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Alles kannst du im Leben erreichen, du musst es nur wollen, oder topmotiviert konsequent die gesteckten Ziele verfolgen. Das sind gerne gebrauchte Worthülsen von Motivations-Coaches und sogenannten Lebensberatern. Du musst nur unerschütterlich an eine Sache glauben, möchten sie uns weismachen. Mit dem realen Dasein, dem echten Leben hat das selten etwas zu tun, wenngleich Selbstmotivation durchaus nützlich sein kann. Was ist aber, wenn das Schicksal die Weichen anders stellt, wenn die raue Wirklichkeit des Lebens brutal zuschlägt und am Ende kein Ausweg mehr erkennbar ist? Mit den Protagonisten dieser Fiktion hat es das Schicksal am Ende nicht gut gemeint. Die Handlung basiert auf der Grundlage eines bis heute nicht abgeschlossenen Kriminalfalles. Sämtliche Handlungsorte und alle geschilderten Ereignisse sind jedoch frei erfunden und eventuelle Übereinstimmungen wären rein zufällig.
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Seitenzahl: 206
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Prolog
1 Hochzeit im Mai
2 Nachgeholte Flitterwochen
3 Ein Sohn wird geboren
4 Erste dunkle Wolken ziehen auf
5 Kevin kommt in die Schule
6 Der Eklat
7 Wie soll es weitergehen?
8 Arno kann‘s nicht lassen
9 Unerwarteter Zwischenfall
10 Erneuter Rückfall in die Krankheit
11 Die Lage spitzt sich zu
12 Die Trennung wird vollzogen
13 Das Verhängnis nimmt seinen Lauf
14 Die Suchmaschinerie läuft an
15 Eine erste Spur
Epilog
Alles kannst du im Leben erreichen, du musst es nur wollen und topmotiviert die gesteckten Ziele verfolgen.
Das sind gerne gebrauchte Worthülsen von Motivations-Coaches und sogenannten Lebensberatern. Du musst nur unerschütterlich an eine Sache glauben, möchten sie uns weismachen. Mit dem realen Dasein im wirklichen Leben und grauen Alltag hat das selten etwas zu tun, wenngleich Selbstmotivation durchaus nützlich sein kann. Was ist aber, wenn das Schicksal die Weichen anders stellt, wenn die raue Wirklichkeit des Lebens brutal zuschlägt und am Ende kein Ausweg mehr erkennbar ist? Mit den Protagonisten dieser Fiktion hat es das Schicksal am Ende nicht gut gemeint.
Die Handlung basiert auf der Grundlage eines bis heute nicht abgeschlossenen Kriminalfalles. Sämtliche Handlungsorte und alle geschilderten Ereignisse sind jedoch frei erfunden und eventuelle Übereinstimmungen wären rein zufällig. Außer dem weitläufigen Waldgebiet rund um die Bühlerhöhe, und auch der besuchten und erwähnten Urlaubsregionen, sind alle Abläufe, Personen und Schilderungen frei erfunden und haben so nichts mit den tatsächlichen Geschehnissen zu tun. Der tatsächliche Hergang ist in seinen Einzelheiten bis heute auch nicht bekannt und wird - so traurig es ist - wahrscheinlich für immer im Dunkeln verbleiben.
Ein sonnig-warmer Frühlingstag lag über dem Ort und den Rebhängen östlich von Weingarten, einer kleinen Stadt am Rande des Kraichgaues und im Rheintal nahe Karlsruhe. Die Sonnenstrahlen fluteten über die erwachende Natur und die zeigte sich im explodierenden Aufbruch, Vogelgezwitscher erfüllte die Luft und die Bäume trieben ihr erstes lindes Grün. Von der katholischen Kirche St. Michael läuteten währenddessen die Kirchenglocken zur Hochzeit von Arno Koch und Christel, geborene Frank. Mit anwesend waren neben den Familien des Paares viele gute Freunde und Bekannte aus den Vereinen, der Nachbarschaft oder den Arbeitsplätzen der Brautleute. Man kannte sich im beschaulichen Städtchen und beteiligte sich gerne, wenn es irgendwo etwas zu feiern gab.
Die standesamtliche Eheschließung hatte schon tags zuvor im schönen Ambiente und stilvollen Trauzimmer des Ettlinger Schloss 1) stattgefunden und man hatte danach dort im familiären Kreis auch das Mittagessen in einem rustikalen Lokal in der Fußgängerzone eingenommen. Dem folgte Spätnachmittags ein ausgelassener Polterabend, den die vielen Freunde und auch einige Arbeitskollegen des Paares ausrichteten. Dutzende Luftballons schwebten gen Himmel und sollten Glück verheißen, Sekt und Zwetschgenwasser trugen zur Hebung der fröhlichen Stimmung bei. Trotz dem bevorstehenden, erwartet anstrengenden Tag, wurde es für das Brautpaar ein langer Abend und eine kurze Nacht.
Das nahmen sie in Kauf, oder man hätte auch sagen können, es war der gewisse Reiz, es gehörte zu einem grandiosen Fest dazu, an das man sich später gerne noch erinnern wollte. Also egal, „wir heiraten nur einmal“, meinten die Brautleute und nahmen es locker. Außerdem war man jung, so richtig im Saft und konnte etwas vertragen. Da durfte man durchaus ruhig einmal ordentlich über die Stränge schlagen.
Die kirchliche Trauung in der Heimatstadt, in der beide geboren und aufgewachsen sind, fand am 18. Mai 1994 früh nachmittags satt. Glücklich gaben sie sich auf die Frage des Pfarrers das Ja-Wort, streiften die Ringe über und durften sich küssen. Vor der Kirche wurden sie von Schulkameraden überrascht, die Rosenblätter auf den Weg streuten und über die Köpfe Reis - zum Zeichen des Glücks; Bergkameraden von Arno standen mit über dem Kopf gekreuzten Eispickeln Spalier. Sekt stand bereit, mit dem alle auf eine harmonische Ehe anstoßen durften und das Paar hochleben ließen. Der Sekt war auch dem Hochzeitspaar sehr willkommen, denn er regte den Kreislauf ein wenig an. Trotz Adrenalin - der Besonderheit des Ereignisses geschuldet - machten sich die Folgen des vorangegangenen Abends in der Kirche bemerkbar und Gähnen war doch ein wenig peinlich.
Die Hochzeitsgäste überhäuften das frisch getraute Ehepaar mit Geschenken und guten Wünschen. Nach der Zeremonie in der Kirche fuhren Hochzeitpaar und Gäste mit Autos in einer langen Karawane und laut hupend zum Walk’schen Haus 2). Dort im renommierten Haus und feinen Ambiente schlossen sich ein Festessen und eine ausgelassene Feier mit rund 100 Gästen an.
Das wurde ein rundum gelungenes Fest, an das sich die Beteiligten noch lange gerne erinnerten. Ein Musiker-Trio spielte zum Tanz auf und beim dargebotenen Repertoire blieben wahrlich keine Wünsche offen. Gekonnt ging das Trio auf Vorschläge der Gäste ein. Gelungene, fernsehreife Vorträge und Sketche gestalteten den langen Abend unterhaltsam und kurzweilig. Lacher gab es, wenn das Hochzeitspaar mit eingebunden war und kniffelige Aufgaben meistern musste. Zwischendrin wurde mit viel Hallo der Hochzeitskuchen angeschnitten und verteilt und die hübschen Bedienungen kamen kaum hinterher, den Gästen stets die Gläser wieder aufzufüllen.
Beim 5-gängigen Menü im Gourmet-Restaurant fehlte es an nichts; die Speisen wurden dem guten Ruf des Hauses voll gerecht. Abgerundet wurde das üppige Menü mit Sekt und erlesenen Weinen aus der Weinheimer Winzergenossenschaft, dazu gab es Bier vom Fass, Mineralwasser und andere Getränke, sowie edle Schnäpse. „Last but not least“, ein feiner Cognac durfte als aromatischer Digestif zum krönenden Abschluss auch nicht fehlen. Für jeden war etwas dabei und die Gourmets kamen voll auf ihre Kosten. Selbst die ansonsten kritischen Gäste zeigten sich hinterher sehr zufrieden und später bemerkte der Gastvater Ernst Koch:
„Die Badener sind gleich die Schwaben. Deren Motto lautet: Me glaubt gar nit, was in ein neigeht, wem'r iglade isch!“ (Man glaubt gar nicht, was man essen kann, wenn man eingeladen ist). Oder andere sagen - im Blick auf die opulenten Gaumenfreuden: „Wenn d'Buggl doch bloß au no Ranze wär“ (Wenn der Buckel doch auch noch Bauch wäre).
Taufrisch war das Hochzeitspaar in ihrer Beziehung längst nicht mehr; sie lebten schon drei Jahre zusammen, zeigten sich aber „verliebt wie am ersten Tag“ und schienen sich gesucht und gefunden zu haben.
„Sie geben sich wie die Turteltauben“, hörte man im Umfeld mit ein wenig Neid in der Stimme sagen.
Vor zwei Jahren zogen sie in das von Arno mit viel Eigenleistung und - im wahrsten Sinne des biblischen Wortes - „im Schweiße des Angesichtes“ im Neubaugebiet der Stadt errichtetes Einfamilienhaus ein. Mindestens ein Jahr gab es für ihn noch zu tun, bis alles einigermaßen so war, wie sie sich das wünschten und das Traumhaus vorstellten. Der Außenbereich wartete zum Schluss noch auf Vollendung in der Anlage und Gestaltung und das machte viel und körperlich harte Arbeit.
Bei diesem Tun durfte Arno regelmäßig auf die Mithilfe mehrerer handwerklich sehr geschickten Freunde rechnen, die er aus den Vereinen und vom Sport her kannte. Sie halfen ihm gerne nach Feierabend oder an Samstag einige Stunden mit und noch wichtiger war, sie gaben gute Tipps mit fachmännischem Rat, so wie es eben in einer kleinen Stadt in dem sich jeder kennt Sitte ist. Traditionell hilft man sich da gegenseitig seit eh und eh.
Sämtliche Ersparnisse der beiden sind in den Bau eingeflossen und zusätzlich hatte Ernst Koch, der Vater von Arno, 50.000 Mark beigesteuert. Unter Einbeziehung aller Eigenleistungen war man in der glücklichen Lage solide und großzügig zu bauen. Die restliche Finanzierung lief über die örtliche Sparkasse und das war okay, es war einfach und ist unkompliziert abgewickelt worden.
Eine moderne Einbauküche hatten sie gleich mit eingeplant, mitfinanziert und einbauen lassen. Für die übrige, komfortable Einrichtung brachte Christel Geld mit ein. Der Dispositionskreditrahmen ihrer Konten wurde auch voll in Anspruch genommen. Auf diese Weise gelang es - mit Klimmzügen und gemeinsamer Anstrengung - sich ein schönes, wohnliches Heim einzurichten. Nachdem sie eingezogen waren, gaben sie ein großes Einweihungsfest, zu dem Arno und Christel die Familien und alle am Bau Beteiligten einluden und um sich scharten. Von allen Seiten erhielten sie Glückwünsche zum gelungenen Werk und natürlich waren beide sehr stolz.
Zum Haus gehörte ein nicht allzu großes Gartengelände, das aber genügend Platz zum Sitzen und Grillen bot. Die eine Hälfte wird seither für ein wenig Gemüseanbau genutzt. Für ihre Verhältnisse schien das Anwesen perfekt; nicht zu groß und doch mit ausreichender Bewegungsfreiheit und Komfort in einer sehr schönen Wohnlage.
Zur Hochzeit hatten sie sich Geschenke in Form von Geld- spenden von der großen Familie, Verwandtschaft und dem Freundeskreis gewünscht - und das wurde weitgehend befolgt. Auf diese Weise kam eine erkleckliche Summe zusammen, die für eine Sondertilgung beim Haus diente und für den Kauf von Kleinigkeiten, die bei der Einrichtung bisher noch fehlten.
Die Kosten der Hochzeitsfeier mit allem drum herum hatten die jeweiligen Eltern hälftig übernommen. Sie teilten alles, so dass daraus dem neuvermählten Ehepaar keine weiteren Ausgaben entstanden sind. Das war für die beiden Gründe genug, vollkommen glücklich zu sein und sie schwelgten tagelang im Honeymoon.
Eine Hochzeitsreise hatte man sich gespart und für später vorgenommen. Stattdessen machten sie eine Woche Urlaub zu Hause und zwei schöne Tage verbrachten sie im Badespaß am Baggersee in der Nähe von Karlsruhe. Zu diesem konnten sie bequem mit dem Fahrrad radeln. Zwischendurch wanderten sie bei Halbtagestouren zum Michaelsberg in Untergrombach oder zum Wartturm in Weingarten und ließen es sich allgemein gut ergehen.
Der Michaelsberg 3) hatte es ihnen schon seit der Jugendzeit angetan und somit sah man sie in der Vergangenheit schon öfters da. Grund ist, es ist nicht nur ein Ort mit fantastischer Aussicht in das Rheintal, hinüber zum Pfälzer Wald und den Vogesen, sondern es ist auch ein magischer Ort, dem eine besondere Energie zugesprochen wird. Die Siedlungsgeschichte lässt sich bis ins 5. und 4. Jahrhundert vor Christus verfolgen. Anziehungspunkt für verliebte junge Leute ist der „Kindlesbrunnen“. Der Sage nach wurden alle neugeborenen Untergrombacher erst vom Klapperstorch aus diesem Brunnen geholt und selbstverständlich treiben junge Leute mit dieser Geschichte ihren Spaß. Das ist aber nicht alles. Ein Café und Restaurant lädt zu Kaffee und Kuchen ein, es gibt Weizenbier oder badischen Wein oder man bleibt gleich zum Essen.
Eine weithin gute Weitsicht bietet dem Wanderer ebenfalls der Wartturm oberhalb der Stadt und mit freier Sicht auf den Stadtkern. Besonders auffallend sind von da die beiden in Nachbarschaft und in schöner Eintracht stehenden Gebäude zu sehen, der katholischen und evangelischen Kirche; sozusagen Eingang an Eingang.
Solche Spaziergänge boten ihnen eine willkommene Abwechslung und waren sie ihnen vorerst Erholung und Freizeitaktivität genug. Zudem war noch Mai, „wo der Spargel sprießt“, wie man zu sagen pflegte. An den frühlingshaften Tagen stiegen die Hormone und als frisch getrautes Ehepaar durften sie ungeniert - unabhängig von der Tageszeit - die körperlichen Freuden in vollen Zügen genießen - und das taten sie mit Ausdauer und großem Vergnügen.
Der jetzt frisch vermählte Ehemann ließ sich als ein Typ beschreiben, der bei den Frauen gut ankam. Mit 1,86 Meter war er eine stattliche Erscheinung, sportlich und drahtig. In den letzten Jahren hatte er, lange schon bevor er Christel kennenlernte und mit ihr eine Liaison einging, wechselnde Bekanntschaften mit Mädchen aus der Stadt und dem weiteren Umfeld. Etwa Gleichaltrige aus dem Sportverein gehörten dazu. Diverse junge Damen lernte er in Diskotheken kennen oder einfach auf irgendwelchen Festen und geselligen Ereignissen in der weiten heimatlichen Umgebung. Ein Kostverächter war er nie, nein wirklich nicht und man schätzte ihn zudem als kurzweilig-unterhaltsamen, witzigen Plauderer. Zudem konnte er ausgesprochen charmant sein, wenn er wollte oder bestimmte Ziele damit verfolgte. Nur seine Kolleginnen vom Arbeitsplatz waren für ihn ein Tabu, da wollte er aus grundsätzlicher Erwägung keinerlei Risiken eingehen.
Kurzum, Arno kam beim anderen Geschlecht blendend an. Allein sein Lachen erwärmte das Herz vieler Frauen. Engere Verbindungen hielten aber meistens nicht sehr lange; wurden nach kurzer Zeit oder nach wenigen Monaten wieder gelöst. Eine feste Bindung hatte sich somit bisher nie ergeben, bis er schließlich Christel kennenlernen konnte.
Sie sind zufällig an einem späten Sonntagnachmittag im Weingut Zorn, der Besenwirtschaft Guggugsneschtin im benachbarten Neuenbürg aufeinandergestoßen. Das Mädchen war mit drei lachenden und schäkernden Freundinnen dort aufgetaucht, während er nach einer Runde mit dem Fahrrad seinen Flüssigkeitspegel auffüllen wollte. Sie ist ihm sofort angenehm aufgefallen und hatte sie schon eine Weile heimlich beobachtet, so nach dem Motto:
„Sie guckt ob i guck, aber i guck net. Ich guck ob sie guckt, aber sie guckt net, aber irgendwie habe mer uns gucke g’seh.“ Also, es trafen sich doch ihre Blicke und der erste Austausch folgte verbal.
Er tat so, als ob er sich die Füße vertreten wollte und begab sich langsam nach draußen. Es dauerte nicht lange und sie stand in seiner Nähe und rauchte eine Zigarette und so kamen sie nebenbei locker ins Gespräch. Er sparte nicht mit Komplimenten, ja er wuchs als Charmeur wieder einmal geradezu über sich hinaus.
„Worum hocksch denn so e’leinig do rum?“, wollte sie wissen, „kumm doch zu uns on unseren Disch“, fügte sie an.
„Ja was isch was und wenn ja warum, nein, um Himmels Willen, bei dir sitzt mir zu viel geballte Frauenpower“, wehrte er ab, lies sich dann aber doch überreden und so kamen sie in der Runde schnell in eine fröhliche und witzige Unterhaltung.
„Du bist ein Schwerenöter, gell“, sagte sie ihm gleich zu Anfang.
„Wie vielen Frauen hast du schon das Herz gebrochen, heh, sei ehrlich, du Lumbeseggl du liedriger (durchtriebener Mensch)“, fügte sie süffisant lächelnd hinzu, ohne wirklich eine ehrliche Antwort zu erwarten.
„Der Kenner genießt und schweigt“, gab er ihr zur Antwort. Bevor man auseinanderging, hatte Arno und Christel aber die Telefonnummern ausgetauscht und ein Treffen in den nächsten Tagen ins Auge gefasst.
Während der Kinder- und Jugendzeit hatte Arno Koch Fußball gespielt und er war Mitglied der Fußballvereinigung Weingarten 1906. Für diesen Verein spielte er einst bei den C 1 und C 2-Junioren, bis er wegen Schule und später im Studium dafür nicht mehr genügend Zeit frei machen konnte. Später war das Interesse für aktiven Fußball vorbei, als Zuschauer blieb er aber ein eingefleischter Fan des KSC und da lag es nahe, dass er sich auch manches Spiel direkt vor Ort im Wildpark-Stadion - in der badischen Residenzstadt - angeschaut hat.
Die Fitness ist ihm erhalten geblieben und das kam nicht von ungefähr, er tat auch einiges dafür. Gerne nützte er seine Freizeit und fuhr mit dem Bike kreuz und quer durch die Region oder er wanderte gerne im Nordschwarzwald, in der Pfalz, durch die dichten Wälder und über Höhen der nördlichen Vogesen, wo manche Ruine von Burgen und Schlösser gezielte Anlauf- oder Orientierungspunkte sind. Dreißig Kilometer und mehr am Tag waren da keine Seltenheit. Oft war er dabei mit Freunden und Bekannten beiderlei Geschlechts unterwegs, doch er hatte auch keinerlei Probleme einmal alleine eine größere Runde zu laufen oder zu radeln.
„Da muss ich nicht so viel reden, ich kann meinen Gedanken nachhängen und der Kopf wird frei“, sagte er auf entsprechende Fragen. Nebenbei war er Mitglied im Alpenverein der DAV Sektion Karlsruhe und nahm zwei oder dreimal im Jahr an mehrtägigen, teils anspruchsvollen Bergtouren teil oder er traf sich mit Gleichgesinnten in der Kletterhalle, aber auch in anderen Fitness-Zentren.
Nach dem Gymnasium und Abitur hatte er Informatik an der Fridericiana in Karlsruhe studiert. Sie ist die älteste Technische Hochschule Deutschlands - heute KIT 4)- und wurde 1972 als erste Informatikfakultät Deutschlands gegründet. Dieses Studium schloss er überdurchschnittlich gut ab und da hatte er schon einen Arbeitsvertrag seines jetzigen Arbeitgebers in der Tasche.
Christel war eine junge hübsche Frau, brünett und gut gebaut, hatte blaue Augen und eine schlanke, aber durchaus gut proportionierte frauliche Figur. Sie übte von Anfang an eine gewisse Ausstrahlung auf Arno aus und zärtlich nannte er sie Chipsi - nach einer witzigen, bayrischen Schauspielerin, die er vom Fernsehen kannte. Der Kosename gefiel ihr, das hörte sie gerne, wenn sie verliebt zusammen waren und ihn nannte sie Tiger - aber englisch ausgesprochen: „Teiger“. „Teiger“, das sollte sich exotischer anhören und in der Tat, Arno wirkte auf Christel sehr exotisch-erotisch; er war vom ersten Augenblick des Kennenlernens ihr Traummann.
Arno begann nach dem Studium in einem Rechenzentrum in Karlsruhe und wurde zum anerkannten IT-Spezialisten auf seinem Gebiet. Hier war er aber auch gerade in dem Jahr, in dem sie heirateten, sehr stark gefordert. Die Entwicklung der Programme für Banken und anderen spezialisierten Unternehmen verlief in jener Zeit auf diesem Gebiet geradezu atemberaubend. In kurzen Zeitabständen ergaben sich Quantensprünge bei der Entwicklung und es war kaum möglich mit dem Wissen auf dem neuesten Stand zu bleiben und Schritt halten zu können. Halbjährlich schienen die Prozessoren und Speichermöglichkeiten im Quadrat zuzunehmen. Das erforderte viele Überstunden und oft musste er auch am Wochenende präsent sein. Häufige Geschäftsreisen innerhalb Deutschlands und gelegentlich ins Ausland gehörten selbstverständlich mit zum vielseitigen Job dazu.
Christel war Verkäuferin im Kaufhaus Schneider in Bruchsal und von ihrer Natur durchaus eine selbstbewusste Dame. Für Tanzen hatte sie ein besonderes Faible - womit wiederum Arno gar nichts am Hut hatte und von dem „Gehopse“, wie er sagte, nichts abgewinnen konnte. Sie hatte für anstrengende sportliche Aktivitäten wenig im Sinn, wobei sie von Natur aus nicht unsportlich schien. Da hielt sie sich aber eher an Winston Churchill, der gesagt haben soll: „No Sports!“ Dafür ging sie lieber ins Kino oder in eine Diskothek und gelegentlich in musikalische Veranstaltungen bekannter Bands, die regelmäßig in Karlsruhe oder Mannheim Vorstellungen gaben. Das Singen liebte sich auch über alles und sie verfügte über eine schöne Stimme, kannte viele Volkslieder, interessierte sich trotzdem in gleicher Weise für die klassische Musik. Manchmal besuchte sie ein Musical oder eine Oper und überdies sah man sie in der Saison mindestens einmal bei den Darbietungen der Volksschauspiele in Ötigheim.
Nach der mittleren Reife hate sie eine kaufmännische Lehre absolviert und mit gutem Ergebnis abgeschlossen. Hinterher blieb sie dem Ausbildungsbetrieb treu. Sie arbeitete weiter, wo sie gelernt hatte, da kannte sie sich aus, da war ihr alles vertraut. Ihr Job war auch wesentlich entspannter, wie der von Arno und sie hatte deutlich mehr Freizeit. Ihr Gehalt ließ sich dementsprechend auch keinesfalls mit dem ihres angetrauten Ehemannes messen.
Die junge Dame hatte auch schon einige Bekanntschaften hinter sich. Sie ist häufiger einmal mit einem Kollegen aus der Firma ausgegangen, oder sie hatte sich mit jungen Männern auf regionalen Festen und bei diversen Feiern getroffen. Berührungsängste waren ihr fremd und sie gewann, wenn sie sollte, schnellen Anschluss. Chipsi verfügte über eine starke Libido und Arno war demzufolge nicht der erste Mann, den sie kennengelernt und geliebt hatte. Etwas Ernsthaftes war vor Arno aber nie dabei. Sie hatte die Abwechslung geliebt und vor der Heirat oder bevor sie Arno kennengelernt hat, nie einem One-Night-Stand abgeneigt gesen; einem unverbindlichen sexuellen Abenteuer. Wie es sich eben ergeben hat. Das war es auch, die Unkompliziertheit in diesen Dingen, was anfangs auf Arno so anziehend wirkte.
„Du bist ein Vamp“, scherzte er und graulte Christel zärtlich hinter dem Ohr, nachdem sie sich wieder einmal heftig amüsiert hatten.
„Kriegst du eigentlich nie genug?“, fügte er später hinzu und gab ihr einen zarten Klaps auf den Po.
„Wenn es nicht heftiger wird, habe ich das gerne“, gab sie zu den Streicheleinheiten ihres Bobbes (Po) zu verstehen.
Blick auf die zwei Kirchen in Nachbarschaft in Weingarten
Der Wartturm
1 ) https://www.ettlingen.de/erleben/sehenswuerdigkeiten/schloss
2 ) https://www.walksches-haus.de/
3 ) https://de.wikipedia.org/wiki/Michaelsberg_(Untergrombach)
4 ) https://www.kit.edu/
In den Anfangsmonaten der Ehe herrschte im Hause der Kochs eitel Sonnenschein. Die Jungvermählten lebten außerhalb der Arbeitszeiten oder was sonst noch unvermeidlich zu tun war, wie die Turteltauben, genossen das Zusammensein und übten sich fleißig im ausdauernden Sex. Langeweile war ein Fremdwort; nur erfüllte Tage und intime Augenblicke. Chipsi hatte in der Tat leichte Anzeichen von Nymphomanie und Arno genoss das in diesen Jahren.
„Du bist ein Vampir, Chipsi und saugst mich voll aus“, flüsterte er ihr mehr wie einmal ins Ohr.
„Fress mich, mein Tiger, komm gib mir‘s“, gab sie zurück und küsste heftig ihren Mann.
„Da fällt mir ein Witz ein“, scherzte Arno; der geht so: „Frau Lehrerin stellte ihren Schülern die Aufgabe die Namen von Blumen mit vier Silben zu benennen. »Vergissmeinnicht« wusste s'Mariele. Schöön lobte die Frau Lehrerin. »Alpenveilchen« nannte d'Lisbeth auch eine. Schöön antwortete die Frau Lehrerin. »Geschlechtsverkehr« rief Fritzchen vorlaut in die Runde. Aber Fritzchen, das ist doch keine Blume. Nein, Frau Lehrerin, aber schöön!“
Sichtlich wohl fühlten sie sich in ihrem neuen Haus und ihrer gemütlich und modern eingerichteten Wohnung. Das gemeinsame Glück schien perfekt zu sein. Dabei gab es da und dort immer noch etwas zu ergänzen, zu verschönern und zu tun. Doch Arno war handwerklich geschickt und konnte vieles selber erledigen. Wenn das da und dort einmal nicht möglich war, hatte er im Freundeskreis immer jemand, der helfen konnte und ihm das gegen ein Bier machte.
Schnell vergingen so die Wochen und Monate. Alles schien nicht nur, es war in bester Ordnung. Beide verbrachten nach der Arbeit und an den Wochenenden so viel Zeit wie möglich miteinander. Sie waren mit den Rädern im Kraichgau oder der Rheinebene unterwegs oder gingen in eine der vielen Besenwirtschaften in der Region. Oft feierten sie irgendwo mit ihren zahlreichen Freunden und zeigten sich dabei auch nach außen hin als ein vertraut-glückliches, perfektes Paar.
Der einzige Wermutstropfen, Arno kam in den ersten Ehejahren zu seinem Leidwesen nicht mehr so oft zu den gewohnten ausgedehnten Wanderungen und noch weniger in die Berge. Besonders vermisste er die Mehrtages-Touren im Alpenraum, ob in Österreich, der Schweiz oder im Allgäu. Dafür war er jetzt mehr mit seiner Frau mit dem Auto oder mit den Fahrrädern unterwegs. Die flachen Wege rund um Karlsruhe und in der Rheinebene boten sich dafür ideal an. Sie befuhren unter anderem den deutsch-französischen Pamina-Radweg durch die Pfalz und das Elsass, dann bei Seltz über den Rhein oder an anderen Übergängen auf die deutsche Seite wieder zurück. Gerade für Christel stellte das schon öfters eine ziemliche Herausforderung dar, wenn der Tacho 120 Tageskilometer zählte, und ihr hübscher Popo tat ihr weh. Zum Glück fand sich immer wieder ein einladendes Dörfchen am Weg und dort eine Einkehrmöglichkeit. Während der Stärkung und wenn der Flüssigkeitsspiegel aufgefüllt werden musste, konnten sich der Allerwerteste und die Muskeln etwas erholen. Lästig war nur, wenn sie unterwegs einmal in einen Gewitterregen kamen oder auf der Strecke zu heftig der Gegenwind ins Gesicht blies. Zuhause war das aber schnell vergessen und nur die durchmachten Erlebnisse zählten in der Erinnerung noch.
Natürlich waren sie oft auch auf kürzeren Strecken vor der Haustüre unterwegs, sie fuhren nach Bruchsal und im hügeligen Kraichgau nach Bretten oder in andere Orte. Freude bereitete hinterher der Einkehrschwung in einer der schon erwähnten, urigen Besenwirtschaften, von denen es in jedem Dorf oder Städtchen mehrere gibt. Irgendwo hatte immer mindestens eine geöffnet und sie trafen meist auf ein volles Haus.
Dort sitzt man eng zusammen, schlozzt (trinkt) Wein oder ein Schorle vom Haus, vespert deftige Gerichte aus eigener Herstellung und verwöhnt so seinen Gaumen und die Sinne. Dabei wird geratscht und getratscht, da hat man seinen Spaß, es werden nette oder frivole Witze erzählt und gerne nehmen die Badener die Schwaben aufs Korn.
Ein Lieblingswitz von Arno, den er gerne zum Besten gab ging so: „Ein Ehepaar aus Norddeutschland läuft bei Tübingen durch einen Wingert (Weinberg). Kommt der Gôg (mundartlich-schwäbische Bezeichnung für einen Winzer - oder Wengerder aus Tübingen) vorbei und schreit: ‚Wenn'er nit mochet, dass'r us mim Wingert naus kommt, schlag i ihna d'Haxe ab, dass'r uf de Stumpe hoimlaufe könnt‘. (Wenn ihr nicht aus meinem Weinberg raus geht, schlage ich euch die Beine ab, dann könnt ihr auf den Stümpfen heimlaufen). ‚Entschuldigung, taten erschrocken die Norddeutschen: Wir wussten nicht, dass wir hier nicht gehen dürfen‘. Antwortet der Wengerder seelenruhig: ‚Deshalb sag' is ihna au im Guede.“ (Deshalb sag ich es ihnen auch im Guten).
Schallendes Gelächter in der geselligen Runde quittierte den Vortrag und wieder wurde eine Runde Williams spendiert.
„Ja, ja, die Schwaben haben eine derbe Sprache, aber ein weiches Herz. Die muss einer erst verstehen können, dann muss man sie lieben“, warf einer klug ein.
Die Heimfahrt fiel nach solchen Unterbrechungen nicht selten schwer, denn der Alkohol ging massiv in die Beine und es dauerte zwei, drei Kilometer, bis der richtige Rhythmus wieder gefunden war. Doch bis zum Nachhausekommen war er wieder verdunstet.
Um mit den Freunden beider Seiten in Kontakt zu bleiben, luden die Kochs im Sommer mehrmals den engeren Kreis zu einem Grillfest in den Garten ihres Hauses ein und sie hatten durchweg Glück mit dem Wetter. Die lauen Sommerabende trugen zum guten Gelingen solcher Feste bei und Arno übte sich, ein guter Grillmeister zu sein.
„Ihr habt es wirklich schön und gemütlich. So ein Haus wünsche ich mir auch. Ihr seid zu beneiden.“ Solches Lob hörten sie gerne und es machte sie stolz und glücklich.