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Ein einziger Fehler hat meine Karriere zerstört. Nun bekomme ich die einmalige Chance, sie zu retten. Nur eines darf ich nicht tun: mich mit meinem unwahrscheinlich anziehenden, sexy Boss einlassen, den ich auf die peinlichste Weise kennengelernt habe, die möglich ist …
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Highlander meines Lebens
Evelyne Amara
Impressum:
Copyright November 2019 Evelyne Amara
Coverfotos: prometeus/Shotshop.com,
Scottish Highlands by martinm303/Shotshop.com
Coverdesign: Evelyne Amara
Kontakt(at)evelyne-amara.com
www.Evelyne-Amara.com
Evelyne Amara, c/o Autorenservice Gorischek, Am Rinnersgrund 14/5, 8101 Gratkorn, Österreich
Kapitel 1
Brianna
»Ich verstehe nicht, was du in diesem Kaff willst«, sagt meine Mutter am Telefon zu mir. »So verzweifelt bist du also bereits, dass du für einen Job in solch eine Einöde ziehst? Du hast schließlich ein gutes Zeugnis, und dein Arbeitszeugnis von Harron Software war doch auch nicht so übel. Du hast nur für dein Studium gelebt. Ich verstehe nicht, warum du jetzt keinen anderen Job findest.«
Ich seufze, denn ich kann meiner Mutter schlecht erklären, dass ein einziger Fehler meine berufliche Laufbahn zerstört hat und der Job in diesem Kaff nördlich von Inverness meine letzte Chance ist, in meinem Beruf Fuß zu fassen. Ich will ihr die Illusionen nicht rauben. Außerdem würde es ohnehin nichts ändern.
Und vor allem schäme ich mich für meine eigene Naivität, die mir das alles eingebrockt hat. Darüber möchte ich mit niemandem reden, auch nicht mit ihr.
»Aye, mein Zeugnis war ganz okay«, sage ich.
Dass mein Ex-Chef John Palmer versteckte Hinweise in meinem Arbeitszeugnis untergebracht hat, die mir beruflich das Genick brechen, verschweige ich. Sie würde nur Fragen stellen, die ich nicht bereit bin zu beantworten.
Meine Schwester Cerys ist die Einzige, der ich es je erzählt habe. Sie sagte zwar, dass so etwas jeder Frau hätte passieren können, aber es ändert nichts für mich.
»Dann sehe ich nicht, was das Problem ist«, spricht meine Mum mit Ungeduld in ihrer Stimme weiter.
Sie meint es nur gut, aber wir sind nicht auf einer Wellenlänge. Bei ihr muss immer alles geregelt verlaufen. Es gibt einen starren Plan für alles. Kurz gesagt: Sie ist ein Kontrollfreak.
Ich seufze. »Ich brauche einen Tapetenwechsel.«
»Warum bist du dann nicht nach Edinburgh oder Inverness gegangen?«
»Ich habe es versucht, Mum. Im Moment ist da nichts zu machen.«
»Aber Programmierer werden immer gesucht. Zumindest dachte ich das.«
Eigentlich hat sie recht … Aber in meinem speziellen Fall leider nicht. »Lass es mich einfach versuchen. Es ist ohnehin zeitlich befristet.«
»Wenn es nichts wird, kehrst du zurück nach Stonehaven«, sagt sie mit resolut klingender Stimme.
Stonehaven liegt an der nordöstlichen Küste Schottlands. Dort führen meine Eltern ein Bed and Breakfast, das mein drei Jahre älterer Bruder Gavin irgendwann übernehmen wird. Obwohl er schon neunundzwanzig ist, hat er noch nicht geheiratet, was ein ewiges Streitthema zwischen unserer Mutter und ihm ist.
Ich atme tief durch. »Vielleicht, Mum.«
»Nicht vielleicht, sondern du kehrst zurück. Wir können jede Hand gebrauchen.«
»Dann stellt doch jemanden ein.«
Die Einnahmen dazu wären jedenfalls da …
Mum seufzt. »Wenn es so einfach wäre. Diese jungen Dinger heutzutage sind alle nicht zuverlässig.«
Ich habe nicht jahrelang Informatik studiert, um ein Zimmermädchen im Bed and Breakfast meiner Eltern zu sein. In Mums Nähe zu wohnen hat mir außerdem nie gutgetan. Sie neigt zu unangemeldeten Besuchen und Kontrollen, ob ich immer gut geputzt habe.
Auch meine Schwester ist aus Stonehaven weggezogen, wenn auch nicht allzu weit weg, denn bis Aberdeen sind es nur sechzehn Meilen. Cerys hat allerdings das Glück, im nordöstlichen Teil der Stadt zu wohnen, sodass Mum durch die halbe Stadt fahren muss, um sie zu besuchen. Das und die Tatsache, dass sie und Cerys viel zu tun haben, schränkt die Häufigkeit ihrer Besuche ein.
Cerys fährt auch nicht mehr jedes Wochenende nach Hause. Jede von uns hat schließlich ihr eigenes Leben, in das unsere Mutter nicht immer kontrollierend eingreifen sollte.
»Ich muss jetzt auflegen. Die ersten Gäste kommen bald«, sagt meine Mum. »Und was machst du heute?«
Erleichtert atme ich auf. »Ich gehe jetzt ins Schwimmbad.«
»Aber doch nicht so früh schon, sondern erst am Nachmittag.«
»Nay, natürlich jetzt. Am Morgen ist es noch nicht so voll.«
»Wenn du meinst. Aber vergiss nicht, deine Haare gut zu föhnen. So hoch im Norden ist es oft windig. Nicht, dass du schon beim Vorstellungsgespräch krank erscheinst. Das macht nämlich keinen guten Eindruck. Hoffentlich sehen deine Haare dann nicht so schlimm aus. Am besten gehst du noch zum Friseur.«
»Ich weiß, Mum. Grüße bitte Dad von mir.«
»Mach ich. Bye.«
»Goodbye.« Ich lege auf.
Vom Vorstellungsgespräch heute Nachmittag hängt einiges ab. Ich bin extra einen Tag früher angereist und habe mich in einem gemütlichen Bed and Breakfast am Ortsrand eingemietet. Das Fenster meines Schlafraumes bietet einen schönen Ausblick auf einen Garten mit Apfelbäumen. Doch das genügt nicht, um mich abzulenken.
Schwimmen war für mich schon immer das Mittel der Wahl, um den Kopf freizubekommen. Ich bin froh, dass das Hallenbad von Invermore, wie dieser Ort hier heißt, schon ab acht Uhr früh geöffnet hat.
Rasch packe ich meine Badesachen zusammen und mache mich auf den Weg.
Kapitel 2
Brianna
Im Hallenbad angekommen, ziehe ich mich rasch in einer der Kabinen aus. Meinen hellblauen Bikini, den ich schon seit der Schulzeit besitze, habe ich bereits zu Hause angezogen. Das Teil ist schon neun Jahre alt, aber die Farbe ist noch immer schön. Mein taillenlanges, leicht gewelltes, schokoladenbraunes Haar binde ich mir am Hinterkopf zu einem Dutt.
Als ich das Becken erreiche, stelle ich erfreut fest, dass außer mir nur ein gutaussehender, blonder Mann anwesend ist, der im Wasser seine Bahnen zieht. Er ist ein Fremder für mich und wird mich nicht stören.
Bisher habe ich mich nie getraut, vom Dreier zu springen. Ich bin eine eher vorsichtige Person, was man mir auch nachsehen sollte, denn ›ungeschickt‹ ist mein zweiter Vorname.
Aber hier und jetzt bin ich fast allein, bis auf den Mann, der mir keine Beachtung schenkt. Das ist perfekt für mein Vorhaben.
Als ich die Treppe zum Dreierturm erklimme, ist er noch weit genug entfernt, sodass er mir nicht in die Quere kommen sollte. Er erreicht den entgegengesetzten Beckenrand, stößt sich ab und schwimmt in meine Richtung.
Bis er bei mir ist, dauert das noch ein bisschen. Natürlich könnte ich auch warten, bis er wieder in die andere Richtung schwimmt, aber je länger ich warte, desto mehr Angst werde ich bekommen. Das weiß ich aus Erfahrung.
Bloß keinen Bauchklatscher durchführen, sage ich mir. Denn so etwas ist gefährlich aus der Höhe. Ich werde es richtig machen mit einem Köpfer. Wenn ich den schaffe, dann schaffe ich alles.
Wenn ein Tag gut beginnt, geht er meist in demselben Modus weiter. Also nichts wie auf ins Wasser! Ich kann das. Ich bin eine gute Schwimmerin.
Tief atme ich durch, nehme meinen Mut zusammen und springe kopfüber ins Wasser. Adrenalin strömt durch meinen Körper, als alles schnell an mir vorbei saust und ich schließlich ins kühle Wasser eintauche.
Ich habe es gewagt! Innerlich jubilierend tauche ich wieder auf und streiche mir eine nasse Haarsträhne, die sich aus meinem Dutt gelöst hat, aus dem Gesicht.
Siedend heiß durchfährt mich der Schreck, als ich feststelle, dass ich kein Höschen mehr trage. Ich muss es wohl während des Eintauchens ins Wasser verloren haben. Das Gummiband am Bund ist vom Alter, dem vielen Chlor, dem Salzwasser und der Sonne in all den Jahren schon etwas marode und locker geworden.
Das ist mir schrecklich peinlich! Suchend schaue ich mich um, da entdecke ich es im Wasser. Der fremde, blonde Mann schwimmt genau darauf zu, stutzt, hält inne und greift danach, als es direkt in seinem Gesicht landet.
Das ist natürlich mal wieder typisch für mich! Es gibt kein Fettnäpfchen, in das ich nicht hineintrete. Ich bin die Erfinderin neuer Fettnäpfchen, auf die kein Mensch je gekommen wäre. Und heute habe ich mich dabei selbst übertroffen.
Der Mann, dessen Finger über den Stoff meines Höschens tasten, runzelt nachdenklich die Stirn. Schließlich wendet er mir sein Gesicht zu, ohne mich direkt anzusehen, und fragt: »Gehört das Ihnen?«
Heiße Schamröte kriecht in mein Gesicht. Am liebsten würde ich im Boden versinken. Vermutlich sehe ich aus wie eine Ampel.
Ich nicke. »Aye.«
Er schwimmt langsam in meine Richtung und hält mir das Stück Stoff hin.
Unsere Finger berühren sich, als ich danach greife, es ihm aus der Hand nehme und mich bei ihm bedanke. Dabei durchfährt es mich wie ein Blitz und lenkt mich sogar von meinem Schamgefühl ab. Die Anziehungskraft, die ich zu dem Fremden verspüre, ist immens. Noch nie in meinem Leben habe ich diese so stark empfunden. Meine Haut kribbelt, und in meinem Bauch flattert ein ganzer Schwarm aufgeschreckter Schmetterlinge umher.
Der Mann ist äußerst attraktiv. Sein Gesicht wirkt wie gemeißelt. Er besitzt eine gerade Nase, schöne blaue Augen, hohe Wangenknochen, sinnliche Lippen und langes, hellblondes, gewelltes Haar. Ein wenig erinnert er mich an Lestat aus ›Interview mit einem Vampir‹, nur dass er muskulöser ist und seine Gesichtszüge etwas kantiger.
Ausgerechnet vor ihm muss ich mich so blamieren. Hastig nehme ich mein Höschen an mich. Er besitzt den Anstand, sich umzudrehen, sodass ich es, ohne mich noch weiter zu blamieren, anziehen kann.
Das Gummiband ist wirklich schon ziemlich locker. Ich hätte das gute Teil schon länger austauschen sollen.
Das habe ich nun von meinem Geiz. Aber es war nicht nur die Sparsamkeit. Ich liebe das Teil, denn viele schöne Erinnerungen an Strandbesuche mit meiner Schwester und andere schöne Erlebnisse verbinde ich damit. Und nun auch den heutigen Tag. Ich weiß nicht, ob der positiv oder negativ ist.
Mein Blick folgt dem Mann, der nun weiter seine Bahnen zieht. An seinem Rücken erkenne ich ausgeprägte Muskeln. Er ist wirklich was fürs Auge. Dummerweise habe ich mich vollkommen bei ihm blamiert. Nicht, dass ich mich wirklich trauen würde, ihn irgendwann anzusprechen …
Außerdem soll man die Männer nicht ansprechen als Frau, wenn man sich eine Beziehung wünscht. Nach den Erfahrungen meiner Schwester wird man da nur als bedürftig wahrgenommen, weil man so etwas nötig hat. Entsprechend gaben sich die Männer, die sie auf diese Weise kennengelernt hat, auch keine Mühe in den Beziehungen mit ihr.
Solch eine Beziehung ist das Letzte, was ich wollte oder bräuchte … Schon gar nicht nach meinen bisherigen Erfahrungen. Lieber bleibe ich allein. Außerdem weiß ich ohnehin noch nicht, ob ich in diesem Ort bleiben werde.
Kapitel 3
Jo
Ich weiß nicht, ob ich amüsiert oder frustriert sein soll. Es ist eine furchtbare Mischung aus beidem, die ich empfinde, denn mir läuft die Zeit davon.
Schon beim zweiten Date mit Jenny, der Nichte der hiesigen Schafzüchterin Catriona, die uns miteinander verkuppeln wollte, stellte sich heraus, dass wir nicht zusammenpassen. Doch zumindest fand ich in ihr jemanden, der mich für sechs Wochen bei Sirona Systems vertreten wird, bevor sie zurück nach Inverness muss, wo sie andere Verpflichtungen hat.
Mir bleiben also nur diese paar Wochen, um die graphische Oberfläche meines Games The Revenge of the Scottish Mutant Sheep (Die Rache der schottischen Mutantenschafe) umsetzen zu lassen.
Ich bin ein verdammt guter Softwareentwickler und beherrsche mehrere Programmiersprachen, aber aufgrund meiner Blindheit benötige ich einen Graphik-Programmierer.
Die Vorstellungsgespräche in den vergangenen Tagen waren gelinde gesagt frustrierend. Anfangs konnte ich noch herzlich darüber lachen, weil die Situationen nicht einer gewissen Komik entbehrten, aber das Lachen verging mir nach einer Weile, weil mir, wie gesagt, die Zeit davonläuft. Jenny hat schließlich nicht immer Zeit, mich zu vertreten. Auch sie hat noch andere Verpflichtungen.
Zuerst war da der junge Mann, den ich am Ende des Vorstellungsgesprächs fragte, ob er noch Fragen habe. Der kramte tatsächlich ein Buch heraus, blätterte darin und las offenbar die Frage dort ab.
Entweder war er einfach nur dumm und einfallslos oder dachte, ich als blinder Mann würde es nicht bemerken, aber das Geräusch der Buchblätter war nicht zu überhören. Fingal teilte mir, nachdem der Typ gegangen war, mit, dass es sich um ein Buch des Titels ›1000 Fragen im Vorstellungsgespräch‹ handelte.
Als Nächstes kam ein Bewerber, der seine wöchentliche Arbeitszeit auf zwölf Stunden beschränken wollte, da er sonst keine Sozialleistungen mehr bekäme. Vollzeit heißt für mich vierzig Stunden in der Woche und keine zwölf. Ich habe das in der Stellenbeschreibung sehr deutlich angegeben.
Der nächste Bewerber schien erfolgversprechender zu sein, zumindest was seine Unterlagen betraf. Doch als er heute am frühen Nachmittag erschien, fragte er, ob er Fingals Chef sein würde und wie ich jemanden einstellen könne, der rotes Haar habe, und Rothaarige seien ohnehin alle unzuverlässig und arrogant.
Das Gespräch beendete ich rasch. Für mich steht ganz klar fest: Wer meinen Kumpel beleidigt, mit dem kann und will ich nicht zusammenarbeiten.
Doch das war nicht alles: Der Typ stank so erbärmlich, dass ich kurz, nachdem ich ihn hinaus komplementierte, alle Fenster aufreißen musste, um den Geruch loszuwerden.
Doch das hat nicht genügt. Fingal musste sogar ein paar Räucherstäbchen und anderes Räucherwerk anzünden, um den Mief damit zu überdecken. Jetzt riecht es hier wie in einem dreistöckigen, indischen Puff.
Die nächste Bewerberin kann also kommen …
Brianna
Über meinen potenziellen neuen Chef habe ich im Internet leider nur wenig gefunden. Bei LinkedIn ist kein Foto von ihm veröffentlicht, aber ich konnte ein paar Eckdaten über ihn lesen. Er heißt Joachim Murray und ist vier Jahre älter als ich, also dreißig.
Mr. Murray hat an der Philipps-Universität Marburg in Deutschland Informatik studiert und später eine Zeitlang für die Driven Company in Edinburgh gearbeitet, bevor er bei Sirona Systems einstieg und seitdem dort einer der Softwareentwickler der Branchenlösung Grannos ist. Er trug maßgeblich zu deren Erfolg bei.
Mittlerweile ist Grannos in Großbritannien, Irland und Frankreich einer der Marktführer im Bereich von Softwarelösungen für Arztpraxen aller Größenordnungen. Ein Arbeitszeugnis von ihm wäre also eine verdammt gute Referenz für mich, auch wenn ich nur ein paar Wochen für ihn arbeiten würde.
Hier handelt es sich offenbar um ein eigenes Projekt von ihm, die Entwicklung eines Ego-Shooters, für das ich die graphische Oberfläche generieren soll. Das interessiert mich. Das will ich machen. Dabei kann ich endlich einige meiner Fähigkeiten einsetzen, die bei Harron Software teilweise brachlagen.
Außerdem brauche ich den Job dringend und vor allem das Arbeitszeugnis. Auch wenn der Job auf sechs Wochen begrenzt ist, so habe ich kaum Berufserfahrung. Dieser Job wäre mein Sprungbrett.
Ich laufe zu der angegebenen Adresse. Das Haus liegt etwas abgelegen in einer Seitenstraße. Fliederbüsche und Kirschbäume flankieren es von der Seite.
Von hier aus kann ich den Blick über die Gegend gleiten lassen. Grüne Hügel und Weiden mit Schafen erstrecken sich jenseits des Ortsrandes. In der Ferne schlängelt sich das silberne Band des Abhainn Sìthean an Airgid durch die atemberaubende Landschaft. Nebelbänke liegen in der Ferne, wo der Fluss in den Loch Sìthean Dubh fließt. Vereinzelte Spitzen von Douglas-Tannen ragen aus dem Nebelmeer. Invermore liegt wirklich in einer malerischen Gegend.
Vor der Tür des Hauses angekommen, streiche ich meinen grauen Hosenanzug glatt. Darunter trage ich eine bügelfreie, rote Bluse. Mein Blick fällt auf die Fußmatte mit der Aufschrift: Sie haben geklingelt. Ihre Anfrage wird bearbeitet. Bitte warten. Unter der Schrift befinden sich ein Fortschrittsbalken und ein Abbrechen-Button.
Ich bin ungefähr vier Minuten zu früh dran, aber lieber zu früh als zu spät. Beherzt atme ich tief ein und betätige die Klingel.
Ein freundlich lächelnder Mann mit schulterlangem, rotem, lockigem Haar und blauen Augen öffnet die Tür. Er trägt die grüne Arbeitskleidung einer im Garten- und Landschaftsbau tätigen Person.
»Hi, du musst Brianna Macpherson sein. Ich bin Fingal MacLean, der oberste Game-Tester.« Er gibt mir seine Hand und führt mich in die Wohnung. Durch einen kleinen Flur geht es direkt ins Wohnzimmer, das sich als Gaming-Höhle präsentiert.
Wenn das nicht den Nerd-Faktor zehn hat … Wobei mir das weitaus lieber ist als das schnieke, pieksaubere Großraumbüro meiner alten Firma. Hier ist es weitaus gemütlicher. Es riecht stark nach Räucherstäbchen.
Ich lasse meinen Blick durch den Raum gleiten. An einer Wand befindet sich ein gigantischer TFT-Bildschirm. Gegenüber davon stehen ein Tisch und ein gemütlich aussehendes, breites, beiges Sofa.
An einer Wandseite befinden sich neben einem Schreibtisch mit einem Computer und einem Bürostuhl mehrere Regale, in denen DVDs, Bücher und Gaming-Zubehör zu finden sind. Ich bewundere mehrere Origami-Modelle von Raumschiffen aus Star Trek.
An der gegenüberliegenden Wand hängt ein Whiteboard. Auf dem Fußboden darunter steht ein burgunderrotes Hundesofa, auf dem ein schwarz-weißer Collie liegt. Der Hund ist soeben erwacht und gähnt. Er blinzelt mich aus seinen großen, runden Augen verwundert an. Da er mich offenbar nicht als Bedrohung einschätzt, schließt er wieder seine Augen.
Zum Glück ist der Raum recht groß und ziemlich aufgeräumt, sonst sähe es wohl zugestellt aus.
Mr. MacLean lächelt mich an. »Setz dich ruhig. Der Boss kommt sofort. Darf ich dir einen Tee oder ein Wasser anbieten? Wir haben Darjeeling, Kirsch-Früchtetee und Zitrone-Ingwer-Tee.«
»Ein Zitrone-Ingwer-Tee wäre nett. Danke sehr.«
»Kommt sofort.«
»Danke.« Ich sehe ihm nach, wie er in der angrenzenden Küche verschwindet, und lasse mich auf das Sofa nieder.
Kurz darauf kommt Mr. MacLean wieder und stellt eine Tasse mit heißem Tee und einen kleinen Teller für den Beutel vor mir auf den Tisch, für die ich mich bedanke.
Ein hochgewachsener, breitschultriger, blonder Mann kommt durch eine andere Tür rein, bemerkt mich und begrüßt mich freundlich. Ich erstarre vor Entsetzen, als ich seinen Gruß erwidere.
Niemals hätte ich diesen Mann vergessen. Erst heute Vormittag ist er mir im Schwimmbad begegnet oder besser gesagt meinem Bikinihöschen. Sofort steigt mir die Schamröte zum zweiten Mal an diesem Tag ins Gesicht.
Ich frage mich, ob es irgendwo ein Loch gibt, in dem ich mich verkriechen kann. Ist das peinlich. Mit Sicherheit bekomme ich diesen Job nicht, aber ich werde trotzdem mein Bestes geben.
Mr. Murray gibt mir seine Hand, die ich ergreife. Wieder löst diese harmlose Berührung ein intensives Kribbeln in meinem gesamten Leib aus und meine Knie werden allein durch seine Nähe weich. Du meine Güte, das kann nicht sein.
Warum muss ausgerechnet er mein neuer Chef sein? Falls er das überhaupt sein wird. Ich frage mich, ob ich überhaupt noch die Chance habe, die Stelle zu kriegen. Dass ich sie dringend benötige, steht außer Frage.
»Ich geh dann mal«, sagt Mr.