Sweet Revenge, Rockstar - Evelyne Amara - E-Book

Sweet Revenge, Rockstar E-Book

Evelyne Amara

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Beschreibung

Ausgerechnet der Bad Boy und Sänger der Rockband Midwinter Legacy ist mein neuer Nachbar. Mit seinen wilden Partys raubt er mir den letzten Nerv und mit seinen tiefen Blicken und heißen Küssen den Schlaf. Wie kann er nur Angelos heißen mit diesem teuflischen Temperament und seiner animalischen Anziehungskraft? Jedenfalls hat er sich mit der Falschen angelegt. Trotz allem fühle ich mich stark zu ihm hingezogen. Zwischen uns sprühen die Funken. Ob es eine gute Idee ist, mich mit meinem Feind einzulassen? Doch dann stelle ich fest, dass er gar nicht so übel ist... Enthält: - eine süße Katze - Familie, Freundschaft und Zusammenhalt - skurrile Szenen und viel Humor - und natürlich die große Liebe

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Epilog

 

Evelyne Amara

 

Sweet Revenge, Rockstar

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

August 2023 Copyright und Urheberrecht Evelyne Amara

Coverabbildungen: RomanceNovelCovers,

Elijah Ekdahl, unsplash

[email protected]

www.Evelyne-Amara.com

Evelyne Amara

c/o Autorenservice Gorischk

Am Rinnersgrund 14/5

8101 Gratkorn

Österreich

Coverdesign: Evelyne Amara

Alle Rechte vorbehalten.

 

Kapitel 1

 

Yesenia

 

Erschrocken springt Katzerlak, Herrn Burtons Katze, auf und verschwindet in einem Gebüsch, als die Rotorblätter eines Hubschraubers einen starken Wind erzeugen, der mein gejätetes Unkraut und die Pusteblumensamen von der Wiese meines unbekannten Nachbarn über meine Beete verteilt. Obwohl ich bereits seit zwei Monaten hier wohne, habe ich ihn noch nie gesehen.

Ich weiß nichts über ihn, außer dass er Musiker ist und auf Tournee war. Jetzt kehrt er offenbar von dieser zurück. In meinem Mietvertrag gibt es eine Klausel, die mir untersagt, persönliche Informationen über ihn und Fotos von ihm zu verkaufen. Damit will sich die Hausverwaltungsgesellschaft offenbar absichern, sollte es zu einem Gerichtsverfahren darüber kommen. Mich wundert es nur, dass er in einer relativ normalen Nachbarschaft wohnt und nicht in einer Promi-Schicki-Micki-Gegend.

Wobei das südlich von Athen liegende Alimos eine sehr begehrte Wohngegend ist, weil man es nicht weit bis zum Meer hat. Der Tourismus floriert hier. Ich hatte mit diesem kleinen Haus sehr großes Glück.

Meine Mutter ist mit mir, als ich noch ein Teenager war der Liebe wegen von Deutschland nach Griechenland ausgewandert. Dies haben wir beide nie bereut.

Ein wenig neugierig bin ich schon auf meinen Nachbarn, wie ich zugeben muss. Aus dem Hubschrauber, der mitten auf der großen Wiese des Nachbargrundstücks landet, steigen vier junge, griechische Männer, eine Frau sowie der Pilot. Welcher davon er wohl ist?

Irgendwie kommen mir die Leute bekannt vor. Wahrscheinlich habe ich schon mal in irgendeiner Zeitung oder im Internet Fotos von ihnen gesehen. Sie tragen Sonnenbrillen, und ihre Haare sind aufgewirbelt, was natürlich das Erkennen erschwert. Da ich sie nicht anstarren will, wende ich mich wieder meiner Arbeit zu. Doch es ist schwer, sich nicht ablenken zu lassen bei dem Betrieb, der dort drüben auf einmal herrscht.

Es fahren mehrere Sportwagen vor und parken auf dem zum Grundstück gehörenden Gelände. Aus diesen steigen junge, gutaussehende Männer und Frauen, die sich mit den anderen im Garten versammeln. Musik dröhnt aus einer versteckt angebrachten Musikanlage.

Innerhalb kürzester Zeit entfesselt sich eine laute, wilde Party. Es treffen immer mehr Gäste ein. Damit habe ich nicht gerechnet. Man sollte meinen, der Musiker ruht sich erst mal aus nach seiner Tournee. Mit meiner Ruhe ist es offenbar, zumindest vorläufig, vorbei. Bisher herrschte hier bis auf das gelegentliche Geschrei der Jugendlichen von nebenan oder dem Bellen der Hunde von Frau Foustanou, die schräg gegenüber eine Hundepension betreibt, eine himmlische Ruhe. Nun scheint das Gegenteil eingetroffen zu sein.

Eigentlich wollte ich noch etwas länger draußen arbeiten, aber unter den Blicken der vielen Partygäste ist mir nicht wohl dabei. Obwohl es vermutlich Einbildung ist, komme ich mir angestarrt vor. Trotzdem sammle ich zumindest noch das Unkraut ein, soweit mir das möglich ist, denn ich kann meine Beete nicht verkommen lassen. Wenn die Nutzpflanzen so schnell wachsen würden wie das Unkraut, hätte ich keine Probleme mehr – außer meinen nervigen Nachbarn natürlich, aber der wird vermutlich nicht die ganze Nacht feiern.

Die vielen Pusteblumensamen, die von seiner Wiese herübergeweht wurden, gefallen mir gar nicht. Die sind auch zu viele, um sie wieder ganz aus meinen Beeten herauszukriegen. Ich entsorge das Unkraut und betrete mein Haus. Dort wasche ich mir die Hände und löse die Spange aus meinem langen, mittelbraunen Haar.

 

Als es gegen zwölf Uhr nachts immer noch sehr laut ist, ich aber morgen um fünf aufstehen muss, beschließe ich, zum Nachbarn zu gehen.

Ich laufe direkt über die Wiese, da es keinen Zaun gibt, der unsere Grundstücke voneinander trennt. Katzerlak lauert, wie so oft, auf meiner Wiese den Vögeln auf. Sie hat diesen Namen leider nicht zu Unrecht bekommen. Zwei der Nachbarsjungen scheinen auch die Vögel zu beobachten, denn sie liegen mit ihren Ferngläsern mit Nachtsichtgeräten auf der Wiese. Mich überrascht, dass die Jugendlichen sich so für die Tierwelt interessieren, obwohl die meisten ihrer Altersgenossen hauptsächlich vor ihren Computern hocken.

Um den neuen Nachbarn zu begrüßen, habe ich eine Flasche Rosé dabei.

Das Areal um den Pool herum ist hell erleuchtet. Der Alkoholpegel der Anwesenden ist gestiegen, doch der Kleidungspegel dafür offensichtlich gefallen. Jedenfalls tragen einige der Frauen im Swimmingpool so knappe Stringtangas, dass sie ebenso gut gleich nackt sein könnten. Ein paar von ihnen haben auf ihre Oberteile verzichtet. Soweit dazu, dass die Nachbarsjungen mit den Ferngläsern die Vögel beobachten würden … Griechenland ist ziemlich konservativ eingestellt. Daher sieht man Frauen oben ohne eher selten.

Ich lächle. »Guten Abend. Ich bin die neue Nachbarin Yesenia Schiller.«

Ein junger Mann kommt auf mich zu. In den Händen hält er eine Wünschelrute, mit der er um mich herumläuft.

Als er damit fertig ist, hebt er den Daumen. »Sie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Alien.«

Stirnrunzelnd blicke ich ihn an, enthalte mich aber eines Kommentars. Was soll man dazu auch sagen?

Der Mann legt die Wünschelrute beiseite. »Kalispéra. Ich bin Elias. Du willst sicherlich zu Angelos.« Er deutet auf einen sehr attraktiven, von drei Frauen umringten, beschäftigt wirkenden, dunkelhaarigen Mann.

Vom ersten Augenblick an ist offensichtlich, dass dieser Angelos ein unglaubliches Charisma besitzt. Es ist stark und pulsierend und scheint die Umgebung um ihn herum einzunehmen.

Obwohl ich in den letzten Jahren nicht viel Zeit hatte, Musik zu hören und mich mit Musikern zu befassen, erkenne ich ihn jetzt. Zuerst traue ich meinen Augen kaum, aber es handelt sich tatsächlich um Angelos Pantazis, den Sänger der Band Midwinter Legacy, die vor kurzem ihre Tales-of-a-hidden-Realm-Tour hatten. In einigen Songs spielt er auch die zweite Gitarre.

Das stand in sämtlichen griechischen Zeitungen. Innerhalb von Griechenland ist die Band schon seit längerer Zeit populär, doch in den letzten Jahren eroberte sie sich auch im Ausland ein immer größeres Publikum.

Mit der Band habe ich mich bisher nur ganz am Rande befasst, obwohl einige meiner Freunde und Kollegen Fans von ihr sind. Ich hatte nicht viel Zeit für Musik oder, besser gesagt, mir nicht viel Zeit dafür genommen. Vielleicht sollte ich das ändern. Musik kann das Leben sehr bereichern.

Ich kenne eine Menge Leute, die ausflippen würden, hätten sie die Chance, jetzt an meiner Stelle hier zu stehen und mit Angelos Pantazis sprechen zu können. Ein wenig eingeschüchtert fühle ich mich im ersten Moment schon, aber mir ist klar, dass auch Stars nur Menschen sind. Dass ich kein Fan von ihm bin, dürfte die Sache erleichtern.

Jedenfalls sieht er extrem gut aus mit dem welligen, dunklen Haar, der klassischen Nase, dem markanten Kinn und den in den Bann ziehenden dunklen Augen.

Ich trete zu ihm und räuspere mich, um meine Stimme wiederzufinden. »Kalispéra, Angelos. Ich bin Yesenia Schiller, die neue Nachbarin.« Ich überreiche ihm die Flasche.

Sein in den Bann ziehender Blick richtet sich auf mich. Er nimmt sie lächelnd entgegen. Als sich dabei unsere Fingerspitzen berühren, ist es, als würde mich eine prickelnde, sinnliche Energie durchströmen, wie ich sie noch nie zuvor verspürt habe.

»Danke. Kalispéra. Darf ich dir etwas anbieten?« Seine Stimme ist dunkel, leicht rauchig und melodiös. Zusammen mit seiner immensen Ausstrahlung ist das eine explosive Mischung, die mich nervös macht, was ich gar nicht mag.

»Danke, aber das ist nicht nötig. Bitte wärt ihr ab jetzt so freundlich, leiser zu sein?«

Seine dunklen Augen blitzen. »Feiere doch mit uns. Wir könnten viel Spaß haben.«

»Das geht nicht. Ich muss morgen arbeiten.«

»Mach mal eine Ausnahme. Wir sind erst von der Tournee zurückgekehrt.«

»Ich muss fit sein in meinem Job.«

Angelos greift nach einer Fernbedienung und stellt die Musik leiser. Dabei fällt mein Blick auf seine kräftigen und dennoch feingliedrigen Hände. »Ist es besser so, neue Nachbarin?«

»Ja, so ist es tolerierbar. Danke.«

»Als was arbeitest du denn?«

»Ich bin in der Gastronomie tätig.«

»Entspann dich ein bisschen. Chille, Baby. Du stehst so verkrampft da. Ich dachte, die Leute, die in der Gastronomie arbeiten sind lockerer.«

Tatsächlich stehe ich etwas steif da, aber das geht ihn nichts an. Außerdem missfällt mir die Baby-Anrede. »Du solltest übrigens mal etwas gegen dein Unkraut tun. Das breitet sich schon in der Gegend aus.«

»Ich habe jemanden dafür bezahlt, das zu tun.«

Skeptisch blicke ich ihn an. Seit ich eingezogen bin, habe ich dort keinen Gärtner gesehen. »Wofür? Um es auszusäen?«

Er lacht. »Nein, eigentlich sollte sich jemand um den Garten kümmern.«

»Ganz offensichtlich hat er oder sie das nicht getan.«

»Ich kümmere mich darum.«

»Ich hoffe bald. Vielen Dank. Ich wünsche euch noch einen schönen Abend.« Ich drehe mich um und gehe wieder nach Hause.

Zufrieden mache ich mir in der Küche einen Tee. In dieser Lautstärke ist es auszuhalten, auch wenn die Leute selbst noch ziemlich laut sind. Jedoch dauert es nicht lange, bis jemand die Musik wieder deutlich lauter dreht.

Ich gehe erneut hinüber, woraufhin diesmal Elias die Musik leiser dreht. Doch kaum bin ich wieder zu Hause, macht irgendeiner der Partygäste es wieder rückgängig. Ich laufe also nochmals hinüber. Angelos ist nirgendwo zu sehen, aber ich kriege einen der Typen dazu, die Lautstärke zu drosseln, was leider nicht lange anhält.

Irgendwann bin ich es einfach leid und lasse es sein.

 

Als ich am nächsten Morgen auf die Arbeit gehe, befindet sich am Straßenrand vor Angelos’ verwildertem Garten ein neues Schild. Auf diesem steht geschrieben: ›Wildkräuter zum Selbstpflücken. Bio-Qualität. Nur für kurze Zeit gratis, dann für zehn Cent den Stängel.‹

Haha, sehr witzig. Soweit dazu, dass Angelos sich um das Unkraut kümmern wird …

Irgendwie komme ich mir verarscht vor. Das löst mit Sicherheit nicht mein Problem. Er will mich ganz eindeutig provozieren. Womöglich steckt er auch hinter den klammheimlichen Aktionen, die Lautstärke der Musik wieder hochzudrehen. Er spielt mit mir, aber da hat er sich die Falsche ausgesucht.

Selbst dass er ein bekannter Sänger ist, nutzt ihm nichts. Auch als solcher muss er sich rücksichtsvoll verhalten. Viele Leute denken zwar, die Arbeit in der Gastronomie sei nicht anspruchsvoll, aber da täuschen sie sich.

 

Als ich am Abend von der Arbeit wieder nach Hause komme, sehe ich Angelos nur mit einer Bluejeans bekleidet im Garten stehen. Es kostet mich Mühe, meinen Blick von seinen breiten Schultern, dem Sixpack und den muskulösen Armen loszureißen. Sein gutes Aussehen wird mich nicht von meiner Mission ablenken. Nur weil jemand gut aussieht, bedeutet das nicht, dass er sich alles erlauben kann.

Spontan komme ich auf ihn zu. »Das Schild ist aber nicht ernst gemeint?« Ich deute auf den Stein des Anstoßes.

Verständnislos blickt er mich an. »Wieso nicht? Das ist mein voller Ernst.«

»Du willst mich verarschen.«

Leger steckt er die Daumen in die Schlaufen seiner Bluejeans. Er hat unglaublich schöne Hände. »Chille mal ein bisschen, Babe.«

Der Schlafmangel und der Stress auf der Arbeit fordern ihren Tribut. Daher kommen sein träge gesprochener Satz und sein schiefes, durchaus als sexy zu bezeichnendes Lächeln bei mir nicht so gut an.

Wut steigt in mir auf. »Für dich ist alles nur ein Spiel, oder? Ich rackere mich mit meinen Kräuter-, Salat- und Gemüsebeeten ab, weil das Gemüse im Supermarkt so teuer geworden ist, und frische Kräuter sind ohnehin unbezahlbar. Das tue ich abends, wenn ich ohnehin schon müde bin.«

Er zuckt mit den Schultern. »Was kann ich dafür? Ich habe die Preise nicht festgelegt.«

»Du könntest mir das Leben weniger schwer machen, indem du nicht deine Disteln und Pusteblumen aussäst.«

»Ich säe die gar nicht aus. Das tun die von ganz allein.«

»Ja, aber du könntest deine Wiese öfter mähen und dich mal wirklich um dein Unkraut kümmern und nicht nur höchst fragwürdige Schilder aufstellen.«

Er zieht die dunklen Augenbrauen zusammen. »Und wer bist du? Die Unkrautpolizei? Du bist Deutsche, nicht wahr? Denen sagt man doch immer nach, dass sie überpünktlich, überkritisch und übergenau sind. Wobei ich bisher nicht viel auf Klischees gegeben habe. Die Betonung liegt auf bisher. Ich lasse mich gern eines Schlechteren belehren.«

Verärgert stemme ich die Hände in die Hüften. »Ich habe so viel Arbeit mit meinem Garten. Vermutlich kannst du das nicht nachvollziehen. Trotzdem solltest du dich mehr um deinen kümmern. Dein Boden ist schon ganz hart. Wer weiß, ob da überhaupt noch was Ordentliches wächst.«

Grinsend nickt er in Richtung meiner Beete. »Zumindest kacken wegen meines harten Bodens die Katzen bei mir nicht überall hin, so wie bei dir.« Mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck kratzt er sich am Kinn. »Ich frage mich, wie hygienisch das in Gemüsebeeten ist.«

Erschrocken folge ich seinem Blick und stelle fest, dass Katzerlak in meinem Gemüsebeet etwas vergräbt …

Verfolgt von dem Gelächter meines unerträglichen Nachbarn, verscheuche ich die Katze und hole meine kleine Schaufel, um die Katzenkacke wieder auszugraben. Die ist nämlich gar nicht gut für meine Nutzpflanzen. Soweit zu den Verpiss-dich-Pflanzen, die sie mir letztens im Baumarkt angedreht haben und die angeblich verhindern sollen, dass Katzen die Beete als Klos benutzen. Das war vermutlich eine Marketing-Masche, um irgendwelche Ladenhüter loszuwerden. Ich entsorge das Häufchen in der Mülltonne.

Als ich mich umdrehe, ist mein böser Nachbar verschwunden.

Herr Burton, der elegante, weißhaarige, etwa achtzigjährige Mann, der auf der anderen Seite von Angelos’ Grundstück wohnt, winkt mir freundlich lächelnd zu. Diesem gutmütigen Menschen kann ich nicht böse sein, auch wenn seine Katze mit allen Wassern gewaschen ist.

Ich laufe zu ihm hinüber. »Hallo, Herr Burton. Wie geht es Ihnen?«

»Ganz gut, und dir? Ich habe dir doch gesagt, du sollst mich Alexander nennen.«

Ich lächle. »Alexander. Hast du gut geschlafen?«

»Vorzüglich.«

»Hat dich der Lärm denn gar nicht gestört?«

»Welcher Lärm?«

»Angelos hat gefeiert.«

Alexander Burton winkt ab. »Lass die jungen Leute feiern. Solange sie nicht auf meine Rosen kotzen, ist mir das egal.«

»Du hast wirklich nichts gehört?«

»Nachts pflege ich nicht mein Hörgerät zu tragen. Da kann Katzerlak in der Dusche herumplärren, so viel sie will. Die könnten die ganze Straße in die Luft jagen, das würde ich nicht hören. An der nachts herumlärmenden Katze ist übrigens meine letzte Beziehung gescheitert. Dabei habe ich ihr Ohrenstöpsel gekauft. Der Frau, nicht der Katze. Viel lauter als meine Katze kann der gute Angelos auch nicht sein.«

Hat der eine Ahnung … Wobei man bei Katzerlak nie weiß. »Die schreit wirklich nachts in der Dusche herum?«

»Ja, weil die Fliesen ihr Miauen zurückwerfen. Sie hasst es, wenn sie beachtet werden will, man das aber nicht tut, etwa weil man dummerweise Schlaf braucht.«

Stirnrunzelnd blicke ich ihn an. »Warum tut sie so etwas?«

»Einmal war es, weil sie einen Maulwurf erbeutet hatte und mir die Beute zeigen wollte. Zumindest hat mir meine Ex das berichtet. Sie hat voller Ekel das tote Tier entsorgt. Das konnte man schließlich nicht die ganze Nacht in der Küche liegen lassen, weil Katzerlak es nicht gefressen hat. Ich frage mich, warum sie das Viehzeug dann überhaupt killt.«

»Du bist nicht zufällig taub geworden, weil deine Katze so laut ist?«

»Nein. Als Junge hatte ich öfter Mittelohrentzündungen. Meine Trommelfelle vernarbten dadurch. Ich hatte also nie das allerbeste Gehör, und mit dem Alter wurde es natürlich nicht besser. Meinen Job als Diplomat konnte ich trotzdem durchführen. Ohne mein Hörgerät hätte ich das nicht geschafft. Die Technologie wird immer besser. Die verwenden jetzt KI-Technologie, damit Querschnittsgelähmte wieder laufen können. Man kann sich sogar einen Roboter-Doppelgänger bauen lassen, wenn man das nötige Kleingeld dafür hat. Interessant, nicht wahr?«

»Ja, da gibt es einige bemerkenswerte Entwicklungen.«

»Was bin ich doch früher beruflich herumgekommen.«

Interessiert blicke ich ihn an. »Du warst in Südostasien, nicht wahr?«

»Ja, dort war ich auch im diplomatischen Dienst. Eigentlich wollten meine Frau und ich in Sri Lanka unseren Lebensabend verbringen.« Verträumt, aber auch traurig blickt er in die Ferne.

»Dann bist du wegen deiner griechischen Frau hierher zurückgekehrt?« Er hatte mir mal erzählt, dass seine vor einigen Jahren verstorbene Frau Griechin war.

»Wir mochten Griechenland natürlich, denn es ist wunderschön und mit einer reichen Kultur gesegnet, aber Asien stand uns trotzdem noch näher. Wir waren uns beide einig und hatten das Haus in Sri Lanka gekauft. Doch dann kam es dort zu Unruhen. Eine Horde besetzte unser Haus, bevor wir es beziehen konnten. Es gab Gerichtsverfahren, die sich hinzogen, doch irgendwann bekamen wir es glücklicherweise zurück. Das war eine schwere Zeit für uns. Erst mal natürlich die Enttäuschung und dann die Unsicherheiten. Wir hätten dadurch beinahe eine Menge Geld verloren. Meine Frau und ich entschieden uns nach dieser Sache, nach Griechenland zu ziehen.«

»Sei froh. Es gibt dort schon wieder Unruhen. Stammte deine Frau aus Athen?«

»Nein, aus Sfendali, aber als ich sie kennenlernte, hat sie in Athen gelebt. Sie hatte in Malaysia, wo ich damals gearbeitet habe, Urlaub gemacht. Dort haben wir uns dann später auch verlobt.«

»Dann hast du eher spät geheiratet?«

»Es war meine zweite Ehe. Zuvor war ich mit einer Frau aus Singapur verheiratet, doch als ich wieder umziehen musste, hat sie mich verlassen. Ich denke, sie hatte etwas mit einem Nachbarn.« Er wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. »Leider muss ich jetzt gehen. Mein Auflauf müsste bald fertig sein. Ich verwende fast nur noch den Ofen oder die Mikrowelle, denn an die Töpfe geht Katzerlak immer ran. Man kann nichts auch nur für eine Minute stehen lassen, ohne dass sie ihre Nase reinsteckt.«

»Das kann gefährlich werden, wenn es heiß ist, und nicht alles ist für Katzen geeignet.«

Er nickt. »Eben darum. Man sieht sich! Ich wünsche dir einen schönen Abend.«

»Ich dir auch.«

Nachdenklich trotte ich nach Hause. Von Alexander Burton bekomme ich also keine Unterstützung in dieser Sache. Aber vermutlich werde ich die auch nicht brauchen, denn Angelos und seine Band werden wohl kaum jeden Tag feiern. Auch er muss sich schließlich mal ausruhen …

 

 

Kapitel 2

Yesenia

Ich habe mich getäuscht. Am Abend ist es leider wieder dasselbe Spiel: laute Musik, Gelächter, grelles Licht und eine Menge Alkohol.

Um Viertel vor zwölf Uhr gehe ich nach drüben, um Angelos um Ruhe zu bitten, weil ich schlafen möchte.

Er sieht mich nachdenklich an. An ihm kleben ein paar kaum bekleidete Frauen. Er sagt etwas, das ich wegen der dröhnenden Musik nicht verstehen kann.

»Bitte könntest du deine Worte nochmals wiederholen. Ich habe dich nicht verstanden.«

»Es ist Wochenende, Kukla mou. Entspann dich.«

Wut steigt in mir auf. »Ich bin nicht deine Puppe und muss – im Gegensatz zu einigen anderen hier – morgen arbeiten!«

Er verschränkt die Arme im Nacken, während er seinen Blick auf mich fixiert. »Wo arbeitest du?«

»In Eva’s.«

Evangelia Rantou, die Chefin von Eva’s Cafeteria ist streng, aber gerecht. Wegen der vielen Touristen verwenden wir die englische Schreibweise für ihr Etablissement. Auf keinen Fall wird sie es dulden, wenn ich bei ihr übernächtigt herumwanke wie ein Zombie, entsprechend abschreckend aussehe und meine Arbeit schlampig ausführe. Heute war es schon nicht ideal, aber ich kann es halbwegs wegstecken, wenn ich eine Nacht kaum geschlafen habe. Bei zwei Nächten hintereinander wird es allerdings kritisch.

Nachdenklich kratzt Angelos sich am Kopf. »Das Lokal kenne ich. Mach mal eine Pause, Yasmin.«

»Ich heiße Yesenia.«

»Yesenia. Ich habe dich gestern offenbar nicht richtig verstanden.«

»Was bei dem Lärm kein Wunder ist.«

Angelos erhebt sich und geht zu einem Bierkasten. Aus diesem nimmt er eine Flasche. »Hast du schon mal spartanisches Bier getrunken?«

Zweifelnd blicke ich die Flasche an. »Nein.«

»Dann wird es Zeit.« Angelos kramt ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche und öffnet damit die Flasche schneller, als ich gucken kann. Dann drückt er sie mir in die Hand.

Er zieht sich eine Zigarette aus einer Packung, die auf einem der Tische liegt, und zündet sie sich in aller Seelenruhe an. »Auch eine?«

»Nein, ich hasse rauchen. Ich will kein Bier, und ich will keine Zigaretten. Ich will, dass ihr die Musik leiser stellt und sie diesmal leise lasst. Irgendjemand von euch dreht sie nämlich kaum, dass ich wieder zu Hause bin, erneut hoch.«

Angelos wirft lachend den Kopf in den Nacken. »Jetzt hörst du dich an wie Muffi Schlumpf, der Griesgram, nur dass du aussiehst wie eine süße, dunkelhaarige Schlumpfine.«

Natürlich kennt er die Schlümpfe. Die wurden aus dem Französischen nicht nur ins Deutsche, sondern auch ins Englische, Griechische und gewiss auch weitere Sprachen übersetzt. Das mit der Schlumpfine ist sicherlich eine Anspielung darauf, dass ich so winzig bin. Alle denken immer nur, ich bin süß und klein und nehmen mich nicht ernst.

Böse sehe ich ihn an. »Ich finde das überhaupt nicht witzig.«

»Hör mal, Baby. Alles, was recht ist, aber es ist Freitagabend, und wir werden heute definitiv nicht leise sein. Das haben wir uns nach der langen, anstrengenden Tournee verdient.«

Skeptisch verdrehe ich die Augen. »Während der ihr natürlich überhaupt nicht gefeiert und gesoffen habt. Ich weiß doch, wie es auf solchen Tourneen zugeht: Groupies, Alkohol, Drogen und verwüstete Hotelzimmer.«

»Ob du es glaubst oder nicht, während einer Tournee halten viele von uns sich zurück, weil wir sonst für unsere Fans auf Dauer nicht die volle Performance bringen könnten. Hotelzimmer verwüstet haben wir noch nie. Warum sollten wir so etwas tun?«

»Wer’s glaubt …«

Er zieht an seiner Zigarette. »Es ist mir egal, ob du das glaubst oder nicht. Du solltest lockerer werden, meine Süße.«

»Du solltest rücksichtsvoller werden, mein Süßer. Ich rufe nämlich die Hausverwaltungsgesellschaft an, denn das lasse ich mir nicht gefallen.« Schlafentzug macht mich aggressiv, obwohl ich normalerweise eine eher friedliche Person bin. Außerdem hasse ich den Zigarettengeruch, den mir der Wind direkt ins Gesicht weht.

Angelos zuckt gleichgültig mit den Schultern. »Tue, was du nicht lassen kannst.«

Ich stelle das Bier ab und laufe zurück zu meinem Häuschen. Natürlich erreiche ich um diese Zeit von der Hausverwaltungsgesellschaft niemanden mehr. Die Polizei geht zwar ans Telefon, aber die sagt mir, dass sie nicht kommen wird, solange kein weiterer Nachbar anruft, weil es sich um eine Bagatelle handelt. Die Griechen seien nun mal ein lebenslustiges Volk und feiern gern. Ich als Ausländerin solle das bitte verstehen. Die Nachbarn sollen das untereinander ausmachen. Na toll. Heute hat sich wirklich alles gegen mich verschworen.

 

Angelos

 

Überrascht blicke ich der neuen Nachbarin nach. Sie hat nicht mal ihr Bier getrunken. Yesenia ist total süß, aber hat offenbar keinen Spaß im Leben. Sie sieht alles viel zu eng. Welche Laus ist der denn über die Leber gelaufen? Die regt sich nur über ein bisschen abendliche Musik auf?

Natürlich kenne ich Evan’s. Diese Taverne macht an Samstagen erst gegen Mittag auf. Yesenia hat also reichlich Zeit für ihren Schönheitsschlaf und braucht es wirklich nicht so eng zu sehen. Außerdem ist Evangelos Karagiannis, der Inhaber von Evan’s Taverne – wegen der Touristen verwendet man die englische Schreibweise –, ein ziemlich lockerer Typ. Der lässt auch mal fünf gerade sein, wenn Yesenia nicht ganz pünktlich ist, solange sie ihre Arbeit sonst zuverlässig erledigt.

Es ist nicht zu viel verlangt, dass ich an einem Freitagabend lange feiern kann. Die soll mal halblang machen.

Es ist also nicht nur ein Gerücht, dass die Deutschen alles so eng sehen. Wahrscheinlich läuft bei denen alles mit der Stechuhr und einem Dezibelmessgerät ab. Was für ein tristes Leben! Wir Südländer sind einfach viel lockerer. Von uns könnten die lernen, das Leben mehr zu genießen.

Versteht mich bitte nicht falsch, ich arbeite hart, aber ich feiere eben auch hart. Denn wofür soll man sonst so malochen, wenn man das Leben nicht genießen kann? Ja, ich liebe meinen Job, aber oftmals ist er doch ziemlich arbeitsintensiv, sprich anstrengend. Jeder Beruf hat diese Seite. Ich muss jeden Tag üben, und sämtliche Songs müssen so oft überarbeitet werden, dass ich sie danach erst mal eine Weile selbst nicht mehr sehen kann. Glücklicherweise gibt sich das bis zur Tour meist wieder.

Keineswegs sehe ich ein, dass ich mich wegen Yesenia einschränken soll, nur weil sie offenbar eine völlige Spaßbremse ist. Schade eigentlich, denn sie ist, wie gesagt, total süß und besitzt außerdem eine tolle Ausstrahlung.

Eigentlich wäre sie mit ihrem Temperament, ihren blauen Augen und dem langen, mittelbraunen Haar mein Typ. Zumindest, solange sie nicht den Mund aufmacht … Wobei ich normalerweise selbstbewusste Frauen, die für sich einstehen, schätze, aber das hier ist etwas anderes.

 

Yesenia

 

Am nächsten Morgen schleppe ich mich völlig übermüdet zu Eva’s. Zwar macht die Cafeteria an Samstagen eine Stunde später auf, also um acht Uhr morgens, aber ich muss wegen des Verkehrs spätestens um sechs Uhr aufstehen.

Meine etwa gleichaltrige, also siebenundzwanzigjährige Kollegin Daphne kommt auf mich zu. Wie wir alle trägt sie während der Arbeit ein schwarz-weißes Kleid, wie unsere Chefin. Vor etwa einem halben Jahr haben wir uns angefreundet.

Besorgt blickt sie mich an. »Du siehst blass aus, und deine Augenringe machen jedem Panda Konkurrenz. Geht es dir nicht gut?«

»Mein neuer Nachbar hat mich fast die ganze Nacht wachgehalten. Bis morgens früh um drei! Ich habe gerade mal drei Stunden geschlafen.«

Ihre Augenbrauen schießen nach oben. »Du hast was mit deinem Nachbarn?« Als sie das sagt, senkt sie die Stimme.

Empörung steigt in mir hoch. »Nein, natürlich nicht. Der ist rücksichtslos. Obwohl er weiß, dass ich früh rausmuss, hat er die Musik nicht leiser gestellt oder besser gesagt hat er sie zuerst leiser gestellt und dann doch wieder hochgedreht. Vielleicht war es auch jemand anders, der an der Lautstärke herumgestellt hat. Jedenfalls konnte ich kaum ein Auge zumachen und war es irgendwann leid, ständig hinüberzugehen.«

Mitgefühl zeigt sich in ihren mandelförmigen, rehbraunen Augen. »So etwas geht natürlich nicht. Das ist rücksichtslos. Schlafmangel reibt mich auch immer ziemlich schnell auf. Dann bin ich unausstehlich. Was willst du dagegen unternehmen?«

»Ich werde mich bei der Hausverwaltungsgesellschaft über ihn beschweren. Oder hast du eine bessere Idee?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Das Haus vielleicht besser schalldämmen, denn durch diese dünnen Wände hörst du die Grasmilben husten.«

Sie war schon mal bei mir zum Kaffeetrinken und kennt daher das Haus und die Umgebung.

»Dann werde ich das der Hausverwaltungsgesellschaft vorschlagen.«

»Ich wünsche dir viel Erfolg, Liebes. Lass dich nicht unterkriegen.«

»Das habe ich nicht vor.«

Daphne kaut auf ihrer Unterlippe. »Ich würde dir gerne anbieten, in solchen Nächten bei mir zu schlafen, aber leider erlaubt es mein Vermieter nicht. Du weißt, wie er ist.«

»Ist schon in Ordnung. Ich komme zurecht. Ich weiß, dass dein Vermieter eine harte Nuss ist. Den würde ich nicht verärgern. Die Dame von der Hausverwaltungsgesellschaft, mit der ich bisher zu tun hatte, hat einen ziemlich netten Eindruck gemacht. Ich denke, dass ich etwas erreichen kann.«

Daphne wirkt besorgt. »Wie sie wirklich sind, erkennst du erst, wenn es Probleme gibt.«

»Das werde ich bald erfahren.«

 

Als ich am frühen Abend zu Hause ankomme, rufe ich als Erstes die Hausverwaltungsgesellschaft an, um dieser mein Problem zu schildern.

»Angelos Pantazis, sagten Sie?«, fragt mich die freundliche Dame am anderen Ende der Leitung.

»Ja.«

»Da kann ich Ihnen leider nicht helfen.«

»Warum nicht?« Ist sie etwa ein fehlgeleiteter Fan von ihm, sodass der mit allem durchkommt?

»Warum, denken Sie, ist die Miete so günstig? Sie wohnen mitten in Alimos, einem beliebten Touristenzentrum, nicht weit vom Meer entfernt. Es tut mir leid, dass ich nichts für Sie tun kann.«

Ich bin perplex. »Sie meinen, ich habe eine Mietvergünstigung erhalten, weil dieser Nachbar so laut ist?«

»Ganz genau.«

Das darf doch nicht wahr sein! »Wie lange waren die letzten Mieter dort?«

»Diese Information ist vertraulich.«

Die haben also etwas zu verbergen, denn ich wüsste nicht, warum solch eine Information so streng geheim sein sollte. Eigentlich könnte ich Alexander Burton demnächst danach fragen. »Ist es möglich, bei dem Haus Maßnahmen zur Schalldämmung durchzuführen?«

»Das wurde bereits in Erwägung gezogen. Das Haus, in dem Sie wohnen, war früher jenes, in dem die Dienstboten lebten, die in der Villa arbeiteten. Daher liegt es so nah bei der Villa von Herrn Pantazis, weswegen auch das Problem mit dem Schallschutz entsteht. Vor ein paar Jahren wurden ein paar Renovierungen durchgeführt, nachdem es Probleme mit Mietnomaden gab. Das war nicht gerade billig. Um diese dünnen Wände schalldicht zu kriegen, wäre der finanzielle Aufwand in Relation zur Miethöhe und dem Wert des Gebäudes zu hoch. Die Vermietung von privatem Wohnraum bietet heutzutage ohnehin kaum noch Rendite, wenn nicht gar, wie in diesem Fall, mit Verlusten zu rechnen ist. Selbst eine massive Erhöhung des Mietzinses würde das nicht so schnell ausgleichen. Daher und auch wegen der neuen Gebäudedämmungsrichtlinien und anderen neuen Vorschriften spielt eher mit dem Gedanken, das Gebäude abzureißen, zumal es sehr nahe bei dem Haus von Herrn Pantazis steht, und daher seine Privatsphäre nicht optimal gewahrt bleibt. Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine positivere Nachricht überbringen kann.«

Entsetzt starre ich die Wand vor mir an. O nein!

Ich räuspere mich, um meine Stimme wiederzufinden, die ich vor Fassungslosigkeit für kurze Zeit verloren habe. »Danke für die Informationen.«

»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

Das ist schon mal besser als nichts. »Danke, nein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.«

»Den wünsche ich Ihnen auch.«

Als ich etwas später im Internet nach Wohnungen und kleinen Häusern suche, stelle ich fest, dass ich mir in dieser Lage nichts leisten kann. Ich lebe nun mal mitten in einem Top-Tourismus-Gebiet. Auch die Cafeteria, in der ich arbeite, lebt zum Großteil von den Touristen.

Ich müsste, wenn ich in dieser Gegend bleiben möchte, mit irgendeinem winzigen Loch vorliebnehmen, oder ich ziehe in ein Kaff am Ende der Welt. Das sind keine wirklich zufriedenstellenden Optionen für mich. Mit diesem Häuschen hatte ich wirklich unwahrscheinliches Glück.

Wohnungen oder kleine Häuser sind in dieser Gegend derzeit generell knapp. Etwas mit Garten zu finden, das halbwegs bezahlbar ist, scheint völlig unmöglich zu sein.

Ich will nicht umziehen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Das Häuschen ist perfekt, und wie es aussieht, wird wohl so schnell nicht die Miete erhöht werden.

Die Griechen sind schon ein seltsames Volk. Anstatt gegen den Unruhestifter vorzugehen, senken sie einfach die Miete. Ich frage mich, ob Angelos als Ausgleich dafür mehr Miete bezahlen muss. Vermutlich schon. Ich gehe davon aus, dass ihn das nicht mal sonderlich interessiert. Wahrscheinlich nimmt er das ganz gechillt. Bei dem Wort muss ich daran denken, wie er mir mit einem amüsierten Grinsen sagte, ich solle mal chillen. Wut steigt in mir auf.

Vermutlich liegt es daran, dass die Südländer vieles deutlich lockerer als wir Deutsche sehen. Ich weiß nicht, ob sie mit dieser Einstellung nicht besser leben. Andererseits ist das nicht so gut für die Finanzen. Dass es um letztere hierzulande generell nicht so gut steht, ist kein Geheimnis.

Vielleicht liegt es auch daran, dass Angelos Pantazis ein Rockstar ist, weswegen er einen Sonderstatus genießt. Von ihm besitze ich bisher kein Album.

Generell habe ich in den vergangenen Jahren nur ein paar Alben von meinen Lieblingsbands gekauft. Streamingdienste nutze ich nicht, und Radio höre ich sowieso kaum, weil mich die Werbung nervt und mir die Musikauswahl meist ohnehin nicht so zusagt.

Definitiv dürfte sein Starstatus die Ursache dafür sein, dass man ihn mit Samthandschuhen anfasst. Vielleicht hat er ein paar gezielte Spenden an bestimmte Stellen getätigt, und nun fressen ihm alle aus der Hand. Er wäre nicht der Erste, der so verfährt.

Mir ist es egal, ob er berühmt ist oder nicht. Für mich ist er rücksichtslos, denn auch wenn die Miete günstig ist, bei solch einem Lärm werde ich noch wahnsinnig. Dauernder Schlafmangel kann einfach nicht gesund sein.

 

 

Kapitel 3

 

Yesenia

 

Am Sonntagmorgen früh um fünf Uhr schlage ich zurück. Mit meinem Laptop und zwei Lautsprecherboxen begebe ich mich auf die Terrasse. Angelos Pantazis wird lernen, dass ich das nicht mir machen lasse. Er wird erkennen, wie schlimm Schlafmangel sein kann und dann einlenken.

Auf YouTube suche ich nach bayrischer Volksmusik. Da gibt es ein paar Sachen, bei denen sich mir vor Entsetzen die Fußnägel aufrollen. Vermutlich gibt es die bei jedem Musikgenre, aber ich habe hier ein paar echte ›Perlen‹ gefunden. Frühmorgens nach einer Stunde Schlaf dürfte das für Angelos das Grauen darstellen. Dieser Schuhplattler wird meinem Erzfeind die Ohren abfallen lassen.

Doch nicht Angelos kommt wenig später verstört wirkend und mit einem blassen Gesicht zu mir herübergeeilt, sondern Maria Foustanou, die Nachbarin von der anderen Straßenseite. Sie ist mit ihren 1,52 m so klein wie ich, hat schwarze Locken und eine vollschlanke Figur. Ich schätze sie auf Anfang sechzig.

Sie baut sich mit einem wütenden Ausdruck auf ihrem runden Gesicht vor mir auf und stemmt die Hände in die Hüften. »Kaliméra, Yesenia. Könntest du bitte deine Musik leiser stellen? Davon bekommen meine Hunde Durchfall.«

Fassungslos starre ich sie an. »Dass Schallwellen sich derart auf den Darm auswirken können, ist mir neu. Aber von der ganzen Rockmusik, mit der Angelos uns spät nachts beschallt und dem Gelächter der Besoffenen, bekommen die keinen Durchfall?«

»Meine Hunde mögen Rockmusik.«

Ungläubig betrachte ich sie. Die wird doch kein heimlicher Fan meines nervigen Nachbarn sein? »Im Ernst? Haben Ihre Hunde wohl auch noch Tattoos von Guns N’ Roses und Midwinter Legacy?«

»Natürlich nicht. Aber das, was du abspielst, sorgt für fortgeschrittene Verdauungsstörungen.« Sie deutet auf meinen Laptopbildschirm, auf dem gerade ein Watschentanz aufgeführt wird, denn ich fahre die gesamte Palette der Grausamkeiten auf.

Keineswegs habe ich vor, klein beizugeben. »Eigentlich müssten deine Hunde schon halb taub sein von der ganzen Rockmusik.«

»Ich wohne auf einer leichten Anhöhe. Wir hören von Angelos’ Grundstück gar nicht so viel, und mein Garten liegt noch ein wenig höher als das Haus. Außerdem habe ich noch den Lärmschutzwall. Bisher hatten weder meine eigenen Hunde noch die von mir betreuten ein Problem mit Angelos’ Musik.«

»Wie läuft eigentlich deine Hundepension?«

»Ich habe einige treue Stammkunden. Mehr will ich auch nicht aufnehmen. Das wäre zu viel und würde auf Dauer auch meine Tiere belasten. Die Hunde brauchen viel Platz. Würdest du jetzt bitte die Musik leiser drehen?«

»Du bist ein Fan von Angelos, nicht wahr?« Zwar hätte ich sein Publikum für jünger gehalten, aber man weiß schließlich nie.

»Seine Musik ist nicht mein Fall. Als Mensch ist er in Ordnung. Falls du vorhast, es ihm mit der Musik heimzuzahlen, muss ich dir sagen, dass du schlechte Karten hast. Sein Haus hat wesentlich dickere Wände als deines.«

Erschrocken blicke ich sie an, überrascht darüber, dass sie mich durchschaut hat. Wobei ihr das Spektakel der vergangenen Tage gewiss nicht entgangen ist.

»Danke für den Hinweis.«

»Gern geschehen. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Übrigens sind die grünen Ohrenstöpsel von Maxlite die besten. Mit denen kann man auch schlafen. Die drücken nicht so wie viele andere.«

Von wegen sie hat kein Problem mit dem Lärm! Die habe ich so was von erwischt.

»Sprichst du aus eigener Erfahrung?«, frage ich.

»Nein, das hat dein Vormieter gesagt.«

»Der nicht mehr hier wohnt. Warum wohl?«

»Manche Leute halten es einfach nicht lange am selben Ort aus. Ich gehe dann mal wieder.«

Grübelnd blicke ich ihr nach. Das ständige Tragen von Ohrenstöpseln kann auch nicht so gut sein für den Gehörgang. Sicherlich bilden sich dadurch Keime in dem feuchten, schlechter belüfteten Milieu. Außerdem besteht die Gefahr, dass ich morgens meinen Wecker nicht höre, wenn ich mit Ohrenstöpseln schlafe. Ich sehe es gar nicht ein, dass ich das tun soll.

 

Nachdem ich mir trotz aller Gegenargumente in meiner Verzweiflung über eBay doch noch eine Großpackung Ohrenstöpsel bestellt habe, geht am Abend das Desaster in die nächste Runde. Ich bin erstaunt über die Ausdauer, die Angelos und sein Gefolge zeigen, wenn es darum geht, zu feiern und Krach zu machen. Tagsüber, wenn normale Leute arbeiten, schläft der wahrscheinlich.

Wie am Abend zuvor gehe ich hinüber. Diesmal treffe ich Angelos nicht an.

Der Wünschelrutentyp – ich denke, er heißt Elias – bietet mir ein Bier an, das ich dankend ablehne. Zumindest dreht er auf meine Bitte hin die Musik etwas leiser. Er ist ein gutaussehender Mann von ungefähr Anfang dreißig mit dunkelbraunen Locken.

Als ich wenig später zu Hause wieder in meinem Bett liege, dreht sie irgendjemand wieder lauter. Wobei die Musik wirklich nicht das einzige Problem ist. Das Gegröle, Geschrei und Gelächter sind auch nicht gerade leise.

Dass das die Hunde nicht stört, wundert mich. Wobei Frau Foustanou über eine Art von Lärmschutzwall im Vorgarten verfügt. Trotzdem hat sie meine Musik als störend empfunden. Ich finde das alles sehr seltsam.

 

Am nächsten Morgen fallen mir während der Arbeit fast die Augen zu. Ich überlege schon, ob ich mir Streichhölzer hineinklemmen soll. Jedenfalls fühle ich mich total kaputt. Daran ist nur dieser feierwütige Rockstar und Nachbar aus der Hölle schuld.

Ich schleppe mich von Tisch zu Tisch.

Der Gast vor mir blickt mich mürrisch an. »Sie haben mir einen Espresso freddo gebracht anstatt eines Cappuccino freddo, und meine Frau wartet immer noch auf ihren Frappé.«

Ich erröte. »Das tut mir sehr leid. Der Cappuccino freddo und der Frappé kommen sofort.«

Nachdem ich die Bestellung und ein paar weitere hoffentlich vollständig erledigt habe, ruft mich meine Chefin zu sich.

Im Gegensatz zu vielen Griechen hat sie blaue Augen und blonde Haare. Sie ist um die fünfzig. »Yesenia, was ist in der letzten Zeit mit dir los?«

»Ich schlafe schlecht.«

Besorgt sieht sie mich an. »Das sieht man dir an. Bist du krank?«

»Nein, ich habe einen neuen Nachbarn, der mich wach hält.«

»Dann solltest du das mit ihm klären oder falls das nicht möglich sein sollte, erwägen umzuziehen.«

Wenn das so einfach wäre … Außerdem ist das Haus mein absolutes Traumhaus. Für das Geld bekomme ich nie wieder etwas in der Lage, noch dazu mit Garten. Letzterer spart mir eine Menge Geld, weil ich meine Kräuter, meinen Salat und mein Gemüse selbst anbauen kann. Natürlich schmeckt das auch viel besser. Ich habe eine Menge Geld in Saatgut und Jungpflanzen aus dem Baumarkt investiert. Das will ich nicht alles verlieren. Außerdem ist es wunderschön dort, eigentlich perfekt, wenn der Lärm nicht wäre.

Wenn ich an meine vorherige Wohnung denke … Dort war es zwar eher ruhig, aber dafür dunkel und stickig. Des Weiteren befand sie sich im fünften Stock, und der Aufzug war nicht gerade zuverlässig. Den habe ich, nachdem meine Nachbarin sechs Stunden lang darin eingesperrt war, nie wieder benutzt und meine Einkäufe die vielen Treppen nach oben gebracht. Danach war ich jedes Mal fix und fertig.

Nein, so schnell gebe ich nicht auf. Wegen Angelos werde ich nicht in so ein dunkles, gefährliches Loch umziehen.

Ich sehe meine Chefin ernst an. »Ich werde mir etwas überlegen.«

»Das solltest du. Bald.«

Kampfeslustig balle ich die Hände zu Fäusten. »Das werde ich, Eva. Der wird schon noch sehen, was er davon hat, sich mit mir anzulegen.«

»Lass dir nichts gefallen. Schlafmangel kann zu gefährlichen Unfällen führen.« ♥ ♥ ♥

 

Eine Woche später habe ich endgültig genug. Teilweise habe ich in meiner Verzweiflung die Ohrenstöpsel verwendet und, genau wie befürchtet, deswegen verschlafen. Wenn ich sie allerdings nicht verwende, besteht die Gefahr, dass ich aufgrund von Müdigkeit früh morgens nicht aufwache oder tagsüber herumlaufe, als wäre ich schon tot, wüsste es nur noch nicht.

Weitere Anrufe bei der Polizei und der Hausverwaltungsgesellschaft verliefen ergebnislos, ebenso wie die Versuche, Angelos und seine Gäste dazu zu bewegen, abends leiser zu sein. Irgendwie scheint sich alles gegen mich verschworen zu haben.

Jetzt reicht es mir endgültig. In meiner Wut fertige ich Plakate und Flugblätter an.

›Dachboden- und Kellerflohmarkt, viele Tiefpreis-Angebote, Haushaltsauflösung, neuwertige Markenschuhe günstig. Frühaufsteher ab sechs Uhr willkommen. Klingelt!‹, steht auf diesen geschrieben. Direkt darunter befindet sich Angelos’ Adresse.

Natürlich wird ein Angelos Pantazis seine Garage für einen weitaus höheren Zweck vorgesehen haben, als nur der Ort für eine schnöde Gerümpelbörse zu sein. Schließlich waren Garagen die Schauplätze bedeutender historischer Ereignisse wie etwa die Gründungen von Apple, Amazon und Microsoft. Da es in Deutschland verboten ist, mit Garagen etwas anderes zu tun, als darin Autos, Motorräder und einen Satz Winter- oder Sommerreifen zu lagern, ist offensichtlich, dass hier ein starker Innovationsmotor durch den deutschen Gesetzesdschungel ausgebremst wird.

Wenn ich den üblichen Garagenflohmarkt auf den Flugblättern und Plakaten angebe, dann würden die Leute möglicherweise nur Zugang zu seiner Garage suchen. Ich muss jedoch sicherstellen, dass sie in aller Herrgottsfrühe bei ihm klingeln.

Ab und zu veranstalten Leute Dachboden- und Kellerflohmärkte. Dessen bin ich mir ganz sicher. Das könnte ein Underground Trend sein für Menschen, die wenig Zeit, viel Gerümpel und keine unnötigen Hemmungen haben. Für mich klingt es logisch genug.

Schon allein die günstigen, neuwertigen Markenschuhe dürften genügend Interessenten anlocken. Männer, weil sie oft wenig Geld für Schuhe ausgeben wollen, und Frauen, weil Schuhe verkauft werden. Diverse, weil auch die Füße haben. Schuhe verkaufen sich immer.

Die Plakate und Flugblätter verteile ich an strategisch günstigen Stellen in der Stadt.

Am Sonntagmorgen gegen sechs Uhr sitze ich mit einem Kaffee und einer Packung Popcorn auf einem Klappstuhl mit dem Blick auf Angelos’ Haus in meinem Garten, um mir das Spektakel nicht entgehen zu lassen.

Tatsächlich trägt meine Initiative Früchte, sehr große sogar. Im Fünfminutentakt wird Angelos herausgeklingelt. Er wirkt ziemlich mitgenommen, wie ich nicht ganz ohne Häme feststelle. Er ist blass, sein Blick wirkt glasig und sein dunkles Haar ist verstrubbelt. Trotzdem sieht er immer noch unverschämt gut aus.

Als er offenbar irgendwann seine Klingel abgestellt hat, klopfen die Leute wie verrückt gegen seine Tür, wie ich mit einem Schmunzeln feststelle, während ich mir ein Stück Popcorn in den Mund schiebe. Vermutlich denken sie, seine Klingel sei kaputtgegangen.

Das ist besser als das Fernsehprogramm. Ich hätte Daphne, Xenia, Helena, meinen Bruder und ein paar andere Freunde und Bekannte einladen und Popcorn, Kaffee und Limonade für alle bereitstellen sollen.

Irgendwann fällt Angelos’ von Müdigkeit und Erschöpfung umwölkter Blick auf mich und Erkenntnis zeigt sich darin. Wutentbrannt stürmt er auf mich zu und reißt mir die Popcornpackung aus der Hand, die dabei kaputtgeht. Der Inhalt verstreut sich über die Wiese.

Katzerlak stürzt sich auf das Zeug, um in kürzester Zeit möglichst viel davon in sich hineinzuschlingen. Die ist schon so früh wach, um den Vögeln aufzulauern, die um diese Tageszeit besonders aktiv sind. Ansonsten schläft die Katze den ganzen Tag.

Mit gefährlich blitzenden Augen sieht Angelos mich an. »Du warst das also! Das hätte ich mir eigentlich gleich denken können. Wenn ich nicht so müde wäre, hätte ich es gewiss früher kapiert.« Er hält mir ein Flugblatt unter die Nase. »Das hat mir vorhin eine von den Schnäppchenjägerinnen gegeben. Das ist ganz schön gemein von dir, du hinterhältiges Biest!«

Ich springe auf, strecke mich zu meiner vollen Größe, wobei ich leider immer noch deutlich kleiner bin als er und starre ihn empört an. »Das hast du verdient! Schließlich raubst du mir seit Wochen den Schlaf. Ich habe genug davon, immer müde durch die Gegend zu laufen.«

Er wirkt davon völlig unbeeindruckt. »Mach mal halblang. Was kann ich dafür, dass du Schlafprobleme hast?«

Der tut gerade so, als hätte ich einen Job, der erst gegen Mittag anfangen würde. So ein Idiot! Er weiß doch genau, dass Eva’s wie die meisten Cafeterias während der Woche schon um sieben Uhr morgens öffnet. Aber das ist ihm offenbar egal.

»Du bist ein arroganter, selbstgerechter Arsch!«

»Weil du gar nicht selbstgerecht bist! Werde mal ein bisschen lockerer.« Er dreht sich auf dem Absatz um und geht zurück zu seinem Haus.

Bevor er es betritt, zieht er kurz seine Hose herunter, zeigt mir seinen – wie ich zugeben muss – knackigen Hintern, zieht sie wieder hoch und verschwindet anschließend im Haus. Was für ein unverschämter Kerl!

Wutschnaubend sammle ich mein Popcorn ein, bevor Katzerlak zu viel davon frisst und Herrn Burtons Haus anschließend vollkotzt. Das ist nämlich ihre Spezialität. Sie frisst alles Mögliche, bis ihr schlecht wird, nur ihr Katzenfutter nicht, obwohl sie ständig bettelt und Herr Burton wirklich das teuerste Gourmet-Zeug für sie kauft. Ihr Name kommt nicht von ungefähr …

Bei Angelos klopfen noch eine Menge Leute an, bis er nach einer weiteren Viertelstunde offenbar genug hat, auf sein Fahrrad steigt und davonfährt. Er fährt Fahrrad? Das überrascht mich jetzt wirklich. Wobei der genug Restalkohol haben dürfte von gestern Abend, weswegen er sein Auto nicht anrührt …

 

 

Kapitel 4

 

Yesenia

 

Der Schlafmangel macht mir ganz schön zu schaffen. Daher greife ich am Montagabend verzweifelt zum Telefon. Eine gar teuflische Idee ist mir nach einem Gespräch mit meiner Kollegin Daphne gekommen.

Ich atme tief durch, um mich mental auf das Telefongespräch vorzubereiten. Dann wähle ich die Nummer, die ich mir aus dem Internet herausgesucht habe.

Wenig später nimmt eine freundlich klingende Dame das Gespräch entgegen.

Ich bemühe mich, meiner Stimme einen verzweifelten Klang zu geben. »Mein Bruder braucht Ihre Hilfe. Ich mache mir so große Sorgen um ihn und weiß einfach nicht mehr weiter. Es ist so furchtbar. Sie sind unsere letzte Hoffnung.«

»Keine Sorge, Frau …«

»Pantazis. Aliki Pantazis. Sagen Sie ihm bitte nicht, dass ich Sie angerufen habe. Er ist ziemlich stur. Er denkt, er würde den Weg aus seinen Problemen ganz allein finden, aber das ist eindeutig nicht der Fall. Er verstrickt sich immer tiefer in seinen Sünden, weil er den falschen Umgang pflegt und zu viel trinkt. Der Pfad führt ihn in den Abgrund. Wir sind alle so verzweifelt.«

»Natürlich werden wir die allergrößte Diskretion wahren. Alkohol hat schon viele Menschen in die Irre geführt. Wir werden alles tun, um das verlorene Schäfchen auf den richtigen Pfad zurückzuführen. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden für Ihren Bruder alles in unserer Macht Stehende tun. Wann ist er denn zu Hause?«

»Am Montag früh gegen acht. Später ist er womöglich beim Einkaufen. Er lebt ziemlich zurückgezogen. Lassen Sie sich also nicht entmutigen, falls er am Morgen nicht sofort zur Tür kommt.«

»Das ist kein Problem. Bitte teilen Sie mir die Adresse Ihres Bruders mit.«

Ich gebe ihr Angelos’ Anschrift durch. »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«

»Aber das machen wir doch sehr gerne, Frau Pantazis.«

Wir verabschieden uns voneinander und beenden das Gespräch.

 

♥ ♥ ♥

 

Diesmal gehe ich das Risiko nicht ein, mich vor meinem Haus zu positionieren. Angelos soll mich nicht sehen und das gegen mich verwenden können, auch wenn mich das einen Teil des Spaßes kosten könnte. Auf meine Kosten komme ich trotzdem. Meine Rache wird erfüllt.

Daher stehe ich am Montagmorgen hinter den Gardinen des Küchenfensters verborgen, um Angelos’ Hauseingang zu beobachten. Heute habe ich meinen freien Tag, sodass ich mir dieses Vergnügen gönnen kann.

Tatsächlich tauchen überpünktlich zwei in wadenlange Strickröcke gekleidete Frauen bei ihm auf. Sie tragen hochgeschlossene Blusen und ihre langen Haare zu Pferdeschwänzen zusammengebunden. Zielstrebig klingeln sie bei meinem Nachbarn.

Angelos öffnet ihnen völlig unbefangen die Tür. Er macht den Eindruck, noch nicht ganz wach zu sein, was die beiden Frauen sogleich ausnutzen, um sich an ihm vorbei in sein Haus zu drängen. Die sind für so etwas ausgebildet.

Böse kichernd schenke ich mir eine Tasse Kaffee ein und gebe etwas Milch hinzu. Gleich bekommt er sein Fett weg, der Halunke.

Normalerweise bin ich nicht so boshaft, aber Angelos holt wirklich das Schlimmste aus mir heraus. Das macht Schlafmangel aus einem Menschen …

Mal sehen, wie lange es dauern wird. Schade, dass ich nicht Mäuschen spielen und das alles live in seinem Haus beobachten kann. Vielleicht hätte ich Katzerlak mit einer mobilen Minikamera und einem Mini-Mikrofon ausgestattet heimlich bei ihm einschleusen sollen.

Wobei ich dann vermutlich nur das Massaker an Mäusen und Vögeln gefilmt hätte, und das kann ich mir wirklich ersparen. Die geht nämlich überhaupt nicht zimperlich mit dem armen Kleingetier um. Mich schüttelt es, wenn ich nur daran denke. Die ist ein Raubtier im Miniformat.

Ich wende mich vom Fenster ab, um an meinem Kaffee zu nippen. Dann greife ich nach dem Buch, in dem ich gestern gelesen habe, um zu erfahren, wie es mit der Geschichte weitergeht.

Unerwartet klingelt jemand an meiner Tür. Als ich auf die Uhr schaue, stelle ich fest, dass nur eine Viertelstunde vergangen ist. Für den Postboten ist es noch zu früh. Wobei mehrere Lieferdienste unterwegs sind. In der letzten Zeit habe ich jedoch nichts bestellt.

Daher kann das eigentlich nur Angelos sein. Der ist nicht ganz dumm und hat vermutlich die Rückschlüsse gezogen, dass ich ihm die beiden Zeugen Jehovas auf den Hals gehetzt habe. Denn man kann dort jederzeit anrufen und um Hilfe bitten bei der Rückführung der verlorenen Schäfchen.

Das weiß ich von Daphne. Letztens waren diese nämlich bei ihr, um sie anzuwerben und Flyer für ihren nächsten Kongress, der in einem Fußballstadion stattfinden soll, zu verteilen. Bei dieser Gelegenheit haben sie Daphne auf diese Möglichkeit hingewiesen.

So früh ist Angelos die beiden Frauen schon losgeworden? Wie hat er das nur geschafft?

In der freudigen Erwartung, sein wutverzerrtes Gesicht zu sehen, gehe ich zur Tür und reiße sie weit auf. Doch nicht Angelos steht davor, sondern die beiden Frauen. Fassungslos starre ich sie an.

Diese interpretieren das als Einladung und betreten sofort mein Haus, bevor ich die Tür wieder zuschlagen kann.

Beide wirken ziemlich mitgenommen und blass, scheinen sich aber wieder zu fangen. »Guten Tag.«

»Hallo.«

»Ihr Nachbar meinte, bei Ihnen würde noch Hoffnung bestehen«, sagt die Brünette mit resolut klingender Stimme.

»Hoffnung worauf? Diesen Idioten loszuwerden?«

Das Lächeln der Frauen erlischt.

»Das wissen wir nicht, vor allem nicht, wenn Sie solche Wörter benutzen«, meint die Aschblonde, »doch für Ihren Nachbarn kommt leider jede Hilfe zu spät.«

Die mit den dunkelbraunen Haaren schüttelt sich und sieht mich dann mit großen, dunklen Augen an, in denen ich Entsetzen lesen kann. »Ihr Nachbar ist vom Teufel besessen!«

Ich winke ab. »Erzählen Sie mir etwas Neues.«

»Sie brauchen den Segen Gottes dringender als je zuvor, wenn sich neben Ihrem Haus der Pfuhl der Hölle öffnet.«

Angelos’ Haus ist der Pfuhl der Hölle? Nun, das könnte durchaus zutreffen. »Ob mir das bei zukünftigen Mietpreisverhandlungen hilfreich sein könnte?«

Verstört blickt mich die Brünette an.

»Ich weiß nicht, ob Gott mir helfen kann«, sage ich.

»Gott ist immer für Sie da, selbst wenn Sie denken, ganz allein zu sein.«

Die Dunkelblonde sieht mich ebenfalls eifrig an. »Das Reich Gottes ist nahe für die, die richtig handeln.«

Anderthalb Stunden später schwirrt mir der Kopf. Ich atme erleichtert auf, als ich die beiden unermüdlichen Missionarinnen hinausbegleiten kann. Jeglicher Versuch, sie früher loszuwerden ist gescheitert.

Erschöpft lasse ich mich auf meinen Terrassenstuhl sinken und beobachte Katzerlak dabei, wie sie versucht, ihren Schatten zu fangen.

Ich falle fast vom Stuhl, als ich plötzlich Angelos’ Stimme vernehme. »Du brauchst gar nicht abzustreiten, dass du mir diese religiösen Fanatikerinnen auf den Hals gehetzt hast.«

»Sie sind der Ansicht, dass du vom Teufel besessen bist.«

Er zuckt mit den Schultern. »Wenn die meinen.«

Wie immer sieht er fantastisch aus, sogar wenn er so leger mit einer schwarzen Sporthose und einem waldgrünen T-Shirt gekleidet ist.

»Wie bist du die eigentlich so schnell losgeworden?«

Seine dunklen Augen funkeln belustigt. »Das war ganz einfach, denn die sind ebensolche Spaßbremsen wie du. Gehörst du eigentlich auch zu diesem Verein?«

»Nein, natürlich nicht.«

Lauernd blickt er mich an. »Hätte ja sein können. Schließlich hast du sie aus Sorge um mein Seelenheil angerufen. Ich wusste gar nicht, dass dir so viel an mir liegt.«

»Das habe ich nur vorgetäuscht, um sie dir auf den Hals zu hetzen.«

»Du bist so böse, Yesenia.«

»Das ist dein schlechter Einfluss. Früher war ich anders. Also, was hast du getan, um sie loszuwerden?«

»Das Übliche. Ich habe ihnen nur Drogen, Sex und Alkohol angeboten, wie man das als guter Gastgeber eben so macht, aber es war nichts los mit ihnen. Vermutlich trinken sie nur Weihwasser.«

Entsetzt blicke ich ihn an. »Du bist ein promiskuitiver Junkie-Satanist!«

Anstatt empört zu sein, wirft Angelos den Kopf in den Nacken und lacht laut los.

Als er sich wieder gefangen hat, sieht er mich grinsend an. »So ein Junkie bin ich nun auch wieder nicht. Ich begnüge mich mit Bier und ab und zu etwas rein pflanzlichem Marihuana. Immerhin ist das eine wichtige Heilpflanze. Was auch immer deine Definition von Satanismus sein sollte, weder habe ich etwas mit LaVey am Hut noch rufe ich den Teufel an, auch nicht unter seiner Hotline 0190 666 666.«

Er kratzt sich am Hinterkopf. »Hat Satan nicht heutzutage eine Website und einen Newsletter? Ach ja, Bill Gates soll seine Verkörperung auf Erden sein. Vielleicht sollte ich mich mal mit dem kurzschließen.«

»Bill Gates hat die Hälfte seines Vermögens für wohltätige Zwecke gespendet. Damit dürfte er sich den Ruf verdorben haben. Da kommst eher du infrage, wie die Damen gesagt haben.«

»Ja, ich bin ganz eindeutig der Antichrist. Ich kann Wein in Wasser verwandeln. Ich mache also das Gegenteil von dem, was Jesus getan hat.«

»Hättest du wirklich mit denen geschlafen?«

Er zuckt mit den Schultern. »Ich glaube nicht. Das war alles sehr spontan. Zum Glück hat Elias mich gerettet.«

»Elias? Ist das nicht der Typ mit der Wünschelrute?«

»Er ist mein Gitarrist. Er hält sich oft bei mir auf.«

»Hat er ihnen wohl angeboten, deine Rolle in dem Spektakel zu übernehmen?«

»Nein, er kam mit seiner Wünschelrute und stellte fest, dass eine der Frauen entweder ein Alien oder von einem Alien besetzt ist.«

»Nein!«

»Doch. Er wollte weitere Tests durchführen. Bei einem davon sollte sie einen Aluhut tragen und sich nackt ausziehen …«

Ich breche vor Lachen fast zusammen. »Sag bloß, er ist ein Verschwörungstheoretiker oder ist das nur ein Trick, um sie von ihrer Kleidung zu befreien?«

»Ich hasse das Wort, weil ich solche Etiketten nicht mag. Damit werden Leute mit anderen Ansichten in eine Ecke gestellt. Dass unsere Gesellschaft Meinungsfreiheit unterstützen würde, halte ich für ein Gerücht. Das gilt nur so lange, wie die Meinung mit jener der breiten Öffentlichkeit konform geht. Das war noch nie anders. Nur heutzutage werden sie nicht mehr als Hexen verbrannt, sondern ihr Ruf und damit meist auch ihre Karriere werden zerstört. Was ist so schlimm daran, wenn jemand eine andere Meinung hat als ich, solange es sich nicht um Rassismus oder so etwas handelt? Warum sollte mich das bedrohen?«

Verwundert sehe ich ihn an. »Solchen Scharfsinn hätte ich dir nicht zugetraut.«

Er bedenkt mich mit einem seltsamen Blick. »Das tun viele nicht. Sie sehen in mir nur den promiskuitiven Junkie-Satanisten.« Er verschränkt die Arme vor der Brust.

»Vielleicht liegt das daran, wie du dich nach außen hin gibst. Ist das eine Fassade, um mehr Alben zu verkaufen?«

Er zieht die Augenbrauen in die Höhe. »Ich soll dich also hinter meine Fassade blicken lassen? Du bist meine Feindin oder zumindest verhältst du dich so. Ich muss nicht Sun Tzu gelesen haben, um zu erkennen, dass das eine ganz schlechte Idee ist. Außerdem haben wir bisher nur ein Lied mit satanistischem Inhalt veröffentlicht. Das ist auf Elias’ Mist gewachsen, aber nicht, weil er daran glauben würde, sondern weil er dachte, damit die Aliens abzuschrecken.«

Erstaunt reiße ich die Augen noch weiter auf. »Habe ich das richtig verstanden? Er wollte, dass die Aliens uns für Satanisten halten und in der Folge einen großen Bogen um unseren Planeten machen?«

»Richtig.«

»Hat es funktioniert?«

»Laut ihm nicht, was an dem anderen religiösen und philosophischen Hintergrund extraterrestrischer Lebensformen liegen könnte.«

Ich schlage die Hände über dem Kopf zusammen. »Ihr habt Probleme … Kann es sein, dass dein Gitarrist ein bisschen gaga ist?«

»Natürlich hat er einen Knall, sonst wäre er nicht normal, aber gib ihm eine Gitarre und er spielt wie kein anderer. Niemand kriegt so einen Sound hin. Hast du auf YouTube mal eines unserer Videos angesehen? Nikos, unser Drummer, dreht sie, soweit es ihm möglich ist, und er schneidet sie.«

»Nein, die habe ich noch nicht angesehen.«

»Ich frage mich, wie du mit solch einer Bildungslücke weiterleben kannst.«

»Ich habe eben noch andere Dinge zu tun.«

Er grinst überheblich. »Katzerlaks Häufchen auszugraben scheint dir wichtiger zu sein. Aber so ist das wohl. Jeder hat seine Hobbys.«

Wütend starre ich ihn an. »Idiot!«

Sein Handy klingelt. »Entschuldige mich bitte. Du kannst heute Abend bei mir vorbeischauen, wenn du möchtest.« Angelos zieht sein Smartphone aus seiner Hosentasche und läuft telefonierend über den Rasen zu seinem Haus.

Soll er nur verschwinden. Meine Stunde der Rache wird noch schlagen. Davon bin ich überzeugt.

 

Am Nachmittag besuche ich meine Freundin Xenia Georgiou, die ich noch aus meiner Schulzeit hier kenne. Meine Mutter ist vor fünfzehn Jahren der Liebe wegen nach Griechenland ausgewandert.

Damals war ich dreizehn. Die Umstellung fiel mir teilweise schwer. Während ich mich ziemlich schnell an die neue Umgebung gewöhnt habe, haben mir die Sprache und die Schrift anfangs einige Schwierigkeiten bereitet, obwohl ich bereits in Deutschland einen Sprachkurs belegt hatte. Deswegen musste ich in der Schule in Griechenland ein Jahr wiederholen. So kam ich mit Xenia in dieselbe Klasse.

Xenia wohnt in Athen in einer kleinen Altbauwohnung mit nostalgischem Charme.

Ich umarme sie, als sie mir die Tür öffnet. »Hallo, Liebes. Endlich sehe ich dich wieder.«

»Ich bin auch froh, dich endlich wiederzusehen. Die Arbeit spannt einen so ein. Möchtest du einen Kaffee? Bei dem schönen Wetter sollten wir uns einen Frappé Kaffee gönnen. Mein Freund fährt heute Pakete aus. Wir haben also die Bude für uns.«

»Gerne. Ich helfe dir.«

»Ich erledige das, denn in der kleinen Küche stehen wir einander nur im Weg herum.«

»So klein ist sie nun auch wieder nicht.«

»Keine Widerrede. Setz dich schon mal auf den Balkon. Ich komme gleich.«

»Danke.«

Wenig später betritt meine Freundin mit einem Tablett mit zwei großen Gläsern Frappé Kaffee den winzigen, von einer schwarzen, schmiedeeisernen Brüstung umgebenen Balkon und stellt es auf dem Tisch zwischen uns ab. Sie setzt sich mir gegenüber und betrachtet mich.

Ein besorgter Ausdruck zeigt sich in ihren Augen. »Du meine Güte, bist du blass.«

Ich lächle. »Ich bin noch nie sehr braun geworden.«

Sie runzelt die Stirn. »Das meinte ich nicht. Du bist ungesund käsig. Bist du krank?«

»Ja, krank vor Wut auf meinen neuen Nachbarn.«

»Du meinst den, von dem du mir letztens am Telefon erzählt hast? Der zuvor nie zu Hause war und dafür jetzt umso präsenter ist?«

»Ja, genau den. Es handelt sich um Angelos Pantazis.«

Überrascht starrt sie mich an. »Angelos Pantazis? Der Sänger von Midwinter Legacy?«

Ich kaue auf meiner Unterlippe. »Ja. Ich habe mit dem Mietvertrag eine Erklärung unterschreiben müssen, dass ich nichts an die Presse verkaufe.«

»Ich bin nicht die Presse. Keine Angst, von mir erfährt niemand etwas. Angelos ist der totale Star. Selbst meine Mutter steht auf ihn, und die ist nicht so leicht zu beeindrucken, zumindest nicht von einem schönen Gesicht oder einem tollen Hintern. Er macht wirklich gute Musik, und seine Stimme ist krass genial.«

»Sag bloß, du bist ein Fan von ihm?«

»Nein, aber ich schätze ihn als Musiker.«

»Er bewegt sich am Rande des Mainstreams, aber offenbar verdient er nicht schlecht und hat gleichzeitig noch genügend Freiheit, sodass er nicht ständig von Bodyguards umgeben sein muss. Wobei ich mich frage, warum er nicht mehr Feinde hat.«

Verwundert blickt sie mich an. »Mehr Feinde?«

»Außer mir.«

»Ihr seid Feinde? Vermutlich, weil er sich so rücksichtslos verhält.«

»Ich frage mich, warum sich nicht mal die Polizei darum kümmert.«

»Die sind ziemlich unterbesetzt. Vermutlich haben die genug damit zu tun, die wirklich bösen Buben zu fangen.«

»Möglich, aber die Hausverwaltungsgesellschaft tut auch nichts.«

»Denk dir nichts dabei. Das ist öfter so. Meistens müssen die ziemlich viele Projekte betreuen. Angelos sieht wirklich hammermäßig gut aus, und diese Muskeln.« Ein schwärmerischer Ausdruck tritt in ihre dunklen Augen.

Entsetzt starre ich sie an. »Er ist arrogant, laut und absolut unverbesserlich.«

Sie zuckt mit den Schultern. »Du musst es besser wissen als ich. Schließlich ist er dein Nachbar. Das hätte ich nicht von ihm gedacht, aber man sieht es den Menschen nicht an. Während der Interviews wirkt er immer so bodenständig und sympathisch.«

»Das ist sicherlich nur gespielt. Natürlich will er sympathisch wirken, damit er mehr Alben verkaufen kann.«

Xenia runzelt die Stirn. »Das ist möglich. Aus Angelos’ Jugendzeit weiß man wenig. Er scheint ein Außenseiter gewesen zu sein, der zu Hause Songs schrieb. Für die Presse war er damals uninteressant. Vielleicht holt er das mit den Partys jetzt nach.«

»Das kann er nachholen, so viel er will. Solange er das nicht direkt nebenan tut, ist mir das egal.«

Traurig blickt sie mich an. »Ich würde dir gerne einen Platz zum Übernachten bei mir anbieten, aber seit Jerome bei mir eingezogen ist, kann man sich hier kaum noch umdrehen.

---ENDE DER LESEPROBE---