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Die Stunde der Drachenreiter
Seit Jahrtausenden besteht zwischen den stolzen Drachen und den Menschen, die mit ihnen gemeinsam auf dem Planeten Pern leben, ein festes Bündnis. Die Drachen und ihre Reiter schützen mit ihren speziellen Fähigkeiten Pern vor den katastrophalen Folgen, die die periodische Annäherung eines fremden Himmelskörpers mit sich zu bringen pflegt. Aber die Beschützer des Planeten gelten gegenwärtig nicht viel, denn es ist ungewöhnlich lange her, seit Pern zum letzten Mal in Gefahr war. Als Geächtete fristen die Drachenreiter ihr Leben – bis ihre Stunde wieder kommt. Dann, als der rote Stern nah am Himmel seine Bahn zieht, greifen sie ein und verteidigen Pern gegen eine Invasion der ganz besonderen Art.
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Seitenzahl: 366
ANNE McCAFFREY
DIE WELT
DER DRACHEN
Die Drachenreiter von Pern
Band 1
Roman
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Seit Jahrtausenden besteht zwischen den stolzen Drachen und den Menschen, die mit ihnen gemeinsam auf dem Planeten Pern leben, ein festes Bündnis. Die Drachen und ihre Reiter schützen mit ihren speziellen Fähigkeiten Pern vor den katastrophalen Folgen, die die periodische Annäherung eines fremden Himmelskörpers mit sich zu bringen pflegt. Aber die Beschützer des Planeten gelten gegenwärtig nicht viel, denn es ist ungewöhnlich lange her, seit Pern zum letzten Mal in Gefahr war. Als Geächtete fristen die Drachenreiter ihr Leben – bis ihre Stunde wieder kommt. Dann, als der rote Stern nah am Himmel seine Bahn zieht, greifen sie ein und verteidigen Pern gegen eine Invasion der ganz besonderen Art.
Anne McCaffrey wurde am 1. April 1926 in Cambridge, Massachusetts, geboren, und schloss 1947 ihr Slawistik-Studium am Radcliffe College ab. Danach studierte sie Gesang und Opernregie. In den Fünfzigerjahren veröffentlichte sie ihre ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, ab 1956 widmete sie sich hauptberuflich dem Schreiben. 1967 erschien die erste Story über die Drachenreiter von Pern, »Weyr Search«, und gewann den Hugo Award im darauffolgenden Jahr. Für ihre zweite Drachenreiter-Story »Dragonrider« wurde sie 1969 mit dem Nebula Award ausgezeichnet. Anne McCaffrey war die erste Frau, die diese beiden Preise gewann, und kombinierte die beiden Geschichten später zu ihrem ersten Drachenreiter-Roman »Die Welt der Drachen«. 1970 wanderte sie nach Irland aus, wo sie Rennpferde züchtete. Bis zu ihrem Tod am 21. November 2011 im Alter von 85 Jahren setzte sie ihre große Drachenreiter-Saga fort, zuletzt zusammen mit ihrem Sohn Todd.
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Titel der Originalausgabe
DRAGONFLIGHT
Aus dem Amerikanischen von Birgit Reß-Bohusch
Überarbeitete Neuausgabe
Copyright © 1968 by Anne McCaffrey
Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by
Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München
Karte: Andreas Hancock
Satz: Thomas Menne
ISBN 978-3-641-20978-0V002
Rührt die Trommeln für den Krieg,
Schlagt die Harfe für den Sieg.
Feuer, friss dich tief ins Land,
Bis der Rote Stern gebannt.
Lessa fror, als sie erwachte. Es war nicht nur die Kälte der ewig feuchten Steinwände. Sie fror, weil sie eine Gefahr heraufziehen spürte, deutlicher noch als vor zehn Planetendrehungen, da sie sich wimmernd in der stinkenden Hütte des Wachwhers verkrochen hatte.
Starr vor Konzentration lag Lessa im Stroh der muffigen Käsekammer, die sie nachts mit den anderen Küchenmägden teilte. Es war etwas Zwingendes in der düsteren Vorahnung, wie sie es noch nie zuvor empfunden hatte. Sie nahm Verbindung mit dem Wachwher auf. Er machte seine Runden durch den Hof, die Kette so angespannt, dass sie ihm in den Hals schnitt. Er war rastlos, aber er schien nichts Ungewöhnliches in der schwindenden Nacht zu bemerken.
Lessa rollte sich zu einem winzigen Bündel zusammen. Sie presste die Arme um den Oberkörper, um die verkrampften Schultern zu lockern. Dann, während sie sich entspannte, Muskel um Muskel, Gelenk um Gelenk, versuchte sie zu ertasten, welche subtile Drohung es sein mochte, die sie weckte, aber den überempfindlichen Wachwher unberührt ließ.
Die Gefahr lag bestimmt nicht innerhalb der Mauern von Ruatha. Sie näherte sich auch nicht vom gepflasterten Außenhof, wo die Grashalme unerbittlich durch den bröckeligen Mörtel drängten, grüne Zeugen der Verwahrlosung. Sie kam nicht den wenig benutzten Fußweg vom Tal herauf, und sie lauerte nicht in den Steinhütten der Handwerker am Fuße des Burgberges. Und sie roch nicht nach dem Wind, der von Tilleks kalten Gestaden herüberwehte. Dennoch durchfuhr sie scharf Lessas Sinne, vibrierte durch jeden Nerv ihres schmalen Körpers. Völlig wachgerüttelt, versuchte sie die Drohung zu identifizieren, bevor ihre Empfänglichkeit verflog. Sie sandte ihre Gedanken bis zum Pass aus, weiter als sie sich je gewagt hatte. Auf Ruatha war die Gefahr nicht – noch nicht. Und sie hatte nichts Vertrautes an sich. Also ging sie nicht von Fax aus.
Insgeheim war Lessa froh darüber, dass Fax sich seit drei vollen Planetendrehungen nicht mehr auf Ruatha gezeigt hatte. Die schlampige Arbeit der Handwerker, die verwahrlosten Gehöfte, ja selbst die bemoosten Steine der Burg versetzten den selbsternannten Herrn des Hochlands so in Zorn, dass er darüber vergaß, weshalb er die einst stolze und reiche Burg erobert hatte.
Getrieben von dem Zwang, die beklemmende Drohung zu erforschen, suchte Lessa im Stroh nach ihren Sandalen. Sie erhob sich, bürstete mechanisch ein paar Strohhalme aus dem verfilzten Haar und schlang es im Nacken zu einem hässlichen Knoten.
Sie stieg über die schlafenden Mägde hinweg, die sich der Kälte wegen dicht zusammendrängten, und huschte die ausgetretenen Stufen zur eigentlichen Küche hinauf. Der Koch und sein Helfer lagen auf dem langen Tisch vor dem Herd, die breiten Rücken dem schwach glimmenden Feuer zugewandt. Sie schnarchten misstönend. Lessa glitt durch die dunkle Küche auf die Tür zu, die in den Hof vor den Stallungen führte. Sie zwängte sich durch einen schmalen Spalt ins Freie. Das Kopfsteinpflaster unter ihren Sohlen war eiskalt, und sie schauderte, als die Nachtluft ihre geflickten Kleider durchdrang.
Der Wachwher glitt zur Begrüßung herbei. Er bettelte wie immer darum, freigelassen zu werden. Tröstend kraulte sie ihm die spitzen Ohren und versprach ihm, dass sie ihn bei Gelegenheit tüchtig abschrubben würde. Er zerrte wimmernd am Ende der Kette, als sie weiterging und den Wachtturm über dem massiven Burgtor erklomm. Lessa starrte angestrengt nach Osten, wo sich die steinernen Brüste des Passes schwarz gegen das erste Licht der Dämmerung abhoben.
Unentschlossen wandte sie sich nach links, denn die Gefahr schien auch aus dieser Richtung zu kommen. Ihr Blick wurde von dem Roten Stern angezogen, der seit kurzem den Morgenhimmel beherrschte. Er sandte ein pulsierendes, rubinrotes Licht aus, bis die aufgehende Sonne seinen Glanz verblassen ließ. Bruchstücke von Erzählungen und Balladen über die Erscheinung des Roten Sterns kamen ihr in Erinnerung, zu rasch und zusammenhanglos, um einen Sinn zu ergeben. Darüber hinaus fühlte sie instinktiv, dass die größere Drohung nicht im Nordosten, sondern im Osten lag. Sie sah starr in diese Richtung, als könnte sie durch beschwörende Blicke eine Brücke zu der Gefahr schlagen, die sie spürte. Und dann ließ die warnende Vorahnung sie los. Im gleichen Augenblick hörte sie das dünne Winseln des Wachwhers.
Lessa seufzte. Sie hatte keine Antwort im Morgengrauen gefunden, nur zwiespältige Andeutungen. Sie musste warten. Sie hatte die Warnung vernommen und akzeptiert. Ans Warten war sie gewöhnt. Hartnäckigkeit, Ausdauer und List waren mit ihre stärksten Waffen. Dazu kam die unerschöpfliche Geduld einer Frau, die ihr Leben lang auf Rache gesonnen hatte.
Frühlicht erhellte die ungepflügten Felder im Tal. Frühlicht fiel auf verkrümmte Obsthaine, in denen vereinzelte Milchkühe nach Gras suchten. Das Gras auf Ruatha wuchs, wo es nicht wachsen sollte, und verdorrte, wo man es angepflanzt hatte. Lessa wusste kaum noch, wie das Ruatha-Tal früher ausgesehen hatte, als es noch Glück und Fruchtbarkeit kannte. Als Fax noch nicht hier herrschte. Ein düsteres Lächeln stahl sich über ihr Gesicht. Fax hatte mit der Eroberung von Ruatha keinen Gewinn erzielt ... und so sollte es bleiben, solange sie, Lessa, lebte. Er ahnte nicht, wer an seinem Verderben arbeitete.
Oder doch? In Lessas Innerem hallte immer noch die Drohung wider, die sie empfangen hatte. Im Westen lag die Stammburg von Fax, sein einziger rechtmäßiger Besitz. Im Nordosten gab es nichts außer nackten, öden Bergen und dem Weyr, der Pern beschützte.
Lessa richtete sich hoch auf und atmete die klare, frische Morgenluft ein.
Ein Hahn krähte vor dem Stall. Lessa wirbelte herum. Mit aufmerksamen Blicken spähte sie im äußeren Burghof umher, ob sie jemand in dieser ungewöhnlichen Pose entdeckt hatte. Sie löste ihr Haar und ließ die dichten, fettigen Strähnen ins Gesicht fallen. Ihr Körper nahm wieder die gebeugte Haltung an, die sie seit Jahren vortäuschte. Rasch stieg sie in die Tiefe und ging hinüber zum Wachwher. Er winselte mitleiderregend. Seine empfindlichen Augen tränten im wachsenden Tageslicht. Lessa umarmte den schuppigen Kopf des Tieres, ohne auf seinen fauligen Atem zu achten, und strich ihm über die Ohren und Augenwülste. Der Wachwher geriet in Ekstase. Sein langgestreckter Körper zitterte, und die gestutzten Flügel spreizten sich raschelnd. Er allein wusste, wer sie war. Und von allen Geschöpfen auf Pern vertraute sie ihm allein – seit jenem Morgen, als sie vor den Schwertern Zuflucht in seiner Hütte gesucht hatte.
Langsam erhob sie sich und ermahnte ihn, in Gegenwart anderer so zu tun, als hasse er sie wie alle Menschen. Er versprach es, aber sie spürte sein Zögern.
Die ersten Sonnenstrahlen fielen über die äußere Burgmauer, und der Wachwher flüchtete mit einem Aufschrei in sein dunkles Lager. Lessa huschte eilig in die Küche und in die Käsekammer.
Aus dem Weyr, zutiefst im Fels,
Steigen auf die Drachenreiter,
Schweben leuchtend über Pern,
Sind hier und dort, sind nah und fern.
F'lar, auf dem breiten Nacken seines Bronzedrachen Mnementh, erschien als erster über dem Stammsitz von Fax, dem sogenannten Herrn des Hochlands. Hinter ihm tauchte in einem präzisen Keil das Geschwader auf. F'lar überprüfte automatisch die Formation; sie hatte sich seit ihrem Eintritt ins Dazwischen nicht verändert.
Während Mnementh, um die freundschaftliche Natur des Besuches zu unterstreichen, in einem Bogen auf den Außenbezirk der Burg zusteuerte, betrachtete F'lar mit wachsendem Abscheu den schlechten Zustand der Hügelverteidigungen. Die Feuersteingruben waren leer, und Moos überzog die Felsrinnen.
Gab es in ganz Pern überhaupt noch einen Baron, der den alten Gesetzen gehorchte und jegliches Grün von seinem Besitz verbannte? F'lar presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Wenn diese Suche und die anschließende Gegenüberstellung vorbei waren, musste man im Weyr feierlich zu Gericht sitzen und Strafen gegen die Barone aussprechen. Und bei den goldenen Eierschalen der Königin, er wollte persönlich dafür sorgen, dass diese Lethargie ein Ende nahm! Der grüne Schimmer musste von den Höhen Perns gesengt werden. Auf keinem Burghof sollte mehr Gras wachsen. Auch die Gehöfte würden seine Strenge spüren. Und die Abgaben, die so zögernd und widerwillig in den Drachenweyr flossen, sollten rascher und unter Androhung von Feuersteinbeschuss eingetrieben werden.
Mnementh knurrte zustimmend, als er elegant auf den moosgeränderten Platten des Hofes landete. Der Bronzedrachen rollte die großen Schwingen ein. Eine Fanfare klang im Wachturm auf. F'lar deutete an, dass er absteigen wolle, und Mnementh ging in die Knie. Der Bronzereiter stand neben dem riesigen keilförmigen Kopf seines Drachen und wartete höflich auf die Ankunft des Burgherrn. Seine Blicke schweiften über das Tal, das dunstig in der warmen Frühlingssonne dalag. Er schien die neugierigen Gesichter nicht zu bemerken, die ihn durch Schießscharten und Fensterschlitze beobachteten.
F'lar drehte sich nicht um, als ein Flügelrauschen die Ankunft des Geschwaders verriet. Er wusste jedoch, dass sein Halbbruder, der braune Reiter F'nor, eine Drachenlänge hinter ihm Aufstellung genommen hatte. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie F'nor mit dem Stiefelabsatz das Gras zertrat, das üppig zwischen den Steinen wuchs.
Ein gedämpfter Befehl erklang innerhalb des Haupthofes, und im nächsten Moment marschierte ein Trupp auf das Tor zu, angeführt von einem plumpen, kaum mittelgroßen Mann.
Mnementh wölbte den Hals weit vor und stützte das Kinn auf den Boden. Seine Augen mit den vielen Facetten waren in F'lars Kopfhöhe. Sie musterten ungeniert die näherkommende Gruppe. Die Drachen konnten nie verstehen, weshalb sie bei normalen Menschen eine so abgrundtiefe Furcht auslösten. Nur ein einziges Mal in seinem Leben würde ein Drache Menschen angreifen, und auch das geschah aus Unwissenheit. F'lar konnte Mnementh nicht erklären, dass es notwendig war, den Bauern, Handwerkern und Baronen Furcht einzuflößen. Was ihn selbst betraf, so musste er sich eingestehen, dass ihm die Angst und Besorgnis in den Mienen der anderen Menschen ein gewisses Vergnügen bereitete.
»Willkommen, Bronzereiter, auf der Burg von Fax, dem Herrn des Hochlands. Er steht Euch zu Diensten.«
Ein Pedant konnte in der Verwendung der dritten Person eine versteckte Beleidigung sehen. F'lar überhörte sie, aber sie passte zu den Informationen, die er über Fax erhalten hatte. Auch die Behauptung, dass Fax ein gieriger Mann war, schien zu stimmen. Seine unruhigen Augen nahmen jede Einzelheit von F'lars Kleidung auf, und er zog die Stirn kraus, als er den kostbar ziselierten Schwertgriff bemerkte.
F'lar hingegen fielen die protzigen Ringe an der linken Hand des Burgherrn auf. Die Rechte hatte er nach Art eines echten Schwertkämpfers leicht angewinkelt. Seine Kleidung verriet Reichtum, aber sie war fleckig und ungepflegt. Er stand mit gespreizten Beinen da, das Gewicht auf die Zehenspitzen verlagert. Ein Mann, den man vorsichtig behandeln musste, dachte F'lar. Dafür sprach schon die Tatsache, dass er fünf umliegende Burgen erobert hatte. Die sechste war ihm durch Heirat zugefallen, und eine siebente hatte er unter mysteriösen Umständen geerbt. Es hieß auch, dass er ein lüsterner Mensch war. F'lar erwartete, dass er in den sieben Burgen von Fax gutes Material für seine Suche entdecken würde. Sollte R'gul ruhig nach Süden gehen, um unter den trägen, wenn auch hübschen Frauen seine Wahl zu treffen. Der Weyr brauchte diesmal eine starke Herrin; Jora hatte bei Nemorth völlig versagt. Feindschaft, Unsicherheit – das waren die Voraussetzungen für die Entwicklung von Charaktereigenschaften, die eine Weyrherrin besitzen musste.
»Wir sind auf der Suche«, erklärte F'lar lässig, »und erbitten Ihre Gastfreundschaft, Baron Fax.«
Fax' Augen weiteten sich ein wenig, als F'lar von der Suche sprach.
»Ich hörte von Joras Tod«, erwiderte er, ohne zur dritten Person zurückzukehren. Offenbar hatte F'lar eine Art Test bestanden, als er die Kränkung überhörte. »Nemorth hat also ein Königinnen-Ei gelegt, hm?«, fuhr er fort. Seine Blicke huschten über das Geschwader, notierten die disziplinierte Haltung der Reiter und die gesunde Farbe der Drachen.
F'lar gab keine Antwort. Sie war offensichtlich.
»Nun, Mylord ...« Fax zögerte und hielt erwartungsvoll den Kopf schräg.
Einen Herzschlag lang überlegte F'lar, ob der Mann ihn absichtlich herausforderte. Der Name der Bronzereiter war im allgemeinen in Pern ebenso bekannt wie der Name der Drachenkönigin und ihrer Betreuerin, der Weyrherrin. F'lars Miene blieb unbewegt, aber er ließ die Augen nicht von Fax.
Gemächlich, mit einer wohldosierten Spur von Arroganz, trat F'nor näher. Er blieb bei Mnementh stehen, und einen Moment lang ruhte seine Hand auf den mächtigen Kieferknochen des Drachen.
»Lord F'lar, der Bronzereiter von Mnementh, benötigt nur für sich Quartier. Ich, F'nor, ziehe es vor, beim Geschwader untergebracht zu werden. Wir sind insgesamt zwölf.«
Es gefiel F'lar, wie F'nor mit dem Burgherrn umsprang. Er deutete praktisch an, dass Fax nicht selbst zählen könne. Aber dabei formulierte er seine Worte so geschickt, dass Fax keine Möglichkeit zum Protest hatte.
Fax setzte ein starres Lächeln auf. »Lord F'lar, das Hochland fühlt sich durch die Suche geehrt.«
»Es würde dem Hochland Ansehen bringen, wenn eine seiner Frauen die Eignung besäße«, erwiderte F'lar glatt.
»Immerwährendes Ansehen«, sagte Fax ebenso höflich. »In früheren Zeiten kamen viele berühmte Weyrherrinnen aus meinen Burgen.«
»Aus Ihren Burgen?«, wiederholte F'lar lächelnd. Er betonte den Plural. »Ach ja, Sie sind jetzt Herrscher von Ruatha, nicht wahr? Von dort kam gutes Material.«
Ein merkwürdig lauernder Ausdruck huschte über das Gesicht des Burgherrn, doch gleich darauf lächelte er freundlich. Er trat zur Seite und winkte F'lar in den Burghof.
Der Anführer seiner Truppe gab einen hastigen Befehl, und die Männer stellten sich in zwei Reihen auf. Die Metallabsätze ihrer Stiefel dröhnten auf den Pflastersteinen.
Auf einen unausgesprochenen Befehl hin erhoben sich die Drachen. Sie wirbelten Staubwolken auf. F'lar schritt lässig das Ehrenspalier ab. Die Männer rollten ängstlich die Augen, als die Drachen auf die Innenhöfe zuflogen. Jemand auf dem Wachtturm stieß einen Entsetzensschrei aus, als Mnementh diesen Aussichtspunkt für sich in Anspruch nahm. Seine breiten Schwingen peitschten durch die Luft, und Phosphordämpfe zogen über die Burg hinweg.
Obwohl F'lar äußerlich nicht zu bemerken schien, dass die Drachen Bestürzung und Angst auslösten, freute er sich insgeheim doch über ihre Wirkung. Man musste den Burgherren gelegentlich in Erinnerung rufen, dass sie es nicht nur mit gewöhnlichen Sterblichen zu tun hatten. Der frühere Respekt für Drachenreiter und Drachen durfte nicht in Vergessenheit geraten.
»Wir hatten uns eben von der Tafel erhoben, Lord F'lar. Wenn ...« Fax sprach den Satz nicht zu Ende, da F'lar lächelnd abwinkte.
»Ich bitte, der Dame des Hauses meine Aufwartung machen zu dürfen«, erklärte F'lar. Er bemerkte mit innerer Befriedigung, wie Fax einen Moment lang die Lippen zusammenpresste.
F'lar amüsierte sich ungemein. Er hatte bisher noch keine Suche mitgemacht, aber er wusste aus Archivberichten, dass es versteckte Mittel gab, um die Barone in Verlegenheit zu bringen, die ihre Frauen bei Ankunft der Drachenreiter verbargen. Falls Fax sich weigern sollte, F'lars Wunsch zu erfüllen, kam dies einer schweren Kränkung gleich, die geahndet werden musste.
»Möchten Sie nicht zuerst Ihr Quartier sehen?«, entgegnete Fax.
F'lar schnippte ein unsichtbares Stäubchen von seinem weichen Wherleder-Handschuh und schüttelte den Kopf.
»Zuerst die Pflicht«, sagte er mit einem leichten Achselzucken.
»Natürlich«, erwiderte Fax. Er beherrschte sich nur mühsam. Mit langen Schritten stapfte er über den Hof.
F'lar und F'nor folgten langsamer. Sie traten durch das metallbeschlagene Portal und gingen weiter in den Großen Saal, der direkt in den Fels gehauen war. Nervöse Dienerinnen räumten den hufeisenförmigen Tisch ab. Der Anblick der beiden Drachenreiter brachte sie vollends aus der Fassung. Einige ließen sogar das Geschirr fallen.
Fax hatte bereits das andere Ende des Saales erreicht und wartete ungeduldig an der offenen Felsnische, dem einzigen Zugang zur inneren Burg, die in Zeiten der Gefahr allen Bewohnern der Umgebung Schutz bot.
»Schlecht lebt man hier nicht«, stellte F'nor beiläufig fest, als sie am Tisch vorbeikamen.
»Besser jedenfalls als im Weyr«, erwiderte F'lar trocken. Er sah zwei Mägden nach, die unter dem Gewicht eines halb verzehrten Lamms hinauswankten.
»Jung und zart«, meinte F'nor mit einem Anflug von Bitterkeit. »Während wir uns mit flachsigem alten Viehzeug begnügen müssen.«
F'lar nickte.
»Sie sind vom Glück begünstigt«, sagte er liebenswürdig, als sie Fax erreichten. Da der Mann deutlich seine Ungeduld zeigte, drehte F'lar sich noch einmal um und betrachtete den bannergeschmückten Saal. Er zeigte F'nor die tief in den Stein gehauenen Fensterschlitze und die Bronzeläden, die jetzt offenstanden, um die Mittagssonne hereinzulassen. »Nach Osten gewandt, wie es sein soll. Ich höre, dass der neue Saal von Telgar nach Süden ausgerichtet ist. Halten Sie sich eigentlich noch an die alten Bräuche, Baron Fax? Stellen Sie im Morgengrauen eine Wache auf?«
Fax runzelte die Stirn. Er bemühte sich, die tiefere Bedeutung von F'lars Worten zu erkennen.
»Der Wehrgang ist immer besetzt.«
»Nach Osten hin?«
Fax warf einen Blick auf die Fenster, sah von F'lar zu F'nor und wieder auf die Fenster.
»Nach allen Zugängen hin«, sagte er scharf.
»Oh, nur nach den Zugängen hin.« F'lar nickte F'nor bedeutungsvoll zu.
»Wo sonst?«, fragte Fax besorgt und betrachtete die beiden Drachenreiter.
»Ich werde diese Frage an Ihren Harfner weitergeben. Sie haben doch einen ausgebildeten Harfner auf Ihrer Burg?«
»Natürlich. Ich besitze mehrere ausgebildete Harfner.« Fax richtete sich stolz auf.
F'lar tat, als verstünde er nicht.
»Baron Fax ist Herr über sechs weitere Burgen«, erinnerte F'nor seinen Geschwaderführer.
»Natürlich«, sagte F'lar im gleichen Tonfall wie kurz zuvor Fax.
Die Nachahmung entging Fax nicht, aber da er eine harmlose Zustimmung unmöglich als bewusste Kränkung auslegen konnte, schwieg er. Er führte die Drachenreiter durch schwach erhellte Korridore.
»Es ist erfreulich, dass wenigstens noch manche Burgherren die alten Regeln befolgen«, sagte F'lar anerkennend zu F'nor, als sie ins Burginnere vordrangen. »Viele haben die Sicherheit der Felsen verlassen und ihre Außenbezirke gefährlich vergrößert. Ich kann diesen Leichtsinn nicht billigen.«
Fax hatte seine Schritte verlangsamt. »Der Leichtsinn der einen ist der Nutzen der anderen«, meinte er verächtlich.
»Nutzen?«
»Mit gut ausgebildeten Truppen, überlegter Strategie und einem klugen Führer lässt sich jeder Außenbezirk erobern, Bronzereiter.«
Der Mann war kein Schwätzer. Selbst jetzt, da alles friedlich war, stellte er nachts Wachen auf. Allerdings tat er es nicht aus Respekt vor den alten Bräuchen, sondern aus Vorsicht. Und er hielt Harfner nicht der Tradition wegen, sondern um seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Die Feuersteingruben hingegen waren leer, und er ließ Gras wachsen. Er empfing Drachenreiter mit einem Minimum an Höflichkeit und brachte sogar versteckte Beleidigungen an. Ein Mann, vor dem man sich in acht nehmen musste.
Die Frauengemächer befanden sich nicht, wie üblich, zutiefst im Fels, sondern an der Bergflanke. Sonnenlicht strömte durch drei vergitterte, tief in den Felsen gehauene Fensterschlitze. Gobelins hingen an den Wänden. Zu beiden Seiten des Hauptraumes führten Türen in kleinere Schlafnischen, und von dort tauchten zögernd die Frauen des Burghaushalts auf. Fax deutete unwirsch auf eine hochschwangere Frau in einem blauen Gewand. Weiße Strähnen durchzogen ihr Haar, und in ihr Gesicht waren tiefe Linien der Enttäuschung und Bitterkeit eingegraben. Sie kam schwerfällig näher und blieb in einiger Entfernung von ihrem Gemahl stehen. Aus ihrer Haltung schloss F'lar, dass sie Fax so weit wie möglich aus dem Wege ging.
»Die Herrin von Crom, Mutter meiner Erben«, sagte Fax ohne Stolz und ohne jede Herzlichkeit.
»Mylady ...« F'lar zögerte, da Fax ihren Namen nicht genannt hatte.
Sie warf ihrem Gatten einen argwöhnischen Blick zu.
»Gemma«, sagte Fax scharf.
F'lar verbeugte sich tief. »Mylady Gemma, der Weyr ist auf der Suche und erbittet die Gastfreundschaft dieser Burg.«
»Mylord F'lar, Sie sind herzlichst willkommen.«
F'lar entging weder die Betonung des Adverbs noch die Tatsache, dass Gemma sofort seinen Namen gewusst hatte. Sein Lächeln war freundlicher, als es die Höflichkeit verlangte. Er empfand Mitleid für sie. Die Zahl der Frauen in diesem Haushalt ließ darauf schließen, dass Fax auch hier seiner Gier freien Lauf ließ.
Fax murmelte die Namen der übrigen Frauen, bis er merkte, dass er damit nichts erreichte. F'lar bat höflich um eine Wiederholung, wenn er den Namen nicht verstanden hatte. F'nor lehnte lässig an der Tür. Er merkte sich genau, welche Frauen Fax nur ungern vorstellte, um seine Beobachtungen später F'lar mitzuteilen. Allerdings sah es nicht so aus, als würde die Suche hier zum Erfolg führen. Fax liebte kleine, plumpe Frauen. Und sie besaßen keinen eigenen Willen. Wenn sie je über Unabhängigkeit verfügt hatten, so war diese sicher brutal unterdrückt worden. Fax hatte offensichtlich nichts für Zärtlichkeit übrig. Er war ein Zuchtbulle, kein Liebhaber. Einige der Mädchen waren den ganzen Winter über nicht mit Wasser in Berührung gekommen, und alle rochen nach ranziger Pomade. Lediglich Lady Gemma stellte eine Ausnahme dar, aber sie kam für die Suche nicht mehr in Frage. Sie war zu alt.
Gleich nach der Vorstellung führte Fax seine ungebetenen Gäste wieder hinaus. F'nor begab sich zum Geschwader, und der Burgherr führte den Bronzereiter zu dem Quartier, das man ihm zugewiesen hatte.
Der Raum befand sich tiefer als die Frauengemächer. Er war durchaus standesgemäß für den hohen Besucher. Gobelins in kräftigen Farben zeigten Szenen aus der Geschichte Perns – blutige Schlachten, Schwertduelle, Drachen im Fluge und Hänge, auf denen Feuerstein brannte.
»Ein hübsches Zimmer«, meinte F'lar anerkennend. Er warf lässig die Handschuhe und den Wherlederumhang auf den Tisch. »Ich werde nach meinen Leuten und den Tieren sehen. Die Drachen wurden noch vor dem Abflug versorgt.« Er deutete damit an, dass Fax vergessen hatte, sich danach zu erkundigen. »Ich bitte darum, auch die Handwerker besuchen zu dürfen.«
Fax nickte säuerlich. Es handelte sich um ein altes Privileg der Drachenreiter, und er konnte die Bitte nicht abschlagen.
»Ich will Sie nicht weiter bei der Arbeit stören, Baron Fax. Sicher haben Sie viel zu tun, wenn Sie sieben Burgen verwalten.« F'lar verbeugte sich leicht und drehte sich um. Er konnte sich den wütenden Gesichtsausdruck seines Gastgebers vorstellen. Nachdem die schweren Schritte von Fax im Korridor verklungen waren, ging F'lar zurück in den Großen Saal.
Die Mägde waren eben damit beschäftigt, zusätzliche Tische hereinzuschleppen. Sie hielten in ihrer Arbeit inne und starrten den Drachenreiter an. Er nickte ihnen freundlich zu. Keine von ihnen hatte das Zeug zur Betreuerin der Drachenkönigin. Sie waren überarbeitet, unterernährt, von Krankheiten und Peitschenhieben gezeichnet – geknechtete Kreaturen, die bis zu ihrem Tode weiterrackern mussten.
F'nor und seine Leute hatten in einem hastig freigeräumten Gesindebau Quartier bezogen. Die Drachen lagerten bequem auf den Felsen über der Burg. Sie hatten sich so verteilt, dass sie jeden Winkel des breiten Tales überwachen konnten. Alle waren vor dem Flug gefüttert worden. Bei einer Suche gingen die Drachenreiter kein Risiko ein.
Die Männer erhoben sich, als F'lar eintrat.
»Ihr könnt euch bis Sonnenuntergang umsehen«, meinte er lakonisch. »Lasst euch die Namen und die Gildezugehörigkeit aller Mädchen geben, die geeignet erscheinen.« Er bemerkte F'nors Grinsen und wusste, dass sein Halbbruder an die Frauen dachte, die Fax nur widerwillig vorgestellt hatte.
Die Männer nickten eifrig. Sie waren immer noch fest davon überzeugt, dass die Suche erfolgreich verlaufen würde. F'lar hingegen hegte seine Zweifel, jetzt, da er den Burghaushalt gesehen hatte. Aller Logik nach befanden sich die schönsten und klügsten Frauen auf dem Stammsitz von Fax, aber keine einzige hatte den Anforderungen entsprochen. Gewiss, es gab Handwerkersiedlungen in der Nähe, und da waren noch die sechs anderen Burgen, aber ...
F'lar und F'nor verließen gemeinsam das Quartier. Die übrigen Reiter würden ihnen unauffällig folgen, einzeln oder zu zweien, und Umschau auf den nähergelegenen Höfen und bei den Handwerkern halten. Die Männer freuten sich ebenso über die Abwechslung wie F'lar. In früheren Zeiten waren Drachenreiter häufige und gern gesehene Gäste auf allen Burgen von Pern gewesen. Aber diese Sitte war mit vielen anderen in Vergessenheit geraten, und heutzutage betrachtete man den Weyr sogar mit einer gewissen Verachtung. F'lar hatte sich geschworen, das zu ändern.
Der Verfall war langsam und beinahe unmerklich gekommen. Die Aufzeichnungen, die seit zweihundert Planetendrehungen von der jeweiligen Weyrherrin weitergeführt wurden, zeugten von einer allmählichen, aber stetigen Verschlechterung. Doch das Wissen allein half in dieser Situation nicht weiter. F'lar gehörte zu den wenigen im Weyr, die neben den Aufzeichnungen auch die alten Balladen studierten. Und diese Erzählungen deuteten darauf hin, dass sich die Lage in Kürze drastisch ändern würde.
F'lar spürte, dass jedes Weyr-Gesetz seinen Grund hatte, von der Ersten Gegenüberstellung bis zu den Feuersteinen, von den grasfreien Höhen bis zu den Rinnen, die entlang der Bergkämme verliefen. Selbst Kleinigkeiten wie die Nahrungsmenge der Drachen oder die beschränkte Bewohnerzahl in einem Weyr schienen wichtig zu sein. Allerdings verstand F'lar nicht, weshalb die übrigen fünf Weyrs verlassen waren. Ihm fiel ein, dass man vielleicht einmal nach Aufzeichnungen in den leerstehenden Räumen suchen konnte. Im Benden-Weyr gab es jedenfalls keine Erklärung für dieses Phänomen.
»Die Leute sind fleißig, aber lustlos«, sagte F'nor. Er brachte F'lar zurück in die Gegenwart.
Sie waren über eine steile Rampe nach unten gestiegen. Einfache Hütten säumten den Weg. F'lar bemerkte das Moos auf den Dächern und die Kletterpflanzen, die sich um das Mauerwerk rankten. Die Erkenntnis, dass selbst die primitivsten Vorsichtsmaßnahmen außer acht gelassen wurden, berührte ihn schmerzhaft.
»Unsere Ankunft hat sich schnell herumgesprochen.« F'nor lachte vor sich hin und nickte einem Bäcker zu, der mit einem leisen Gruß an ihnen vorübereilte. »Nirgends sind Frauen zu sehen.«
Seine Beobachtung stimmte. Zu dieser Tageszeit hätte man normalerweise überall Frauen antreffen müssen – in den Läden, am Waschplatz oder in den Gärten.
»Früher war es eine Ehre, von Drachenreitern auserwählt zu werden«, stellte F'nor sarkastisch fest.
»Wir suchen zuerst die Tuchweber auf. Wenn mein Gedächtnis mich nicht im Stich lässt ...«
»Es lässt dich nie im Stich«, warf F'nor trocken ein. Er nützte ihre Blutsverwandtschaft nicht aus, aber er hatte ein herzlicheres Verhältnis zu dem Bronzereiter als die anderen Männer im Weyr. F'lar war ein zurückhaltender Mensch, selbst in der kleinen Gemeinschaft, in der enge Bindungen herrschten. Er achtete bei seinem Geschwader auf strenge Disziplin, aber die Drachenreiter dienten gern unter ihm. Seine Gruppe siegte immer bei den Kampfspielen. Nie verschwand jemand im Dazwischen, und nie erkrankte ein Drache seines Geschwaders, so dass der zugehörige Reiter aus dem Weyr verstoßen werden musste.
»L'tol ließ sich hier in der Nähe nieder«, fuhr F'lar fort.
»L'tol?«
»Ja. Ein grüner Reiter aus S'lels Geschwader. Du erinnerst dich sicherlich an ihn.«
Ein falsch berechneter Bogen während der Frühlingsspiele hatte L'tol und sein Tier genau in den Phosphorstrahl von S'lels Bronzedrachen Tuenth gebracht. Der Reiter war von einem anderen Tier aufgefangen worden, aber sein Drache hatte die Vergiftung nicht überlebt.
»L'tol könnte uns bei der Suche nützlich sein«, meinte F'nor zustimmend, als sie auf die Bronzetore des Tuchweberhauses zugingen. Sie blieben an der Schwelle stehen und warteten, bis sich ihre Augen an den schwachen Glanz gewöhnt hatten, der aus Nischen und Seitenschiffen drang. Plötzlich stand jemand neben ihnen und bat sie mitzukommen. Sie wurden in ein kleines Büro geführt, das durch einen Vorhang vom Hauptsaal getrennt war.
Ihr Führer drehte sich um. Im Schein der Wandleuchten sahen sie, dass er ein Drachenreiter war. Aber tiefe Falten zerfurchten sein Gesicht, und in seinen Augen brannte Sehnsucht. Er blinzelte unaufhörlich.
»Ich bin jetzt Lytol«, sagte er mit harter Stimme.
F'lar nickte.
»Sie müssen F'lar sein«, fuhr Lytol fort, »und Sie F'nor. Sie haben beide Ähnlichkeit mit Ihrem Vater.«
Wieder nickte F'lar.
Lytol schluckte und sein Gesicht verzerrte sich. Die Gegenwart der Drachenreiter hatte ihn daran erinnert, dass er im Exil lebte. Er versuchte zu lächeln.
»Drachen am Himmel! Die Nachricht hat sich mit der Schnelligkeit von Silberfäden verbreitet.«
»Nemorth hat ein Königinnenei gelegt.«
»Und Jora ist tot?«, fragte Lytol besorgt. Einen Moment lang war sein Gesicht ruhig. »Ihr Partner war Hath?«
F'lar nickte.
Lytol schnitt eine bittere Grimasse. »Also wieder R'gul, was?« Er starrte ins Leere, und seine Wangenmuskeln zuckten. »Ihr übernehmt das Hochland? Alle Burgen?« Lytol legte eine sonderbare Betonung in das Wort »alle«.
F'lar nickte zustimmend.
»Ihr habt die Frauen gesehen.« Lytols Verachtung war unverkennbar. »Nun, es gibt nirgends im Hochland andere.« Er ließ sich an einem ausladenden Tisch nieder, der in der Ecke des Raumes stand. Seine Hände umkrampften den Gürtel.
»Man möchte beinahe das Gegenteil annehmen, nicht wahr?«, fuhr Lytol fort. Er redete zuviel und zu schnell. Bei einem anderen Mann wäre es beleidigend, unhöflich gewesen. Aber sie wussten, wie sehr er unter der Einsamkeit des Exils litt. Lytol stellte oberflächliche Fragen, die er selbst beantwortete. Er hatte Angst davor, dass die Drachenreiter Themen anschneiden könnten, die zu schmerzhaft für ihn waren. Dennoch lieferte er den Männern genau die Informationen, die sie brauchten. »Aber Fax mag es, wenn seine Frauen fett und gehorsam sind«, sagte er. »Selbst Lady Gemma musste das erfahren. Er hätte sie längst umgebracht, wenn er nicht auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen wäre. Ah, er hätte sie umgebracht. So zeugt er ein Kind nach dem anderen und hofft, dass sie eines Tages bei einer Geburt stirbt. Und das wird er erreichen, das wird er!«
Lytol lachte rau.
»Als Fax an die Macht kam, schickte jeder kluge Mann seine Töchter fort von hier oder brandmarkte sie für immer.« In seinen Augen blitzte der Hass. »Ich war ein Narr. Ich dachte, meine Stellung würde mir Immunität verschaffen.«
Lytol zog sich hoch und trat dicht vor die beiden Drachenreiter. Sein Gesichtsausdruck war beschwörend, seine Stimme klang eindringlich.
»Drachenreiter, ihr müsst diesen Tyrannen töten. Es geht um die Sicherheit von Pern. Um das Geschick des Weyrs. Um die Königin. Er wartet nicht mehr lange. Er sät Unzufriedenheit unter den anderen Baronen. Er glaubt, er sei ebenso stark wie ein Drachenreiter.« Lytol lachte hysterisch.
»Dann gibt es hier also keine Anwärterinnen?«, frage F'lar scharf.
Lytol starrte den Bronzereiter einen Moment lang an. »Sagte ich das nicht? Die besten Mädchen starben unter Fax oder wurden weggeschickt. Was übrigbleibt, ist nichts, nichts. Dumm, schwach, hohl, eitel. Wozu das führt, haben wir bei Jora gesehen. Sie ...« Er biss sich auf die Lippen. Verzweifelt versuchte er seine Gesichtsmuskeln zu beherrschen.
»Und die anderen Burgen?«
Lytol schüttelte düster den Kopf. »Das gleiche. Tot oder geflohen.«
»Was ist mit Ruatha?«
Lytol warf F'lar einen lauernden Blick zu. Dann lachte er hart.
»Glaubt ihr, dass sich heutzutage eine Torene oder Moreta auf Ruatha verbirgt? Nein, Bronzereiter, das Ruatha-Blut ist ausgestorben. Fax hat ganze Arbeit geleistet. Er kennt die Lieder der Harfner, in denen die Überlegenheit der Ruatha gepriesen wird. Er wusste auch, dass auf Ruatha die Drachenreiter immer willkommen waren.« Lytols Stimme sank zu einem vertraulichen Flüstern. »Es heißt, dass sogar Drachenreiter zu den Vorfahren der Ruatha gehörten – Männer, die im Exil lebten wie ich.«
F'lar nickte ernsthaft. Er gönnte Lytol diesen kleinen Triumph.
»Jetzt ist das Ruatha-Tal nur noch ein Schatten, verglichen mit früher.« Lytol lachte vor sich hin. »Fax hat nichts als Schwierigkeiten mit der Burg.« Einen Moment lang glättete sich seine Miene. »Die besten Tuchweber von ganz Pern arbeiten jetzt hier. Und unsere Schmiede liefern großartig gehärtete Waffen.« In seinem Blick drückte sich Stolz aus. »Aber die Leute, die Fax von Ruatha hierherholte, starben durch Unfälle oder seltsame Krankheiten. Und die Mädchen ...« Sein Lachen nahm einen boshaften Klang an. »Es ging das Gerücht um, dass er monatelang impotent war, wenn er ein Mädchen von Ruatha genommen hatte.«
F'lar kam ein sonderbarer Gedanke. »Ist wirklich kein Ruatha-Abkömmling mehr am Leben?«
»Nein!«
»Auch sonst gibt es keine Familien, die Weyr-Blut in sich haben?«
Lytol runzelte die Stirn und sah F'lar überrascht an. Er rieb nachdenklich über eine Narbe.
»Es gab einige«, meinte er langsam. »Einige. Aber ich glaube nicht, dass sie noch leben.« Er schüttelte den Kopf. »Fax kannte damals keine Gnade. Er metzelte alles nieder, auch Frauen und Kinder. Jeder, der auf Ruathas Seite gestanden hatte, wurde eingesperrt oder hingerichtet.«
F'lar zuckte mit den Schultern. Es war nur ein Gedanke gewesen. Zweifellos hatte Fax brutal jeglichen Widerstand gebrochen. Das erklärte auch, weshalb Ruatha keine guten Handwerksprodukte mehr lieferte. Früher einmal waren die Tuchweber von Ruatha berühmt gewesen.
»Es tut mir leid, dass ich keine günstigeren Nachrichten habe«, murmelte Lytol.
»Schon gut.« F'lar hob die Hand, um den Vorhang zu öffnen.
Lytol stand mit ein paar raschen Schritten neben ihm und sagte drängend: »Vergesst meine Warnung nicht! Fax ist ehrgeizig! R'gul, oder wer der nächste Weyrherr sein mag, soll das Hochland überwachen lassen!«
»Weiß Fax, auf wessen Seite du stehst?«
Wieder huschte ein Ausdruck schmerzlicher Sehnsucht über Lytols Züge. Er schluckte. Als er dann endlich sprach, war seine Stimme ausdruckslos.
»Der Herr des Hochlands benötigt keinen Grund, wenn er jemanden beseitigen will. Aber meine Gilde schützt mich. Er ist auf unsere Produkte angewiesen.« Er lachte spöttisch. »Keiner webt Kampfszenen besser als ich. Allerdings fehlten seit einiger Zeit die Drachen als Kampfgefährten der Helden.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Ihr habt vermutlich bemerkt, dass auf den Steinen Gras wächst?«
F'lars Miene verdüsterte sich. »Wir haben mehr als das bemerkt. Aber an andere Traditionen hält sich Fax ...«
Lytol winkte ab. »Nur wenn es sich um militärische Überlegungen handelt. Seine Nachbarn rüsteten sich mit Waffen aus, nachdem er Ruatha überfiel. Wohlgemerkt, es war ein heimtückischer Angriff. Und noch eines ...«, Lytol deutete zur Burg hinüber, »er spottet offen über die Erzählungen der Harfner. Er glaubt nicht an die Silberfäden, und er hat die Drachenballaden von seinem Hof verbannt. Die neue Generation kennt ihre Pflichten nicht mehr. Sie hat keine Ahnung von der Tradition.«
Lytols Enthüllung überraschte F'lar nicht, aber sie beunruhigte ihn mehr als alles andere. Es gab heutzutage viele Menschen, die das historische Geschehen als Geschwätz der Harfner abtaten. Und doch pulsierte der Rote Stern am Himmel. Die Zeit würde kommen, in der sie ihre Untertanenpflicht genauer nahmen – aus nackter Furcht vor dem Tode.
»Hast du in letzter Zeit den Morgenhimmel betrachtet?«, fragte F'nor.
»O ja«, flüsterte Lytol erstickt. »O ja ...« Stöhnend wandte er sich von den Drachenreitern ab. »Geht«, sagte er. Und als sie zögerten, wiederholte er noch einmal bittend: »Geht!«
F'lar verließ rasch den Raum, gefolgt von F'nor. Der Bronzereiter durchquerte den Saal mit langen Schritten und trat ins grelle Sonnenlicht hinaus. Er blieb so abrupt stehen, dass F'nor gegen ihn stieß.
»Wir werden in den anderen Gildehäusern ebenso lange bleiben«, erklärte er, ohne F'nor anzusehen. Seine Kehle war wie zugeschnürt, und er schluckte mehrmals.
»Ein Leben ohne Drachen ...«, sagte F'nor leise. Die Begegnung mit Lytol hatte ihn aufgewühlt. Auch F'lar war zutiefst betroffen, selbst wenn er es zu verbergen suchte.
»Sobald die Gegenüberstellung stattgefunden hat, gibt es kein Zurück mehr«, stieß F'lar schließlich hervor. »Du weißt das.« Er ging auf das Gildehaus der Sattler zu.
Lob gebührt dem Drachenreiter,
Zollt es ihm durch Wort und Tat,
Seine starken Hände greifen
Lenkend in das Schicksalsrad.
Drachenreiter, Maß lass walten,
Machtgier bringt den Untergang.
Achte das Gesetz der Alten,
Soll der Weyr fortbesteh'n.
F'lar befand sich nun bereits den vierten Tag bei Fax, und nur seiner starken Selbstbeherrschung war es zu verdanken, dass es nicht zu offener Zwietracht kam.
Während Mnementh gemächlich auf den Pass von Ruatha zuglitt, überlegte F'lar, welch ein Glück es war, dass er und nicht R'gul das Hochland gewählt hatte. Bei R'gul, dem die Ehre über alles ging, hätte Fax mit seiner Taktik Erfolg gehabt; ebenso bei S'lan oder D'nol, die noch zu jung waren, um Geduld oder Zurückhaltung zu üben. S'lel hätte sich verwirrt zurückgezogen – eine Handlungsweise, die ebenso verhängnisvoll sein konnte wie der Kampf selbst.
Er hätte die Symptome längst miteinander in Verbindung bringen sollen. Man konnte nicht nur die Barone für den Verfall des Weyrs verantwortlich machen. Schwache Königinnen und unfähige Weyrherrinnen trugen ebenso die Schuld daran. Zudem beharrte R'gul unverständlicherweise darauf, die Barone nicht zu »belästigen«. Er zwang die Drachenreiter, im Weyr zu bleiben. Und er legte zuviel Wert auf die Kampfspiele, so dass der Wettbewerb zwischen den einzelnen Geschwadern zur Hauptbeschäftigung innerhalb des Weyrs geworden war.
Das Gras war nicht über Nacht aus dem Boden geschossen, und die Barone hatten nicht urplötzlich beschlossen, keine Abgaben mehr zu entrichten. Das hatte sich nach und nach entwickelt, und im Weyr hatte man nichts dagegen unternommen, so dass die Tradition immer mehr verblasste. Und nun war man an einem Punkt angelangt, wo ein Emporkömmling, der Erbe einer unbedeutenden Nebenlinie, verächtlich auf die Drachenreiter herabsehen konnte.
F'lar bezweifelte, dass Fax die umliegenden Burgen unterdrückt hätte, wenn der Weyr noch so stark wie früher gewesen wäre. Jede Burg brauchte ihren Herrn, der sie und die umliegenden Siedlungen vor den Silberfäden beschützte. Wie sollte ein Mann für sieben Burgen sorgen? Keiner der früheren Weyrherren hätte eine so krasse Missachtung der alten Sitten ungestraft gelassen.
F'lar sah die Flammenzungen auf den kahlen Hängen des Passes, und Mnementh stieg gehorsam höher, um seinem Reiter einen besseren Rundblick zu gewähren. F'lar hatte das halbe Geschwader vorausgeschickt. Es war eine gute Übung für die Leute, unregelmäßiges Terrain zu überfliegen. Er hatte kleine Portionen Feuerstein mit der Anweisung ausgegeben, jede Spur von Grün zu beseitigen. Diese Übung sollte Fax und seinen Leuten in Erinnerung rufen, welche außergewöhnlichen Fähigkeiten die Drachen besaßen. Das Volk von Pern schien sie völlig vergessen zu haben.
Die feurigen Phosphorwolken, welche die Drachen ausstießen, verrieten ihre strenge Flugformation. R'gul mochte sich gegen die Notwendigkeit dieser Feuerstein-Übungen wehren; er mochte Fälle wie Lytol anführen – F'lar hielt sich an die alte Tradition. Und wenn die Männer seines Geschwaders nicht damit einverstanden waren, konnten sie zu einem anderen Führer überwechseln. Doch bis jetzt hatte ihn keiner verlassen.
F'lar wusste, dass die Männer ebenso wie er eine wilde Freude dabei empfanden, die feuerspeienden Drachen zu reiten. Die Phosphordämpfe waren auf ihre Art berauschend, und das Gefühl der Macht, das sich dabei von den Drachen auf die Reiter übertrug, ließ sich mit keinem anderen Erlebnis vergleichen. Vom Augenblick der Gegenüberstellung an waren Drachenreiter eine Rasse für sich. Und der Ritt auf einem Kampfdrachen entschädigte für alles – das Risiko, die ständige Wachsamkeit, die Isolierung von der übrigen Menschheit.
Mnementh glitt mit schräg gestellten Schwingen in die schmale Felsenspalte, die Crom und Ruatha miteinander verband. Kaum hatten sie den Pass durchquert, als der Unterschied zwischen den beiden Burgen offenkundig wurde.
F'lar war wie betäubt. Während seines Aufenthalts in den letzten vier Burgen hatte er sich immer wieder eingeredet, dass in Ruatha seine Suche Erfolg haben würde.
Gewiss, da war die zierliche Brünette von Nabol, die Tochter eines Tuchwebers, oder das hochgewachsene, gertenschlanke Mädchen von Crom, das von einem einfachen Beschließer abstammte. Möglichkeiten, ja, und wäre er S'lel, K'net oder D'nol gewesen, hätte er sie zumindest in den Weyr geholt.
Aber während der ganzen Suche hatte er sich gesagt, dass er im Süden die beste Auswahl antreffen würde. Nun, da er die Ruine von Ruatha unter sich liegen sah, waren seine Hoffnungen mit einem Schlag vernichtet.
Das Banner von Fax wehte im Wind. F'lar schluckte mühsam seine Enttäuschung hinunter und gab Mnementh die Anweisung, neben Fax zu landen. Der Baron zügelte mit harter Hand sein erschrecktes Reittier und deutete auf das öde Tal.
»Das berühmte Ruatha, auf das Sie so große Hoffnungen gesetzt hatten«, meinte er sarkastisch.
F'lar lächelte kühl. Woher wusste Fax, dass er sich viel von Ruatha versprochen hatte? Nun, der Baron war ein aufmerksamer Beobachter, und vielleicht hatte er sich selbst durch ein unbedachtes Wort verraten.
»Man sieht auf den ersten Blick, weshalb heutzutage die Güter des Hochlands bevorzugt werden«, erwiderte F'lar. Mnementh knurrte, und F'lar tadelte ihn scharf. Der Bronzedrache hatte Fax gegenüber eine Abneigung entwickelt, die an Hass grenzte. Das war höchst ungewöhnlich und bereitete F'lar Sorgen.
»Von Ruatha kommt nichts Gutes«, sagte Fax mit unterdrücktem Zorn. Er riss heftig am Zaumzeug des Pferdes. Als das Tier mit einem schmerzerfüllten Wiehern den Kopf zurückwarf, versetzte er ihm einen wütenden Hieb zwischen die Ohren. Der Schlag war im Grunde nicht gegen die arme Kreatur, sondern gegen Ruatha gerichtet. »Da das Ruatha-Geschlecht ausgestorben ist, habe ich die Verwaltung der Burg übernommen. Die Bewohner sind verpflichtet, mir Abgaben zu leisten ...«
»Und hungern dafür das ganze Jahr über«, stellte F'lar trocken fest. Er warf einen Blick auf das breite Tal. Nur wenige Felder waren gepflügt. Auf den Weiden standen kümmerliche Viehherden. Selbst die Obstbäume an den Hängen wirkten verkrüppelt. Obwohl die Sonne schon seit einiger Zeit am Himmel stand, wirkten die Gehöfte wie ausgestorben. Eine dumpfe Verzweiflung lag über Ruatha.
»Es gibt Widerstand gegen meine Herrschaft auf Ruatha.«
F'lar musterte Fax von der Seite. Die Stimme des Mannes klang drohend, als habe er die Absicht, jeden Rebellen hart zu bestrafen. Und es klang noch etwas anderes mit, ein Gefühl, das F'lar nicht so recht zu fassen vermochte. Angst konnte es nicht sein, denn Fax besaß ein ungeheures Selbstbewusstsein. Abscheu? Entsetzen? Unsicherheit? Jedenfalls hatte Fax sich dagegen gesträubt, Ruatha zu besuchen, und man spürte nun an seiner heftigen Reaktion, dass er sich hier alles andere als wohl fühlte.
»Wie unklug von den Leuten«, erwiderte F'lar liebenswürdig. Fax drehte sich ruckartig um. Seine Augen blitzten, und seine Rechte hing Millimeter über dem Schwert. F'lar war sprachlos. Der Mann würde es tatsächlich wagen, seine Waffe gegen einen Drachenreiter zu erheben! Fast war er enttäuscht, als der Baron nach den Zügeln griff und sein Pferd mit einem Tritt in die Flanken vorantrieb.
»Eines Tages töte ich ihn noch«, sagte F'lar leise, und Mnementh raschelte zustimmend mit den Flügeln.
F'nor landete neben dem Bronzereiter.
»Habe ich recht gesehen? Er wollte sein Schwert ziehen?« F'nors Blick war hart und forschend.
»Offensichtlich fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass ich auf einem Drachen sitze.«
»Sei vorsichtig, Bronzereiter! Er will dich umbringen!«
»Versuchen kann er es.«
»Er soll ein heimtückischer Kämpfer sein.« F'nor war sehr ernst geworden.
Mnementh schlug wieder mit den Flügeln, und F'lar strich ihm geistesabwesend über die weiche Nackenhaut.
»Hältst du ihn für stärker als mich?«, fragte F'lar ein wenig gekränkt.
»Nein, das nicht«, versicherte F'nor rasch. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, ihn beim Kampf zu beobachten, aber man hört so allerlei. Er tötet oft, auch wenn gar kein Grund dazu besteht.«
»Sind wir Schwächlinge, weil wir den Kampf meiden?«, fragte F'lar aufgebracht. »Du schämst dich wohl für unsere Erziehung?«
»Nein. Das trifft weder für mich noch für die anderen des Geschwaders zu. Aber die Herausforderung, mit der uns Fax und seine Leute täglich begegnen, ist schwer zu ertragen. Manchmal bedauern wir es fast, dass sie uns keinen Grund zum Kämpfen geben.«
»Vielleicht ändert sich das noch. Irgendetwas auf Ruatha macht unseren stolzen Baron nervös.«