Nerilkas Abenteuer - Anne McCaffrey - E-Book

Nerilkas Abenteuer E-Book

Anne McCaffrey

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Beschreibung

Die Heilerin von Pern

Pern, eine Welt windgepeitschter Burgen und einsamer Höfe, wird von Menschen und intelligenten Drachen bewohnt. Doch das friedliche Zusammenleben wird von einer tödlichen Seuche gestört, die den Planeten heimsucht. Auch Lord Tolocamps Frau und einige seiner Kinder sterben an der bislang unheilbaren Krankheit. Nerilka, eine der überlebenden Töchter und erfahren in der Kunde des Heilens, kann es nicht ertragen, dass der Vater sofort eine neue Frau ins Haus nimmt. Trotz der verhängten Quarantäne verlässt Nerilka die elterliche Burg und zieht als Rill die Heilerin durch die Lande. Bis sie nach Ruatha kommt und den Burgherren Alessan kennenlernt. Als dessen Geliebte, eine Drachenreiterin, tödlich verunglückt, bittet Alessan Nerilka, seine Frau zu werden. Bevor sie sich zwischen Pflicht und Neigung entscheiden kann, erfährt sie ein schreckliches Geheimnis, das ihr Schicksal endgültig besiegelt …

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ANNE McCAFFREY

 

 

 

NERILKAS ABENTEUER

Die Drachenreiter von Pern

Band 8

 

 

Roman

 

 

 

 

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Buch

Pern, eine Welt windgepeitschter Burgen und einsamer Höfe, wird von Menschen und intelligenten Drachen bewohnt. Doch das friedliche Zusammenleben wird von einer tödlichen Seuche gestört, die den Planeten heimsucht. Auch Lord Tolocamps Frau und einige seiner Kinder sterben an der bislang unheilbaren Krankheit. Nerilka, eine der überlebenden Töchter und erfahren in der Kunde des Heilens, kann es nicht ertragen, dass der Vater sofort eine neue Frau ins Haus nimmt. Trotz der verhängten Quarantäne verlässt Nerilka die elterliche Burg und zieht als Rill die Heilerin durch die Lande. Bis sie nach Ruatha kommt und den Burgherren Alessan kennenlernt. Als dessen Geliebte, eine Drachenreiterin, tödlich verunglückt, bittet Alessan Nerilka, seine Frau zu werden. Bevor sie sich zwischen Pflicht und Neigung entscheiden kann, erfährt sie ein schreckliches Geheimnis, das ihr Schicksal endgültig besiegelt …

 

 

 

 

Die Autorin

Anne McCaffrey wurde am 1. April 1926 in Cambridge, Massachusetts, geboren, und schloss 1947 ihr Slawistik-Studium am Radcliffe College ab. Danach studierte sie Gesang und Opernregie. In den Fünfzigerjahren veröffentlichte sie ihre ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, ab 1956 widmete sie sich hauptberuflich dem Schreiben. 1967 erschien die erste Story über die Drachenreiter von Pern, »Weyr Search«, und gewann den Hugo Award im darauffolgenden Jahr. Für ihre zweite Drachenreiter-Story »Dragonrider« wurde sie 1969 mit dem Nebula Award ausgezeichnet. Anne McCaffrey war die erste Frau, die diese beiden Preise gewann, und kombinierte die beiden Geschichten später zu ihrem ersten Drachenreiter-Roman »Die Welt der Drachen«. 1970 wanderte sie nach Irland aus, wo sie Rennpferde züchtete. Bis zu ihrem Tod am 21. November 2011 im Alter von 85 Jahren setzte sie ihre große Drachenreiter-Saga fort, zuletzt zusammen mit ihrem Sohn Todd.

 

 

 

 

 

www.diezukunft.de

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Titel der Originalausgabe 

NERILKA'S STORY

 

Aus dem Amerikanischen von Birgit Reß-Bohusch

 

 

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1986 by Anne McCaffrey

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München

Karte: Andreas Hancock

Satz: Thomas Menne 

ISBN 978-3-641-20980-3V002

Die Personen

 

Burg Fort

Nerilka – Tochter von Erb-Baron Tolocamp und seiner Gemahlin Pendra

Ihre Geschwister in der Reihenfolge ihrer Geburt: Campen, Pendora (verheiratet), Mostar, Doral, Theskin, Silma, Nerilka, Gallen, Jess, Peth, Amilla, Mercia & Merin (Zwillinge), Kista, Gabin, Mara, Nia und Lilla

Munchaun – Nerilkas Lieblingsonkel und Tolocamps älterer Bruder

Sira – Tante, Aufseherin über die Webstube

Lucil – Tante, Aufseherin der Kindermädchen

Felim – oberster Koch

Barndy – Burgverwalter

Casmodian – Burg-Harfner

Theng – Wachoffizier

Sim – Nerilkas Knecht

Garben – ein Kleinpächter, Nerilkas Verehrer

Anella – Tolocamps zweite Gemahlin

 

Harfner- und Heiler-Halle

Capiam – MeisterheilerCapiam

Tirone – Meisterharfner

Desdra – Heilergesellin, kurz vor der Meisterprüfung

Fortine – Meister, Stellvertreter von Capiam

Brace – Meister, Stellvertreter von Tirone

Macabir – Heiler im Lazarett

 

Hügelland-Burg

Bestrum – Herr über die kleine Burg an der Grenze von Fort und Ruatha

Gana – Bestrums Gemahlin

Pol – Renner-Betreuer

Sal – sein Bruder

Trelbin – Heiler von Hügelland, vermisst

 

Burg Ruatha

Alessan – der junge Erb-Baron von Ruatha

Oklina – seine jüngere Schwester

Tuero – Harfnergeselle, während der Quarantäne auf Ruatha festgehalten

Dag – Alessans bester Renner-Betreuer

Fergal – Dags Enkel

Deefer – Pächter

Baron Leef – Alessans Vater, verstorben

Suriana – Alessans Gemahlin, verstorben, früher Nerilkas Pflegeschwester in der Nebel-Burg

 

Drachenreiter aus verschiedenen Weyrn

Moreta – Weyrherrin von Fort, Drachenkönigin Orlith

Leri – frühere Weyrherrin von Fort, Drachenkönigin Holth

Falga – Weyrherrin vom Hochland, Drachenkönigin Tamianth

Bessera – Königinnen-Reiterin vom Hochland, Drachenkönigin Odioth

Kamiana – Königinnen-Reiterin von Fort, Drachenkönigin Pelianth

G'drel – Reiter von Fort, Bronzedrache Dorianth

B'lerion – Geschwaderführer vom Hochland-Weyr, Bronzedrache Nabeth

Sh'gall – Weyrführer von Fort, Bronzedrache Kadith

M'tani – Weyrführer von Telgar, Bronzedrache Hogarth

S'peren – Geschwaderführer von Fort, Bronzedrache Clioth

K'lon – Reiter von Fort, blauer Drache Rogeth

M'barak – Reiter von Fort, blauer Drache Arith

 

Sonstige Personen

Ratoshigan – Erb-Baron von Süd-Boll

Balfor – Herdenmeister-Anwärter von Keroon

Prolog

 

Falls der Leser mit der Serie Die Drachenreiter von Pern nicht vertraut ist, könnte eine gewisse Verwirrung entstehen. Nerilkas Abenteuer spielt in der gleichen Zeit wie der Roman Moreta – Die Drachenherrin von Pern und schildert die Geschehnisse aus der Sicht einer Nebenperson.

Die folgende Zusammenfassung der Hintergrund-Ereignisse erleichtert vielleicht das Verständnis der Handlung:

Rubkat im Sagittarius-Sektor war eine goldene Sonne vom G-Typ. Sie besaß fünf Planeten, zwei Asteroiden-Gürtel und einen Wanderstern, den sie angezogen und während der letzten Jahrtausende festgehalten hatte. Als sich Menschen auf Rubkats dritter Welt niederließen und sie Pern nannten, schenkten sie dem Wanderer, der in einer stark ellipsenförmigen Bahn um seine Adoptivsonne zog, wenig Beachtung. Zwei Generationen lang verschwendeten die Kolonisten kaum einen Gedanken an ihn – bis sich der helle Rote Stern im Perihel seiner Stiefschwester näherte. Waren nämlich die Umstände günstig und schoben sich keine anderen Planeten des Systems dazwischen, dann versuchte eine bestimmte Lebensform des Wanderplaneten ihrer unwirtlichen Heimat zu entfliehen und den Raum nach Pern mit seinem gemäßigten, angenehmen Klima zu überbrücken. Zu diesen Zeiten regneten Silberfäden von Perns Himmel, die alles vernichteten, was sie berührten. Die Verluste, welche die Siedler anfangs erlitten, waren erschreckend hoch. Und während des Kampfes ums Überleben ging Perns enge Bindung zum Mutterplaneten verloren.

Um die Gefahr der schrecklichen Fäden in den Griff zu bekommen (die Bewohner von Pern hatten gleich zu Beginn ihre Transportschiffe ausgeschlachtet und auf alle technischen Geräte verzichtet, die auf einem ländlichen Planeten nicht unbedingt nötig waren), arbeiteten weitsichtige Männer und Frauen einen langfristigen Plan aus. In der ersten Phase züchteten sie aus einer einheimischen Lebensform eine spezielle Abart und bildeten Menschen mit starkem Einfühlungsvermögen und telepathischen Fähigkeiten aus, diese Tiere zu steuern. Die Drachen – so genannt nach den mythischen Geschöpfen auf der Erde, mit denen sie Ähnlichkeit aufwiesen – besaßen zwei wertvolle Eigenschaften: Sie konnten ohne Zeitverzug von einem Ort an den anderen gelangen, und sie spien Flammen, wenn sie bestimmtes Phosphorgestein fraßen. Da die Drachen fliegen konnten, waren sie in der Lage, die Fäden mitten in der Luft zu versengen und sich blitzschnell an einen anderen Ort zu begeben, wo ihnen die Plage nichts anhaben konnte.

Es dauerte Generationen, bis das Potenzial der Drachen voll entwickelt war. Die zweite Phase der Abwehr gegen die tödliche Infiltration sollte aber noch länger dauern. Denn die Fäden, Pilzgeflecht-Sporen ohne jeden Verstand, verschlangen in blinder Gefräßigkeit jede organische Materie und vermehrten sich, sobald sie einmal im Boden eingenistet waren, mit erschreckendem Tempo. Man hatte jedoch einen Wurm entwickelt, der eine Symbiose mit den Fäden einging und verhinderte, dass sie sich im Boden ausbreiteten. Diesen Wurm setzte man auf dem Südkontinent aus. Der ursprüngliche Plan sah vor, dass die Drachen Menschen und Herden aus der Luft schützen sollten, während die Würmer alle Fäden vernichteten, die zu Boden fielen und die Vegetation gefährdeten.

Die Leute, die diesen Zweistufenplan ausgearbeitet hatten, bedachten jedoch nicht, dass sich im Laufe der Zeit manches verändern könnte, und sie ließen zudem geologische Besonderheiten außer acht. Der Südkontinent, üppiger und schöner als der raue Norden, erwies sich nämlich als instabil, und die gesamte Kolonie musste schließlich in den Norden ziehen und vor den Fäden Zuflucht in den natürlichen Höhlen der Gebirge suchen, von denen unzählige den gesamten Kontinent durchzogen.

Fort, die erste Siedlung, in die Ostflanke der Großen Westberge gebaut, wurde bald zu eng, um alle Menschen aufzunehmen. Eine neue Kolonie entstand ein Stück weiter im Norden, an einer höhlendurchzogenen Klippe nahe einem großen See. Aber auch Ruatha, wie sich der Ort nannte, war nach wenigen Generationen übervölkert.

Da der Rote Stern im Osten stand, beschlossen die Bewohner von Pern, auch einen Stützpunkt in den Ostbergen zu errichten, falls sich dort geeignete Höhlen finden ließen. Denn nur Felsen und Metall, beides beklagenswert knapp auf Pern, waren ein zuverlässiger Schutz gegen die sengende Sporenplage.

Inzwischen hatte man die geflügelten, feuerschnaubenden Drachen immer größer gezüchtet, so dass sie mehr Raum benötigten, als die Höhlenfestungen boten. Die höhlendurchzogenen Kegel erloschener Vulkane, einer hoch über Fort, der andere in den Benden-Bergen, erwiesen sich als geeignete Unterkünfte, da man sie mit wenigen Mitteln bewohnbar machen konnte.

Die Drachenreiter auf den Höhen und die Bewohner der Burgen und ihrer Dörfer gingen ihren jeweiligen Aufgaben nach, und im Lauf der Zeit entwickelte jede der Gruppen ihre eigenen Gebräuche und Traditionen, die bald so starr wie Gesetze waren. Und wenn ein Fäden-Einfall drohte – wenn der Rote Stern sich am frühen Morgen im Felsenöhr der Sternsteine zeigte, die auf dem Kraterrand jedes Weyrs errichtet waren – dann stiegen die Drachen und ihre Reiter in Geschwadern auf, um die Bewohner von Pern zu verteidigen.

Dann kam eine Spanne von zweihundert Umläufen des Planeten Pern um seine Sonne; in dieser Zeit befand sich der Rote Stern am anderen Ende seines stark ellipsenförmigen Orbits, ein eisbedeckter einsamer Gefangener des fremden Systems. Keine Fäden fielen auf Pern. Die Bewohner tilgten die Spuren der Verheerungen, bauten Getreide an und zogen Obstbäume aus den kostbaren Samen, die sie mitgebracht hatten. Ja, sie dachten sogar daran, die kahlen versengten Berghänge wieder aufzuforsten. Nach und nach vergaßen sie, welche Plage einst ihre Vorfahren um ein Haar ausgelöscht hätte. Dann fielen die Fäden von neuem, als der Wanderplanet in Perns Nähe zurückkehrte; fünfzig Jahre litt die Welt unter dem Sporenangriff aus dem Raum. Die Bewohner von Pern gedachten mit Dankbarkeit ihrer Vorfahren, welche die Drachen gezähmt hatten. Die Geschöpfe mit ihrem Feueratem erwiesen sich auch jetzt als die Retter von Pern.

Die Drachenreiter hatten sich während des langen Intervalls ausgebreitet und gemäß dem alten Verteidigungsplan an vier weiteren Orten niedergelassen.

Mit jeder Generation verblasste die Erinnerung an die Erde, bis sie den Bewohnern von Pern nur noch als Mythos greifbar war oder ganz in Vergessenheit geriet. Auch die Bedeutung der Südhemisphäre und der dort ausgesetzten Würmer war im unmittelbaren Kampf um die neuen Lebensräume verlorengegangen.

Beim sechsten Auftauchen des Roten Sterns hatte sich ein kompliziertes wirtschaftliches und soziologisches Gefüge entwickelt, mit dessen Hilfe man die stets wiederkehrende Plage zu besiegen hoffte. Die sechs Weyr, wie man die alten Vulkanhorte des Drachenvolkes nannte, verpflichteten sich, Pern in Zeiten der Gefahr beizustehen, wobei jeder Weyr ein genau abgegrenztes geographisches Gebiet im wahrsten Sinn des Wortes unter seine Fittiche nahm. Die übrige Bevölkerung leistete den Weyrn Tribut, denn die Drachenkämpfer besaßen auf ihren Vulkankegeln kein Ackerland und konnten auch kein Handwerk erlernen, da sie in ruhigen Zeiten mit der Ausbildung von Drachen und Jungreitern und bei Fädeneinfall mit dem Schutz der Siedlungen genug zu tun hatten.

Von Felsenburgen überragte Kolonien entstanden überall da, wo sich Höhlen fanden – manche natürlich größer oder strategisch günstiger gelegen als andere. Eine starke Hand war vonnöten, um die verängstigten, hysterischen Menschen während der Fädeneinfälle zu leiten; man brauchte eine kluge Vorratswirtschaft, um Lebensmittel zu lagern, wenn der Anbau stets in Gefahr war, und außergewöhnliche Maßnahmen, um das Volk gesund und produktiv zu halten, bis die Zeit der Gefahr wieder vorüber war.

Leute mit besonderen Fertigkeiten in der Metallverarbeitung, Tier- und Pflanzenzucht, Landwirtschaft, Fischerei und Bergbau schlossen sich innerhalb der größeren Kolonien zu Handwerksgilden zusammen. Sie waren unabhängig von den Burgen, in deren Bereich sie sich befanden, und kein Burgherr konnte die Produkte ›seiner‹ Gildenhallen Bewohnern aus anderen Gebieten vorenthalten. Jede Gilde hatte ihre Meister, Gesellen und Lehrlinge, dazu einen Mann, der den Berufsstand nach außen hin vertrat und verwaltete. Er trug die Verantwortung für die Qualität der Waren, die seine Gilde herstellte, und sorgte dafür, dass die Produkte gerecht verteilt wurden.

Natürlich entwickelten sich im Lauf der Zeit gewisse Rechte und Privilegien der Burgherren und Gildemeister, ebenso der Drachenreiter, von denen in Zeiten der Sporenregen ganz Pern abhing.

Der stärkste soziale Strukturwandel vollzog sich naturgemäß in den Weyrn, da man die Bedürfnisse der Drachen über alle anderen Erwägungen stellte. Die Drachen – das waren die goldenen und die grünen Weibchen sowie die blauen, braunen und bronzefarbenen Männchen. Nur die goldenen Drachenköniginnen legten Eier, die Grünen wurden steril, sobald sie Feuerstein kauten – und das war gut so, da sie einen starken Sexualtrieb besaßen und ihre Nachkommen die Weyr sicher bald übervölkert hätten. Als Kampfdrachen zeigten sie jedoch eine enorme Wendigkeit und Aggressivität und waren unersetzliche Streiter gegen die Fäden. Da die Königinnen keinen Feuerstein fraßen, konnten sie nicht direkt gegen die Sporen anrücken; ihre Reiterinnen setzten jedoch Flammenwerfer gegen die Plage des Roten Stern ein. Die blauen Männchen waren etwas kräftiger als ihre zierlichen grünen Schwestern, während die Braunen und die Bronzedrachen vor allem durch ihre Ausdauer bestachen. Theoretisch erwählte eine Königin jeweils das Männchen, das den langen, anstrengenden Paarungsflug als Sieger bestand. In der Regel waren das Bronzedrachen, und der Reiter, dessen Tier die Königin eines Weyr für sich gewann, übernahm das Kommando über die Kampfgeschwader. Die eigentliche Verantwortung für den Weyr – sei es nun während oder nach dem Vorbeizug des Roten Sterns – trug jedoch die Reiterin der Drachenkönigin. Das Geschick der Drachen lag ebenso in ihren Händen wie das der Weyrbewohner. Eine starke Weyrherrin war für das Überleben des Weyr so wichtig wie die Drachen für das Überleben von Pern.

Ihre Aufgabe bestand darin, den Weyr mit allem Nötigen zu versorgen, die hier geborenen Kinder gründlich ausbilden zu lassen, Ausschau nach Reiter-Kandidaten in Burgen und Gildehallen zu halten und sie den frischgeschlüpften Jungdrachen gegenüberzustellen. Da das Leben im Weyr freier und weniger hart war als auf den Höfen und in den Werkstätten und die Drachenreiter zudem ein hohes Ansehen genossen, fehlte es nie an geeigneten Bewerbern. Selbst Angehörige der edelsten Burggeschlechter zählten zu den Drachenreitern.

Nun, im Planetenumlauf 1541 der Zeitrechnung von Pern, da sich der sechste Vorbeizug des Roten Sterns seinem Ende nähert, sehen sich die Bewohner der Burgen, Gilden und Weyr einer neuen Gefahr gegenüber, die sie ebenso zu vernichten droht wie der Sporenregen.

Kapitel I

 

11. 3. 1553 – Intervall

 

Ich bin keine Harfnerin, erwartet also keine allzu geschliffenen Worte. Was ich hier niederschreibe, sind persönliche Erlebnisse, so wie sie sich in mein Gedächtnis eingegraben haben – und sicherlich sehr einseitig geschildert. Fest steht, dass ich einen stürmischen Abschnitt in der Geschichte von Pern durchgemacht habe, eine tragische Zeit. Ich gehöre zu den Überlebenden der Großen Seuche und kann mich glücklich preisen, auch wenn die Trauer um die Opfer immer noch tief in meinem Herzen sitzt und wohl nie mehr ganz von mir weichen wird.

Ich glaube, es ist mir allmählich gelungen, dem Tod eine positive Seite abzugewinnen. Selbst die bittersten Selbstvorwürfe bringen die Toten nicht zurück, damit sie uns freisprechen könnten von Schuld. Wie so viele andere denke ich vor allem an die Dinge, die ich nicht getan oder gesagt habe, als ich meine Familie zum letzten Male sah.

An jenem verflixten Morgen, da mein Vater, Baron Tolocamp, meine Mutter, Lady Pendra, und vier meiner jüngeren Schwestern ihre Viertagesfahrt nach Ruatha antraten, wünschte ich ihnen weder Lebewohl noch eine gute Reise. Eine Zeitlang, ehe ich zur Vernunft zurückfand, befürchtete ich sogar, dass dieses Versäumnis von meiner Seite ihr Unglück heraufbeschworen habe. Aber eine Menge guter Wünsche begleiteten ihren Aufbruch, und ganz sicher hätten die herzlichen Worte meines Bruders Campen mehr bewirkt als ein widerstrebender, schmollender Abschied von mir. Denn Campen war während der Abwesenheit meines Vaters Herr über Burg Fort, und er gedachte das Beste aus der Gelegenheit zu machen.

Campen ist ein netter Kerl, auch wenn er keinen Funken Humor oder Feingefühl besitzt. Immerhin meint er es absolut ehrlich. Und da er nichts anderes im Sinn hatte, als meinen Vater durch seinen Fleiß und seine Tüchtigkeit als Verwalter zu beeindrucken, hoffte er natürlich, dass meine Eltern heil und gesund zurückkehren würden. Ich hätte dem armen Campen von vornherein sagen können, dass Vater ihn statt eines Lobes nur anknurren würde, denn Fleiß und Tüchtigkeit erwartete er von seinem Sohn und Erben ohnehin. Außer Campen war noch das gesamte Wachregiment angetreten, um meine Eltern zu verabschieden, dazu die Bewohner der Hütten und die Lehrlinge der Harfnerhalle – eine imposante Kulisse, die jeden Burgherrn zufriedenstellen musste. Niemand hätte mein Fehlen bemerkt, außer vielleicht meine scharfäugige Schwester Amilla; ihr entging nichts, das sie irgendwann zu ihrem Vorteil nutzen konnte.

Nun, um die Wahrheit zu gestehen: Ich wünschte ihnen zwar nichts Böses, denn wir hatten eben erst einen Fädeneinfall in der Nähe der Winterfelder überstanden, aber freuen mochte ich mich auch nicht. Denn sie hatten mich absichtlich daheim gelassen, und es war mir nicht leicht gefallen, dem Geplapper meiner Schwestern zu lauschen, die fest damit rechneten, auf Ruatha eine große Eroberung zu machen.

Was mich empörte, war die Willkür meines Vaters. Ein Fingerschnippen genügte, um mich von der Reiseliste zu streichen. Menschliche Gefühle spielten für ihn keine Rolle – und wenn doch, dann nur seine eigenen, wie sich nach der Rückkehr von Ruatha herausstellte.

Es gab keinen stichhaltigen Grund, mich auszuschließen. Eine Person mehr hätte die Vorbereitungen meines Vaters nicht im geringsten beeinflusst oder gar eine Unbequemlichkeit für die übrigen Reisenden bedeutet. Als ich mich jedoch bittend an meine Mutter wandte und ihr vor Augen hielt, wie viele der unangenehmsten Arbeiten auf der Burg ich in letzter Zeit übernommen hatte, in der Hoffnung, Alessans erstes großes Fest besuchen zu dürfen, blieb auch sie hart. In der ersten bitteren Enttäuschung besiegelte ich mein Daheimbleiben dann endgültig. Als ich nämlich hervorstieß, dass ich immerhin die Ziehschwester von Alessans verstorbener Gemahlin Suriana gewesen sei, erklärte meine Mutter mit Entschlossenheit:

»Dann wird Baron Alessan nicht gerade scharf darauf sein, dein Gesicht zu sehen. Er soll auf diesem Fest nicht an das vergangene Leid erinnert werden.«

»Er hat mein Gesicht doch nie gesehen«, widersprach ich. »Aber Suriana war meine Freundin. Du weißt, dass sie mir viele Briefe von Ruatha schrieb. Wäre sie noch am Leben und Burgherrin, hätte sie mich als ihren persönlichen Gast eingeladen. Davon bin ich überzeugt.«

»Sie liegt jetzt seit einer Planetenumdrehung im Grab, Nerilka«, erinnerte mich meine Mutter kühl. »Baron Alessan muss eine neue Gemahlin wählen.«

»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass meine Schwestern die geringste Chance haben, Alessans Aufmerksamkeit zu erringen ...«, begann ich.

»Nerilka! Wenn du schon selbst keine Würde besitzt, dann solltest du wenigstens stolz auf deine Familie sein«, hatte mich meine Mutter wütend getadelt. »Fort ist das älteste Geschlecht weit und breit, und es gibt keine Familie auf Pern ...«

»... die etwas mit den hässlichen Fort-Töchtern dieser Generation zu tun haben möchte! Dein Pech, dass du Silma so schnell unter die Haube gebracht hast. Sie war die einzig Hübsche von uns allen.«

»Nerilka! Ich bin sprachlos. Wenn du jünger wärst ...«

Selbst jetzt, da sie sich zornig aufrichtete, musste Mutter zu mir aufschauen, eine Haltung, die sie sicherlich nicht milder gegen mich stimmte.

»Da ich es nun mal nicht bin, soll ich während deiner Abwesenheit wohl wie üblich das Gesinde beim Baden überwachen.«

Ihr Gesichtsausdruck verschaffte mir eine gewisse Befriedigung, denn das war genau die Aufgabe, die sie mir zugedacht hatte. Disziplin auf der Burg ging meiner Mutter über alles.

»Ganz recht. In der kalten Jahreszeit verschwenden diese Leute einfach zuviel warmes Wasser und Waschsand. Und wenn das erledigt ist, kümmerst du dich um die Schlangenfallen in den Vorratshöhlen.« Sie begann mit erhobenem Zeigefinger vor meiner Nase herumzufuchteln. »Ich finde, dass dein Betragen in letzter Zeit sehr zu wünschen übriglässt, Nerilka! Sorge dafür, dass sich das bis zu meiner Rückkehr ändert, sonst sehe ich mich gezwungen, deine Freiheiten zu stutzen und deine Pflichten zu vermehren. Und wenn meine Autorität nicht ausreicht, wird mir keine andere Wahl bleiben, als deinen Vater einzuschalten.« Damit ließ sie mich allein. Ihre Wangen glühten vor Ärger über meine Aufsässigkeit.

Ich verließ ihre Räume mit hocherhobenem Kopf, aber die Drohung, dass sie Vater zu Hilfe holen würde, verfehlte ihre Wirkung nicht. Er schreckte nicht davor zurück, seine Töchter persönlich zu bestrafen, egal ob sie klein oder bereits erwachsen waren.

Später, als ich Zeit fand, über das Gespräch mit meiner Mutter nachzudenken (an den Badeteichen, wo ich mit grimmiger Miene dafür sorgte, dass sich die Mägde mit viel Sand den Rücken schrubbten und den Schmutz mit reichlich warmem Wasser herunterspülten), bedauerte ich meine voreiligen Worte in mehr als einer Hinsicht. Ich hatte vermutlich meine Chance vertan, in dieser Planetenumdrehung noch ein Fest besuchen zu dürfen, und ich hatte meine Mutter unnötig gekränkt.

Es lag bestimmt nicht an ihr, dass sie so unscheinbare Töchter in die Welt gesetzt hatte. Selbst jetzt um die fünfzig war sie noch eine ansehnliche Frau – und das, obwohl sie nicht weniger als neunzehn Kinder geboren hatte. Auch Baron Tolocamp galt als gutaussehender Mann. Er war groß und kräftig, vor allem zeugungskräftig, denn die Fort-Horde, wie die Harfner-Lehrlinge uns spöttisch nannten, waren längst nicht seine einzigen Nachkommen. Was mich besonders in Wut versetzte, war die Tatsache, dass die meisten seiner unehelichen Töchter sehr viel hübscher waren als die ehelichen – mit Ausnahme von Silma, meiner nächstjüngeren Schwester.

Ob ehelich oder unehelich – hochgewachsen und robust waren wir alle. Das ließ sich nicht ändern, auch wenn solche Eigenschaften besser zu jungen Männern als zu Mädchen passten. Vielleicht urteilte ich auch zu pauschal; meine jüngste Schwester Lilla entwickelte sich allmählich zu einem hübschen jungen Ding und hatte auch einen zierlicheren Körperbau als wir anderen. Die größte Ungerechtigkeit aber war, dass meine Brüder Campen, Mostar, Doral, Theskin, Gallen und Jess all das besaßen, was uns fehlte: schwarze, dichte Wimpern anstelle der struppigen paar Härchen, die uns zierten; große dunkle Augen – die unseren waren fahl und wässrig – und gerade edle Nasen, während sich die unseren zu wahren Haken krümmten. Sie hatten weiches welliges Haar, wir Mädchen dagegen struppige Borsten. Mein Haar, das offen bis zur Taille reichte und das ich meist in Flechten aufsteckte, war kohlschwarz; es gab meiner Haut ein fahles Aussehen. Aber die Schwestern, die nach mir kamen, waren noch schlimmer dran; ihre dunkelblonden Strähnen ließen sich weder durch Kräuter noch durch Spülungen aufhellen. Die ungerechte Verteilung empörte mich um so mehr, weil hässliche Männer bestimmt nicht ledig blieben – besonders jetzt nicht, da der Vorbeizug des Roten Sterns fast abgeschlossen war und der Baron von Fort seine Ländereien ausdehnen konnte. Für hässliche Mädchen gab es dagegen keine Chance.

Ich hatte längst die romantischen Träume anderer junger Frauen aufgegeben, ja selbst die Hoffnung, dass der Rang meines Vaters mir den Mann verschaffen würde, den ich meines Aussehens wegen nicht bekam. Aber ich reiste gern. Ich liebte das bunte Treiben und die ungezwungene Atmosphäre eines Festes. Und ich hatte mir so gewünscht, Baron Alessans erstes großes Fest als Erbbaron mitzuerleben. Ich wollte wenigstens aus der Ferne den Mann sehen, der die Liebe und Bewunderung von Suriana aus der Nebel-Burg errungen hatte – Suriana, deren Eltern mich als Pflegetochter aufgenommen hatten; Suriana, meine beste Freundin, die mühelos all das gewesen war, was ich nicht sein konnte, und die uneingeschränkt ihre Freundschaften mit mir geteilt hatte. Alessan konnte nicht mehr als ich getrauert haben, als sie bei jenem Sturz vom Renner umkam, denn der schreckliche Unfall nahm mir ein Leben, das ich mehr schätzte als mein eigenes. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass ein Teil von mir mit Suriana starb. Wir hatten uns wortlos verstanden, beinahe wie Drache und Reiter. Wir lachten über die gleichen Dinge und sprachen wie aus einem Mund den gleichen Gedanken aus. Jede spürte sofort, was in der anderen vorging, und unser Zyklus stimmte stets auf die Minute überein, ganz gleich, welche Entfernung uns trennte.

In jenen glücklichen Jahren auf der Nebel-Burg sah ich auch besser aus. Vielleicht war ein Widerschein von Surianas Lebhaftigkeit auf mich gefallen. Ganz sicher hatte ich in ihrer Gesellschaft mehr Mut. Ich jagte mit meinem Renner über halsbrecherische Pfade, immer dicht hinter Suriana her. Und selbst bei heftigen Stürmen segelte ich in unserem kleinen Boot über den Fluss und ins Meer hinaus. Suriana besaß noch andere Vorzüge. Sie hatte einen klaren hellen Sopran, der meine Altstimme voll zum Klingen brachte. Auf Burg Fort verlor meine Stimme an Kraft und Ausstrahlung. Suriana zeichnete mit kühnen sicheren Strichen und stickte so fein, dass man ihr selbst die kostbarsten Gewebe aushändigte. Unter ihrer ruhigen Anleitung lernte auch ich so gut zu sticken, dass meine Mutter mich hin und wieder widerwillig lobte. Nur als Heilerin übertraf ich Suriana – aber was nützte mir dieses Talent? Als Tochter eines Erbbarons konnte ich keine Ausbildung in der Heiler-Halle machen. Und schon gar nicht, wenn es sich als so praktisch erwies, meine Dienste kostenlos in Anspruch zu nehmen – in den düsteren Kräuterküchen von Burg Fort.

Heute schäme ich mich der harten, unbedachten Worte, die ich an jenem Tag meiner Mutter ins Gesicht schleuderte. Aber ich war zu enttäuscht und gekränkt, um meinen glücklicheren Schwestern eine gute Reise zu wünschen. Bald darauf zeigte sich nämlich, dass dieses ›Glück‹ in Wahrheit ein Verhängnis war. Doch wer hätte das ahnen können, als sie an jenem sonnigen Tag gegen Ende der Winterzeit nach Ruatha aufbrachen?

Wir wussten von dem seltsamen Geschöpf, das Seeleute aus dem Meer gefischt hatten, denn mein Vater hatte darauf bestanden, dass alle seine Kinder die Trommel-Kodes erlernten. Und da wir in der Nähe der Harfnerhalle lebten, entging uns kaum ein großes Ereignis des Nord-Kontinents. Allerdings war es uns verboten, die Trommelbotschaften auszuplaudern; sie galten als geheim, und man hatte Angst, dass sie zu den falschen Leuten gelangten. Jedenfalls hatten wir erfahren, dass man in Keroon eine unbekannte Raubkatze aus dem Süden zur Schau stellte. Und bald darauf erhielt Meister Capiam die Botschaft, dass er sofort nach Igen kommen solle, um eine seltsame Krankheit zu untersuchen, die sich dort ausbreitete. Natürlich hatte ich keine Ahnung, dass ein Zusammenhang zwischen den beiden Nachrichten bestehen könnte. Aber ich greife den Ereignissen vor.

Meine Eltern und vier meiner Schwestern – Amilla, Mercia, Merin und Kista – begaben sich also zu dem verhängnisvollen Fest von Ruatha. Sie wählten den Weg durch die Nordgebiete von Fort, weil mein Vater die Absicht hatte, unterwegs einige seiner Pächter zu überprüfen. Ich blieb daheim, obwohl ich der Ansicht war, dass ich als einzige einen Anspruch auf diese Reise hatte.

Zum Glück gelang es mir, Campen aus dem Weg zu gehen; er hatte sicher ein paar Sonderaufgaben für mich bereit, um sich bei Vater wichtig zu tun. Campen liebte es, Pflichten zu delegieren, und da es ihm meist gelang, die Knochenarbeit anderen aufzuhalsen, blieb ihm genügend Energie, die Ergebnisse der anderen zu kritisieren und wichtige Ratschläge zu erteilen. Er besitzt viel Ähnlichkeit mit unserem Vater. Wenn er eines Tages die Burg übernimmt, wird sich für mich nicht das geringste ändern.

Das Sammeln von Kräutern, Wurzeln und anderen Arzneipflanzen gehörte jedoch zu meinen wichtigsten Aufgaben und genoss Vorrang vor Campens Befehlen. Was mein Bruder nicht ahnte, war der Umstand, dass es gegen Ende der kalten Jahreszeit wenig zu sammeln gab; aber ich rechnete nicht damit, dass mich jemand bei ihm anschwärzte. Ich nahm Lilla, Nia, Mara und Gabin zu einem ausgedehnten Streifzug durch die Wiesen und Felder mit. Wir kehrten mit Frühkresse und wilden Zwiebeln zurück, und Gabin schaffte es zu seiner eigenen Verblüffung, mit einem gutgezielten Lanzenwurf einen Wildwher zu erlegen. Der Erfolg unseres Nachmittagsausflugs entlockte sogar Campen ein Lob, doch während des ganzen Abendessens nörgelte er über die Faulheit des Gesindes, das nur dann ordentlich arbeitete, wenn man es streng überwachte. Das klang so nach den Worten meines Vaters, dass ich unwillkürlich von meiner Wherkeule aufschaute, um mich zu vergewissern, dass Campen und nicht Baron Tolocamp gesprochen hatte.

Ich weiß nicht mehr genau, wie ich die nächsten Tage verbrachte. Es geschah nichts Bemerkenswertes – bis auf die häufigen Trommelbotschaften, in denen dringend nach Meister Capiam verlangt wurde und die ich zu jenem Zeitpunkt nicht weiter beachtete. Der fünfte Tag zog strahlend und klar herauf, und ich hatte mich so weit von meiner Enttäuschung erholt, dass ich hoffte, auf Ruatha würde zum Fest ebenfalls schönes Wetter herrschen. Ich wusste, dass meine Schwestern keine Chance hatten, Alessan zu erobern, aber vielleicht fand sich in der Menge der Festgäste die eine oder andere Familie, die Vater als vornehm genug für eine seiner Töchter erachtete. Besonders jetzt, da sich der Vorbeizug des Roten Sterns seinem Ende näherte und die Höfe und Burgen ihren Grundbesitz erweitern konnten. Baron Tolocamp war nicht der einzige, der sein Siedlungs- und Ackerland zu vergrößern gedachte. Wenn mein Vater nur nicht so dünkelhaft in der Wahl seiner Schwiegersöhne gewesen wäre ...