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Die persönliche Assistentin von Weston Aldridge, einem der begehrtesten Junggesellen und erfolgreichsten Start-up-Gründers und Millionärs New Yorks, zu sein ist die Fantasie vieler Frauen. Meine Fantasie ist es jedoch, diesen arroganten Kerl, der unmögliche Überstunden von mir einfordert, zu erwürgen. Ausgerechnet ich soll seine Fake-Freundin spielen, die er seiner Familie präsentieren will. Plötzlich sehe ich mich gezwungen, mit ihm Händchen zu halten und verliebte Blicke und Küsse zu tauschen. Wenn er nur nicht so attraktiv wäre und einen teuflischen Charme entfalten würde ... Was für ein Glück, dass eine seiner Regeln besagt, sich nie mit einer Mitarbeiterin einzulassen, eine Regel, die bedrohlich ins Wanken zu geraten scheint. Außerdem hat er bereits vor Jahren nach schweren Enttäuschungen Beziehungen abgeschworen. Das kann also nur böse für mich ausgehen oder?
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Evelyne Amara
Fake it for the Boss
Billionaires and the City 5
Copyright April 2021Evelyne Amara
Coverabbildungen: rdrgraphe / Fotolia (Adobe Stock),
NYC picture: Kovgabor79 / Fotolia / Adobe Stock
Korrektorat: Jörg Querner / Lektorat Anti-Fehlerteufel
Coverdesign: Evelyne Amara
www.Evelyne-Amara.com
Evelyne Amara
c/o Ursula Donner (Kaiser)
Egerlandstr. 12
96148 Baunach
Alle Rechte vorbehalten.
Kapitel 1
Weston Aldridge
Entgeistert starrt mich mein Bruder, der ein bekannter Autor von tragischen Herzschmerz-Liebesromanen ist, über meinen Schreibtisch hinweg an. »Du bist widerwärtig!«
Ich grinse. »Ja, aber ich habe Spaß dabei.«
»An Awards nehme ich zumindest mit unveröffentlichten Sachen schon seit einiger Zeit nicht mehr teil, seit der unveröffentlichte Roman einer Kollegin von einem Jurymitglied, die auch Autorin war, dreist plagiiert wurde. Es wurden das Thema, der ungewöhnliche Name der Protagonistin und die Szenen ganzer Kapitel übernommen.«
»Das mit dem Plagiat ist natürlich besonders übel, wobei mich Awards ohnehin nicht interessieren. Mich interessiert nur, ob mir persönlich deine Bücher gefallen oder nicht. Ob sie mich gut unterhalten und ob das, was du schreibst, realistisch ist.«
»Aber fast alle Autoren führen einen Blog wegen des Google-Rankings und des Social Proofs.«
»Nur weil alle das machen und nicht darüber nachdenken, ändert das nichts an den Tatsachen. Außerdem ist es fraglich, ob das wirklich dein Google-Ranking verbessert. Nach den Jahren des Autorendaseins kannst du dich offenbar nicht mehr richtig in deine Leser hineinversetzen.
Die Neuerscheinungen erfahre ich über meinen bevorzugten Online-Buchhändler, dessen oder deinen Newsletter. Ich stalke nicht deinen Blog, um das zu erfahren. Für solche Scherze habe ich keine Zeit.
Wenn du den Lesern mit deinem Blog keinen Mehrwert bieten kannst, dann ist er schlichtweg überflüssig und sowohl für dich als auch deine Leser Zeitverschwendung. Mit deinen gewonnenen Awards und dem Bestsellerlistenstatus kannst du deine Leser immer noch in deiner Autoren-Biographie langweilen.«
Stirnrunzelnd blickt er mich an. »Muss bei dir immer alles supereffizient sein?«
»Nein, es muss noch effizienter sein. Sonst könnte ich nicht mehrere Unternehmen leiten.Meine erste Erfindung, die App Managham, ist die Effizienz schlechthin, ein Management-Tool, wie es die Welt zuvor noch nicht gesehen hat.«
Tyler erhebt sich. »Dann will ich nicht länger deine kostbare Zeit in Anspruch nehmen.«
»Du bist doch hoffentlich nicht eingeschnappt?«
»Nein, so leicht kriegt man mich nicht dazu, eingeschnappt zu sein. In meinem Job braucht man ein dickes Fell. Sonst kommt man unter die Räder. Eigentlich hast du Recht.«
»Ich habe auch uneigentlich Recht. Solltet ihr Autoren nicht auf solche Füllwörter verzichten?«
Tyler seufzt und verdreht die dunklen Augen. »Kein Wunder, dass du keine Frau hast. Mit dir ist es wirklich nicht einfach. Ich würde es mit dir nicht aushalten.«
»Ich habe keine Frau, weil ich keine will, keine brauche und keine Zeit für die Allüren solch einer anspruchsvollen Tussi habe.«
»Es hat mit Valeria zu tun, nicht wahr?«
»Nimm den Namen dieser Person nicht mehr in den Mund!«
Tyler zieht seine Augenbrauen in die Höhe. »Ah, ich vergaß. Niemand darf den Namen von Voldemorteria aussprechen. So langsam solltest du über sie hinwegkommen.«
»Ich bin über sie hinweggekommen!«
»So heftig, wie du auf ihren Namen reagierst, bezweifle ich das ernsthaft. Außerdem hattest du seit deiner Scheidung vor mehr als drei Jahren keine Beziehung mehr.«
»Weil ich keine will, keine brauche und keine Zeit dafür habe.«
»Irgendwann bist du alt, verschrumpelt und die Frauen laufen dir nicht mehr scharenweise hinterher. Dann bist du allein und verbittert.«
»Ich habe meine Arbeit.«
»Ich auch, aber so sehr ich sie liebe, kann sie mir doch nicht alles geben. Ohne Daria wäre mein Leben bei weitem nicht so schön.«
»Daria ist eine Ausnahme.« Mit ihr hat er unwahrscheinliches Glück gehabt, und ich hoffe, er weiß das zu schätzen.
Er hat sie unter unglaublichen Umständen kennengelernt. Sie hat nicht nur denselben Vornamen wie eine seiner Romanfiguren, sondern sieht auch noch so aus wie sie.
Nachdem sich ihre Liebesgeschichte sehr ähnlich wie in einem seiner Bücher entwickelte, stellte sich die Frage, ob sie auch so enden würde. Im Roman würde nämlich die Liebste seiner männlichen Hauptperson sterben, wenn sie mit ihm zusammenbleibt. Er stand vor der Entscheidung, ob er, um ihr Leben zu schützen, mit ihr Schluss machen muss.
Tyler hebt fragend seine Augenbrauen. »Genau wie Mom eine Ausnahme ist? Oder Donovans Liebste? Sind das nicht recht viele Ausnahmen?«
»Die hatten einfach Glück. Ich habe kein Glück in der Liebe, doch dafür im Geschäft. Also lasse ich das mit dem Beziehungskram sein.«
»Was sie dir angetan hat und die Folgen, die du davon noch immer trägst, sind wirklich sehr schlimm. Das wünsche ich meinem Todfeind nicht. Trotzdem solltest du irgendwann darüber hinwegkommen. Ich kenne eine gute Psychiaterin …«
Ich springe von der Tischkante auf. Jetzt hat mein Bruder den Bogen eindeutig überspannt. »Ich brauche keinen verdammten Seelenklempner. Geh nach Hause zu deinen Schnulzen.«
Tyler sieht mich mit Mitgefühl im Blick an. »Überlege es dir. Ich weiß, dass ich einen wunden Punkt bei dir getroffen habe, und ich will dir nicht wehtun, aber auf Dauer ist der Mensch nicht dafür geschaffen, allein zu sein. Wir sind soziale Wesen.«
Ich atme tief durch. »Bevor ich so etwas wie mit ihr noch einmal erlebe, bleibe ich lieber allein. Außerdem bin ich nicht allein. Ich habe meine Verwandten und meine Kumpels.«
»Wie sieht es mit der Kleinen in deinem Vorzimmer aus?«
Glühend heiß durchfährt es mich bei seinen Worten. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Die hübsche Brünette, die es aus für mich unerfindlichen Gründen schon seit zwei Jahren mit dir aushält. Wie heißt sie nochmal?« Tyler schnippt mit den Fingern. »Ich glaube, Ms. Crawford. Glaube nicht, dass mir entgeht, wie du sie anstarrst, wenn du denkst, dass es niemand bemerkt.«
»Natürlich sehe ich sie ab und zu an. Sie arbeitet schließlich für mich. Da kann ich doch nicht durch sie hindurchsehen.«
»Ich bin dein Bruder. Mir kannst du nichts vormachen. Ich weiß, dass sie dein Typ ist. Du verhältst dich ihr gegenüber bisweilen besonders widerwärtig, vermutlich, um sie auf Armeslänge zu halten.«
»Das stimmt nicht. Ich behandle alle gleich schlecht. Ich bin ein gerechter Chef. Es soll keiner denken, dass ich jemanden bevorzuge. Dafür werden sie gut bezahlt. Ich bin schließlich kein Unmensch.«
»Es ist ein Wunder, dass sie dir noch nicht abgehauen ist.«
Sinnierend blicke ich auf meine Hände. »Vielleicht sollte ich sie dann ab und zu etwas netter behandeln. Es ist nicht einfach, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden.«
Tyler starrt mich einen Moment lang an. Dann bricht er in Gelächter aus. »Du und nett stehen nicht mal im selben Wörterbuch.«
»Ha ha, sehr witzig. Und jetzt raus mit dir. Ich habe zu tun. Hast du nicht auch noch ein paar Schnulzen zu schreiben? Immerhin musst du deinem Titel als Schnulzinator gerecht werden.« Ich komplimentiere Tyler zur Tür hinaus.
Natürlich stehen meine lieben Vorzimmerdamen wieder tratschend beieinander. Ich sehe, dass Mrs. James endlich auch wieder zugegen ist, nachdem sie eine halbe Stunde lang »ihre Nase gepudert hat«.
Ms. Crawford sitzt an ihrem Schreibtisch und arbeitet. Sie wirkt ein wenig blass. Auch hat sie dunkle Schatten unter den Augen. Sorge um sie steigt in mir hoch.
Natürlich bin ich nur um sie besorgt, weil sie eine fähige Arbeitskraft ist, und nicht aus irgendwelchen sentimentalen Gründen, die mein Bruder mir versucht unterzuschieben.
Elena Crawford
Entgeistert starrt meine Kollegin Samantha Harris auf die Tür, die Mr. Weston Aldridge uns praktisch vor der Nase zugeknallt hat. »Wie kann so ein heißer Typ eigentlich so ein arrogantes Arschloch sein? Habt ihr mitgekriegt, wie er seinen Bruder gerade beleidigt hat?« Sie streicht ihre kurzgeschnittenen, blonden Haare zurück.
Sowohl was Weston Aldridges Arroganz als auch seine Attraktivität betrifft, muss ich Samantha uneingeschränkt Recht geben. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihn am liebsten erwürgen würde. Wobei er natürlich auch positive Seiten besitzt, wie etwa Humor, Intelligenz und eine ausgefallene Kreativität, wenn er diese denn mal zeigt oder besser gesagt, sie nicht von seiner anmaßenden Art überlagert werden.
Teuflisch attraktiv ist er ohne Zweifel mit den dunklen, in den Bann ziehenden Augen, dem wie gemeißelt wirkenden Kinn, der geraden Nase und den geschwungenen Lippen, um die sich allzu oft ein verschmitztes Lächeln zeigt. Sein dunkles Haar ist dicht und glänzend und unter seinem Maßanzug zeichnet sich eine durchtrainierte Figur ab.
Die etwas ältere Mrs. James, die gerade vom »Nase-Pudern« zurückgekehrt ist, kratzt sich am Kinn. »Sein Bruder wird diese Art gewohnt sein.«
Samantha seufzt. »Schade, dass Tyler schon vergeben ist. Der ist viel netter als unser Boss. Wobei ich Letzteren attraktiver finde. Nicht dass Tyler nicht ebenfalls sehr gut aussehend wäre …«
Ich schnaube. »Mr. Aldridge und nett. Das passt nicht mal in denselben Satz. Eines Tages werde ich ihn umbringen.«
Samantha nickt. »Aber davor werden wir ihm alle Knochen brechen.«
»Das Privileg gehört bereits mir. Ich halte es schon am längsten mit ihm aus«, sage ich.
»Was uns alle wundert. Irgendwann bekommst du für diese Geduld noch den Friedensnobelpreis.«
»Das habe ich nur euch zu verdanken. Ihr haltet mich immer fest und hindert mich daran, ihn umzubringen. Mittlerweile wisst ihr schon automatisch, wann ihr das tun müsst.«
Mary nickt. »Klar, denn wenn du ihn umbringst, haben wir bald kein Gehalt mehr. Man kann über ihn sagen, was man will, aber er bezahlt uns nicht schlecht.«
Samantha presst ihren Kopf gegen die Tür.
Mary James blickt sie neugierig an. »Worüber sprechen sie denn?«
»Das wollt ihr nicht wissen.«
»Wollen wir doch«, sagen Mary und ich wie aus einer Kehle.
Mary grinst. »Mein Fernseher ist kaputt. Solch großes Kino lasse ich mir nicht entgehen.«
Samantha verdreht die Augen. »Er redet über Gruppenwichsen. Awards wären nichts anderes als das. Der nimmt wirklich kein Blatt vor den Mund.«
Angewidert verzieht Mary das Gesicht. »Das ist widerwärtig. Also welchen Wortschatz die Jugend von heute benutzt. Ich bin entsetzt!«
»Etwas Ähnliches hat sein Bruder auch gerade gesagt.«
»Wir sollten weiterarbeiten, bevor der Boss uns noch beim Lauschen erwischt«, sage ich von meinem Schreibtisch aus.
Mich interessiert nur am Rande, was Samantha von der anderen Seite der Tür mitkriegt, weil ich etwas anderes zu tun habe. Ich muss meine Arbeit schaffen. Als persönliche Assistentin von Weston Aldridge in seinem Unternehmen Aldridge Security Solutions wird einiges von mir gefordert.
Samantha eilt plötzlich in Richtung unserer Schreibtische. »Achtung, sie kommen.«
Kaum hat Mr. Weston Aldridge die Tür aufgerissen, komplimentiert er seinen Bruder hinaus.
Er blickt uns streng an. »Ah, Mrs. James ist vom Nase-Pudern zurück. Wie lange haben Sie dafür gebraucht? Eine halbe Stunde? Oder haben Sie sich dabei etwa verlaufen?« Wie er Nase-Pudern betont, ist offensichtlich, dass er darüber Bescheid weiß, was sie während dieser Zeit wirklich tut.
Mary besitzt den Anstand, zu erröten, denn wir alle wissen, dass das nur eine Ausrede ist und sie während dieser Zeit mit Damen von anderen Abteilungen tratscht. »Fünfundzwanzig Minuten, Mr. Aldridge. Manchmal dauert es einfach etwas länger.«
»Das ist verdammt lang, aber bei dem Zinken, den Sie haben, kein Wunder. Zu Ihrem nächsten Geburtstag werde ich Ihnen einen Besen schenken, damit Sie das in Zukunft zeitsparender und effizienter erledigen können.«
Entgeistert starrt sie unseren Chef an. Sprachlos klappt ihr Unterkiefer nach unten.
Ich bringe ihn um! Diesmal ist es so weit.Es ist einfach zu viel für mich, obwohl es der denkbar ungünstigste Zeitpunkt ist, meinen Job zu verlieren.
Aber meine Kolleginnen ahnen sogleich, was in mir vorgeht, und halten mich an den Armen fest, bevor ich etwas tue, was ich später bereue. Nur das rettet meinem Boss soeben das Leben.
Mr. Aldridges Blick fällt auf ihre Hände, die sich auf meinen Armen befinden. »Wenn ihr mit dem Gruppenkuscheln fertig seid, würde ich vorschlagen, dass ihr wieder arbeitet.«
Wir machen uns alle wieder an die Arbeit. Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man viel zu tun hat.
Am Abend fallen meinem Boss natürlich wieder kurz vor Feierabend mindestens zwanzig Dinge ein, die ich am besten sofort erledigen muss. Sehnsüchtig blicke ich meinen Kolleginnen nach, die sich von mir verabschieden.
»Ein schönes Wochenende!«, wünsche ich ihnen.
Auch wenn ich seit der Trennung von Hudson nicht wirklich ein Sozialleben habe, so hätte ich mich gerne nach der harten Arbeitswoche zuhause in Ruhe entspannt, die Beine hochgelegt, ein Buch gelesen und in der Badewanne ein Glas Wein getrunken.
Und morgen werde ich meine Mom in New Britain anrufen, die ich sehr vermisse. Zwar habe ich nicht viel Neues zu berichten, aber ich schätze, sie wird mir einiges zu erzählen haben. Es wird guttun, ihre Stimme zu hören.
Weston
Den Kunden fällt oft gerade am späteren Freitagnachmittag noch etwas Wichtiges ein, das unbedingt so bald wie möglich erledigt werden muss.
Diesmal kommt eine weitere Herausforderung hinzu. Aber als der Erfinder und Entwickler technologisch neuartiger, fortgeschrittener Sicherheitssysteme ruht man sich selbst am Wochenende nicht immer aus, sondern ist stets am Puls der Zeit.
Manchmal frage ich mich, ob ich nicht bei meiner App hätte bleiben sollen. Sie hat immerhin genug eingebracht, um dieses weitere Unternehmen, Aldridge Security Solutions, zu gründen.
Ms. Elena Crawford seufzt. »Muss ich wirklich die gesamte Kalkulation nachvollziehen?«
Ich kann ihr Missfallen verstehen. Auch ich habe keine Lust und normalerweise etwas Besseres zu tun, das alles nochmal durchzugehen. Es ist der Job des Projektleiters, alles so durchzuführen, dass es keinerlei Beanstandungen gibt. Doch leider gab es diese zum wiederholten Mal.
Außerdem sind meine sporadischen Überprüfungen, die ich sehr penibel durchführe, unter meinen Mitarbeitern zu Recht gefürchtet. Einige von ihnen habe ich im Anschluss darauf rausgeschmissen.
Ich nicke. »Absolut richtig. Und ich will auch, dass sämtliche Projektunterlagen durchgesehen und geprüft werden. Leider ist der Projektleiter wieder einmal krank. Sonst würde ich es mit ihm selbst durchgehen. Aber keine Sorge, der kommt auch noch dran.«
Scharfsinnig, wie sie ist, sieht sie mich aus ihren schokoladenbraunen Augen an. »Sie misstrauen ihm.« Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung.
Ich nicke. »Es gab in der letzten Zeit Unregelmäßigkeiten. Die Kunden waren nicht zufrieden, und für uns war das Projekt nicht profitabel. Ich will herausfinden, warum.«
»Dann reden Sie mit ihm.«
»Glauben Sie mir, das habe ich schon getan. Mehrmals.«
Es dauert nicht lange, da seufzt sie abermals. »Ich wünschte, er würde seine Unterlagen ordentlicher führen. Die Stundenzettel sind oft nicht unterschrieben, die Schrift ist kaum lesbar und auf dem einen Posten im Angebot steht weiterverrechnetes technisches Material. Das ist viel zu allgemein. Das kann alles Mögliche bedeuten.«
»Wem sagen Sie das?«
Sie nickt. »Ich glaube, Sie haben Recht. Es gibt genügend Gründe, das zu überprüfen.«
Es ist eine mühsame Arbeit, doch schließlich gelangen wir zum Schluss und haben einiges gefunden, was nicht in Ordnung ist. Mittlerweile ist es halb zehn Uhr abends.
Zwischendrin haben wir Sandwiches gegessen, die ich vorsorglich für uns in der unternehmenseigenen Cafeteria besorgt habe, als diese noch offen war. Zum Glück weiß ich, dass Ms. Crawford am liebsten die Thunfisch-Edamer-Sandwiches isst, die ich ebenfalls bevorzuge.
Elena
Endlich ist Feierabend. Ich räume noch ein wenig auf, werfe meinem Boss einen Abschiedsgruß zu und schnappe mir dann meine Handtasche, um die Räume des Unternehmens zu verlassen. Für heute reicht es mir.
Als ich Schritte hinter mir vernehme, drehe ich mich um und entdecke meinen Boss, der sich mir nähert. Gemeinsam betreten wir den Aufzug.
Man kann über Mr. Aldridge eine Menge sagen, aber nicht, dass er einen Anzug nicht hervorragend ausfüllen würde. Ich frage mich, wann er Zeit hat für Fitness.
Auch sitzt seine Frisur immer tadellos. Natürlich tut sie das. Ich vereinbare schließlich in regelmäßigen Abständen seine Friseurtermine.
Von seinem italienischen Großvater hat er die dunklen Augen und das dichte, leicht wellige, dunkle Haar. Seine energischen Gesichtszüge verraten seinen zielstrebigen, dominanten Charakter.
Er richtet seinen durchdringenden Blick auf mich. »Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Sie wirken in der letzten Zeit etwas gehetzt.«
Nachdenklich runzle ich die Stirn. »In der letzten Zeit?«
»Seit etwa einem Jahr. Ich hätte früher mit Ihnen darüber reden sollen, aber solange Ihre Leistung erwartungsgemäß ist, sehe ich keinen dringenden Handlungsbedarf. Wenn Sie also Probleme haben sollten …«
»Es ist alles in Ordnung«, sage ich schnell. Ich weiß nicht, worauf er hinaus will. Als würde ich ausgerechnet mit ihm meine privaten Probleme besprechen …
Natürlich schaltet er sofort – wie sollte man es auch anders von ihm erwarten – wieder in den Arschloch-Modus um.
Er schnippt mit den Fingern. »Ach ja, bevor ich es vergesse. Ms. Crawford. Haben Sie schon meine Anzüge aus der Reinigung abgeholt?«
Hitze steigt mir ins Gesicht. Er weiß genau, dass ich diese nicht abgeholt habe, denn das wüsste er. Schließlich hängen die drei Anzüge derzeit nicht in seinem Schrank. Die verdammten Teile aus der Reinigung abzuholen, habe ich wegen des ganzen Dramas in meinem Leben ganz vergessen.
Aber es ist nicht so, als müsse er nackt herumlaufen. Immerhin besitzt er noch mehr Anzüge. Sein gesamter Schrank ist mit den Teilen voll.
»Nein, habe ich nicht. Das wollte ich bereits gestern tun, aber da fielen Ihnen noch so viele Dinge ein, die ich zu erledigen hatte, dass ich zu spät aus dem Büro kam und die Reinigung schon geschlossen hatte. Heute war es dasselbe.«
»Das sollten Sie aber tun. Ich will den dunkelblauen Anzug bald tragen.«
Wie etwa, wenn er wieder mit einem seiner One-Night-Stands zu tun hat … Erst letztens sollte ich einen Tisch für ihn in einem der exklusivsten Restaurants der Stadt reservieren. Diese Termine stehen natürlich nicht in seinem normalen Terminbuch.
Ich glaube, er schreibt sie sich überhaupt nicht auf, weil sie für ihn nicht von Bedeutung sind. Der Typ ist dafür bekannt, notorisch feste Beziehungen zu meiden wie der Teufel das Weihwasser.
Ich darf dann die Frauen abwimmeln, die seine Identität herausgefunden haben und sich weitere Dates mit ihm versprechen. Haben die denn gar keinen Selbstrespekt, sich anzubiedern, wenn sie ganz offensichtlich unerwünscht sind?
Denn laut ihm würde er keiner von ihnen Versprechungen machen, sondern von Anfang an immer alles klarstellen. Das sagte er mir zumindest in einer ehrlichen Minute, was ungewöhnlich für ihn ist, denn er ist nicht dafür bekannt, sich vor anderen für sein Verhalten zu rechtfertigen.
Warum kann er nicht ein bisschen mehr so sein wie sein älterer Bruder Tyler? Wobei es mich natürlich nichts angeht. Warum sollte es mich interessieren, wie mein Boss seine Freizeit verbringt?
Ganz einfach, weil ich die Scherben davon oft genug zusammengekehrt habe. Ich kümmere mich um seine Kleidung, seine Friseurtermine, seine Restaurantreservierungen mit den Kunden, Geschäftspartnern und diversen Frauen, die er sehr selten häufiger als einmal trifft. Ich meine natürlich die Frauen und nicht die Geschäftspartner oder Kunden.
Wahrscheinlich weiß ich mehr über ihn als seine eigene Mutter, was für die gute Frau vermutlich ein Segen ist.
Zumindest werde ich für den Wahnsinn geradezu fürstlich bezahlt. Deswegen und weil er mich abgesehen von seiner kratzbürstigen Art im Allgemeinen fair behandelt, habe ich es schon mehr als zwei Jahre mit ihm ausgehalten.
Außerdem gibt es noch die klitzekleine Tatsache, dass ich seinen Intellekt bewundere. Er ist einer der jüngsten Erfinder unserer Stadt. Wenn er nicht gleichzeitig so ein arroganter Sack wäre, könnte man ihn als schillernde, höchst interessante, faszinierende Persönlichkeit bezeichnen. Er hat etwas geradezu in den Bann Ziehendes.
Wir verlassen den Aufzug und laufen durch das großzügige Foyer, in dem sich ein Springbrunnen und einige Pflanzen befinden.
Mr. Aldridge schenkt mir einen strengen Seitenblick. »Besorgen Sie mir meine Anzüge noch heute.«
»Aber …«
»Kein aber.«
»Die Reinigung hat heute schon geschlossen. Die machen freitags immer früher zu.« Eigentlich hatte ich das schon gesagt. Offenbar denkt er, er bekommt, weil er Mr. Weston Aldridge ist, eine Sonderbehandlung.
»Wie Sie das schaffen, ist mir egal. Meinetwegen brechen Sie in der Reinigung ein, aber ich will meine Anzüge noch heute haben. Außerdem haben Sie letztens den grauen Anzug mit den Nadelstreifen leicht zerknittert, als Sie ihn in den Schrank gehängt haben.
Den dunkelblauen Anzug will ich am Wochenende bei meinen Eltern tragen. Solch eine Nachlässigkeit geht gar nicht«, spricht er weiter, während ich mich in Mordphantasien verliere.
Er hat gefühlt fünfhundert Anzüge. Was regt er sich wegen eines dunkelblauen Anzugs so auf? Keineswegs habe ich vor, wegen ihm in den Knast zu wandern.
»Ich bin nicht nachlässig.«
»Das sind Sie sehr wohl. Sonst hätte ich jetzt meine Anzüge.«
Wenn er so drauf ist, ergibt es keinen Sinn, zu versuchen, mit ihm zu diskutieren.
Mr. Aldridge hält mir die Tür nach draußen auf. Seine unerwartete Höflichkeit ist immer etwas, das mich zutiefst irritiert, weil es nicht zu seinem sonstigen Verhalten passt. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er sich dessen überhaupt bewusst ist.
Andererseits achtet er immer darauf, dass ich einen Snack und genügend zu trinken habe, wenn ich abends länger arbeiten muss. Obwohl er mir die Überstunden bezahlt oder sie wahlweise abfeiern lässt, geht das abendliche Sandwich meist auf seine Kosten. Als wäre er tatsächlich um mein Wohlergehen besorgt … Dieser Mann ist mir wirklich ein Rätsel.
Wir laufen den Gehsteig entlang.
»Sie haben übrigens eine Laufmasche«, vernehme ich seine dunkle, sinnliche Stimme.
Sein Blick gleitet über meine Beine. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, er wäre an mir als Frau interessiert. Aber ich bin mir sicher, dass er nur nach weiteren Laufmaschen oder anderen Unvollkommenheiten sucht, die dem perfekten Image seines Unternehmens schaden könnten. Dabei ist die Laufmasche echt winzig, weil ich sie sofort mit etwas durchsichtigem Nagellack stoppen konnte.
»Ich hatte leider keine andere mehr.«
»Ich dachte, Frauen haben immer Ersatzstrumpfhosen in der Schreibtischschublade.«
»Normalerweise schon. Nur hatte ich die letzte nicht ersetzt.«
»Das sollten Sie aber. Sie sind das Aushängeschild meines Unternehmens. An unserem Auftreten werden wir gemessen. Wir können nicht schlampig herumlaufen.«
Empört schnappe ich nach Luft. »Ich laufe nicht schlampig herum.«
»Ich sage nur: Wehret den Anfängen.«
»Ich bringe Ihnen Ihre Anzüge morgen.« Dann habe ich wenigstens am Montagmorgen meine Ruhe.
Er sieht mich griesgrämig an, sagt aber dazu nichts weiter. Natürlich habe ich etwas Besseres zu tun, als samstags in die Reinigung zu gehen, aber ich will auch keinen Ärger mit ihm. Schließlich weiß ich nicht, ob ich am Montag dazu komme, sie abzuholen.
Außerdem wird mir ein kleiner Spaziergang morgen Vormittag nicht schaden. Dann habe ich mehr vom Sommer 2021 als wenn ich immer nur in der Bude hocke.
Ich verabschiede mich von ihm. Er wünscht mir einen schönen Abend.
Kapitel 2
Elena
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück dusche ich und ziehe mir eine schwarze Jeans, ein indigoblaues Shirt und schwarze Peeptoe-Highheels von Charles Jourdan an, die ich vor zwei Jahren gebraucht auf Etsy erworben habe. Ich schlüpfe in meine kurze, schwarze Lederjacke, schnappe mir meine Handtasche und mache mich auf den Weg zur Reinigung, die glücklicherweise am Samstagvormittag geöffnet hat.
Diese befindet sich in der Innenstadt unweit von Aldridge Security Solutions. Ich nehme die drei Anzüge, bezahle, packe die Quittung ein und verlasse die Reinigung wieder.
Beinahe wäre ich in die falsche Richtung gelaufen, da fällt mir wieder ein, dass mein Boss erst kürzlich umgezogen ist. Er hat mir seinen neuen Schlüssel und seine neue Anschrift überlassen, damit ich Botengänge wie diese jederzeit erledigen kann.
Es ist anstrengend, das Mädchen für alles zu sein, aber zumindest werde ich gut bezahlt. Mein letzter Arbeitgeber hatte auch alles Mögliche von mir verlangt, war aber gleichzeitig ein Ausbeuter. Über Weston Aldridge kann man eine Menge sagen, aber nicht, dass er seine Leute schlecht bezahlen würde.
Als ich endlich seine Wohnung erreiche, klingle ich aus Höflichkeit zweimal. Natürlich könnte ich auch einfach reingehen, aber ich respektiere seine Privatsphäre, soweit ich kann. Wenn er nicht zuhause ist, muss ich natürlich einfach reingehen.
Erst als er mir nicht öffnet, schließe ich die Tür auf und betrete seine Wohnung.
Im Flur kommt er mir entgegen. Sein Haar ist leicht feucht, als hätte er erst geduscht.
Zu meiner Überraschung trägt er nur eine schwarze Jeans. So habe ich ihn bisher noch nie gesehen. Während der Arbeit, selbst wenn wir an Samstagen ins Büro gehen, trägt er stets Hemd und Anzug.
Seine Schultern sind breit, die Arme und die Brust muskulös und oberhalb seiner Jeans zeichnet sich ein V ab. Ich weiß gar nicht, wohin ich schauen soll. Er ist einfach umwerfend.
Krampfhaft bemühe ich mich, ihm ins Gesicht zu blicken, und hoffe, dass er mir meine Nervosität nicht anmerkt.
Ich lächle. »Guten Morgen.«
Auch er wirkt überrascht. Er erwidert mein Lächeln. Dabei zeigen sich Grübchen an seinen Wangen. Er hat so ein umwerfendes Lächeln. Fast wirkt es, als wäre er wirklich erfreut, mich zu sehen, aber vermutlich freut er sich nur darüber, dass ich seine Anzüge vorbeibringe.
»Guten Morgen, Ms. Crawford.«
Um ihn nicht anzustarren, lasse ich den Blick durch den Raum schweifen. Ich staune nicht schlecht. »Sie haben einen Pool im Wohnzimmer?«
Amüsiert blickt er mich an. »Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Ihre Auffassungsgabe ist bemerkenswert.«
»Müssen Sie immer so sarkastisch sein?«
»Nein, das muss ich nicht, aber ich habe Spaß dabei.«
»Ich habe so etwas noch nie gesehen.« Der Pool erstreckt sich über einen Teil des Balkons und des Wohnzimmers. Vom Wohnraum ist er allerdings durch eine dicke Glaswand getrennt.
Auf der anderen Seite kann ich einen Teil des Central Parks erkennen. Du meine Güte, ist das schön!
Das Apartment muss ein Vermögen kosten. Die Möbel sind in einer geschmackvollen Kombination aus Creme und Schokoladenbraun mit goldenen Akzenten gehalten. Genau so würde ich meine Wohnung auch einrichten, wenn ich das Geld dafür hätte.
An den Wohnbereich schließt sich die Küche an. Diese ist ein wahres Schmuckstück. Die Arbeitsplatten und die Theke sind aus weißem Granit oder Marmor. So genau kenne ich mich damit nicht aus.
Vor der großen, breiten Theke stehen mehrere weiße Stühle. Die Küche ist in Weiß-Silber gehalten. Sie besitzt gleich zwei riesige, silberne Kühlschränke.
Ich lasse meinen Blick über die Thekenplatte gleiten, in der sich das durch das Fenster hereinkommende Licht spiegelt.
»Das ist Dolce-bianco-Granit aus Australien«, vernehme ich Mr. Aldridges volltönende Stimme. »Ich zeige Ihnen mein Schlafzimmer, damit Sie wissen, wo was hingehört.«
Ich folge ihm, als er durch den Flur schreitet. Automatisch gleitet mein Blick zu seinem muskulösen Rücken. Er sieht verboten gut aus.
Mr. Aldridge öffnet eine der Türen. Er hält sie mir auf und lässt mir den Vortritt. Sein Schlafzimmer ist umwerfend. Durch die bodentiefe, breite Fensterfront habe ich einen spektakulären Panoramablick auf den Central Park.
Er besitzt einen riesigen Kleiderschrank. So viele Hosen und Anzüge kann doch unmöglich ein einziger Mann tragen. Wobei er ohne Anzug und Hemd ohnehin noch besser aussieht …
Ich finde im Schrank noch Platz für die drei frisch gereinigten Anzüge.
Zufrieden blickt mein Boss auf den dunkelblauen Anzug, den ich gerade einräumen möchte. »Den können Sie draußen lassen. Hängen Sie ihn bitte einfach an den Haken an der Tür. Und danke, dass Sie vorbeigekommen sind. Der Anzug war ein Geschenk meiner Mutter. Es bedeutet ihr viel, wenn ich ihn trage.«
Das erklärt einiges. Er hätte mir das früher sagen können, bevor ich Mordpläne an ihm geschmiedet habe … »Keine Ursache.«
Einerseits ist er häufig furchtbar arrogant, andererseits aber wieder höflich und bisweilen zuvorkommend. Weston Aldridge ist in der Tat eine verwirrende Mischung, die mich immer wieder aufs Neue ebenso fasziniert wie auf die Palme bringt.
Galant hält er mir die Tür auf und lässt mir den Vortritt, als wir beide den Raum wieder verlassen.
»Danke«, sage ich.
In diesem Moment vernehme ich die auf dem Marmorboden hallenden Geräusche hoher Absätze. Vor uns steht plötzlich die Mutter meines Bosses, die in ein apricotfarbenes Kostüm von Dior gekleidet ist und die blondgebleichten Haare in etwas über kinnlangen Wellen trägt.
Ich frage mich, ob man sie überhaupt jemals in legerer Kleidung antrifft.
Mit hochgezogenen Augenbrauen sieht sie uns aus ihren dunklen Augen erstaunt an. Ihr Blick gleitet zuerst über ihren nur halb bekleideten Sohn und dann mich. »Guten Morgen. Ich habe geklingelt. Mehrmals. Aber du warst offenbar zu beschäftigt, um die Tür für mich zu öffnen.« Ihr Tonfall klingt tadelnd.
Es ist offensichtlich, worauf sie anspielt. Sein knapp bekleideter Zustand und der Umstand, dass wir uns vor seiner Schlafzimmertür befinden, legt diese Schlussfolgerung nahe.
»Das tut mir leid, Mom, aber die Klingel ist kaputt.«
»War sie das nicht schon letzte Woche? Lass mich raten: Du hast kein Geld, um sie reparieren zu lassen?«
Er wirkt verlegen. »Sie war schon beim Einzug defekt. Ich habe einfach nicht daran gedacht. Das stand auf meiner Prioritätenliste nicht besonders weit oben.«
Weston
»Aber für deine Flittchen hast du Zeit?« Meine Mutter klingt entrüstet.
Natürlich vermutet sie das. Sie weiß schließlich, wo sich mein Schlafzimmer befindet, und hat offenbar gesehen, wie wir dieses gemeinsam verlassen haben. Selbstverständlich lasse ich diese Annahme nicht auf Ms. Crawford sitzen.
»Sie ist kein Flittchen!«
Der Blick meiner Mutter gleitet abschätzend über meine Assistentin. »Das will ich hoffen, denn deine Oma will es noch erleben, dich zum Traualtar zu führen. Sie wird sehr erfreut sein, zu erfahren, dass du endlich eine Frau kennengelernt hast, mit der du dir mehr vorstellen kannst.«
Ich unterdrücke den Impuls, mit den Augen zu rollen. »Jetzt komm mir nicht schon wieder mit dieser alten Sache.«
»Ich komme dir nicht mit dieser Sache. Es ist ihr größter Wunsch, dich mit einer dich liebenden Frau verheiratet zu sehen und zu wissen, dass du jemanden in deinem Leben hast, der Sorgen und Freuden mit dir teilt, und dass du eine eigene Familie haben wirst.«
Ihr Blick wird ernst. »Diesmal ist es ernst, Weston. Olivia liegt im Krankenhaus. Deshalb bin ich hier. Ich wollte es dir persönlich sagen, nicht übers Telefon.«
Mein Herz sackt mir bis in die Knie. Ich liebe meine Oma Olivia abgöttisch.
Alarmiert sehe ich meine Mom an. »Sie liegt im Krankenhaus? In welchem?«
»Im Mount Sinai. Sie hat eine Lungenentzündung. Offenbar hat sie wieder nicht genug getrunken. Außerdem ging es ihr in der letzten Zeit ohnehin nicht besonders gut. Die Nachricht, dass du jetzt endlich eine Freundin hast, wird sie aufleben lassen.«
Die eiskalte Faust, die sich um mein Herz gelegt hat, zieht sich zusammen. Olivia darf nichts zustoßen. Sie bedeutet mir alles. »Danke, dass du hergekommen bist, Mom. Ich ziehe mich nur kurz um. Dann eilen wir sofort zu ihr.«
Meine Mutter zieht die Augenbrauen nach oben. »Willst du mich nicht deiner Freundin vorstellen? Sie ist doch deine Freundin?« Missfallen zeigt sich in ihrem Blick, als dieser an Ms. Crawfords schwarzen Peeptoe-Highheels hängen bleibt.
Meine Mutter mag keine Peeptoe-Schuhe. Sie hält sie für billig.
Für meine Oma hingegen wäre Ms. Crawford mit ihrer lebenslustigen Art die perfekte Frau für mich. Würde es nicht ihre Heilungschancen immens verbessern, wenn ich eine Freundin hätte?
Sagen nicht die ganzen Ayurveda-Spezialisten, dass Heilung über die Seele erfolgt? Dr. Vasant Lad schreibt es in seinem Kräuterbuch und auch dieser andere Mediziner Swami Tirtha stellt in seinem Buch klar, dass man andere nur heilen kann, wenn man ihre Seele erreicht. Und nichts würde die Seele meiner Oma mehr erreichen und beglücken, als mich in einer Beziehung zu wissen.
Das alles klingt für mich logisch, weil ich beobachten konnte, wie es meiner Oma seit dem Tod meines Opas immer schlechter geht. Ganz eindeutig leidet ihre Seele.
Ich blicke meine Mutter an. »Elena und ich verbringen seit über zwei Jahren sehr viel Zeit miteinander.« Das ist die Wahrheit.
»Und du hast uns einander noch nicht vorgestellt?« Moms Stimme klingt vorwurfsvoll.
»Ich wollte erst sichergehen, dass es funktioniert, bevor ich sie der Familie vorstelle. Das wirst du doch sicher verstehen.« Bittend sehe ich Ms. Crawford an, die kurz überrumpelt wirkt, sich aber sofort fasst. Hoffentlich spielt sie mit.
»Dafür gibt es nie eine Garantie. Doch warum sieht man dich dann noch mit diesen anderen Flittchen?« Jetzt klingt ihr Tonfall tadelnd.
Natürlich werden meine Affären durch die Presse gezerrt. Ich bin schließlich nicht nur der jüngste Sohn des legendären Waschmaschinen-Tycoons Arthur Aldridge, sondern zugleich auch noch einer der erfolgreichsten Jungunternehmer und begehrtesten Junggesellen der Stadt.
Früher hat sich das Interesse der Presse in Grenzen gehalten, doch seitdem ich selbst erfolgreich bin, überschlagen sich alle dabei, über mich zu schreiben. Manchmal wünsche ich mir die alten Zeiten zurück. Aber nur manchmal.
»Es ist noch nicht so lange her, dass ich Elena zum ersten Mal zu mir mit nach Hause genommen habe. Zuvor waren wir nur Freunde.«
Mom nickt, auch wenn sie nach wie vor skeptisch wirkt. »Eure Beziehung ist also noch recht jung. Das erklärt natürlich einiges.«
Natürlich kennt meine Familie Ms. Elena Crawford nicht. Bis auf Tyler sucht mich von meiner Familie niemand in meinem Unternehmen auf, weil ich es normalerweise genau wie mein Vater halte und Geschäftliches und Privates trenne.
»Sie hat es länger mit mir ausgehalten als alle anderen. Ich bin froh, sie zu haben.« Das ist keine Lüge, zumindest nicht auf die berufliche Ebene bezogen.
Ich bin nicht an Beziehungen interessiert. So etwas geht bei mir nur schief. Das hat mich die Erfahrung gelehrt.
»Wie dem auch sei. Findet euch im Hospital ein. Bald. Olivia wird sich freuen. Bis später.« Mrs. Aldridge gleitet auf ihren hohen Absätzen über den spiegelnden Marmorboden davon und verschwindet schließlich durch die Aufzugtür.
Ich wende mich meiner Assistentin zu und sehe sie bittend an. »Ms. Crawford, Sie müssen meine Freundin spielen. Nur bis es meiner Oma besser geht. Bitte.«
Ms. Crawford wirkt zweifelnd. »Ich weiß nicht. Es ist mir unwohl dabei, jemandem etwas vorzuspielen.«
»Meiner Oma würde das sehr viel bedeuten. Sie ist alt, schwer krank und hat keinen sehnlicheren Wunsch, als dass ich die Partnerin fürs Leben finde.«
»Das habe ich mitbekommen.«
»Es ist nur für eine Weile. Wir lassen das Ganze dann einfach einschlafen. Ich bin nicht oft bei meinen Eltern. Der Aufwand wird sich für Sie in Grenzen halten.
Natürlich wird es das eine oder andere Event geben. Die Kleidung hierfür werde ich Ihnen natürlich stellen. Bitte spielen Sie mit! Sie können die alte Dame nicht hängen lassen.«
Nachdenklich kräuselt sie die Stirn. »Ich weiß nicht so recht …«
»Ich zahle Ihnen einen Bonus. Zehntausend pro Monat?« Für mich ist das ein Taschengeld, aber ich weiß, dass es für sie eine Menge ist. »Gegen das, was Sie sonst für mich tun, wird das Ganze ein Spaziergang sein. Sie tragen teure Kleidung, genießen hochpreisige Weine und Gourmet-Food und dürfen sich auf meine Kosten die eine oder andere Kosmetikanwendung gönnen.«
Hörbar atmet sie aus. »Aber wird es Ihrer Oma nicht wieder schlechter gehen, sobald wir uns trennen?«
»Lassen Sie das meine Sorge sein. Mir fällt schon etwas ein, es ihr möglichst schonend beizubringen. Außerdem hat ein Freund der Familie Interesse an ihr. Wenn sie an den Mann gebracht wurde, sieht die Welt für sie ganz anders aus.
Aber im Moment ist sie noch zu sehr in ihrer Trauer um ihren Mann versunken, als dass sie ihn überhaupt richtig wahrnehmen würde. Bitte helfen Sie uns.«
Sie scheint innerlich mit sich zu kämpfen. »Wenn das so ist, mache ich mit. Sie kennen Ihre Oma schließlich besser als ich.«
Zufrieden lächle ich. Natürlich konnte sie mein Angebot nicht ablehnen. »Wunderbar. Dann machen wir uns also auf ins Krankenhaus.«
»Und falls ich schon etwas vorhabe?«
Ich ziehe die Augenbrauen nach oben. Das hatte ich ganz vergessen, sie zu fragen. Ich bin es gewohnt, dass sie auf der Arbeit immer springt, wenn ich etwas brauche. Das gehört zu ihrem Job.
Wenn sie jetzt meine Freundin mimen soll, muss ich mich natürlich umstellen. Vielleicht hätte ich für die Aufgabe nicht unbedingt meine persönliche Assistentin auswählen sollen, aber die Gelegenheit war so extrem günstig.
Außerdem ist sie perfekt für diese Aufgabe. Sie ist schön, heiß, intelligent, humorvoll und kultiviert. Kurzum, sie besitzt alle Eigenschaften, die ich an Frauen schätze, wäre ich denn auf der Suche nach einer Partnerin, was ich natürlich nicht bin. Dadurch wirkt die Beziehung durch unsere Dynamik automatisch authentischer, als sie wirklich ist.
Was jedoch am allerwichtigsten ist, dass ich ihr mehr vertraue als allen anderen Frauen, die ich außerhalb meiner Familie kenne. Ich lasse nicht leichtfertig jemanden in meinen engsten Kreis.
»Haben Sie denn etwas vor?«, frage ich.
»Nein, aber es hätte sein können.«
»Sie haben nichts vor. Also ist die Sache klar. Wir fahren jetzt ins Krankenhaus.«
Gemeinsam nehmen wir den Lift in die Tiefgarage, die sich unter dem Gebäude befindet. Diese und die Nähe zu meinem Unternehmen waren einige der Gründe, warum ich mich für dieses Apartment entschieden habe, auch wenn es etwas hellhörig ist und ich ursprünglich ein Penthouse gesucht habe.
Kapitel 3
Elena
Ich fühle mich noch immer ganz überrumpelt von ihm. Vor allem aber ist mir diese Sache nicht ganz geheuer. Einerseits will ich seiner Familie nichts vorspielen, andererseits tut mir Mr. Aldridges Oma leid. Mein Boss macht sich offenbar große Sorgen um sie und sieht eine vorgespielte Beziehung mit mir als die Lösung an, ihren Lebensmut wieder zu erwecken.
Mr. Aldridge wird selbst am besten wissen, was in einer kritischen Situation wie dieser zu tun ist. Er kennt seine Verwandten schließlich viel besser als ich.
Außerdem befinde ich mich leider nicht in der Lage, das von ihm angebotene Geld abzulehnen. Ich wünschte, es wäre anders …
Die Frage ist nur, wie ich das durchstehe. Wie soll ich Verliebtheit zu meinem Boss vorspielen, der mich täglich in den Wahnsinn treibt?
Vielleicht habe ich Glück und seine Verwandten missdeuten die Spannung, die zwischen uns in der Luft liegt, für Verliebtheit und gegenseitige Anziehungskraft, obwohl es eigentlich unterdrückte Aggressionen sind.
Mr. Aldridge bedenkt mich mit einem undeutbaren Blick. »Wir sollten uns übrigens ab sofort mit Vornamen ansprechen und weniger förmlich miteinander reden, damit wir uns daran gewöhnen und uns später nicht verplappern, wenn wir meine Verwandten besuchen. Meine Eltern heißen Ella und Arthur.«
»Okay.« Die meisten meiner bisherigen Bosse haben mich ohnehin beim Vornamen angesprochen. »Auch im Büro?«
Er nickt. »Auch dort.«
»Aber was werden meine Kollegen sagen?«
»Interessiert es dich so sehr, was andere über dich denken könnten?«
»Es könnte mir beruflich schaden.«
»Ich werde dafür sorgen, dass es dir nicht schadet.«
Das glaube ich ihm. Auf sein Wort ist Verlass. Diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht in den Jahren, seit ich für ihn arbeite. Außerdem ist er eine sehr loyale Person.
Es ist nicht so, als wäre er der Bastard-Boss aus der Hölle ohne irgendwelche positiven Eigenschaften, obwohl er das durchaus sein kann, wenn er will. Er kann verdammt ungeduldig und perfektionistisch sein.
»Vielleicht solltest du das zukünftig mit allen Angestellten so handhaben. Es ist lockerer im Umgang.«
»Ich will keinen lockeren Umgang, Elena.« So, wie er es ausspricht, klingt es wie etwas Verwerfliches. »Ich will eine Freundin, ich meine natürlich eine Fake-Freundin.«
»Ich habe es verstanden. Es war nur ein Vorschlag. Wir sollten ein paar Dinge voneinander wissen, damit das alles glaubhaft wirkt.«
»Darum kümmern wir uns später. Wir müssen jetzt los. Ich ziehe mich nur rasch um.« Er verschwindet in seinem Schlafzimmer.
Wenig später kommt er in seinen dunkelblauen Anzug gekleidet wieder heraus, in dem er einfach umwerfend aussieht, und begleitet mich aus der Wohnung zum Lift, der uns in die Tiefgarage unter dem Gebäude bringt.
»Coole Karre«, sage ich, als wir seinen silbernen Porsche Taycan Turbo S erreichen und er mir galant die Autotür aufhält.
Er grinst zufrieden wie eine Katze, die soeben einen Fisch verspeist hat. »Ja, nicht wahr? Wenn du weiterhin so fleißig arbeitest und viele Überstunden machst, kann ich mir bald noch eine leisten. Natürlich nicht dasselbe Modell, denn das wäre langweilig. Wie wäre es mit dem Pontiac Firebird Trans-Am oder doch lieber einer Corvette Stingray?«
Ich verdrehe die Augen. Muss er immer so arrogant sein? Er macht es mir wirklich nicht leicht … Ständig reizt er mich zu Gewaltfantasien.
Ganz am Anfang, als ich für ihn zu arbeiten begann, hatte ich noch ganz andere Fantasien über ihn. Immerhin ist er ein ungeheuer gut aussehender Mann mit einer unglaublich sexy Stimme. Er ist wirklich genau mein Typ. Wäre er nicht so anmaßend, könnte ich tatsächlich auf ihn stehen.
Aber er schafft es immer wieder, dass ich kurz davor stehe, ihn erwürgen zu wollen. Das scheint ein Talent von ihm zu sein. Ich glaube, er macht das mit Absicht und hat Spaß dabei. Das würde mich nicht wundern.
Als ich ihm einen Seitenblick zuwerfe, sehe ich, dass er vor sich hin grinst. Er macht das extra. Er reizt mich, weil es ihm Spaß bereitet, mir eine Reaktion zu entlocken.
»Du machst das extra, nicht wahr?«, frage ich.
»Was mache ich extra?«
»Du reizt mich, um mir eine Reaktion zu entlocken!«
Er schenkt mir ein scheinheiliges Lächeln, das jedoch seine Augen nicht erreicht, in denen Besorgnis zu erkennen ist. Es ist offensichtlich, dass er sich um seine Oma Sorgen macht. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Oh doch, das weißt du sehr wohl. Ich bin übrigens für einen Volvo.« Ich will ihn damit aufziehen. Wenn er mich ärgert, kann ich das mit ihm auch tun …
Verständnislos blickt er mich an. »Einen Volvo?«
»Ja, einen Volvo XC40. Du hast mich schließlich danach gefragt. Jetzt, da du eine feste Freundin hast, sollte dein nächstes Auto eine potenzielle Familienkutsche sein.«
Er grinst. »Nur weil man eine Freundin hat, heißt das nicht, dass man keinen Sportwagen mehr fahren darf. Mein Porsche ist außerdem eine Familienkutsche. Er hat immerhin vier Sitze.«
Lachend schüttle ich den Kopf. »Wenn du das so siehst.«
»Natürlich sehe ich das so. Ich glaube, ich nehme den Firebird. Doch in welcher Farbe?« Nachdenklich kratzt er sich am Kinn. »Schwarz, Kobaltblau oder doch lieber Rot? Was meinst du als meine Fake-Freundin?«
Was habe ich gesagt? Er will mich provozieren.
Aber dieses Spiel beherrsche ich genauso gut wie er.
Ich schenke ihm ein Lächeln. »Vielleicht wäre Schlampenabschleppwagen-Rot genau die richtige Farbe für dich.«
Noch bevor ich darüber nachdenken kann, ob ich diesmal mit meinem losen Mundwerk zu weit gegangen bin – obwohl ich der Ansicht bin, dass er diese Reaktion provoziert hat –, wirft er lachend den Kopf in den Nacken. »Touché. Obwohl ich das wirklich nicht nötig habe, muss ich zugeben, dass das wirklich eine gewisse Art von Frauen anzieht.
Ein paar Freunde von mir haben sogar einen Test gemacht, indem sie den Schlüssel für meinen Porsche in diversen Bars nach einiger Zeit auf den Tisch vor sich gelegt haben. Sie haben großes Interesse seitens einiger Frauen festgestellt, das zuvor eindeutig nicht vorhanden war. Setz dich.«
Ich lasse mich auf den teuren Sitz gleiten. Der Duft nach Leder, Mann und seinem teuren Eau de Toilette umfängt mich.
Weston schließt die Tür und geht um das Fahrzeug herum, um einzusteigen. Er startet den Porsche und navigiert ihn gekonnt zum Ausgang, den er mit seiner Fernsteuerung öffnet.
Ich blicke ihn von der Seite an. »Was sage ich deinen Eltern, wenn sie mich nach meinem Job fragen?«
»Die Wahrheit.«
»Die werden sie uns nicht glauben.