Don’t date the CEO - Evelyne Amara - E-Book

Don’t date the CEO E-Book

Evelyne Amara

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Beschreibung

Ausgerechnet mit meinem Erzfeind aus der Highschoolzeit muss ich mir die Wohnung teilen. Brandon ist umwerfend attraktiv, sexy, höllisch heiß, und er treibt mich zur Weißglut. Außerdem ist er ganz nebenbei der Zwillingsbruder meines besten Freundes, in den ich früher mal verliebt war. Als wäre nicht so schon alles kompliziert genug … Mein bester Freund Aidan muss nicht erfahren, dass ich mit Brandon im Bett war. Genießen, schweigen und vergessen ist meine Devise. Wenn das so einfach wäre, denn er stellt sich als mein neuer Boss heraus …

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20

Evelyne Amara

 

Don’t date the CEO

 

 

Impressum

Copyright & Urheberrecht April 2022 Evelyne Amara

Copyright Coverabbildungen: Mann: CURAphotography / Fotolia / Adobe Stock,

City: Maxym / ShotShop.com

Coverdesign: Evelyne Amara

Evelyne Amara

c/o Autorenservice Gorischek

Am Rinnersgrund 14/5

8101 Gratkorn

Österreich

[email protected]

www.Evelyne-Amara.com

 

 

Kapitel 1

 

 

Jessica

 

Mein Freund Shane lächelt mich so gleichgültig an, als sei das, was er gerade gesagt hat, keine große Sache. »Ja, du hast mich richtig verstanden. Ich werde in drei Wochen nach Sydney ziehen.«

»Ich hoffe, du meinst Sidney in Maine.«

»Ich meine natürlich Sydney in Australien. Das ist für mich eine einmalige Chance, für dieses große Softwareunternehmen zu arbeiten. Tausende von Menschen haben sich auf die fünf ausgeschriebenen Stellen beworben, aber mich haben sie genommen. Das musst du dir mal vorstellen!« Mit stolzgeschwellter Brust steht Shane in seinen ausgebeulten Jogginghosen vor mir.

Fassungslos blicke ich ihn an. »Aber ich habe dort keinen Job. Wenn fünf Stellen ausgeschrieben wurden, warum hast du mir davon nichts gesagt? Wir arbeiten schließlich in derselben Branche.«

Kurz zeigt sich ein schuldbewusster Ausdruck in seinen dunklen Augen, der jedoch gleich wieder verschwindet. »Das habe ich leider ganz vergessen. Tut mir leid. Wie du weißt, ist bei uns auf der Arbeit in der letzten Zeit viel los gewesen.«

»Aber was ist mit deiner Familie hier in Bernalillo?«

Verständnislos sieht er mich an. »Was soll denn mit der sein?«

»Die war der Grund, warum du vor einem Jahr von New York City unbedingt hierherziehen wolltest.«

In meiner Heimatstadt haben wir uns kennengelernt. Shane hatte dort Urlaub gemacht. Fortan hatten wir einander besucht, bis wir endlich zusammengezogen sind.

Er winkt ab. »Mach dir keine Sorgen um meine Verwandten. Die kommen schon damit zurecht, dass ich wegziehe. Schließlich wollen auch sie, dass ich erfolgreich bin.«

»Warum sagst du es mir erst jetzt, knapp drei Wochen vor deinem Umzug?«

»Ich weiß es selbst noch nicht so lange, dass ich den Job bekommen habe. Das war unsicher. Warum hätte ich dich also verrückt machen sollen?«

»Ich brauche einen neuen Reisepass und ein Visum. Vermutlich sind auch ein paar Impfungen fällig. Ich hoffe, dass ich das alles noch rechtzeitig schaffe.«

»Stress dich mal nicht so. Meinetwegen musst du deinen Job nicht kündigen. Wir können auch erst mal eine Fernbeziehung führen. Es wird sich schon alles finden. Wir sollten das relaxt angehen. Schließlich haben wir auch so schon genug Stress.«

»Wir haben ein Jahr lang eine Fernbeziehung geführt. Ich will das nicht schon wieder. Für mich war die Situation nicht ideal.«

»Sydney ist groß. Dort findest du schon einen Job. Dann kannst du immer noch umziehen. Meine Mom liebt dich. Sie wird froh sein, dich noch eine Weile hier zu haben.«

»Ich habe vor einem halben Jahr deinetwegen New York City und all meine Freunde und meine Familie verlassen. Es würde ihnen das Herz brechen, wenn ich auf einen anderen Kontinent ziehe. Ich sehe sie bereits jetzt schon viel zu selten. Warum muss immer ich die Opfer erbringen?«

Gleichgültig zuckt Shane mit den Achseln. »Wo ist das Problem? Fliegen musst du so oder so, wenn du sie sehen willst. Außerdem habe ich dich gar nicht um ein Opfer gebeten. Es ist einfach nur eine Entscheidung. Bleibe erst mal hier. Vielleicht bleibe ich nicht bei diesem Unternehmen und kehre nach Bernalillo zurück.«

»Für mich ist es ein Unterschied, ob ich ungefähr sechs oder mehr als zwanzig Stunden im Flugzeug sitze. Von den immensen Kosten mal abgesehen. Unter einem vierstelligen Dollarbetrag bekommt man keinen Flug von Sydney in die USA. Außerdem brauche ich, wie gesagt, ein Visum.«

»Ein Besuchervisum tut es doch fürs Erste. Ich werde mich in der Firma nach einem Job für dich umhören und dich auf dem Laufenden halten.«

Irritiert über seine Gleichgültigkeit sehe ich ihn an. »Ich habe fast den Eindruck, dass du mich gar nicht in Sydney haben willst.«

Er lacht. »Das ist doch Unsinn. Du machst dir zu viele Gedanken. Es wird schon alles klappen. Du solltest das Leben ein bisschen weniger ernst nehmen.«

 

♥ ♥ ♥

 

Eine Woche später

Ich erhebe mich, um zum Drucker zu gehen, den Shane und ich in unserem gemeinsamen Homeoffice stehen haben. Nachdenklich betrachte ich die schönen, großen Topfpflanzen, die danebenstehen. Die werde ich vor dem Umzug Shanes Schwester schenken, die auf solche Pflanzen steht. Bei ihr werden sie ein gutes Zuhause finden.

Ich habe mir ein paar Stellenangebote für Jobs in Sydney ausgedruckt, damit ich sie später durchgehe und mir für jeden einen geeigneten Bewerbungstext überlege.

Im Laufe der Woche habe ich bereits ein paar Stellenangebote gesammelt, bin aber noch nicht dazu gekommen, die Bewerbungen zu schreiben. Nach einem langen, stressigen Arbeitstag hat man nicht immer die Konzentrationsfähigkeit dafür, und diese Woche war besonders heftig. Heute werde ich das erledigen.

Ich nehme das Papier aus dem Drucker und gehe damit zurück zu meinem kleinen Schreibtisch, um mir alles nochmals durchzulesen und mit einem Textmarker die wichtigsten Stellen zu kennzeichnen.

Zu meiner Überraschung finde ich zwischen den Stellenangeboten zwei Bordkarten von Hawaiian Airlines, die mein Freund ausgedruckt und offenbar im Drucker vergessen hat. Er hat mir gar nicht gesagt, dass er diese bereits erworben hat. Wobei er in der letzten Zeit auch eine Menge Stress hatte und viele Überstunden machen musste.

Meine Bordkarte kann ich schon mal an mich nehmen und ihm die andere geben. Wir haben unseren Haushalt, so gut es geht, aufgelöst. Um den Rest der Möbel werden sich Shanes Verwandte kümmern.

Meinen Job habe ich bereits gekündigt. Zum Glück habe ich nur zwei Wochen Kündigungsfrist, sodass es gerade gereicht hat. Diese endet mitten in der Woche.

Shane war dagegen, dass ich den Job kündige. Er war der Meinung, dass ich bessere Jobaussichten hätte, wenn ich mich aus einer ungekündigten Position heraus bewerben würde.

Im Grunde hatte er recht, doch ich wies ihn darauf hin, dass ich wohl kaum für jedes Vorstellungsgespräch nach Sydney fliegen könne. Das wäre unpraktisch und teuer.

Daraufhin sagte er, dass man heutzutage die Vorstellungsgespräche auch über Skype oder andere Programme als Videokonferenz führen könne. Die Personalchefs seien heutzutage flexibler. Schließlich würden die meisten Bewerbungen inzwischen elektronisch verschickt werden. Die Welt befindet sich in einem Wandel, der sich immer schneller vollzieht.

Über meine Angewohnheit, überhaupt noch etwas auszudrucken, schmunzelt er häufig. Aber mir fällt es einfacher, etwas auf dem Papier zu lesen, als auf dem Bildschirm.

Jetzt gilt es, baldmöglichst einen Job in Sydney zu finden. Heute schicke ich so viele Bewerbungen raus wie möglich. Zu den Vorstellungsterminen werde ich bereits vor Ort sein. Es wird schon alles glattgehen. Ich will optimistisch sein und blicke aufgeregt in die neue Zukunft.

Doch als ich die Bordkarten genauer ansehe, vergeht mir das Lachen. Auf einer davon steht der falsche Name. Wie ist das möglich? Auch das noch. Das gibt bestimmt einen bürokratischen Aufwand.

Mein Freund betritt das Zimmer und kramt in irgendeinem Ordner, bevor er diesen wieder sorgsam in den Karton verstaut, den er für das Umzugsunternehmen gepackt hat.

»Auf der Bordkarte steht der falsche Name. Den musst du kurzfristig ändern lassen«, sage ich.

Erschrocken sieht mein Freund mich an. »Der Name auf der Bordkarte ist nicht falsch.«

Verständnislos blicke ich ihn an. »Ist er nicht? Ich heiße aber nicht Jane Gates. Du … du fliegst also mit dieser Jane Gates?« Mein Herz krampft sich zusammen.

»Ich wollte es dir früher sagen, aber du regst dich immer so schnell auf.«

»Ich soll mich nicht darüber aufregen, dass ich vor ein paar Tagen meinen Job gekündigt habe, um mit dir nach Australien auszuwandern, du es aber nicht für nötig befunden hast, mir rechtzeitig mitzuteilen, dass du mich gegen eine andere austauschen willst?« Oh mein Gott, warum suche ich mir unbewusst immer Männer aus, die wie mein Vater und meine Stiefväter sind und mich verlassen?

Shane verschränkt die Arme vor der Brust. »Das willst du mir ernsthaft vorwerfen? Und was ist mit deinem angeblichen besten Freund? Denkst du, ich weiß nicht, dass du was mit ihm am Laufen hast?«

Perplex starre ich ihn an. »Was? Das stimmt doch überhaupt nicht. Ich hatte nie etwas mit Aidan. Außerdem lebt er noch in New York City und ist viel in der Welt unterwegs.«

Shane nickt. »Genau, der Typ ist ein Jetsetter. Für den ist es kein Problem, öfter mal hier in der Nähe vorbeizuschauen, um dich zu sehen. Das hat er schließlich schon mal gemacht.«

Entgeistert starre ich ihn an. »Wir haben nichts miteinander. Das ist eine rein platonische Freundschaft. Wir sind befreundet, seit meinem elften und seinem zwölften Lebensjahr. Wir sind praktisch wie Geschwister.«

»Erzähl mir keinen Scheiß. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du ihn dir noch nie richtig angesehen hast. Er hat das große Los in der Gen-Lotterie gezogen. Groß, dunkelhaarig, leuchtend blaue Augen und eine muskulöse Figur. Ein Mann wie er hat an jedem Finger zehn Frauen, ohne sich darum bemühen zu müssen. Ich bin nicht blöd.«

»Warum sagst du so etwas?«

Er druckst herum. »An eurer Freundschaft ist etwas faul. Entweder hält er dich nur warm oder …«

»Oder was?«

»Natürlich ist mir aufgefallen, wie er dich öfter ansieht.«

»Wie sieht er mich denn an?«

»Wie jemanden, den er liebt. Und dann starrt er dir öfter gedankenverloren auf irgendwelche Körperteile, den Hintern, die Brüste und die Beine. Das mit dem platonischen besten Freund nehme ich dir einfach nicht ab. Der Typ steht auf dich.«

Es ist nicht das erste Mal, dass Shane sich derart über Aidan äußert. Selbst meiner besten Freundin Amelia ist bereits etwas Ähnliches aufgefallen. Auch sie meinte mal, dass Aidan mir auf den Hintern gestarrt hätte.

Da wir unsere Beziehung jedoch bereits in der Highschool auf die rein platonische Ebene festgelegt haben, denke ich nicht, dass Aidan diesbezüglich jetzt plötzlich andere Absichten hat. Mal abgesehen von den nicht allzu oft vorkommenden Blicken ist mir nämlich nichts aufgefallen, was in eine andere Richtung weisen könnte.

Vielleicht hat er sich nichts dabei gedacht. Er meinte mal, dass Männer oft unbewusst auf Schlüsselreize reagieren.

Auch ich finde ihn sehr attraktiv. Das bedeutet nicht, dass ich ihn deswegen unbedingt bespringen müsste.

Ich recke mein Kinn vor und starre Shane an. »Es ist aber wahr! Wir hatten nie etwas miteinander, weil wir unsere Freundschaft zu sehr schätzen. Wir haben einander während unserer Kindheit und Jugend gebraucht. Ein mögliches Beziehungsdrama hätte nur zu viel kaputtmachen können. Er ist wie ein Bruder für mich und hat sich mir auch noch nie in dieser Hinsicht genähert.« Das ist die Wahrheit.

Manchmal hatte ich schon Selbstzweifel und dachte, ich wäre nicht attraktiv genug für ihn, obwohl er mir öfter Komplimente macht. Aber das habe ich inzwischen überwunden.

Fakt ist ebenso, dass Aidan ständig wechselnde Freundinnen hat. Selten hält er es ein halbes Jahr mit einer aus. Dem will er mich nicht aussetzen, hat er gesagt, denn er denkt, dass er nicht beziehungsfähig ist.

Wütend starrt Shane mich an. »Das ist Bullshit! Absoluter Bullshit! Wenn ihr einander so liebt, wird es mindestens einem von euch irgendwann das Herz brechen, wenn der andere jemand anderen heiratet. Viele Freundschaften sind dann auch nicht mehr so dicke.«

»Unsere ist anders. Sie hat schon viel überstanden und wird auch das überleben. Ich bin jetzt siebenundzwanzig, und Aidan ist achtundzwanzig. Wir sind seit sechzehn Jahren miteinander befreundet. Viele Ehen halten nicht so lange. Was wir haben, ist zu kostbar, um es durch eine Bettgeschichte zu gefährden.

Aber was du hier machst, zeugt nicht gerade von Wertschätzung. Sonst würde ich jetzt nicht die Bordkarte einer anderen Frau in der Hand halten. Du hattest nie vor, mit mir gemeinsam auszuwandern.«

Zerknirscht blickt er mich an. »Ich wollte es dir sagen. Ehrlich. Das musst du mir glauben. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du wirklich für mich nach Australien auswandern würdest.«

Misstrauisch sehe ich ihn an. »Das hast du nicht?«

Verlegen blickt er auf die Spitzen seiner Pantoffeln. »Nein, das habe ich nicht.«

»Aber ich bin doch damals für dich von New York City nach Bernalillo gezogen. Diese Kleinstadt ist einfach winzig. Denkst du, das war keine große Umstellung für mich?«

»Ja, das weiß ich. Du hast schließlich ständig darüber gejammert. Daher ging ich davon aus, dass du für mich nicht auswandern würdest.«

»Ich hatte nur gesagt, dass ich meine Freunde vermisse. Das ist für mich das Schlimmste am Umzug gewesen.«

»Dafür hattest du mich.«

»Mit der Betonung auf hattest. Du hast vor, ohne mich auszuwandern, aber meine Freunde habe ich noch immer. Das Ganze war ein Riesenfehler gewesen. Ich gehe davon aus, dass du mit dieser Jane Gates schon länger etwas am Laufen hast, aber dich ihr noch nicht sicher warst und mich daher warmgehalten hast. Von wegen beruflicher Stress und viele Überstunden. Wahrscheinlich warst du während dieser Zeit bei ihr. Daher hast du das alles über Aidan und mich gesagt. Du wolltest damit nur rechtfertigen, mit mir Schluss zu machen.«

»Das ist reine Spekulation. Manchmal entwickeln sich die Dinge einfach so schnell. Die Kündigung war allein deine Entscheidung. Ich hätte meinen Job nicht für eine Frau aufgegeben, ebenso wenig, wie ich auf einen Job in einer anderen Stadt verzichten würde, nur weil die Frau nicht mit umziehen möchte. Frauen kommen und gehen, aber mein Job bezahlt mein Essen und meine Miete.«

Vollkommen ernüchtert starre ich ihn an. Offenbar kannte ich Shane nie wirklich. Von Anfang an war ich für ihn austauschbar. Eigentlich kann man diese Jane Gates nur bedauern. Den Hauptpreis hat sie mit Sicherheit nicht mit ihm gewonnen. Die Lektion aus dieser Sache ist: Man kann sich nie sicher sein, was ein anderer wirklich denkt. Oft zeigen sie einem nur, wie sie gesehen werden wollen. Den Rest erfährt man irgendwann und fällt wie ich aus allen Wolken.

»Okay, gut zu wissen, woran ich bei dir bin. Ich wünschte nur, ich hätte das früher gewusst.« Meine Stimme klingt bitter, während sein Gesichtsausdruck völlig ungerührt wirkt. Es ist kaum zu glauben, dass ich an solch einen Menschen anderthalb Jahre meines Lebens verschwendet habe. Wie hatte ich mich nur so in ihm täuschen können?

Vermutlich war es für ihn aufgrund der Fernbeziehung leichter, mir etwas vorzuspielen. Wer weiß, wie viele andere Frauen er parallel zu mir hatte, ständig auf der Suche nach einer Besseren, für die er mich dann verlässt.

»Ich habe es doch nur gut gemeint«, sagt Shane, während sich die Fassungslosigkeit in mir immer weiter ausbreitet.

»Für dich hast du es gut gemeint, aber nicht für mich. Was ich will oder brauche ist dir, wie man sieht, völlig egal.« Ernüchtert wende ich mich von ihm ab.

Da ich jetzt keinen Job mehr habe und die Wohnung hier in Bernalillo auch gekündigt ist, habe ich ein echtes Problem.

 

Eine Stunde später sitze ich vor meinem Laptop und rufe Skype auf. Zum Glück ist mein bester Freund Aidan erreichbar. Da er häufig unterwegs ist, ist das nicht immer einfach.

Lächelnd blickt er in die Kamera. »Hi, Jessica. Wie geht es dir?« Sogleich stutzt er, als er mich näher betrachtet. »Du siehst heute irgendwie gestresst aus.«

Ich seufze. »Das bin ich auch.« Die Worte sprudeln wie von selbst aus mir heraus. Ich erzähle ihm alles, was vorgefallen ist.

Fassungslos blickt Aidan mich an. Sein sonst immer so ordentlich gekämmtes, dunkles Haar hängt ihm nun verwegen in die Stirn, nachdem er mehrfach nervös mit den Händen hindurchgefahren ist. Dadurch sieht er genauso aus wie sein Zwillingsbruder Brandon, welcher der Wildere und Unberechenbarere von beiden ist.

Aidan wirkt nachdenklich und bestürzt. »Das ist schlecht. Du hast wirklich schon die Wohnung und deinen Job gekündigt?«

Ich nicke. »Leider habe ich das getan, aber wahrscheinlich ist es besser so. Ich bin nur seinetwegen nach Bernalillo gezogen. Was soll ich hier noch? Das Beste wird sein, ich kehre nach New York City zurück. Kann ich bitte ein paar Nächte auf deinem Sofa verbringen? Ich glaube kaum, dass ich so schnell dort eine Wohnung finden werde.«

»Natürlich steht dir meine Wohnung jederzeit und so lange du sie brauchst zur Verfügung. Ich werde eine Schlüsselkarte beim Pförtner für dich hinterlegen, falls ich nicht zu Hause bin.«

Erleichtert lächle ich ihn an. »Vielen Dank. Du bist ein Schatz. Schade, dass du so weit weg bist. Ich würde dich jetzt am liebsten drücken.«

Aidan erwidert mein Lächeln. »Dafür sind Freunde doch da. Ich lasse dich nicht hängen. Fühl dich ganz lieb gedrückt, Jessi. Wann willst du nach New York City fliegen?«

»So bald wie möglich. Meine Sachen habe ich fast alle bereits gepackt und das Sperrige verkauft. Ich fange wieder beinahe bei null an. Und was hat es gebracht?«

»Eine Erfahrung mehr und viel Ramsch weniger. Ich glaube, dass wir für unsere Erfahrungen leben, damit sich unsere Seelen dadurch weiterentwickeln können.«

Ich schmunzle. »Du versuchst, mich aufzumuntern.«

»Kopf hoch, Liebes. Du hast einen guten Collegeabschluss und mich. Alles Weitere wird sich zeigen. Wie lange musst du noch arbeiten?«

»Eine Woche.«

»Wenn du eintriffst, werde ich möglicherweise nicht da sein. Ich muss demnächst für ein paar Wochen nach Europa.«

Erfreut blicke ich ihn an. »Du wurdest eingeladen?«

Er wirkt aufgeregt. »Ja, von einigen Modehäusern. Sie wollen meine neuesten Entwürfe sehen und mich kennenlernen. Ich bin inzwischen ein sehr gefragter Mann. Außerdem werde ich ein paar Freunde besuchen.«

»Du kennst wirklich Leute auf der ganzen Welt.«

Er seufzt. »Ich wünschte, du könntest dabei sein.«

»Ich kenne deine Entwürfe, und jeder einzelne davon gefällt mir sehr gut. Endlich mal etwas Tragbares und nicht so Abgehobenes. Außerdem ist es verführerisch und edel zugleich. Ich weiß gar nicht, wie du das hinkriegst. Ich kann nur immer wieder sagen, wie toll ich deine Kreationen finde.«

»Ja, dass ich zu volksnah arbeiten würde, hatten mir früher einige vorgeworfen, aber ich bin meiner Linie treu geblieben. Mittlerweile habe ich Fürsprecherinnen aus Film und Fernsehen. Manchmal kommt einem der Zufall auf eine Art und Weise zur Hilfe, wie man nie damit gerechnet hätte. Die interessantesten Menschen habe ich so kennengelernt. Ein paar davon sind inzwischen gute Freunde geworden.

Einige Leute haben mich über meine Website kontaktiert, nachdem sie etwas über mich gelesen haben, und auf andere manche traf ich bei diversen Events und kam mit ihnen ins Gespräch. So führte eines zum anderen. Ähnlich wie damals Audrey Hepburns Designer Hubert de Givenchy habe ich jetzt eine Schauspielerin und eine Moderatorin, die ich für ihre Berufe ausstatten werde. Wir haben einige gemeinsame Projekte geplant.«

»Wow, das ist so toll, Aidan. Ich freue mich für dich.«

Tief sieht er mir in die Augen. »Vielen Dank. Ich finde es wirklich schade, dass ich wahrscheinlich unterwegs sein werde, wenn du in der Stadt eintriffst. Man hat mir nämlich gesagt, dass einige der Termine möglicherweise vorverlegt werden, weil einer der großen Bosse kurzfristig irgendwas in der Woche darauf im Ausland zu erledigen hat.«

»Das fände ich schade, wobei ich mich natürlich für dich freue. Aber das ist nicht so schlimm, denn die Zeit vergeht schnell. Bald sehen wir uns wieder.«

Er nickt. »Du sagst es. Meine Wohnung hat mehrere Schlafzimmer. Such dir einfach eines aus.«

»Vielen lieben Dank. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne dich tun würde.«

»Das ist selbstverständlich für mich. Du hast zu den wenigen gehört, die an mich geglaubt und mich unterstützt haben, als mich noch niemand kannte. Ich wüsste nicht, was ich ohne deinen und Brandons unerschütterlichen Glauben an mich getan hätte. Das werde ich niemals vergessen. Außerdem bist du meine beste Freundin. Ich lasse dich nicht hängen, und ich vertraue dir. Du wirst schon nicht meine geheimen Schokoladenvorräte aufessen, ohne Ersatz zu besorgen.«

»Du hast geheime Schokoladenvorräte? Das hätte ich nicht gedacht. Hast du sonst noch dunkle Geheimnisse, von denen ich nichts weiß?«

»Verrate das niemandem. Schließlich müssen die meisten Models ständig aufpassen, was sie essen, und es wäre einfach nicht fair, wenn die Person, die ihre Kleidung entwirft, der Völlerei bezichtigt wird.«

»Es soll unser Geheimnis bleiben.«

»Vielen Dank, Jessi. Ich habe eine gute Nachricht für dich. Zufällig kenne ich ein Unternehmen, das dringend eine gute Softwareentwicklerin sucht. Ich bin mit dem Eigentümer befreundet. Hättest du etwas dagegen, wenn ich dort ein Vorstellungsgespräch für dich vereinbaren würde?«

Mein Herz schwillt an vor Freude. »Das würdest du für mich tun? Das wäre absolut super. Vielen Dank.«

»Ich vertraue dir eben, und ich weiß, was du drauf hast. Keineswegs würde ich jeden empfehlen, aber du bist wirklich gut in deinem Job.«

»Das muss ich auch sein. Weißt du noch, wie übel dein Bruder mir damals mitgespielt hat? Irgendwann kam ich mir blöd vor, ständig auf andere angewiesen zu sein, damit sie mir helfen. Die waren irgendwann so genervt von meinen ständigen Problemen mit meinem Laptop, dass sie keinen Bock mehr hatten, sich damit zu befassen. Daher nahm ich die Dinge selbst in die Hand.«

»Wer weiß, welchen Weg du ohne Brandon eingeschlagen hättest.«

»Er war eine Heimsuchung.«

»Das will ich gar nicht abstreiten. Er war schlimm, aber später wurde er ruhiger.«

»Als ich auf dem College war?«

»Da noch nicht, aber später, als er nach seinem College-Abschluss nach Atlantic City gezogen ist.«

»Er war doch noch kurze Zeit in New York City.«

»Daran erinnerst du dich?« Aidan klingt erstaunt.

»Als könnte ich Brandon vergessen.«

»Er ist umgezogen, als du mit Finley zusammengekommen bist. Atlantic City hat ihm schon immer gefallen.«

»Wegen der vielen Casinos?«

»Nein, wegen der Lage. Er hat dort eine Wohnung in der Nähe des Strandes.«

»Das ist sicherlich auch ein teures Pflaster?«

Er seufzt. »Günstig ist es nicht, aber das ist New York City auch nicht – im Gegenteil.«

»Ab wann ist der Job in dem Unternehmen deines Kumpels denn frei?«

»Ab sofort.«

»Okay. Dann hoffe ich, dass sie noch eine Woche auf mich warten können.«

»Ich ziehe alle Register für dich. Sicherlich willst du baldmöglichst wieder Geld verdienen.«

Ich nicke. »Du kennst mich gut. Leider hat der damalige Umzug nach Bernalillo meine Ersparnisse aufgezehrt. Ich habe praktisch keine Rücklagen mehr. Aber das ist nicht schlimm. Es wird schon irgendwie weitergehen.«

»Du kannst so lange bei mir wohnen, wie du willst.«

»Bis du wieder eine Freundin hast und dich mit ihr in deiner Wohnung treffen möchtest.«

»Wer auch immer an meiner Seite stehen wird, muss Verständnis dafür aufbringen, dass ich dir immer helfen und für dich da sein werde. Du bist mir ungeheuer wichtig.«

Bei seinen Worten treten mir Tränen in die Augen. »Darf ich dich mal etwas Persönliches fragen?«

Aidan nickt. »Nur zu. Wenn ich die Frage nicht beantworten möchte, dann sage ich dir das schon.«

»Warum hast du mich nie als Partnerin in Betracht gezogen?«

»Die Frage hatten wir schon mal vor vielen Jahren.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass du nicht beziehungsfähig bist. Du bist einer der mitfühlendsten und hilfsbereitesten Menschen, die ich kenne.«

»Es liegt nicht an dir. Du bist wundervoll und innerlich und äußerlich schön. Ich liebe dich, Jessica, das tue ich wirklich. Du bist einer der Menschen, die ich auf der Welt am meisten liebe. Bitte glaube mir das.« Beschwörend sieht er mich an.

Er seufzt und senkt kurz den Blick, bevor er mir wieder in die Augen sieht. »Genau deswegen gehe ich keine Beziehung mit dir ein. Wir McLoughlin-Männer lieben nicht, wir zerstören. Du siehst es an meinem Vater und meinem Onkel.«

»Glaubst du das wirklich immer noch? Ich denke nicht, dass es auf dich zutrifft. Ich kenne niemanden, der loyaler und liebenswürdiger ist als du.«

Aidan lächelt. »Mach mich nicht besser, als ich bin.«

»Dann denke wenigstens über meine Worte nach.«

»Das werde ich.«

»Versprich es mir. Es geht mir nicht so sehr um mich oder eine mögliche Beziehung zwischen uns beiden. Ich möchte, dass du glücklich bist. Du wirst nicht immer achtundzwanzig sein. Die Zeit vergeht so schnell.«

»Ich verspreche es dir, Jessi.«

»Vielleicht liegt es auch an den Frauen. Möglicherweise suchst du dir die Falschen aus. Deine Beziehungen halten zumindest ab und zu mal ein halbes Jahr – im Gegensatz zu Brandons.«

»Du irrst dich. Brandon geht gar keine Beziehungen ein. Daher kann bei ihm auch gar nichts halten.«

»Warum?«

Er zuckt mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Wie du weißt, wurden wir während unserer Kindheit fünf Jahre lang getrennt, bis unser Vater das alleinige Sorgerecht bekam. Auch sonst sind wir uns nicht in jeder Hinsicht so ähnlich, wie einige aufgrund unseres Aussehens denken. Manchmal denke ich, Brandon könnte sogar der Beziehungsfähigere von uns beiden sein, wenn er mal die Richtige findet.«

»Wie sieht es bei dir aus? Die Richtige war bisher nicht dabei?«

Er sieht mich betrübt an. »Nein, es fehlte das gewisse Etwas, dieses Kribbeln, wenn du verstehst, was ich meine.«

Ich nicke. »Ja, das kommt gar nicht so häufig vor. Ehrlich gesagt hatte es bei Shane auch nicht so sehr gekribbelt. Wobei das Kribbeln keineswegs eine Garantie dafür ist, dass man zusammenpasst und glücklich miteinander wird. Ich dachte, er sei zuverlässig. Aber offenbar kannte ich ihn nicht so gut, wie ich glaubte. Letztendlich weiß man nie, was der andere wirklich denkt. Shane hat mir bewusst einiges verschwiegen, teilweise aus Faulheit, Bequemlichkeit und auch aus Feigheit.«

»Das ist nicht schön. Wir McLoughlin-Männer mögen zwar nicht gerade berühmt sein für unsere Beziehungsfähigkeit, doch jemanden mit Lügen und Halbwahrheiten hinzuhalten haben wir nicht nötig. So etwas tun wir nicht. Wenn wir keine Beziehung wollen oder es vorbei ist, dann sagen wir das.«

»Tut auch Brandon so etwas nicht?«

»Nein, auch er nicht. Er ist gar kein so schlechter Kerl. Wenn du Brandon mal richtig kennenlernst, wirst du ihn vielleicht sogar mögen. Wobei ich natürlich nicht verhehlen will, dass er nicht ganz ohne ist.«

»Kein Bedarf. Auf arrogante Kerle wie ihn kann ich gut und gerne verzichten. Er ist schon sehr von sich selbst eingenommen.«

»Man muss an sich selbst glauben, wenn man es zu etwas bringen will. Er hatte gegen viele Widerstände zu kämpfen gehabt.«

»Du hast einen rosaroten Blick auf ihn, weil du sein Zwillingsbruder bist.«

»Das mag sein, aber schreibe ihn nicht ganz ab. Mit Sicherheit ist er bisweilen ruchlos. Er ist ein Machtmensch, aber gleichzeitig auch kein übler Typ. Es ist schon spät. Sicherlich brauchst du deinen Schlaf.«

»Falls ich heute Nacht überhaupt schlafen kann.«

»Lass dir von diesem Kerl nicht den Schlaf rauben, Jessi. Das ist er nicht wert. Es wird alles gut werden.«

»Vielen Dank für deine ermutigenden Worte und deine Hilfe. Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch. Schlaf gut, Jessica.«

»Schlaf du auch gut, Aidan.«

Nach dem Gespräch mit ihm fühle ich mich gleich viel besser und zuversichtlicher. Vielleicht wird doch alles gut werden. Jedenfalls freue ich mich jetzt darauf, zurück nach New York City zu kommen.

 

Kapitel 2

 

 

Jessica

 

Eine Woche später

Nach über fünfeinhalb Stunden Flug betrete ich den JFK Airport in New York City. Ich bin froh, endlich wieder zu Hause zu sein. Wie sehr habe ich die Stadt und vor allem meine Freunde vermisst. Ich habe eindeutig zu viel für einen Kerl aufgegeben, der es zudem nicht verdient hatte.

Aidan habe ich gestern nicht mehr erreicht. Vorgestern hatte ich so viel Stress, dass ich nicht mehr dran gedacht habe. Ich habe keine Ahnung, was bei ihm der aktuelle Stand ist, aber vor drei Tagen war er noch in New York City.

Er meinte bei unserem letzten Gespräch allerdings, dass einer seiner Termine wahrscheinlich vorverlegt werden würde, sodass er früher würde fliegen müssen. Jedenfalls hatten wir nicht vereinbart, dass er mich vom Flughafen abholt. Da er oft um die Welt jettet und es in New York City keinen wirklichen Sinn ergibt, besitzt er kein Auto.

Noch am Flughafen beschaffe ich mir eine Speciale von ›Abitino’s Pizza‹, die ich vor dem Gebäude esse, während ich auf mein Uber warte. Ich brauche etwas im Bauch, denn mir ist vom Flug und dem von mir getrunkenen Sekt noch etwas flau im Magen. Zum Glück ist es nicht kalt, obwohl der Mai erst angefangen hat.

Selbst jetzt am Abend sind die Straßen gefüllt mit Menschen und Fahrzeugen, die sich dicht aneinanderdrängen. Obwohl New York City gar nicht für Fahrräder vorgesehen ist und das Fahren damit teilweise gefährlich ist, sieht man immer mehr von ihnen auf den Straßen.

Bald kommt mein Uber, das von einer freundlichen, blonden Frau namens Suzy, die ein hellblaues Hippie-Kleid trägt, gefahren wird. Wir schwatzen fröhlich, bis wir den Häuserblock an der Upper East Side erreicht haben, in dem sich Aidans Wohnung befindet. Ich freue mich auf die gewohnte Umgebung, auch wenn mein bester Freund wahrscheinlich nicht zu Hause ist.

»Vielen Dank, Suzy.« Ich bezahle die Taxigebühren und gebe Suzy ein Trinkgeld, bevor ich mich von ihr verabschiede und mit meinen beiden großen Rollkoffern ins Gebäude begebe. Vom Pförtner bekomme ich, nachdem ich ihm meinen Ausweis gezeigt habe, die für mich hinterlegte Schlüsselkarte für Aidans Wohnung.

In Bernalillo hatten wir keinen Aufzug in unserem Gebäude. Sämtliche Einkäufe musste ich vier Treppen hochschleppen. Hier bringt mich der Aufzug in Sekundenschnelle ins vierzehnte Stockwerk.

Bereits im Flur, in dem der vertraute, weiße Garderobenschrank steht, fühle ich mich heimisch. Hoffentlich mache ich keine Flecken auf Aidans weißem Sofa oder dem weißen Teppich. Er hat mich häufig liebevoll damit aufgezogen, dass ich ein Fleckenmagnet sei. So schlimm bin ich nicht. Ich glaube eher, dass weiße Sachen Fleckenmagneten sind.

Meine Koffer lasse ich vorerst im Flur stehen und begebe mich in die Küche, um mir einen Tee zuzubereiten. Aidan hat ein ganzes Fach im Küchenschrank mit Tee in vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen belegt. Es fällt mir schwer, mich bei so viel Auswahl zu entscheiden.

Schließlich nehme ich einen, der nach Blaubeeren schmeckt. Den hatten wir gemeinsam getrunken, als ich das letzte Mal bei ihm war. Ich vermisse ihn, aber ich weiß, dass er in ein paar Wochen nach Hause kommen wird.

Bald verbreitet der Tee sein leckeres Aroma. Mit der Tasse betrete ich das Wohnzimmer, wo sich die weiße Couch befindet. Schon viele gemütliche Stunden haben wir darauf verbracht, als wir uns zusammen sowohl Actionfilme als auch romantische Komödien angesehen oder einfach nur gequatscht haben. Ich stelle die Tasse auf dem Couchtisch ab.

Ein weißes T-Shirt hängt über die Rückenlehne des großzügigen Sofas. Ohne weiter darüber nachzudenken, greife ich nach dem Stück Stoff und führe es an meine Nase, um daran zu schnuppern, auch wenn es nach der Zeit vermutlich nicht mehr sehr nach Aidan riecht.

Sein Geruch ist für mich gleichbedeutend mit Heimat, Freundschaft und Geborgenheit. Bei ihm fühle ich mich immer sicher. Sicherer als bei Shane. Das hätte mir zu denken geben sollen.

Ein herb-würziger, höchst maskuliner Duft steigt in meine Nase. Er muss wohl sein Eau de Toilette gewechselt haben, aber das tut er gelegentlich. Auf jeden Fall riecht es verdammt gut. Ich verliere mich darin, bis eine tiefe, erotische Stimme mich in die Wirklichkeit zurückholt.

»Schnüffelst du immer an der Kleidung anderer Menschen wie ein liebeskranker Bernhardiner?« Aidan klingt nicht nur überaus männlich, sondern auch noch amüsiert.

Erstaunt wende ich mich zu ihm um. »Was machst du denn hier?«

Er hat nur ein schmales, weißes Handtuch um die Hüften geschlungen. Wasser tropft aus seinem dunklen Haar und läuft über seine breiten Schultern, die muskulöse Brust und das Sixpack.

Mein bester Freund ist ein überaus attraktiver Mann. An Abenden wie diesen verspüre ich sogar ein gewisses Kribbeln, das ich zu verdrängen versuche, denn natürlich will ich unsere Freundschaft nicht gefährden.

Seine tiefblauen Augen funkeln, als er mich anblickt. »Ich wohne zufällig hier. Was verschafft mir die Ehre deiner Anwesenheit? Ich dachte, du wärst in Bernalillo?«

Er verhält sich wie Brandon. Aidan will mich also wieder mal verarschen. Das machen wir gelegentlich miteinander. Sein Tunichtgut von Zwillingsbruder hat ihn häufiger dazu gebracht, mit ihm die Rollen zu tauschen, um sämtliche Leute in ihrer Umgebung an der Nase herumzuführen. Was sollte Brandon in Aidans Wohnung machen? Er hat eine eigene Wohnung in New York City, die er bei seinen gelegentlichen Besuchen nutzt.

»Ach komm, Aidan, hör auf mit den Spielchen. Brandon lebt, arbeitet und treibt seit Jahren sein Unwesen in Atlantic City. Ich verstehe, dass du den Halunken vermisst, aber eigentlich war er immer ein schlechter Einfluss für dich.«

Fragend hebt er eine seiner Augenbrauen. »Ein schlechter Einfluss? In welcher Hinsicht?«

»So wie jetzt. Du versuchst, mich zu verarschen und so zu tun, als wärst du Brandon.«

»Und wenn ich tatsächlich Brandon wäre?«, fragt er mich mit einem frechen Grinsen auf den wohlgeformten Lippen. Er besitzt eine unglaubliche erotische Ausstrahlung. Ich versuche, sie zu ignorieren, was mir nur teilweise gelingt.

»Du hast dich verplappert, mein Bester. Brandon wohnt in Atlantic City, und das hier ist deine Wohnung.«

»Es ist meine Wohnung, Liebes. Das gesamte Gebäude gehört mir. Ich habe die Wohnung Aidan zur Verfügung gestellt, nachdem sein Vermieter ihm wegen Eigenbedarf gekündigt hat.«

Das stimmt. Aidan musste vor etwa acht Monaten umziehen. Wer sein neuer Vermieter ist, hat er allerdings nicht erwähnt, weil es einfach nicht relevant war.

»Also vermietest du sie an Aidan?«

Er grinst. »Wer so gut aussieht wie er, muss an mich keine Miete zahlen.« Frech zwinkert er mir zu. Am Funkeln in seinen Augen merke ich, dass er das alles gar nicht so ernst meint. So langsam glaube ich tatsächlich, dass ich Aidans unverschämten Zwillingsbruder vor mir stehen habe.

Ich schlucke, denn er hat schon immer diese verheerende Wirkung auf mich gehabt. »Warum hat mich Aidan nicht vorgewarnt, dass du hier dein Unwesen treibst?«

Amüsiert blickt er mich an. »Vorgewarnt? Und ich treibe mein Unwesen? Bin ich für dich wirklich so schlimm?«

In welche unmögliche Situation bin ich hier nichtsahnend hineingerutscht? »Ich muss Aidan anrufen.«

»Das geht nicht. In Europa ist es jetzt mitten in der Nacht. Du wirst ihn doch nicht wegen solch einer Lappalie aus seinem wohlverdienten Schlaf reißen wollen?«

»Nein, natürlich nicht, aber ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass du hier sein würdest und schon gar nicht so knapp bekleidet.« Mit der Hand deute ich in seine Richtung.

Seine Augen funkeln. Ein anzügliches Lächeln zeigt sich auf seinem Gesicht. »Gefällt dir, was du siehst?«

»Du bist attraktiv, weißt es und nutzt es aus. Hast du nicht vor ein paar Jahren eine Drehtür in dein Schlafzimmer einbauen lassen, weil sich die Frauen so häufig die Klinke in die Hand geben?«

»So etwas würde nur ein Innenarchitekt mit Geschmacksverirrung durchführen. Da ich nicht dazu neige, solche Versager zu engagieren, muss ich dich enttäuschen. Falls du also auf Drehtürenspielchen stehst, bist du bei mir an der falschen Adresse.«

»Warum bist du hier?«

»Das hier ist zufällig meine Wohnung. Ich habe jedes Recht, hier zu sein.«

»Aidan hat nie erwähnt, dass du seine Wohnung nutzt.«

»Weil es bisher nie nötig war.«

»Und warum ist es jetzt nötig?«

»In meiner Wohnung gab es einen Wasserschaden.«

»Diese Wohnung ist zu klein für uns beide, Brandon, und das weißt du. Die ganze verdammte Stadt ist zu klein für uns.«

»Was, und mit den anderen 8.149 Millionen Einwohnern hast du kein Problem, aber mit mir, dem besser aussehenden Zwilling der McLoughlin-Familie schon?«

»Du bist viel zu sehr von dir eingenommen.«

»Das mag sein, aber wenn ich nicht an mich selbst glaube, mich selbst liebe und für mich einstehe, wird das niemand tun.«

»Das klingt sehr desillusioniert.« Und auch irgendwie traurig, ja fast schon tragisch, aber diesen Gedanken spreche ich nicht laut aus.

»Wenn du so aufgewachsen wärst wie ich, dann hättest du auch keine Illusionen mehr«, sagt er.

»Ich weiß. Aidan hat mir einiges davon erzählt.« Jedoch nicht alles. Wobei es eine Zeit in Brandons Leben gab, von der auch sein Zwillingsbruder nicht viel weiß.

»Wie war deine Zeit in Bernalillo?«

Er will also das Thema wechseln. Mich überrascht, dass er, obwohl er die letzten Jahre in Atlantic City gewohnt hat, über meinen damaligen Umzug nach New Mexico Bescheid weiß.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass dich das wirklich interessiert.«

»Aber vielleicht tut es das, Jessica.« Er strahlt mich auf eine Weise an, dass ich mich frage, ob er das wirklich ernst meint. Bei ihm weiß man nie …

»Dann hat es nicht geklappt mit diesem Shaun, oder taucht er auch noch hier auf?«

»Er heißt Shane, und es ist vorbei. Er hat sich einen Job in Australien gesucht und offenbar schon länger eine Freundin, mit der er dorthin gezogen ist. Er hat gedacht, ich würde nicht mit nach Sydney gehen, und hat mir das auch erst recht spät gesagt.«

»Eine Freundin? Keine platonische, vermute ich mal.«

Ich schüttle den Kopf und schließe die Augen, um zu verhindern, dass die Tränen, die sich darin sammeln, sich hinausdrängen können. »Nein. Er hat mich ersetzt. Dabei habe ich alles für ihn getan. Seinetwegen bin ich nach Bernalillo gezogen, weit weg von meinen Freunden. Doch wozu? Für ihn war ich von Anfang an austauschbar. Er meinte, er würde für eine Frau niemals seinen Job aufgeben oder auf ein lukratives Jobangebot verzichten.« Meine Stimme klingt erstickt.

Wie ist es möglich, dass ausgerechnet Brandon mir diese Worte entlockt? Gerade vor ihm will ich mir keine Blöße geben.

Womöglich liegt es daran, dass ich jetzt jemanden brauche, um darüber zu reden. Es will aus mir raus. Die Gespräche mit Aidan über Skype haben geholfen, aber es war nicht dasselbe, wie mit jemand im selben Raum zu sein.

Ich höre Brandon näherkommen. Plötzlich spüre ich seine starken Arme um mich. »Du bist nicht austauschbar.«

Die Umarmung kommt so unerwartet, dass ich vollkommen perplex bin. Was geschieht hier?

Brandon ist doch mein Feind oder etwa nicht? Schließlich hat er früher keine Gelegenheit ausgelassen, mir das Leben schwer zu machen. Aber offensichtlich ist er nicht ganz gefühl- oder empathielos.

Ich meine, dass er kein komplettes Arschloch ist, weiß ich, aber er ist auch kein netter Typ.

Er sieht genauso aus wie mein allerbester Freund. Dennoch ist er anders. Komplett anders. Die berühmten Schmetterlinge toben in meinem Bauch. Meine Hormone spielen verrückt. So etwas Krasses habe ich noch nie erlebt, außer bei ihm.

Man sagt, dass Liebe und Hass manchmal nahe beieinander liegen. Wer auch immer das gesagt hat, ist es möglich, dass diese Person Lust und Hass meinte? Denn meine Lust vermochte Brandon schon immer zu entfachen. Oder ist das Kribbeln, das mit irrsinniger Macht durch meinen Körper schießt, Mordlust, die ich irgendwie fehldeute?

Obwohl ich es eigentlich besser wissen sollte, stoße ich ihn nicht weg. Dabei hätte ich jeden fremden Mann jetzt energisch von mir gewiesen.

Allzu deutlich bin ich mir bewusst, dass er fast nackt ist. Die Versuchung ist einfach zu groß. Meine Hände bewegen sich wie von selbst.

---ENDE DER LESEPROBE---