. Ich will, dass wir noch viel tiefer in diesen Wäldern sind, bevor wir uns für den Tag eingraben.« Während des letzten Monats an Bord der Schiffe hatten die Knochenjäger ihren Schlafrhythmus geändert. Was eine verdammt harte Angelegenheit war, wie sich herausgestellt hatte. Immerhin war jetzt so ziemlich jeder anders eingestellt. Und außerdem haben wir unsere Sonnenbräune verloren. Fiedler begab sich zu Gesler, der ein Stück von ihm weg kauerte.
Abgesehen von diesem goldhäutigen Dreckskerl und seinem haarigen Korporal. »Sind deine Leute bereit?«
Gesler nickte. »Die Schweren beklagen sich, ihre Rüstungen würden anfangen zu rosten.«
»Solange sie dafür sorgen, dass sie nicht zu laut quietschen.« Fiedler warf einen Blick auf die ringsum hockenden Soldaten von Geslers Trupp und schaute dann zurück zu seinen eigenen Leuten. »Was für ’ne Armee«, murmelte er in sich hinein.
»Und was für ’ne Invasion, ja«, sagte Gesler zustimmend. »Kennst du irgendjemanden, der das schon mal auf diese Weise gemacht hat?«
Fiedler schüttelte den Kopf. »Aber auf eine bizarre Art ergibt es einen Sinn, oder? Den Berichten zufolge sind die Edur über eine große Fläche verteilt. Und Unterdrückte gibt es unzählige – all diese verdammten Letherii.«
»Die Truppe, die da gerade vorbeigeritten ist, hat auf mich nicht sonderlich unterdrückt gewirkt, Fid.«
»Nun, ich nehme an, wir werden’s rausfinden, oder? Und jetzt sollten wir mit dieser Invasion loslegen.«
»Einen Augenblick«, sagte Gesler. Er legte Fiedler eine von Narben übersäte Hand auf die Schulter. »Sie hat die verdammten Transportschiffe verbrannt, Fid.«
Der Sergeant zuckte zusammen.
»Es ist schwer, das falsch zu verstehen, würdest du das nicht auch sagen?«
»Worauf spielst du an, Gesler? Darauf, dass es an dieser Küste Patrouillen geben könnte, die vielleicht die Flammen gesehen haben, oder darauf, dass es für uns keinen Weg zurück mehr gibt?«
»Hol mich der Vermummte, ich kann immer nur einen Fleischbrocken auf einmal kauen, verstehst du? Fangen wir mit dem ersten an. Wenn ich dieses verdammte Imperium wäre, würde ich diese Küste mit Soldaten überschwemmen – noch bevor heute Abend die Sonne untergeht. Und ganz egal, wie viel Mockra unsere Truppmagier jetzt kennen, werden wir die Sache früher oder später vermasseln, Fid.«
»Bevor oder nachdem wir mit dem Blutvergießen angefangen haben?«
»Ich denke kein bisschen darüber nach, wie’s aussehen wird, wenn wir anfangen, Tiste Edur zu töten, beim Vermummten. Ich denke über heute nach.«
»Wenn irgendjemand über uns stolpert, werden wir dreckig und gemein, und dann machen wir uns wie geplant aus dem Staub.«
»Und versuchen, am Leben zu bleiben, na klar. Großartig. Und was ist, wenn diese Letherii nicht freundlich sind?«
»Dann machen wir einfach weiter und stehlen, was wir brauchen.«
»Wir hätten in großer Zahl an Land gehen müssen, nicht nur wir Seesoldaten. Mit ineinander verschränkten Schilden. Um dann zu sehen, was sie uns entgegenwerfen können.«
Fiedler rieb sich den Nacken. Er seufzte. »Du weißt, was sie uns entgegenwerfen können, Gesler. Nur wird beim nächsten Mal kein Schneller Ben in der Luft rumtanzen, der ihnen ebenbürtig ist, ganz egal, welchen Schrecken sie auch aufbieten. Wir haben einen Nachtkrieg vor uns. Hinterhalte. Messer im Dunkel. Zuschlagen und abhauen.«
»Ohne Ausweg.«
»Ja. Und deshalb frage ich mich, ob sie die Transportschiffe verbrannt hat, um ihnen zu sagen, dass wir hier sind, oder um uns klarzumachen, dass es sinnlos ist, über einen Rückzug nachzudenken. Oder beides.«
Gesler brummte. »›Ohne Zeugen‹ hat sie gesagt. Sind wir da angekommen? Jetzt schon?«
Schulterzuckend stand Fiedler halb auf. »Kann sein, Gesler. Machen wir, dass wir loskommen – die Vögel zwitschern schon beinahe so laut wie wir.«
Aber als sie tiefer in den feuchten, verrottenden Wald stapften, ging Fiedler Geslers letzte Frage nicht aus dem Kopf. Hat er Recht, Mandata? Sind wir schon da? Sie marschierten in Einheiten aus zwei Trupps in ein verdammtes Imperium ein. Auf sich allein gestellt und ohne Unterstützung; ob sie lebten oder starben, lastete auf den Schultern eines einzigen Truppmagiers. Was ist, wenn Buddl beim ersten Scharmützel getötet wird? Dann sind wir erledigt, das ist dann. Am besten, Corabb bleibt schön dicht bei ihm, und dann hoffen wir, dass dem alten Rebellen auch weiterhin das Glück hold ist.
Immerhin war zumindest das Warten vorbei. Und sie hatten endlich wieder festen Boden unter den Füßen; sie hatten alle wie Betrunkene geschwankt, als sie vom Strand hochgekommen waren, was unter anderen Umständen vielleicht lustig gewesen wäre. Aber nicht, wenn wir auch glatt mitten in eine Patrouille hätten hineinlaufen können. Jetzt fühlten sich die Dinge allerdings fest an. Dem Vermummten sei Dank. Nun, so fest, wie ein Boden sein konnte, der aus Moos, überwucherten Löchern und verdrehten Wurzeln bestand. Fast so schlimm wie im Schwarzhundsumpf. Nein, denk jetzt nicht daran. Schau nach vorn, Fid. Schau einfach nur nach vorn.
Irgendwo über ihnen war durch ein wirres Durcheinander aus Zweigen zu erkennen, dass der Himmel heller wurde.
»Wenn sich nochmal einer von euch beklagt, schneide ich mir die linke Titte ab.«
Ein Halbkreis aus Gesichtern gaffte sie an. Gut. Es gefiel ihr, wie toll das immer klappte.
»Feine Sache, dass die Schwimmerei dich gelöscht hat«, sagte Pfeifenkopf.
Sergeant Hellian starrte den großen Soldaten stirnrunzelnd an. Gelöscht? »Schwere sind Idioten, wisst ihr das? Eben.« Sie schaute nach unten und versuchte die Rumfässchen zu zählen, die sie aus dem Laderaum gerettet hatte, ehe die Flammen zu heftig geworden waren. Sechs, vielleicht auch zehn. Neun. Sie wedelte mit der Hand in Richtung der verschwommenen Ansammlung. »Jeder schafft Platz in seinem Rucksack. Eins für jeden.«
»Sollten wir nicht eigentlich Urb und seinen Trupp suchen?«, fragte Heikel Atemlos. »Sie müssten ganz in der Nähe sein.« Nach einer kurzen Pause sprach ihr Korporal noch einmal, dieses Mal mit einer anderen Stimme. »Er hat Recht. Pfeifenkopf, wo bist du nochmal hergekommen? Das Ufer rauf oder das Ufer runter?«
»Ich weiß es nicht mehr. Es war dunkel.«
»Wartet mal«, sagte Hellian. Sie machte einen Schritt zur Seite, um auf dem schwankenden Deck nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Nein, auf dem schwankenden Boden. »Du bist nicht in meinem Trupp, Pfeifenkopf. Geh weg.«
»Nichts würde ich lieber tun«, antwortete er und schaute mit zusammengekniffenen Augen die Mauer aus Bäumen an, die sie umgab. »Ich werde kein Fass verdammtes Bier tragen. Schau dich an, Sergeant, du bist von Kopf bis Fuß versengt.«
Hellian streckte sich. »Jetzt hör aber auf, wir sprechen hier über unverzichtbare Lebensmittel. Aber ich werde dir sagen, was noch viel schlimmer ist. Ich wette, dass irgendjemand das Feuer gesehen hat – und ich hoffe, der Narr, der es angezündet hat, ist jetzt selbst ein Haufen Asche, ja, das hoffe ich. Irgendjemand hat’s gesehen, das ist sicher.«
»Sergeant, sie haben alle Transportschiffe in Brand gesteckt«, sagte ein anderer von ihren Soldaten. Bart, breite Brust, stämmig wie ein Baumstamm und vermutlich auch nicht viel schlauer. Wie hieß er nochmal?
»Wer bist du?«
Der Mann rieb sich die Augen. »Balgrid.«
»Richtig, Balgi, und jetzt versuch mir zu erklären, wie irgendein Narr von Schiff zu Schiff geschwommen ist und alle in Brand gesteckt hat. Na? Tja, das habe ich mir gedacht.«
»Es kommt jemand«, zischte der Sappeur des Trupps.
Der mit dem albernen Namen. Einem Namen, den sie sich nie merken konnte. Magsein? Nein. Zuweilen? Unsicher? Oh, Vielleicht. Unser Sappeur heißt Vielleicht. Und sein Freund da drüben, das ist Lauten. Und das da ist Tavos Pond – der ist zu groß. Große Soldaten kriegen Pfeile in die Stirn. Warum ist er nicht tot? »Hat irgendjemand ’nen Bogen?«, fragte sie.
Ein Rascheln im Unterholz, dann tauchten zwei Gestalten aus der Düsternis auf.