Die Delfine von Pern - Anne McCaffrey - E-Book

Die Delfine von Pern E-Book

Anne McCaffrey

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Seedrachen von Pern

Als kleiner Junge wurde Readis, der Sohn eines Fischers, von großen Fischen vor dem Ertrinken gerettet. Nachdem die uralte KI Akkis bei Ausgrabungen entdeckt wurde, erfährt Readis, dass es gar keine Fische waren, sondern Meeressäuger. Die Delfine waren die zweite intelligente Spezies, die einst mit den Menschen nach Pern kam. Auf der Erde haben sie längst gelernt, mit den Menschen zu kommunizieren. Readis, sein Onkel Alemi und der Drachenreiter T’lion versuchen nun, den Delfinen wieder zu ihrem Platz in der Gesellschaft von Pern zu verhelfen. Inzwischen arbeiten andere Burgherren und Drachenreiter weiter an dem Plan Akkis, Pern für immer von der Gefahr, die von den tödlichen Fäden aus dem All ausgeht, zu befreien. Doch ihr Vorhaben ist äußerst gefährlich – für die Menschen und ihre Drachen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 532

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



ANNE McCAFFREY

 

 

 

DIE DELFINE VON PERN

Die Drachenreiter von Pern

Band 12

 

 

Roman

 

 

 

 

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Buch

Als kleiner Junge wurde Readis, der Sohn eines Fischers, von großen Fischen vor dem Ertrinken gerettet. Nachdem die uralte KI Akkis bei Ausgrabungen entdeckt wurde, erfährt Readis, dass es gar keine Fische waren, sondern Meeressäuger. Die Delfine waren die zweite intelligente Spezies, die einst mit den Menschen nach Pern kam. Auf der Erde haben sie längst gelernt, mit den Menschen zu kommunizieren. Readis, sein Onkel Alemi und der Drachenreiter T’lion versuchen nun, den Delfinen wieder zu ihrem Platz in der Gesellschaft von Pern zu verhelfen. Inzwischen arbeiten andere Burgherren und Drachenreiter weiter an dem Plan Akkis, Pern für immer von der Gefahr, die von den tödlichen Fäden aus dem All ausgeht, zu befreien. Doch ihr Vorhaben ist äußerst gefährlich – für die Menschen und ihre Drachen.

 

 

 

 

Die Autorin

Anne McCaffrey wurde am 1. April 1926 in Cambridge, Massachusetts, geboren, und schloss 1947 ihr Slawistik-Studium am Radcliffe College ab. Danach studierte sie Gesang und Opernregie. In den Fünfzigerjahren veröffentlichte sie ihre ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, ab 1956 widmete sie sich hauptberuflich dem Schreiben. 1967 erschien die erste Story über die Drachenreiter von Pern, »Weyr Search«, und gewann den Hugo Award im darauffolgenden Jahr. Für ihre zweite Drachenreiter-Story »Dragonrider« wurde sie 1969 mit dem Nebula Award ausgezeichnet. Anne McCaffrey war die erste Frau, die diese beiden Preise gewann, und kombinierte die beiden Geschichten später zu ihrem ersten Drachenreiter-Roman »Die Welt der Drachen«. 1970 wanderte sie nach Irland aus, wo sie Rennpferde züchtete. Bis zu ihrem Tod am 21. November 2011 im Alter von 85 Jahren setzte sie ihre große Drachenreiter-Saga fort, zuletzt zusammen mit ihrem Sohn Todd.

 

 

 

 

 

www.diezukunft.de

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

 

 

 

Titel der Originalausgabe

 

THE DOLPHINS OF PERN

 

Aus dem Amerikanischen von Barbara Ostrop

 

 

 

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1994 by Anne McCaffrey

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München

Karte: Andreas Hancock

Satz: Thomas Menne

 

ISBN 978-3-641-20976-6V002

 

 

 

Für meine Enkeltochter

ELIZA ORIANA JOHNSON

eine abrufbereite Prinzessin

 

 

 

DANK

 

Wieder danke ich Dr. Jack Cohen für seine Hilfe, wenn es darum ging, auf dem geraden und nicht sehr schmalen Pfad Newtonscher Physik zu bleiben, für seine Unterstützung in Hinblick auf die gewöhnliche Biologie Terras und dafür, dass er alle für Pern erforderlichen biologischen Fakten erdacht hat.

Außerdem möchte ich Rick Hobson vom Whale Conservation Institute in Lincoln, Massachusetts, für seinen Überblick über das zu Delfinen und ihrem Verhalten verfügbare Material danken. Durch Rick Hobsons Vermittlung konnten meine Tochter und ich Aphrodite und ihren Sohn AJ im Dolphin Research Center von Grassy Key, Florida, kennenlernen und mit ihnen schwimmen. Diese Erfahrung wird ihren Wert für mich behalten und ebenso der ›Besuch‹, bei dem wir auf dem Floß saßen und Dart, Little Bit und den anderen Delfinen dabei zusahen und zuhörten, wie sie bei Sonnenuntergang im Wasser spielten und mit uns ›sprachen‹.

Wer das Privileg hatte, im Dolphin Research Center zu schwimmen, wird viele der Namen, die ich verwendet habe, wiedererkennen. Nun, warum denn nicht? Ich habe die Delfine kennengelernt und wusste zu schätzen, dass sie mich, einen Menschen, anerkannten. Sie lernen viele von uns kennen und vergessen uns wieder. Aber ich vergesse sie nicht!

Prolog

 

102 Jahre nach der Landung

 

Kibbe zog ein letztes Mal am Glockenseil. Er und Corey hatten sich den ganzen Vormittag abgewechselt, doch nun hatte die Sonne auf dem Hochland schon ihren höchsten Punkt überschritten, und noch immer reagierte keiner. Normalerweise kam jemand aus dem Menschenort auf den Pier, und sei es auch nur einer der Bootsführer. Doch die Boote schaukelten unter dem Landungssteg vor Anker, und es war offensichtlich, dass schon eine ganze Weile niemand mehr mit ihnen auf See gefahren war, nicht einmal zum Fischen.

Corey klickte ihn angewidert an. Die anderen Delfine ihrer Schule waren schon längst auf eigene Faust zum Fischfang losgezogen, hatten nicht die Geduld gehabt, auf Menschen zu warten, die sie vielleicht füttern würden, während zu dieser Jahreszeit im fischreichen nördlichen Wasser genug Beute zu fangen war. Sie signalisierte ihren Hunger durch ›Blasen‹, denn aus Ärger über den Mangel an menschlicher Aufmerksamkeit verweigerte sie das Sprechen.

»Es hat eine Krankheit gegeben. Ben hat es uns erzählt«, erinnerte sie Kibbe.

»Es ging ihm nicht gut«, antwortete Corey und verwendete widerstrebend Sprache, um ihren Gedanken mitzuteilen. »Menschen können sterben.«

»Ja, das stimmt.« Als Führer seiner Schule und eines ihrer ältesten Mitglieder hatte er zwei Delfineure als Partner gehabt. Noch immer erinnerte er sich zärtlich an Amy, die erste. Sie war so sehr Wassergeschöpf gewesen wie er, selbst wenn sie Langfüße trug und keine Finne hatte. Sie hatte sich bestens darauf verstanden, ihm die Haut zu kratzen, und wusste genau, wo sie alte Haut abpellen musste. Als er verletzt war, hatte sie Tag und Nacht im Wasser bei seinem Haltegestell gewacht, bis sie wusste, dass er sich erholen würde. Er hätte diese klaffende Wunde nie überlebt, hätte sie sie nicht genäht und ihm die Medizin der Menschen gegeben, die eine Entzündung verhinderte.

Corey hatte nur zu einem Menschen Beziehungen gehabt, und den hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Das erklärte, warum sie so skeptisch war. Sie war nicht so lange mit Menschen verbunden gewesen wie Kibbe. Der Kontakt fehlte ihm. Sie hatten gut zusammengearbeitet, und noch immer gab es lange Küstenlinien, die nicht kartiert waren, und große Fischschwärme, die man hätte aufspüren können. Die Arbeit hatte Spaß gemacht, und es hatte immer Zeit zum Spielen gegeben. Doch bei dem Bemühen, den Vertrag der Delfine mit den Menschen einzuhalten, hatte er in letzter Zeit nur noch den Schiffen folgen können, um sicherzugehen, dass kein Mensch von Bord fiel, ohne dass ein Delfin zu seiner Rettung bereitstand. Er war sich nicht einmal sicher, ob seine Warnungen bezüglich drohender Stürme berücksichtigt wurden: Die Menschen missachteten manchmal guten Rat, insbesondere wenn der Fischfang reich war.

Kibbe war einer von denen, die dazu ausersehen worden waren, eine Zeitlang nahe der nordwestlichen Senkströmung zu dienen; hier lebte die Tillek, die aus allen Delfinschulen um ihrer Weisheit willen auserwählt worden war. Der Name des Leittiers einer Schule beruhte ebenfalls auf der Tradition. Wie den anderen Traditionsvermittlern unter den Delfinen hatte die Tillek ihm erklärt, warum die Delfine den Menschen auf diese Welt gefolgt waren, weit weg von den Wassern der Erde, wo sie sich entwickelt hatten: Um der Möglichkeit willen, im sauberen Wasser eines unverschmutzten Planeten zu schwimmen und so zu leben, wie die Delfine gelebt hatten, bevor die Tech-no-lo-gie (er hatte gelernt, dieses Wort sehr sorgfältig auszusprechen) die alten Ozeane der Menschheit verdorben hatte. Er wusste und lehrte zum Erstaunen der anderen, dass die Delfine einst an Land gelebt hatten. Das war der Grund, warum sie Luft atmeten und von Natur aus dazu gezwungen waren, an die Wasseroberfläche zu kommen, um Sauerstoff zu tanken. Er lauschte Erzählungen, die so alt waren, dass nicht einmal jene, die sie der Tillek gelehrt hatten, ihren Ursprung kannten: dass die Delfine Boten der Götter gewesen seien, die im Meer ertrunkene Menschen in deren ›Unterwelt‹ geleiteten. Da die Delfine das Meer als Unterwelt betrachteten, verursachte dies einige Verwirrung. Die Unterwelt der Menschen hingegen war der Ort, an den die ›Seelen‹ gingen – was auch immer ›Seelen‹ waren.

Eine von Kibbes Lieblingserzählungen trug die Tillek immer mit großem Stolz vor: Wie die Delfine einmal jenen Ehre erwiesen hatten, die umgekommen waren, als eines der Raumschiffe im Meeres-Himmel zerschellte. Seit damals nahmen die Delfine von Pern an diesen Bestattungsriten teil. Es war eine Zeremonie, die die Delfine nicht auf Verlangen der Menschen in ihre Tradition aufgenommen hatten, aber die Menschen schienen immer dankbar dafür zu sein.

Großes Gewicht wurde darauf gelegt, die Namen jener Delfine zu erlernen, die den Großen Schlaf geschlafen und die Menschheit zu den klaren, neuen Wassern von Pern begleitet hatten. Nach ihnen wurden die jungen Kälber benannt, und auf diese Weise gedachte man jener Delfine und derjenigen, die in den Jahren vor den Fäden geboren waren. Zu den Namen war eine Delfinmusik entstanden, die auf den langen Reisen in den Großen Strömungen gesungen werden konnte; der Namensgesang wurde immer angestimmt, bevor die jungen Delfine sich an der Durchquerung des großen Wirbels bei der nordwestlichen Senkströmung versuchten oder auch beim kleineren Wirbel im Ostmeer.

Einen Teil der von der Tillek berichteten Vorkommnisse musste man einfach deswegen lernen, weil sie im Rahmen der Gesamtgeschichte von Bedeutung waren. Der Große Schlaf zum Beispiel verwirrte selbst das klügste Kalb, ob Männchen oder Weibchen, weil Delfine keinen Schlaf brauchten. Dass Delfine fünfzehn Jahre lang geschlafen hatten, war einfach unglaublich. Sie wussten wohl, dass die funkelnden Lichtpunkte am Himmel ›Sterne‹ hießen, doch schien es sehr viele davon zu geben, und die Tillek konnte ihnen nicht sagen, welcher davon die Alte Erde war. Die Menschen hatten ein Gerät, mit dem sie in die Ferne sehen konnten; die Delfine allerdings konnten die Sterne, da sie sich außerhalb des Wassers befanden, nicht mit Schallwellen anpeilen. In der Morgen- und Abenddämmerung gab es drei beständige Lichtpunkte. Der Tillek zufolge waren dies die Raumschiffe, die Menschen und Delfine nach Pern gebracht hatten. Das müsse man einfach so glauben, denn sie habe diese Tatsachen von der Tillek erfahren, die sie unterrichtete. Dies war sowohl eine Tatsache als auch eine Glaubenssache, denn man musste es glauben, obwohl man es nie selbst erfahren konnte. Es war Geschichte.

Und die Geschichte war ein weiteres der Großen Geschenke, das die Menschheit den Delfinen gemacht hatte. Um der Geschichte willen hatten die Delfine das Größte Geschenk erhalten: die Fähigkeit des Sprechens. Denn mit dem Größten Geschenk konnten sie die Worte der Geschichte wiederholen: Worte, die so ausgesprochen wurden, wie die Menschen sie aussprachen, nicht wie Delfinlaute. So konnten sie den Menschen gegenüber und untereinander ausdrücken, was sich nur mit Worten und nicht mit den Lauten des Meeres ausdrücken lässt.

Kibbe hatte all die Worte, die Menschen den Delfinen gegenüber benutzten, und ihre besonderen Unterwasser-Signale sehr leicht gelernt. Auch im Singen dieser Worte war er gut, so dass die jungen Delfine seiner Schule mit ihnen vertraut waren, sollten sie dazu auserwählt werden, in den Wassern der Tillek ihre Ausbildung zu vervollständigen. Kibbe kannte die Tradition, in deren Rahmen Menschen und Delfine eine besondere Beziehung hatten: Delfine beschützten die Menschen nach besten Kräften auf der Wasseroberfläche oder im Wasser und taten alles, in welchem Wetter und unter wie gefährlichen Umständen auch immer, selbst um den Preis des Delfinlebens, um die hilflosen Menschen zu retten; sie warnten die Menschen vor Unwettern, zeigten ihnen die Schwärme der von ihnen bevorzugten Fische und warnten sie vor den Gefahren des Meeres. Im Gegenzug für diese Dienste versprachen die Menschen, alle Blutfische zu entfernen, die sich am Delfinkörper festsaugen mochten, gestrandete Delfine wieder ins Wasser zurückzubefördern, kranke und verwundete Delfine zu heilen, mit den Delfinen zu sprechen und ihr Partner zu sein, wenn der Delfin dazu bereit war.

In den Anfangsjahren auf Pern hatten Menschen und Delfine großes Vergnügen daran gefunden, die neuen Meere zu erkunden; es waren grundlegende Jahre gewesen: die Lebensjahre des Menschen Tillek, den alle verehrt hatten. In der Monaco-Bucht war eine Delfinglocke angebracht worden, und Land- und Seebewohner hatten versprochen, zur Glocke zu kommen, wann immer sie geläutet wurde. In jenen Tagen hatten die jungen Delfine jeder einen menschlichen Partner, der bei Erkundungszügen half, bei der Erforschung der Meere, der tiefen Abgründe und der Großen Strömungen – der Zwei Senkströmungen, der Größeren und der Kleineren, und der Vier Aufströmungen. Sie waren höflich miteinander umgegangen, die landbereisenden und die seefahrenden Menschen.

Die Tillek sprach immer respektvoll von den Menschen und bestrafte streng jedes Kalb, das die Bezeichnungen ›Langfuß‹ oder ›Finnenloser‹ benutzte. Wenn die dummen Jungdelfine sich beklagten, dass die Menschen den Vertrag nicht mehr einhielten, dann wies die Tillek sie streng zurecht, dies befreie die Delfine nicht von ihrem Teil der Übereinkunft. Die Menschen hatten die Erforschung Perns einstellen müssen, um das Land gegen die Fädenfälle zu beschützen.

Die Dümmsten veranlasste dies zu laut klickenden Kundgebungen der Belustigung. Warum aßen die Menschen die Fäden nicht einfach auf, so wie die Delfine es taten?

Die Menschen lebten an Land, antwortete die Tillek, und dort gingen die Fäden nicht wie im Meer unter, sondern sie setzten sich am Menschen fest wie ein Blutfisch und saugten das Leben aus seinem Körper. Und zwar nicht allmählich, sondern innerhalb nur weniger Atemzüge – der menschliche Körper wurde in der Tat völlig aufgezehrt.

Dies war ein weiterer Punkt, den die Delfine als Glaubenssache hinnehmen mussten, und zwar so gewiss, wie sie glaubten, dass die Fäden eine gute Nahrung seien.

Dann erzählte die Tillek aus der Geschichte, sprach vom Tag des ersten Fädenfalls auf Pern und wie die Fäden sich vom Fleisch der Menschen nährten. Wie die Menschen in einem heftigen Kampf Feuer zur Hilfe genommen hatten – eine Hitze- und Lichtquelle, die die Küstendelfine sehen konnten, aber niemals gespürt hatten –, um die Fäden am Himmel zu verbrennen, bevor sie auf das Land fielen und es verzehrten oder auf die Menschen und die Tiere der Menschen und diese verzehrten. Als alles, was die Menschen von der Alten Erde mitgebracht hatten, aufgebraucht war, hatten die Delfine den Menschen geholfen, die vielen Boote der Dunkirk nach Norden zu segeln, wo sie in großen Höhlen Schutz suchen konnten, nachdem sie die angenehm warmen Wasser des Südens verlassen hatten. Kibbe hatte immer den Erzählungen gelauscht, wie die Delfine den Booten dabei geholfen hatten, trotz der Stürme und der Gefahren der Großen Strömungen die weite Reise zu bestehen. Auch bei Fort hatte es eine Delfinglocke gegeben, und viele gute Jahre der Zusammenarbeit zwischen den Delfinen und ihren Partnern waren gefolgt. Bis die Krankheit ausbrach.

Kibbe wusste, dass nicht alle Menschen gestorben waren: Noch immer segelten mit Menschen bemannte Schiffe, und an Land konnte man Menschen bei der Arbeit sehen – wenn nicht gerade Fäden niedergingen.

Da Kibbe einen Partner gehabt hatte, kannte er die Menschen und ihre Hilflosigkeit und wusste auch, mit welchem Geschick sie Delfine bei den wenigen Erkrankungen behandelten, für die sie anfällig waren. Doch den jüngeren Tieren seiner Schule fehlte diese Erfahrung, und sie fragten, warum sie sich darum scheren sollten.

»Das ist Tradition. Wir haben es immer so gehalten wie jetzt. Wir werden die Tradition immer befolgen.«

»Was wollen die Menschen denn im Wasser? Sie können sich nicht den Strömungen anvertrauen, wie wir es tun.«

»Früher einmal schwammen die Menschen so gut wie Delfine«, antwortete Kibbe dann immer.

»Aber wir können auch nicht auf dem Land laufen«, gaben die Kälber zurück. »Warum sollten wir überhaupt den Wunsch haben?«

»Wir sind von verschiedenem Fleisch und haben verschiedene Bedürfnisse: Delfine gehören zum Wasser, Menschen zum Land. Jeder auf seine eigene Art.«

»Warum bleiben die Menschen nicht an Land und überlassen das Wasser uns?«

»Sie brauchen die Fische im Meer genau wie wir«, erklärte Kibbe dann. Man musste den Jungen viele Male das Gleiche sagen, bis sie schließlich verstanden. »Sie müssen zu anderen Orten auf dem Land reisen, und der einzige Weg geht über das Wasser.«

»Sie haben Drachen, mit denen sie fliegen können.«

»Nicht jeder Mensch hat einen Drachen.«

»Mögen die Drachen uns?«

»Ich glaube schon, wenn ich auch in letzter Zeit nur wenige von ihnen gesehen habe. Früher einmal, so hat man mich gelehrt, sind sie mit uns im Meer geschwommen.«

»Wie können sie mit diesen großen Flügeln schwimmen?«

»Sie legen sie auf dem Rücken an.«

»Komische Geschöpfe.«

»Viele Geschöpfe des Landes sehen für uns merkwürdig aus«, sagte Kibbe dann immer, während er elegant und ohne jede Anstrengung neben den von ihm unterrichteten Kälbern herschoss.

Bei sich dachte Kibbe, dass die Menschen unbeholfene, ungeschickte Wesen waren, ob nun im Wasser oder außerhalb. Im Wasser waren sie um ein weniges anmutiger, insbesondere wenn sie wie Delfine mit geschlossenen Beinen schwammen. Die Art, wie manche von ihnen mit getrennt sich bewegenden Gliedmaßen herumplanschten, kostete viel Energie.

Heutzutage befolgten die Menschen nicht mehr die von den Vorfahren beider Arten festgelegten Umgangsformen. Nur selten beugte sich ein Kapitän über die Reling, wenn Delfine das Schiff begleiteten, und fragte, ob in den Schulen alles gutgehe und wo die Fischschwärme stünden. Sehr wenige gaben ihrer Eskorte einen symbolischen Fisch für ihre Unterstützung. Natürlich war es schon viele Jahre her, seit Delfine untergegangene Kisten von Menschen gefunden und diese darauf aufmerksam gemacht hatten. So wie es schon viele Jahre her war, dass Delfineure mit ihren Partnern lange Strecken geschwommen waren. Traurig, wie die Tradition niederging, dachte Kibbe. Genau wie das Ausbleiben der Antwort auf die Glocke.

Noch einmal schwamm er am Kai entlang und betrachtete die verlassene Anlage. Ein letztes Mal zog er an der Glocke, und ihr Klang kam ihm so traurig vor, wie er selbst es angesichts der Stille war, die nun dort herrschte, wo es früher von Menschen gewimmelt hatte, und noch trauriger war ihm zu Mute, wenn er an die erfolgreiche Arbeit dachte, die sie zusammen geleistet hatten, und an die gemeinsamen Spiele.

Mit einem endgültigen Schlag seiner Schwanzflosse wendete er und machte sich auf die lange Rückreise zur Großen Senkströmung im Nordwest-Meer, um der Tillek Bescheid zu geben, dass wieder keiner auf die Glocke reagiert hatte. Die Menschen, die auf den Schiffen segelten, würden über die neuen Gefahren, die die Delfine ihnen pflichtbewusst hatten mitteilen wollen, nichts erfahren. Das Wasser von Pern veränderte das Land von Pern, doch das war der natürliche Lauf der Dinge. So sagte zumindest die Tillek. Die Delfine würden ihre Patrouillen entlang der Küste beibehalten, und wenn ihnen jemals ein Mensch zuhören sollte, so konnten sie ihm wenigsten berichten, was sich verändert hatte, und sein Schiff davor bewahren, an unerwarteten Riffen oder Felsen zu zerschellen; oder ihn vor Veränderungen der Strömungen warnen, die für die Schiffe und ihre menschliche Besatzung eine Gefahr darstellen mochten.

1

 

Als Fischermeister Alemi an diesem Morgen zu Readis' Haus kam, war sein Angelkamerad schon fertig und erwartete ihn.

»Ich dachte, du würdest nie kommen, Onkel Alemi«, sagte Readis mit einem Hauch von Anklage in der Stimme.

 

»Seit einer Stunde«, erklärte Aramina Alemi mit ernster, ein Lächeln unterdrückender Miene, »ist er auf der Veranda. Beim Morgengrauen war er schon auf!« Angesichts dieser übersteigerten Vorfreude verdrehte sie die Augen.

»Onkel Alemi sagt, bei Sonnenaufgang beißt der Fisch am besten«, erklärte Readis seiner Mutter herablassend, während er die drei Stufen hinabsprang und die schwielige Hand seines Nenn-Onkels fest ergriff.

»Ich weiß nicht, was ihn mehr aufregt: das Angeln mit dir oder dass er heute Abend mit zu Swackys Fest kommen darf.« Dann drohte sie ihrem kleinen Sohn mit dem Finger. »Vergiss nicht, dass du heute einen Mittagsschlaf machen musst.«

»Ich habe alles zusammen, um jetzt Angeln zu gehen«, überspielte Readis die Drohung. »Ich habe mein Vesper« – er schwenkte einen Netzbeutel, in dem eine Wasserflasche und ein eingewickeltes Vesperbrot lagen – »und meine Weste.« Letzteres fügte er etwas verächtlich hinzu.

»Du wirst gemerkt haben, dass ich meine auch trage«, sagte Alemi und schüttelte die zutrauliche kleine Hand ein wenig.

Aramina kicherte. »Das ist auch der einzige Grund, warum er die seine trägt.«

»Ich schwimme gut!«, verkündete Readis laut und deutlich. »Ich schwimme so gut wie jeder Geleitfisch!«

»Das ist wahr«, stimmte seine Mutter freundlich zu.

»Sollt' ich's nicht wissen, hab's dir doch beigebracht?«, gab Alemi fröhlich zur Antwort. »Und ich kann viel besser schwimmen, und in einem kleinen Boot benutz ich trotzdem eine Weste.«

»Un' bei stürmischem Wetter«, fügte Readis hinzu, um zu beweisen, dass er die ganze Lektion über Schwimmwesten kannte. »Meine hat meine Mutter gemacht«, ergänzte er stolz, wölbte die Brust unter der Weste und grinste zu ihr hoch. »Mit Liebe – Stich für Stich!«

»Komm schon, Bursche, auf geht's«, sagte Alemi.

Mit der freien Hand winkte er Aramina zum Abschied und führte seinen kleinen Schützling zum Strand und dem Boot hinunter, das sie zu der Stelle hinausbringen würde, wo Alemi die großen Rotfische zu fangen hoffte, die er für Swackys Feier am Abend versprochen hatte.

Swacky war ein Teil von Readis' Leben, solange er denken konnte. Der untersetzte ehemalige Soldat hatte sich Jayge und Aramina angeschlossen, als Tante Temma und Onkel Nazer aus dem Norden gekommen waren. Er lebte auf einem der kleineren Güter und ging bei einer Vielzahl von notwendigen Aufgaben im Paradiesfluss-Gut zur Hand. Von allen Burgen, auf denen er gedient hatte, konnte Swacky dem faszinierten kleinen Jungen Wächtergeschichten erzählen. Readis' Vater, Jayge, sprach nie von dem Renegaten-Problem, das ihn und Swacky zusammengeführt hatte. Und Swacky war zwar wütend auf die Renegaten und vergab ihnen nicht, dass sie »unschuldige Menschen und Tiere niedermetzelten, nur um ihr Blut fließen zu sehen«, ließ aber nie verlauten, was genau Jayge in jenen Tagen getan hatte, außer dass es mit einer Gruppe von Renegaten in Zusammenhang stand, die den zu Jayges Familie gehörenden Lilcamp-Wagenzug angegriffen hatten.

Hätte man Readis gefragt, welchen Mann er am liebsten mochte – abgesehen von seinem Vater natürlich –, Swacky oder Alemi, so wäre ihm die Entscheidung schwer gefallen.

Beide Männer hatten einen hohen Stellenwert in seinem jungen Leben, doch aus unterschiedlichen Gründen. Heute würde Readis von beiden das Beste genießen: Am Morgen Angeln mit Alemi, und am Abend Swackys Feier seines fünfundsiebzigsten Planetenumlaufs.

Gemeinsam schoben sie die Jolle den Sandstrand hinunter und in das sanft plätschernde Wasser. Als sie so weit nach draußen gewatet waren, dass das Wasser Readis bis zum Oberschenkel ging, machte Alemi ihm ein Zeichen, er solle ins Boot springen und das Ruder nehmen. Das war der Hauptunterschied zwischen Readis' zwei Idolen: Swacky redete viel; Alemi benutzte Gesten, wo der andere Mann Worte verwendet hätte.

Mit einem kräftigen letzten Schubs schob Alemi die Jolle durch die ersten kleinen Brecher und sprang hinein. Auf eine andere vertraute Geste hin schlüpfte Readis zum Heck und wriggte mit dem Paddel, damit das Boot geradeaus weiterlief, während Alemi das Segel hisste und den Baum ausbrachte. Die vom Land her wehende Morgenbrise füllte das Segel, und Readis legte das Paddel beiseite und griff nach dem Schwert, schob es durch seinen Schlitz im Heck und sicherte es mit einem Stift.

»Hart nach Backbord«, rief Alemi und begleitete das Kommando mit den entsprechenden Gesten. Als der Baum herüberschwang, duckte er sich geschickt und fierte die Leinen, bevor er sich auf den Platz neben seinem Bootsgenossen niederließ. Er reffte das Segel, legte dann den freien Arm hinter Readis und beobachtete, mit welcher instinktiven Sicherheit der Junge das Ruder führte.

Alemis Frau hatte ihm drei gesunde Mädchen geschenkt und war mit einem vierten Kind schwanger, von dem beide inbrünstig hofften, es werde ein Sohn sein. Bis dahin ›übte‹ Alemi mit Readis. Jayge war damit einverstanden, denn es würde einem Gutsbesitzer an der Küste gut zustatten kommen, wenn er die Launen der See einschätzen konnte und ihren Reichtum zu nutzen wusste, und für Readis würde es von Vorteil sein, mehr als ein Handwerk zu beherrschen.

Alemi sog die vom Land kommende Brise ein, die nach Pflanzen und exotischen Blüten duftete. Er ging davon aus, dass der Wind sich drehen würde, wenn sie einmal aus dem Mündungsgebiet des Paradiesflusses heraus waren. Er hatte nicht vor, weit vom Land wegzusegeln, doch auf der landwärts gelegenen Seite der Großen Südlichen Strömung würden sie bestimmt Rotfische finden, die diesen Teil des Meeres in großen Schwärmen durchzogen. Gestern hatte Alemi die zwei kleineren Schiffe seiner bescheidenen Flotte zu diesen Schwärmen ausgeschickt. Sobald die Reparaturarbeiten an seinem größeren Kutter abgeschlossen waren, würden er und seine Mannschaft sich ihnen anschließen. Alemi war eigentlich ganz froh, an Swackys Fest noch teilnehmen zu können. Vielleicht versäumte er so einen Fischtag, doch solange sein Hauptsegel nicht repariert war, konnte er nicht in See stechen.

Als sie die Flussmündung und ihr kabbeliges Wasser erreichten, bockte und sprang die kleine Jolle. Readis lachte glucksend über das Hüpfen und Schaukeln. Nicht gerade ängstlich, der Bursche, und kein einziges Mal hatte er bisher die Fische gefüttert. Was mehr war, als man von so manchem erwachsenen Mann behaupten konnte.

Dann erblickte Alemi das Glitzern auf der Wasseroberfläche und berührte Readis an der Schulter. Der Junge lehnte sich gegen ihn, folgte mit den Augen dem ausgestreckten Arm und nickte aufgeregt, als auch er den Schwarm sah: so viele Fische, die alle am gleichen Ort sein wollten, dass einer direkt auf dem Rücken des anderen zu schwimmen schien.

Alemi und Readis griffen wie abgesprochen nach den Angelruten, die unter dem Schandeckel lagen. Es waren kräftige Ruten aus bestem Bambus mit einer Spule und einer starken, fest gedrehten Schnur, die Haken vom Schmied des Gutes gefertigt und so mit Widerhaken versehen, dass auch der listigste Rotfisch nicht mehr loskam, wenn er einmal zugebissen hatte.

Zum Festessen am Abend wurden zwölf armlange Rotfische benötigt. Es würde auch noch gegrilltes Wherfleisch und saftigen Braten von Weidetieren geben, doch Rotfische aß Swacky am liebsten. Er wäre gerne mitgekommen, hatte er Readis am Abend zuvor erzählt, doch er musste an Land bleiben und sein Fest organisieren, damit nichts schiefging.

Alemi ließ Readis den Köder – eine von der Schale befreite Lieblingsschnecke der Rotfische – auf den Haken stecken. Der Junge klemmte die Zungenspitze zwischen die Lippen, als er die schleimige Masse fest auf den Haken fummelte. Er schaute zu Alemi auf und sah das zustimmende Nicken. Dann schleuderte er mit einem für einen Jungen seines Alters geschickten Wurf den mit einem Senkblei versehenen Haken samt Köder auf der Steuerbordseite über das Kielwasser des Schiffes hinaus. Um dem Jungen den ersten Fang des Tages zu überlassen, beschäftigte Alemi sich zunächst noch mit dem Reffen des Segels und anderen Verrichtungen. Dann setzte auch er sich in der Plicht nieder und warf seine Angel auf der Backbordseite aus.

Sie mussten nicht lange warten. Readis war der erste. Die Angelrute bog sich, und ihre Spitze berührte fast die unruhigen Wellen, als der Rotfisch gegen die Fangleine ankämpfte. Readis biss sich auf die Lippe, die Augen wild entschlossen aufgerissen, stellte sich mit beiden Beinen auf den Sitzplatz und hielt die Angel fest. Ein Stöhnen entrang sich ihm, während er mit diesem Ungeheuer kämpfte und langsam die Schnur einholte. Außer Sichtweite des Jungen hielt Alemi eine Hand bereit, um einzugreifen, sollte der Fisch sich als zu stark erweisen.

Readis keuchte vor Anstrengung, als der gleichfalls erschöpfte Rotfisch schließlich kraftlos gegen die Steuerbordseite schlug. Mit einem einzigen geschickten Schwung griff Alemi ihn mit dem Netz und hob ihn an Bord; Readis schrie vor Freude, als er sah, wie groß er war.

»Das ist der größte bis jetzt, nicht wahr, Onkel Alemi? Dass ist der größte, den ich gefangen habe. Stimmt's? 'n richtig schöner großer!«

»Ja, wirklich«, gab Alemi fest zurück. Der Fisch war nicht so lang wie sein Vorderarm, aber für den Jungen war er ein schöner Erfolg.

Genau in diesem Moment spürte er den Zug an seiner Leine.

»Bei dir hat auch einer angebissen! Es hat einer angebissen!«

»Genau. Du musst dich also allein um deinen kümmern.«

Alemi war verblüfft, wie stark der Fisch an seiner Angel zog. Er musste beträchtliche Kraft aufwenden, damit ihm die Rute nicht aus der Hand gezogen wurde. Einen erschreckten Moment lang fragte er sich, ob er vielleicht versehentlich einen Geleitfisch an den Haken bekommen hatte – die fing kein Fischer, wenn er bei Verstand war. Ungeheuer erleichtert sah er dann die roten Flossen seines Gefangenen, als der Fisch in einem Versuch, den Haken in seinem Maul zu lockern, zur Oberfläche schoss.

»Der is' genorm!«, rief Readis mit einem ehrfürchtigen Blick zum Fischermeister aus.

»Es ist 'n großer, stimmt«, antwortete Alemi und rammte die Füße unter den Sitz in der Plicht, um sich dem Zug besser entgegenstemmen zu können.

»Und er zieht die Jolle!«

Das entging auch Alemi nicht: Er zog sie auf den Rand der Großen Südlichen Strömung zu. Er konnte sogar schon den Farbunterschied zwischen Strömung und Meer ausmachen.

»Und wir sind mitten im Schwarm!«, rief Readis und stolperte von Backbord nach Steuerbord, um auf die springenden Fischleiber hinunterzuschauen, die das kleine Schiff umgaben.

»Am besten schlägst du deinem Fang auf den Kopf, bevor er über Bord springt«, bemerkte Alemi, denn er sah, wie Readis' Fisch sich auf den Planken umherwarf und wollte nicht, dass er das Deck mit Fischöl besudelte. Es gelang ihm, eine gute Länge einzuholen, wenn auch die Spitze der Angel kurz unter Wasser tauchte. Er zog kräftig und bekam genug Spiel in die Schnur, um noch mehr einzuholen.

»Das ist der kämpfigste Fisch, den du je am Haken hattest«, meinte Readis. Er schlug seinen Rotfisch geschickt auf den Kopf und warf ihn in den Fangbehälter, wobei er nicht vergaß, den Deckel durch Drehen des Verschlusses festzumachen.

Alemi war sich bewusst, dass das Boot zur Großen Strömung hin abtrieb, und beeilte sich, den Rotfisch einzuholen, während Readis ihn mit Beschreibungen der ungeheuren Größe des Fisches aufmunterte. »Halt das Netz bereit, Junge!«, rief Alemi und zerrte seinen Fang nahe an die Backbordseite der Jolle.

Readis war bereit, doch der kämpfende Fisch überforderte seine jungen Arme, und Alemi schleuderte die Angel beiseite und half. Sobald sie den Fisch an Bord hatten, gab Alemi ihm einen Schlag auf den Kopf, trat über ihn hinweg an die Ruderpinne und wechselte den Kurs weg von der Südlichen Strömung. Sie waren ihr so nahe, dass er sah, wie die unerbittlich schnelle Strömung durch das Gewimmel der Fische schoss.

»Mann, schau dir das an, Onkelemi!«, schrie Readis und zeigte mit blutverschmiertem Finger auf einen Rotfischschwarm. »Können wir nicht hier angeln?«

»Nicht in der Strömung, Junge, nicht, wenn du nicht eine viel weitere Reise machen und das Fest heute Abend versäumen willst.«

»Nein, das will ich ni...« Readis Augen weiteten sich, und mit aufgerissenem Mund schaute er nach achtern. »O-oh!«

Alemi wandte den Kopf und hielt den Atem an. Viel zu nahe, als dass sie noch die sichere Flussmündung hätten erreichen können, hatte sich hinter ihnen eine der dunklen Fronten zusammengeballt, für die dieser Teil der Küste berüchtigt war: Sturmböen, die selbst die instinktive Sicherheit, mit der der Seemann einen Sturm vorhersah, Lügen straften. Ein heftiger Windstoß schlug ihm ins Gesicht und trieb ihm das Wasser in die Augen. Während er eilig den Baum sicherte und Readis mit Gesten aufforderte, alles zu erledigen, was er ihm für eine solche Notsituation antrainiert hatte, verfluchte er das verrückte Wetter, das keine der warnenden Vorzeichen erkennen ließ, an die er von der Nerat-Bucht, wo er das Fischerhandwerk erlernt hatte, gewöhnt war.

Sein Vater Yanus hatte oft über die Dummheit der Männer geschimpft, die unbedingt auf den Großen Strömungen segeln wollten, wo es doch ruhigere Gewässer gab, die genauso viele Fische beherbergten, aber bei weitem nicht so gefährlich waren. Alemi, den Risiken eigentlich reizten, war in dieser Hinsicht – wie in so vielen anderen – nicht einer Meinung mit seinem Vater gewesen.

Nun zupfte er kurz am Verschlussband von Readis' Weste, lächelte dem Jungen beruhigend zu und ließ den Anker auslaufen.

»Nun, was tun Fischer bei einer Bö, Readis?«, rief er über den stärker werdenden Wind hinweg, der ihm die Worte von den Lippen riss.

»Gegen angehen oder beidrehen!«, gab Readis grinsend mit all dem unverschämten Selbstvertrauen seines Alters zur Antwort. Er schmiegte sich in den Arm, den Alemi um ihn legte, während sie sich mit den Beinen in der Plicht verkeilten. »Was von beidem machen wir jetzt?«

»Beidrehen!«, antwortete Alemi, passte den Kurs den von hinten kommenden Windstößen an und richtete den Bug nach den Wellen aus.

Bei dem hohen Wellengang, den eine solch plötzliche Sturmbö aufpeitschen konnte, war die Jolle kein zuverlässiges Fahrzeug. Alemi hoffte inständig, dass es sich nur um ein kurzes Unwetter handelte. Eine einzige große Sturzwelle von der Seite, und sie würden untergehen.

In der Finsternis des sie umgebenden Sturms war die Küste nicht mehr zu erkennen, doch das machte Alemi nicht soviel Sorgen wie der Gedanke, dass sie in die Große Südliche Strömung geraten könnten, die sie gefährlich weit vom Land wegführen oder an der Landzunge nördlich der Paradiesfluss-Bucht zerschellen lassen konnte. Doch die Winde waren so unberechenbar wie das Meer. Er hatte das Barometer überprüft – eines der neuen von Akki stammenden Geräte, mit dem sich das Wetter besser einschätzen ließ. Alemi, dem bewusst war, dass er eher an die friedliche See der Nerat-Bucht gewöhnt war, hatte sich trotz des Spotts der anderen Fischer mit diesem Gerät ausgerüstet. Auch hatte er die Wetterkarten studiert und sich mit den über dieses Meer verfügbaren Informationen beschäftigt, wie sie die Alten in Akkis scheinbar unerschöpflichen ›Dateien‹ angehäuft hatten. Nichts, was dem Seemann half, den Verlust von Schiffen oder Menschenleben zu verhindern, war Alemi zu bizarr, um es auszuprobieren.

Doch das Barometer hatte stetig auf Schönwetter gezeigt, als er losgegangen war, um Readis abzuholen. Zu spät, sich darüber noch Gedanken zu machen, dachte er, als ein weißschäumender Brecher von der Seite gegen die Jolle krachte. Dann rasten sie so schnell ein Wellental hinunter, dass ihm der Magen absackte. Readis an seiner Seite lachte und klammerte sich gleichzeitig fester am Schandeck fest. Alemi gelang ein ermutigendes Lächeln zu seinem tapferen Bootskameraden hinunter.

Die nächste Welle riss das kleine Boot hoch auf einen Kamm und schleuderte es dann wieder nach unten, so dass das Wasser sie in einer dunkelgrünen Tasche einschloss und der Seeanker hinter ihnen durch die Luft flog. Die Jolle schlingerte und bohrte den Bug in den nächsten Wellenberg. Wasser schwappte herein, doch als Readis pflichtbewusst nach dem Schöpfeimer greifen wollte, umklammerte Alemi ihn fester und schüttelte den Kopf. Die Jolle konnte eine ganze Menge Wasser aufnehmen – wodurch sie etwas schwerer in den Wellen liegen würde, was nur gut war –, bevor sie in Gefahr geriet zu sinken. Vor dem Kentern hatte er mehr Angst. Er war froh, dass er Readis beigebracht hatte, wie man sich bei einem Umschlagen des Bootes verhalten musste. Jetzt konnte er nichts weiter tun, als sich festzuhalten, denn eine Kabbelung gegeneinander aufprallender Wellen schlug das Boot sowohl hin und her als auch auf und ab. Mit einer Hand hielt er sich am Boot fest, mit der anderen umklammerte er Readis und betete dabei um ein Ende der Sturmbö. Solche Stürme konnten beinahe ebenso schnell aufhören, wie sie begannen. Das war nun ihre einzige Hoffnung: ein schnelles Ende des Sturms.

Er sah, wie der Mast splitterte und brach, fühlte Readis Klammergriff fester werden, und dann ging alles sehr schnell, als eine Welle gegen die Steuerbordseite donnerte und sie in die wogende See kippte. Noch fester packte er Readis und zog den Jungen dicht an seine Brust. Über dem Heulen des Sturms hörte er den Angstschrei des Jungen. Dann wurden sie vom Wasser begraben, und Readis klammerte sich an ihm fest wie eine Klette.

Alemi schlug mit seinem freien Arm, um wieder hochzukommen. Einen Atemzug konnte er machen, da riss die nächste Woge sie schon wieder nach unten. Readis wand sich in seinen Armen, und Alemi konnte nichts tun, als seinen Griff zu verstärken. Er durfte den Jungen nicht verlieren. Dann stieß er mit der freien Hand fest gegen etwas Hartes. Die gekenterte Jolle? Doch sein Griff packte etwas Rundes, das nicht aus Holz war, sondern fest und fleischig.

Geleitfische? Geleitfische! Durch den niederprasselnden Regen und die peitschenden Wellen erkannte er die Gestalten rundum. Wie oft hatte er schon davon gehört, dass sie Fischer gerettet hatten.

Die harte Kante einer Rückenfinne drängte sich in seine Hand, und er wurde gegen den langen, glatten Körper geschleudert, als eine weitere Woge über ihn niederbrach. Nein, der Geleitfisch schoss geschickt direkt durch die Woge hindurch und wieder daraus hervor. Readis kleiner Körper hing auf der anderen Seite des Geleitfischs, und heftig zerrten die rauen Wellen an ihm. Sich an der Finne festklammernd schaffte Alemi es irgendwie, Readis auf seine Seite zu ziehen und gegen den Geleitfisch zu pressen. Durch die Regenwand hindurch sah er, wie Readis Hand nach einem Halt an dem glatten, schlüpfrigen Körper suchte.

»Geleitfische, Readis!«, schrie er über den Tumult des Sturms hinweg. »Sie werden uns retten. Halt durch!«

Dann fühlte er, wie ein weiterer Körper ihn von der anderen Seite anstieß und ihn und Readis sogar noch enger festkeilte, wenn ihm auch unklar war, wie die Geschöpfe diese Leistung in den rauen Wellen zustandebrachten. Die zusätzliche Unterstützung gab ihm eine Atempause; er packte die Rückenfinne anders, und es gelang ihm sogar, eine von Readis' kleinen Händen um die robuste Zacke zu legen.

Dann, als sie in eine weitere Wasserwand einbrachen, kam Alemi der Gedanke, dass Readis klein genug war, um auf dem Rücken des Geleitfischs zu reiten. Drei Wellen später hatte Alemi es geschafft, Readis auf den Geleitfisch zu hieven. Zu seiner ungeheuren Überraschung schien der Geleitfisch ihnen dabei zu helfen, indem er sich in der tobenden See so gerade wie möglich hielt.

»Halt dich fest! Halt dich gut fest!«, schrie Alemi und legte Readis kleine Arme fest um die Finne. Der Junge, das Gesicht weiß vor Angst, den Mund aber entschlossen zusammengepresst, nickte und hockte sich fast hinter die Finne wie der Reiter eines Seedrachen.

Vor Erleichterung löste Alemi einen Moment lang seinen Griff um die Finnenkuppe und verlor den Halt. Beinahe sofort knuffte ihn streng eine stumpfe Schnauze, und eine Rückenfinne stieß gegen seine rechte Hand. Eine Welle brach über ihm zusammen, schleuderte ihn ins Wasser, weg von der Sicherheit, und er musste gegen seine Panik ankämpfen. Doch der Geleitfisch war direkt neben ihm und schob ihn mit der Schnauze nach oben. Gleichzeitig brachen sie aus dem Wasser hervor, und Alemi warf sich auf das Geschöpf zu, packte die Rückenfinne mit beiden Händen, wurde aber vom nächsten Brecher seitlich gegen den langen Körper geschleudert. Diesmal gelang es ihm, sich mit einer Hand festzuklammern. Er kämpfte gegen die Panik an, die ihn dazu zwingen wollte, sich mit beiden Händen an dieser einzigen Sicherheit in der stürmischen See zu klammern, fügte sich entspannt in die Bewegung und fand den Mut, sich ganz dem Geleitfisch zu überlassen. Als sie in die nächste Welle eintauchten und wieder hervorkamen, sah er Readis, wie er auf dem Rücken seines Reittiers hockte. Er sah die Phalanx der Eskorte auf beiden Seiten und wusste, dass sie sicher beschützt wurden.

Dann schien es, als ließe das Unwetter nach, oder vielleicht waren sie auch an seinen Rand gelangt, wo das Wasser ruhiger war. Wie dem auch sei, sie kamen besser voran. Als er in die Richtung blickte, wo er das Land vermutete, erkannte er die verschwommene Linie der Küste und hätte fast vor Erleichterung aufgeschrien.

»Quiiiiii!«

Von dem Schrei aufgeschreckt, drehte Alemi sich um und sah, wie ein Geleitfisch in anmutigem Bogen über die Wellen schoss und wieder ins Wasser eintauchte. Andere machten das gleiche Kunststück, und alle quietschten oder fiepten.

»Quiii!«, schrie eine unverkennbar jungenhafte Stimme, und Alemi blickte über die linke Schulter und sah Readis, der nun aufrechter auf dem Geleitfisch saß und sich über die Vorführung amüsierte. »Das ist toll!«, fügte der Junge hinzu. »Sind sie nicht toll, Alemi?«

»Dddoll!« Doch es war ein Geleitfisch, der das Wort mit breitem, weichem D wiederholte.

Auf allen Seiten riefen die Geleitfische »Toll!«, während sie ihre lässigen Sprüngen über die See fortsetzten. Alemi verkrampfte seine Hand um die Rückenfinne. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Die Anspannung während des Sturms, vielleicht ein Schlag auf den Kopf oder die nackte Angst hatten seinen Verstand beeinträchtigt. Sein Begleiter hob den Kopf, und während aus dem Blasloch auf der Schädeldecke Wasser hervorsprühte, sagte er deutlich: »Dasis toll!«

»Sie sprechen, Onkelemi, sie sprechen.«

»Unmöglich, Readis. Es sind Fische!«

»Nicht Fisch. Säug'r.« Sein Retter brachte die drei Worte als lauten Widerspruch heraus. »Dell-fine«, fügte er deutlich hinzu, und Alemi schüttelte den Kopf. »Dell-fine sprechen gut.« Wie zum Nachdruck schoss er vorwärts und zerrte den benommenen Fischermeister in rasender Geschwindigkeit mit sich.

Auch Readis' Dell-fin und die wachsamen Begleiter änderten ihren Kurs und wurden schneller, wobei die Eskorte noch immer ihre akrobatischen Überwasser-Drehungen und Sprünge vollführte.

»Redet noch ein bisschen, bitte«, ermutigte Readis sie mit seiner hellen Kinderstimme. Da würde er bei dem Fest etwas zu erzählen haben. Und sie mussten ihm glauben, weil Onkelemi mit ihm zusammen war und bezeugen konnte, was er sagte.

»Reden? Du redest. Lange Tsaiit kein Reden«, sagte ein neben Readis schwimmender Dell-fin laut und deutlich. »Mensche zurück Landing? Dell-fin Öhre zurück?«

»Landing?«, wiederholte Alemi verblüfft. Die Dell-fine kannten den alten Namen. Wunder über Wunder.

»Die Menschen sind nach Landing zurückgekehrt«, antwortete Readis so stolz, als hätte er die Rückkehr selbst bewirkt.

»Gut!«, schrie ein Dell-fin, führte mitten in der Luft eine Drehung aus und schoss ohne Spritzer ins Wasser zurück.

»Quiiiiii!«, schrie ein anderer und sprang im hohen Bogen nach oben.

Überall um sich im Wasser hörte Alemi aufgeregtes Klicken und Plappern. Es waren so viele Geleitfische rundum, dass er sich fragte, wie sie sich bewegen konnten, ohne sich gegenseitig zu verletzen.

»Schau, Onkelemi, wir sind fast zurück!«, rief Readis und deutete mit dem Finger auf das schnell näherkommende Land.

Sie waren so schnell und sicher dorthin befördert worden, dass Alemi zwischen Erleichterung, dem festen Land so nahe zu sein, und Bedauern über das Ende dieser unglaublichen Reise hin und her schwankte. Die Geleitfische wurden langsamer, als sie bei der ersten Sandbank anlangten. Manche sprangen darüber weg, andere folgten Readis' und Alemis Tragetieren zum Kanal, während die meisten wieder seewärts zurückschwammen.

Kurz darauf kam der bequeme Transport zu einem völligen Stillstand, und als Alemi versuchsweise die Füße nach unten streckte, fühlte er den festen Meeresgrund, der zum Strand hin allmählich anstieg. Er ließ die Rückenfinne los, klopfte sein Tragetier auf die Flanke, und dieses drehte sich um und rieb die Schnauze an ihm, als wolle es ihn zu einer Zärtlichkeit auffordern. Verblüfft kraulte Alemi das Tier, wie er es bei seinem Hund oder den Katzentieren getan hätte, von denen sich immer mehr auf dem Gut ansiedelten. Readis Reittier schwamm an ihm vorbei.

»Danke, mein Freund. Ihr habt uns das Leben gerettet, und wir sind euch verbunden«, sagte Alemi förmlich.

»Giern gescheen. Unse Pflicht«, antworte der Geleitfisch deutlich, und dann wirbelte er herum und jagte mit wellenförmigen Bewegungen zu der Lücke in der Sandbank zurück, wobei seine Finne sich immer schneller entfernte.

»He«, schrie Readis erschreckt auf. Sein Reittier hatte ihn ganz unzeremoniell im flachen Wasser heruntergekippt, wo er auf Zehenspitzen gerade das Kinn über der Oberfläche halten konnte.

»Bedank dich bei dem Dell-fin«, rief Alemi und watete so schnell er konnte auf den Jungen zu. »Kraul ihn am Kinn.«

»Oh? Das magst du, hm?« Readis trat Wasser und schaffte es, das ihm entgegengestreckte Gesicht mit beiden Händen zu streicheln. »Vielen Dank, dass du mir das Leben gerettet hast und mich diesen tollen Ritt zur Küste hast machen lassen.«

»Giern gescheen, Jhunge!« Dann vollführte der Dell-fin einen unglaublichen Sprung über Readis Kopf hinweg und folgte seinem Kameraden hinaus ins Meer.

»Kommt zurück! Kommt bald zurück!«, rief Readis ihm nach und reckte sich aus dem Wasser, damit seine Einladung weiter zu hören war. Ein schwaches Quietschen war die Antwort. »Glaubst du, er hat mich gehört?«, fragte Readis Alemi klagend.

»Sie scheinen ein sehr gutes Gehör zu haben«, bemerkte Alemi trocken. Dann half er Readis so unauffällig wie möglich dabei, aus dem Wasser zu kommen. Der Junge hatte sich die ganze Zeit großartig verhalten. Das musste er Jayge erzählen. Ein Vater sah seinen Sohn manchmal nicht in demselben Licht wie ein interessierter Beobachter.

Beide waren müde von dem Abenteuer, doch die Begeisterung über ihre Rettung gab ihnen genug Kraft, zum trockenen Sand des Strandes zu gelangen, bevor sie sich zum Ausruhen hinsetzen mussten.

»Sie werden uns nicht glauben, oder, Onkelemi?«, seufzte Readis erschöpft, als er sich der Länge nach auf dem warmen Strand ausstreckte.

»Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich uns glaube«, antwortete Alemi und brachte ein Lächeln zustande, als er neben dem Jungen niedersank. »Aber die Geleitfische haben uns zweifellos gerettet. Das ist keine Frage!«

»Und der Geleitfisch – wie hat er sich genannt – Säug'r? Er hat mit uns gesprochen. Du hast ihn gehört. Giern gescheen. Unse Pflicht.« In Nachahmung der Dell-fine sprach Readis mit quiekiger Stimme. »Sie sind sogar höflich.«

»Vergiss das nicht, Readis«, meinte Alemi kichernd.

Er wusste, eigentlich sollte er aufstehen und Aramina beruhigen, dass sie den Sturm überlebt hatten. Andererseits, wenn er den Kopf wandte und die Küste entlangblickte, war nicht eine Menschenseele zu sehen. War es möglich, dass keiner an Land die plötzliche Sturmbö bemerkt hatte? Dass keiner geahnt hatte, dass sie sich in Gefahr befanden? Eigentlich brauchten sie ihrer Geschichte, für die Swackys Feier sicherlich der beste Anlass wäre, nicht im Voraus die Spitze zu nehmen.

»Onkelemi?« In Readis' Stimme schwang Verstörung mit. »Wir haben unsere Rotfische verloren.« Dann, um zu zeigen, dass die Prioritäten ihm bewusst waren, fügte er hastig hinzu: »Und auch die Jolle.«

»Wir haben unser Leben, Readis, und eine Geschichte zu erzählen. Jetzt ruh dich einfach noch ein paar Minuten aus.«

Aus den paar Minuten wurde eine Stunde, bevor einer der beiden sich wieder rührte, denn der warme Sand hatte ihnen die letzte Kälte der Sturmbö aus den Gliedern getrieben, und das Rauschen des Meeres und des sanften Windes hatte sich mit ihrer Müdigkeit verbunden und sie in den Schlaf gewiegt.

 

Wäre nicht bekannt gewesen, dass Alemi im allgemeinen nicht zu Phantastereien neigte, so hätten die anderen Bewohner des Paradiesfluss-Guts die verblüffende Geschichte der beiden vielleicht nicht geglaubt. Nach dem Gezeitenwechsel am nächsten Morgen fand man jedoch Teile der Jolle, die auf dem Strand abgesetzt worden waren.

Bis dahin kannte jeder im Paradiesfluss-Gut die nackten Tatsachen ihres beinahe tödlichen Angelausflugs. Keiner an Land hatte die Sturmbö bemerkt, denn alle waren mit ihrer Arbeit und den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt gewesen. Aramina hatte in Temmas Häuschen gebacken. Sie war fassungslos, als Alemi sie so sanft wie möglich darüber aufklärte, welche Prüfung ihr Sohn gerade so glanzvoll bestanden hatte. Dann machte sie ein riesiges Theater um Readis, der gerade essen wollte, weil sein Vesper im Meer verloren gegangen war, und wirkte verletzt, als er ihre Aufmerksamkeiten abwimmelte, um sich weiter seinen leeren Magen zu füllen. Sie schalt ihn heftig, als er ihr erklärte, dass Geleitfische sprechen.

»Wie können Fische sprechen?« Wütend starrte sie Alemi an, als hätte er dem Jungen den Kopf mit Unsinn gefüllt.

Bevor Alemi ihm noch zur Hilfe kommen konnte, schenkte Readis seiner Mutter einen ungemein finsteren Blick. »Drachen sprechen«, beharrte er.

»Drachen sprechen mit ihren Reitern, nicht mit kleinen Jungs.«

»Du hast selbst Drachen gehört, Mutter«, widersprach er tapfer, obwohl er wusste, dass sie daran nicht gerne erinnert wurde. Darauf schwieg sie so lange, dass er die Worte am liebsten wieder hinuntergeschluckt hätte und langsamer kaute.

»Ja, Drachen habe ich gehört, aber Geleitfische gewiss niemals!«

»Selbst als sie dich und Papa gerettet haben?«

»Mitten im Sturm?«, fragte sie skeptisch.

»Meine haben erst nach dem Sturm geredet.«

Seine Mutter schaute abermals Alemi an.

»Es stimmt, Aramina. Sie haben geredet.«

»Vielleicht haben die Geräusche, die sie machten, einfach wie Worte geklungen, Alemi«, versuchte sie zu beharren.

»Nicht, als sie ›giern gescheen‹ sagten, nachdem ich mich bedankt hatte«, machte Readis hitzig weiter, und unter Araminas wütenden Blicken nickte Alemi bekräftigend. »Und sie wissen, dass die Altvorderen diesen Ort hier Landing nannten, und sie sind Säug'r, keine Fische!«

»Natürlich sind sie Fische!«, fuhr Aramina auf. »Sie schwimmen im Meer!«

»Das tun wir auch, und wir sind keine Fische!«, gab Readis angewidert von ihrem Unglauben zurück, stürmte aus dem Zimmer und kam auch nicht wieder herein, als sie ihn rief.

»Jetzt siehst du, was du angerichtet hast!«, sagte Aramina zu Alemi, und dann verließ auch sie Temmas Küche.

Alemi schaute die ältere Frau verdutzt an.

»Wenn du sagst, die Geleitfische haben gesprochen, 'Lemi, dann haben sie gesprochen«, bemerkte die ehemalige Händlerin mit entschiedenem Nicken. Dann musste sie über seinen verwirrten Gesichtsausdruck lachen. »Mach dir keine Sorgen um Ara. Sie wird sich wieder beruhigen, aber du musst zugeben, dass du ihr einen furchtbaren Schreck eingejagt hast. Und von uns hat nicht einer gewusst, dass es eine schlimme Sturmbö gab. Hier!« Sie reichte ihm einen Becher frisch zubereiteten Klah, dem sie einen Schuss des Spezialgebräus zufügte, das sie für Notfälle bereithielt.

»Ha!«, machte Alemi und schnalzte nach einem kräftigen Zug mit der Zunge. »Das hab ich jetzt gebraucht!« Mit fragendem Gesichtsausdruck reichte er ihr den leeren Becher zurück.

»Mehr solltest du nicht trinken, oder du bist heute Abend nicht mehr fähig, das Fest mit deinem Abenteuer zu bereichern«, antwortete Temma augenzwinkernd.

 

Voll Stolz, dass sie wieder einmal Angehörige des Landvolks gerettet hatten, schwammen die Delfine in ihre vertrauten Gewässer zurück. Dieses Ereignis war es wert, es jetzt gleich der Tillek zu berichten, statt bis zum Ende des Jahres zu warten, wenn die Schulen sich bei der Großen Senkströmung versammelten, um den jungen Männchen dabei zuzuschauen, wie sie sich an dem Wirbel versuchten, und um die letzten Neuigkeiten auszutauschen. Die Schulen im Süden hatten nicht so viele Gelegenheiten wie die im Norden, den traditionellen Pflichten nachzukommen. Und so sandten sie die Nachricht aus, dass Afo und Kib mit im Meer verunglückten Mensche gespielt hatten. Es war ein großer Augenblick gewesen, denn sie hatten Menschenworte verwendet, und die Mensche hatten auch mit ihnen gesprochen und dabei die alten Worte der Höflichkeit benutzt. Und so übte Kib seine Geschichte und murmelte sie ins Wasser, während er die Worte seines Berriichets schwamm. Er sandte die Rufe aus, damit sie von Schule zu Schule wiederholt wurden, bis sie bei der Tillek ankamen. Vielleicht war dies die Zeit, deren Kommen die Tillek versprochen hatte: Wenn die Mensche sich wieder daran erinnerten, dass sie mit dem Meeresvolk sprechen konnten, und wieder zu Partnern wurden.

Die Botschaft wanderte zur Tillek, die sie vom einen Ende des Meeres zum anderen wiederholen ließ, für alle Schulen in den Wassern Perns. So viel Glück wurde beneidet, und manche hätten sich gerne der auf diese Weise ausgezeichneten Schule angeschlossen. Afo, Kib, Mel, Temp und Mul schwammen schnell und stolz, mit großen Sprüngen. Und Mel fragte sich, ob die Mensche wohl noch wussten, wie man Blutfische entfernte, denn es hatte sich einer an ihm festgesaugt, den er einfach nicht loswurde, wie sehr er sich auch bemühte.

2

 

Irgendwann nach der dritten Wiederholung ihres Abenteuers schlief Readis in dieser Nacht ein.

»Er hat es so flüssig erzählt wie ein Harfner«, bemerkte sein Vater etwas verdrießlich.

»Wenn du ihm nur deutlich gemacht hast«, sagte Aramina mit besonderem Nachdruck, »dass er nicht hinausschwimmen oder -segeln darf ...«

»Du weißt doch, dass die Jolle weg ist«, warf Jayge beruhigend ein.

»... um diese Geleitfische zu suchen«, beendete sie ihren Satz und starrte ihn wütend an.

»Du hast doch sein Versprechen gehört, 'Mina, dass er allein nicht zu nahe ans Wasser herangeht. Er ist ein Kind, das zu seinem Wort steht.«

»Hmmm«, brummte Aramina bedenklich.

Doch in den nächsten zwei Tagen achtete sie genau darauf, wo ihr Sohn sich aufhielt, und er war nicht ungehorsam, wenn sie auch beobachtete, wie er oft die Augen mit der Hand gegen die Sonne abschirmte und über das ruhelose Wasser des Südmeeres hinausblickte. Widersinnigerweise machte sie sich nun Sorgen, er könnte Angst vor dem Meer bekommen haben. Als sie dies zögernd ihrem Mann gegenüber erwähnte, bestritt Jayge energisch, dass bei Readis auch nur ein Ansatz von Furchtsamkeit vorhanden sein könnte.

»Er gehorcht dir – das wolltest du doch von ihm, oder?«, fragte Jayge. »Du kannst nicht beides auf einmal haben.«

Aramina seufzte und wurde dann durch Aranya von ihrer Sorge um Readis abgelenkt, als diese vor Wut laut aufheulte, weil ihr Spielzeugwagen immer wieder sein Rad verlor.

Am nächsten Tag, als die Gutsbewohner gerade Mittagspause machten, erhielt Aramina eine höfliche Nachricht von Ruth, er und Baron Jaxom kämen zu Besuch. Sie erzählte es ihrem Mann. Auf dem Weg zur Küche, wo sie für Jaxom seine Lieblingsfruchtsäfte zubereiten wollte, wandte sie sich plötzlich verwirrt um.

»Sie sind schon hier im Paradiesgebiet«, sagte sie. Dann ging sie zum Rand der überdachten, schattigen Veranda und schaute zum Himmel empor, in dem sich jedoch keine Drachengestalt abzeichnete. »Aber wo? Sieht das Jaxom nicht wieder ähnlich? Aber warum sollte er mir sagen, dass er kommt, wenn er schon da ist? ... Ach, vielleicht habe ich Ruth missverstanden. Das passiert hin und wieder.« Mit einem aufgebrachten Seufzer ging sie achselzuckend ins Haus.

Jayge setzte sich an einer Stelle nieder, wo er den Umkreis des Hauses gut im Blick hatte und legte die Füße aufs Geländer. Die Tage, als Aramina jede einzelne Drachenunterhaltung mitgehört hatte, waren längst vorbei – zu ihrer unendlichen Erleichterung. Jetzt mussten die Drachen speziell an sie denken, um ihr eine Botschaft zu übermitteln. Jayge konnte sich nicht vorstellen, was Ruth aufgehalten haben mochte, der normalerweise nach einer Ankündigung seines Kommens prompt auftauchte. Baron Jaxom von Burg Ruatha war immer willkommen, doch Jayge lächelte beim Gedanken an Readis' überraschtes Gesicht, wenn er von seinem Mittagsschlaf aufwachen und den weißen Drachen sehen würde.

»Nicht, dass das jetzt für ihn die gleiche Bedeutung haben würde wie das Schwimmen mit einem Delfin«, murmelte Jayge vor sich hin. Eigentlich gut, dass Ruth und Jaxom das erste Drachenreiter-Paar war, das nach Readis' Abenteuer beim Paradiesfluss landete. Genau die richtigen, um freimütige Fragen zu beantworten.

Genau in diesem Moment glitt Ruth heran und landete, geschickt mit den Flügeln abbremsend, vor dem Haus. Jayge stand auf und ging ihnen mit breitem Lächeln zur Begrüßung entgegen. »Ara hat angefangen, Fruchtsaft auszupressen, sobald Ruth ihr euren Besuch ankündigte. Ihr habt sie verwirrt. Sie sagte, ihr wärt schon da, aber wir konnten nirgendwo einen weißen Drachen entdecken. Ich bin froh, dass ihr gekommen seid, denn es ist etwas vorgefallen!«

Jaxom grinste, und Jayge runzelte die Stirn, weil ihm plötzlich bewusst wurde, dass Jaxom seine Reitjacke in der Hand trug und sein dünnes Hemd durchgeschwitzt hatte. Auch auf seinem Gesicht waren Spuren von Schweiß zu erkennen. In Anbetracht der Tatsache, dass das Dazwischen unermesslich kalt war, verwirrte dies Jayge. Dann drehte Ruth sich um und machte sich in einem gleitenden Hüpfgang zum Strand auf, während glücklich zirpende Feuerechsen über ihm zusammenströmten.

»Will sich mal schrubben lassen, stimmt's?« Jayge wies seinen menschlichen Gast in den Schatten der Veranda. »Wie konntest du im Dazwischen schweißnass werden, Jaxom?«

»Weil ich Sand gestohlen habe.« Der junge Burgherr grinste schalkhaft. »Wir haben uns gerade die Qualität eures hiesigen Materials angeschaut.«

»Ach wirklich? Wozu brauchst du denn Paradiesfluss-Sand? Aber das wirst du mir sicher sowieso erklären.« Mit einer Geste forderte er Jaxom auf, sich in der Hängematte niederzulassen, die strategisch günstig an der Hausecke befestigt war, wo sie jeden seewärts oder landwärts gerichteten Wind abbekam. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte er sich gegen das Geländer und wartete auf eine Erklärung.

»Die Siedler hatten eine Sandgrube in eurem Strandgebiet. Sie schätzten den Sand des Paradiesflusses sehr – zur Glasherstellung.«

»Sand gibt es eindeutig genug. Haben Piemur und Jancis diese Wieheißendiedinger noch gefunden ...?«

»Chips?« Mit einem Grinsen nannte Jaxom den richtigen Ausdruck für die merkwürdigen Scheibchen, die von den Altvorderen in der Scheune der Burg gelagert worden waren. Erst vor kurzem hatte man ihren Zweck verstanden: Teile von Computern, deren komplexester das kürzlich in einem Landing-Gebäude entdeckte Akustische Kommunikationssystem einer Künstlichen Intelligenz war. Akki, so wusste man, war der Behälter, in dem das umfassende Wissen der Altvorderen gelagert war. Jayge hatte in dem speziellen Raum von Landing einen kurzen Blick auf das unglaubliche Gerät werfen können und gehört, welche Wunder an Information es enthielt.

»Chips also ... und kann man damit etwas anfangen?«

»Nun, es ist uns gelungen, die noch verwendungsfähigen Transistoren und Kondensatoren zu retten, aber sie sind bisher noch nicht installiert worden.«

Jayge schenkte ihm einen langen, misstrauischen Blick, weil diese fremdartigen Worte ihm so leicht von den Lippen gingen. »Wie man sagt«, fügte Jaxom grinsend hinzu.

In diesem Moment trat der kleine Readis, nur mit einem Stück Stoff um die Lenden, auf die Veranda heraus und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Er schaute zu Jaxom hin, der sich träge in der Hängematte wiegte, und drehte dann den Kopf zum Platz vor dem Haus. »Ruth?«

Jaxom zeigte auf die Stelle, wo sich der weiße Drachen, umgeben von eifrigen Feuerechsen, im flachen Wasser suhlte.

»Er kann doch auf mich aufpassen?«, fragte Readis und warf den Kopf auf genau die gleiche Weise zurück, wie sein Vater es zu tun pflegte.

Froh, dass Readis sein Versprechen, nicht allein ins Wasser zu gehen, so ernst nahm, nickte Jayge. »Aber Ruth badet gerade, und außerdem möchte ich, dass du Jaxom erzählst, was du mit Alemi kürzlich erlebt hast.«

»Bist du nur gekommen, um dir das anzuhören?«, fragte Readis; er wusste von seinem Vater, wie hart ein Landbesitzer arbeitete, und dass Baron Jaxom eine Menge anderer Dinge zu tun hatte. Andererseits war er überzeugt, dass selbst ein vielbeschäftigter Mann wie Baron Jaxom sein Abenteuer interessant finden würde: weil es ein wirkliches Abenteuer war.

»Nun, das war ein Grund«, antwortete Jaxom lächelnd. »Was also hast du mit Alemi kürzlich erlebt?«

Aramina trat aus dem Haus, unter den einen Arm ihre zappelnde Tochter geklemmt und in der freien Hand ein Tablett. Jayge eilte zu ihr, um ihr das Tablett abzunehmen, doch sie gab ihm stattdessen Aranya und servierte Jaxom ein großes Glas mit einem kühlen Getränk und ein paar frisch gebackene süße Kekse. Eine Weile später saß auch Readis mit zwei Keksen und einem kleinen Glas auf seinem Hocker. Als auch seine Mutter sich gesetzt hatte, schaute Readis auf seinen Vater und wartete auf ein Zeichen, dass er beginnen sollte.

Dann holte er tief Luft und stürzte sich in die gut geübte Erzählung. Er hielt die Augen auf Baron Jaxoms Gesicht geheftet, um sicherzugehen, dass er ihm richtig zuhörte – und das tat er auch, fast von Anfang an.

»Geleitfische?«, rief Baron Jaxom aus, als Readis zu diesem Teil seines Berichts gekommen war. Dann schaute er Jayge und Aramina an, und Readis sah, wie sie seine Behauptung ernst bestätigten.

»Eine ganze Schule«, sagte Readis stolz. »Onkelemi hat gesagt, es müssen zwanzig oder dreißig gewesen sein. Sie haben uns so weit zur Küste gebracht, dass wir aus eigener Kraft sicher zum Strand gelangen konnten. Und«, fügte er hinzu und machte ein Pause, um seinen abschließenden Worten mehr Nachdruck zu verleihen, »am nächsten Morgen wurde die Jolle am Strand der Fischersiedlung gefunden, als wüssten sie genau, wohin sie gehörte.«

»Das ist wirklich eine Geschichte, Readis. Du bist ein geborener Harfner. Eine erstaunliche Rettung. Wirklich erstaunlich.«

Readis erkannte am Ton, dass der Baron es wirklich so meinte.

»Und die Rotfische wurden nicht zufällig auch mit der Jolle zurückgebracht?«, fragte Jaxom.

»Nee.« Mit einer kurzen Handbewegung wies Readis diesen Gedanken zurück, obwohl er selbst enttäuscht gewesen war, dass der verschlossene Fischbehälter nicht auch wieder am Strand aufgetaucht war. »Die sind untergegangen. Deshalb mussten wir ja auch zähes, altes Wherfleisch essen statt schöner, saftiger Rotfischsteaks. Und weißt du noch was?«

»Was denn?«, fragte Jaxom.

»Sie haben uns nicht nur gerettet – sie haben auch mit uns gesprochen!«

»Was haben sie gesagt?«

Plötzlich wirkte Baron Jaxom misstrauisch, und seine Augen bohrten sich in die von Readis, als hätte er ihn bei einer Lüge ertappt. Readis machte den Nacken steif und wölbte die Brust vor.

»Sie sagten ›Giern gescheen‹, als wir uns bei ihnen bedankten. Und sie haben sich ›Säug'r‹ genannt, nicht Fische. Onkelemi wird es dir bestätigen!«

Readis erwischte Jaxom dabei, wie er seinem Vater einen Blick zuwarf, als bezweifelte er seine Worte. Der Vater nickte Jaxom langsam zu, dann drehte er sich zu dem Jungen um: »Readis, lauf doch runter und schau nach, ob die Feuerechsen Ruth auch ordentlich schrubben.«

Nachdem Readis sein Stück aufgesagt hatte, war er nur zu froh, dass er entlassen wurde und Ruth beim Baden helfen konnte, denn dieser war sein Lieblingsdrache unter allen Drachen, die er bisher kennengelernt hatte.

»Darf ich? Wirklich?« Er schaute zu Baron Jaxom auf.

»Ja, du darfst wirklich«, antwortete Jaxom.

Mit einem Freudenschrei sprang Readis von der Veranda und stürzte zum Strand hinunter, wo Ruth im Wasser planschte.