Ein Kater rettet das Weihnachtsfest - Uwe Goeritz - E-Book

Ein Kater rettet das Weihnachtsfest E-Book

Uwe Goeritz

0,0

Beschreibung

Altersempfehlung: ab 16 Jahre Ihr ganzes Leben scheint in Scherben gebrochen zu sein. Kurz vor Weihnachten sitzt Karo in ihrer Wohnung und heult sich ihre Seele aus dem Leib. Alles kommt ihr so sinnlos vor. Doch dann klopft ein kleiner Kater an ihr Fenster und wirbelt ihr ganzes Dasein durcheinander. Wird es vielleicht doch noch ein schönes Weihnachtsfest für die junge Frau?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 209

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Ein Kater rettet das Weihnachtsfest

Ein unerwarteter Besucher

Schmerzlicher Verlust

Katzenjammer

Nachtgedanken

Zwei Männer

Ein Traum aus Seide

Spurensuche

Traumfrauen und Frauenträume

Ohne Zweifel?

Zimtsterne und Schmiermittel

Entscheidungen

Frohe Kunde

Wege über das Land

Wiedersehensfreude

Tee oder Wein?

Vergleiche

Gedanken in der Nacht

Ein Schmetterling im Winter

Ein schwerer Heimweg

Der Baum der Bäume

Weihnachtserinnerungen

Überraschung!

Eine Reise ins Nirgendwo?

Nächtlicher Besuch

Schneetreiben

Ein großer Fehler?

Südliche Wege

Schatten der Erinnerung

Drohendes Ungemach

Schwere Fragen, schwere Antworten

Oh Susi!

Erlöst

Vorbereitungen für das Fest

Eine schöne Bescherung

Ein geflügelter Botschafter

Frohe Weihnachten

Ein Kater rettet das Weihnachtsfest

Ihr ganzes Leben scheint in Scherben gebrochen zu sein. Kurz vor Weihnachten sitzt Karo in ihrer Wohnung und heult sich ihre Seele aus dem Leib. Alles kommt ihr so sinnlos vor. Doch dann klopft ein kleiner Kater an ihr Fenster und wirbelt ihr ganzes Dasein durcheinander.

Wird es vielleicht doch noch ein schönes Weihnachtsfest für die junge Frau?

Sämtliche Figuren, Firmen und Ereignisse dieser Erzählung sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, ob lebend oder tot, ist rein zufällig und vom Autor nicht beabsichtigt.

1. Kapitel

Ein unerwarteter Besucher

Durch den Schleier ihrer Tränen sah sie die Uhr an der Wand gegenüber. Es ging auf acht Uhr abends und damit saß sie schon mehr wie einen halben Tag hier auf dem Sofa und heulte sich die Seele aus dem Leib. Der Berg an Taschentüchern hatte sich schon von dem kleinen Tisch auf den Fußboden ringsum verteilt. Karoline, oder kurz Karo, wie sie alle nannten, sah zur Seite und der kleine Engel neben ihr schien sie auszulachen. Sie griff sich die Porzellanfigur und holte aus, doch noch bevor sie die kleine Gestalt an die gegenüberliegende Wand schmettern konnte, ließ sie sie wieder sinken.

Was konnte der Engel schon dafür, dass Siglinde ihn ihr geschenkt hatte. Ein Jahr war das nun her. Zum letzten Weihnachtsfest und bis zum Tag zuvor hatte sie noch gedacht, dass Siglinde ihre beste Freundin war, der sie alles erzählen konnte und die auch alles verstehen würde. Doch dann war der Schock nur noch viel größer gewesen, als sie am Abend zuvor in die Wohnung gekommen war. Bei einer Dienstreise hatte sie sich extra beeilt, um so schnell wie möglich wieder zu Hause zu sein. Damit wollte sie ihren Freund überraschen, doch am Ende war sie selbst die Überraschte.

Sie hatte Siglinde mit ihrem Freund im Bett erwischt! Kurzerhand hatte sie die Beiden einfach aus der Wohnung geworfen und ihnen nicht mal die Zeit gelassen, sich anzuziehen. Nach einer schlaflosen Nacht der Tränen hatte sie am Morgen dann den kompletten Besitz ihres Freundes, den dieser in ihrer Wohnung gelassen hatte, in einen Wutanfall aus dem Fenster in den Innenhof geworfen. Das Radio war in tausend Teile zerschellt, als es auf die kleine Mauer geprallt war, die den Hof von der Blumenrabatte trennte. Die Kleidung hatte die Trümmer dann zugedeckt. Das hatte gut getan und sie hatte noch kurz hinunter gesehen. Sollte er doch sehen, wie er seine Sachen wieder trocken bekam, denn es schneite schon den ganzen Tag.

Karo setzte das kleine Engelchen vorsichtig wieder auf seinen Platz und ging zum Schrank. Da mussten doch noch irgendwo Taschentücher sein. Alle Fächer durchwühlte sie, fand aber keine mehr. Schließlich holte sie sich eine Rolle Küchenpapier und setzte sich zurück auf das Sofa, doch die Suche hatte nun ihre Tränen getrocknet. Die Wut über den untreuen Freund hatte die Trauer vertrieben. Eigentlich wollten sie ja in der nächsten Woche in die Berge fahren und dort Ski laufen, aber da konnte er ja Siglinde mitnehmen.

Wütend räumte sie die Taschentücher in einen großen blauen Plastiksack und stellte diesen in den Flur. Was nun? Ihr Blick fiel auf den Kalender neben dem Spiegel. Heute war der erste Advent! Das würde in diesem Jahr ein tolles Weihnachtsfest werden! Keine Freundin, kein Freund. Niemand, der mit ihr feiern würde. Und Ferien waren auch noch. Die junge Frau hatte sich extra ihren ganzen Urlaub für den Dezember aufgespart! Und nun? Es klingelte und Karo öffnete im Reflex die Tür, ohne wirklich daran zu denken, wie sie wohl im Moment gerade aussah. Siglinde stand vor der Tür und versuchte eine Entschuldigung, aber die kam eher halbherzig bei ihr an. Der ehemaligen Freundin tat es offensichtlich nur leid, dass sie erwischt worden war. Wortlos drückte Karo der Frau den blauen Sack in die Hand und knallte die Tür vor ihrer Nase zu. Sollte sie sich doch ihre Entschuldigung sonst wohin stecken!

Ein neuer Blick auf den Kalender. Was sollte sie mit der freien Zeit anfangen? Da stand sie nun im Flur und sah zur Stube hinein. Nur hier sitzen und warten, dass der Dezember endlich rum war, das kam ihr so sinnlos vor. Vielleicht sollte sie selbst in den Urlaub fahren? Oder fliegen? Weit weg von den Gedanken an Weihnachten. Das wäre es doch! Karo setzte den Wasserkocher auf und machte sich einen Tee. Während das Wasser im Kocher langsam zum Sieden kam überlegte sie weiter, wo sie hinfahren sollte. Wo wollte sie schon immer mal hin? Früher, mit den Eltern, war sie immer in Griechenland gewesen. Auch Portugal hatte sie vor Jahren einmal besucht. Das war das letzte Jahr ihrer Schulzeit gewesen. Über die Schule gingen die Gedanken zu ihrem Freund.

„Verdammt.“ rief Karo und schlug mit der Faust auf den Küchentisch. Das hätte ihr Jahr werden sollen! Sie hatte die neue Arbeit gefunden, eine neue Wohnung bezogen und ihr Freund, oder nun besser Ex-Freund, hatte ihr im Sommer nach drei Jahren endlich einen Heiratsantrag gemacht.

Alles hatte bis zum Tag zuvor noch so rosig ausgesehen und nun stand sie vor einem Scherbenberg. Die Eltern wohnten am anderen Ende des Landes. Bis gerade eben hatte sie das noch toll gefunden und nun? Sollte sie die Beiden vielleicht besuchen? Oder doch lieber die Idee vom Wegfliegen weiter verfolgen?

Vorsichtig angelte sie mit spitzen Fingern den Teebeutel aus der Tasse und schlurfte zum Sofa zurück. Laptop oder Telefon? Wofür sollte sie sich entscheiden? Karo sah zum Fenster und der Schnee lag auf dem Fensterbrett. Die Eltern wohnten im Gebirge und da würde sie jeden Tag an das kommende Weihnachtsfest denken müssen. Daran, dass sie nun alleine war und was sollte sie den Eltern sagen? Vor einer Woche hatte sie noch der Mutter am Telefon erzählt, was für ein toller Mann ihr Freund war. Also doch der Urlaub im Süden! Karo zog sich den Computer auf die Knie und klappte ihn auf. Erwartungsfroh blinkte der Mauszeiger und lauerte auf ihre Suchanfrage.

Wohin? Griechenland? Portugal? Ägypten? Hauptsache in den Süden und kein Schnee! In Ägypten würden sie sicher kein Weihnachten feiern! Also war das wohl das beste Ziel für jemanden, der vor dem Fest flüchten wollte.

Gerade hatte sie die Anfrage eingetippt und wartete auf die Anzeige, als es hinter ihr am Fenster kratzte. Die Wohnung war hier im dritten Stock! Wer konnte denn da draußen sein? Karo schob den Computer auf den Tisch und ging zum Fenster. Es war schon dunkel, aber sie sah eine Bewegung dort im Schnee.

Vorsichtig öffnete sie das Fenster und sah ein kleines Kätzchen dort sitzen. Völlig verfroren, schmutzig und mauzend. „Du siehst so aus, wie ich mich fühle.“ sagte Karo und hob das kleine graue Fellbündel an. „Wo kommst du denn her?“ fragte sie und sah hinaus. Der nächste Baum war mehr als zwei Meter entfernt und einen anderen Weg gab es hierher nicht. Der kleine Stubentiger musste wohl diese Strecke gesprungen sein.

Sie schloss das Fenster mit einer Hand und hielt den Kater in der anderen. „Und du stinkst!“ sagte die Frau, als sie das Tier ansah. Jetzt hielt sie es so weit wie möglich von sich fort und überlegte, wie sie das Tier wohl wieder sauber bekam. Karo dachte an Hexi, ihre erste Katze, die sie als kleines Mädchen im Hause der Eltern gehabt hatte. Die war so unheimlich wasserscheu gewesen, das sie da nicht mal mit einem Lappen in die Nähe kommen dufte, aber bei diesem Tier hier, da würde wohl alles andere nichts nutzen.

So konnte der kleine Gast jedenfalls nicht bei ihr bleiben. Zuerst musste er sauber werden, über den Rest konnte sie sich dann später auch noch Gedanken machen. Das kleine Fellbündel weit vor sich her haltend, ging Karo mit ihm in das Bad. Einen Versuch war es sicher wert!

2. Kapitel

Schmerzlicher Verlust

S ofie saß vor dem leeren Katzenkorb und fragte laut „Strolchi, wo bist du nur.“ Doch sie erhielt auch an diesem Abend nicht die erhoffte Antwort. Kein Schnurren, kein aus dem Korb springen. Nichts! Die elfjährige zog die Spielzeugmaus aus der Schlafstatt und wirbelte sie umher, so wie ihr Kater das gern gemocht hatte. Immer wieder war er nach der Spielmaus gesprungen und sie hatten sich stundenlang damit beschäftigt, doch nun war er fort. Nur kurz hatte sie das Fenster offen gelassen und da hatte er einen Ausflug gemacht. Zwei Wochen war das nun schon her.

Überall hatte sie nach ihm gesucht. Jeden Abend war sie weinend in ihr Bett gegangen und hatte das Fenster weit offen gelassen, so dass am nächsten Morgen sogar Schnee im Zimmer gewesen war. Aber der kleine Kater war nicht zurückgekommen. Dabei hatte sie sich sogar eine Erkältung zugezogen, als sie bei der Kälte im Zimmer geschlafen hatte, doch das war ihr egal gewesen. Die Tür des Zimmers öffnete sich und ihr Vater schaute zu ihr herein. „Willst du nicht endlich ins Bett gehen?“ fragte er, da sie sich schon vor Stunden gewaschen hatte und nun im Schlafanzug auf dem Zimmerfußboden saß. Sofie nickte und ging zu ihrer Liege, die mit der bunten Bettwäsche bedeckt war. Der Mann kam zu ihr und gab ihr einen Gute-Nacht Kuss, dann deckte er sie zu. Danach löschte er das Licht, war wieder draußen und wenig später saß Sofie erneut auf dem Teppich vor dem Katzenkorb.

Ihr Blick fiel auf das Bild, dass auf der Kommode neben ihr stand und welches die kleine Nachtischlampe beleuchtete. Vorsichtig zog sie es zu sich und strich mit den Fingern darüber. Da waren sie allen noch glücklich vereint gewesen. Sie, Mutti, Vati und natürlich Strolchi. Es war ein Foto vom letzten Weihnachtsfest. Kurz darauf war die Mutter krank geworden und nun war sie schon mehr als ein halbes Jahr fort. Sofie hatte ein paar Monate gebraucht, um über den Tod der Mutter hinweg zu kommen und nun, gerade nachdem sie es halbwegs verarbeitet hatte, war nun auch noch der geliebte Kater fortgelaufen. Der Tröster in all der schmerzlichen Zeit. Wo war er nur hin? Ein paar Tränen tropften auf das Bild.

Von draußen hörte sie das Lachen einer Frau. Das war Susi, die Arbeitskollegin ihres Vaters. Sofie drehte ihren Kopf zu dem Bären, den ihr die Frau in der letzten Woche mitgebracht hatte. Mit den Worten „Weil du sicher deinen Kater vermisst.“ hatte die Frau ihr das Plüschtier in den Arm gedrückt. Als ob das ein Ersatz für Strolchi gewesen wäre! Auch deswegen konnte sie die Frau nicht leiden und das ließ sie Susi immer wieder spüren, aber anscheinend begriff die Frau das nicht. Mit Bären spielen? War sie denn ein kleines Kind? Trotzig stand sie auf und zog den Teddy zu sich, dann warf sie ihn an die Wand.

Mit dem Bild der Mutter ging sie in ihr Bett und sah in die Augen ihres kleinen Katers. Wo war er nur? Ging es ihm gut? „Komm zurück!“ flüsterte sie und stellte das Bild auf den Nachttisch neben sich. Wieder schallte das Lachen der Frau durch den Flur. Nur zu deutlich war es zu hören. Was wollte die Frau hier? Sofie schreckte hoch. Wollte diese dumme Kuh etwas ihre Mutter werden? Das musste verhindert werden. Mit allen Mitteln! Nur wie? Als Erstes musste sie dafür sorgen, dass die Frau hier nicht über Nacht blieb. Das Mädchen stand auf und griff sich den Teddybären, der neben der Ausgangstür lag. Dann ging sie damit in die Stube „Ich kann nicht schlafen!“ sagte sie und sah die Frau neben ihrem Vater auf dem Sofa sitzen. Keiner der beiden Erwachsenen machte Anstalten aufzustehen und zu ihr zu kommen. So stand sie einfach dort, mit dem ungeliebten Bären in der Hand. „Na wenn ihr nicht wollt!“ dachte sie zornig und warf das Stofftier über den Tisch. Nun hatte sie die Aufmerksamkeit, die sie haben wollte, aber auch einen Schrei der Frau. Der Bär hatte im Flug ein Glas vom Tisch gerissen und es über den Rock der Frau gekippt. Ein größerer roter Fleck machte sich auf dem weißen Kleidungsstück breit.

Die Frau rannte an ihr vorbei und Sofie hörte die Badtür zuschlagen. Der Vater kniete vor dem Sofa und versuchte den Rest des Weins vom Teppich zu bekommen, dabei schimpfte er. Auch der Bär war nun vollkommen ruiniert. Dann kam Susi im Unterrock zurück. Sie hatte das nasse Stück Stoff, das bis gerade eben noch ihr Rock gewesen war, in der Hand. Er war nun rosa und nicht mehr weiß. „So kann ich nicht nach Hause gehen.“ jammerte die Frau und Sofie verdrehte die Augen. Hatte sie eigentlich bewirken wollen, dass die Frau schnell verschwand, so hatte sie ihr nun eine Gelegenheit verschafft, hier zu bleiben. Das war also vollkommen schief gegangen. Aber zumindest war der Teddy nun reif für die Mülltonne.

Da stand sie nun zwischen den beiden Erwachsenen. Der eine kniete vor ihr und die andere schimpfte über das verdorbene Kleidungsstück. Der Vater stand auf und sagte „Ich bringe dich heim!“ woraufhin Sofie sagte „Und was ist mit mir?“ „Wir reden noch, junges Fräulein!“ sagte der Vater und sein Blick ließ nichts Gutes vermuten. Er schob sie in das Kinderzimmer und drückte sie in ihr Bett. „Schlaf jetzt. Ich bringe Susi heim. Dann reden wir!“ sagte er drohend. Dann war er aus dem Zimmer.

Wenig später ging die Haustür und das Auto fuhr ab. Zumindest hatte sie nun doch noch erreicht, dass Susi das Haus verlassen hatte. Der Vater würde sicher nicht lange fortbleiben. Schnell löschte sie das Licht. Gab dem Bild einen Kuss und stellte es zurück. Dann drehte sie sich zur Wand und versuchte zu schlafen. Aber das ging nicht wirklich. Der kleine Kater fehlte ihr einfach zu sehr.

Schließlich hörte sie das Auto wieder vor dem Haus. Der Vater musste sich sehr beeilt haben, wenn er jetzt schon wieder da war. Zum Schutz zog sie sich die Decke weit hoch und tat so, als ob sie schlief. Dann merkte sie, dass er den Raum betrat, doch er ging wieder und es war Stille im Hause.

Das kleine Mädchen lauschte nach draußen. Es war viel zu still. Früher war das anders gewesen. Sofie drehte sich zu dem Bild und zog es in ihr Bett. Wenn der Kater schon nicht da war, dann wenigstens sein Bild.

3. Kapitel

Katzenjammer

Der kleine Kater hatte sich heftig gewehrt. Nun hatte Karo ein paar Pflaster auf ihren Armen, aber das Tier war jetzt sauber und trocken. In ein Handtuch eingewickelt lag der kleine graue Geselle auf dem Sofa und das wiederum schien ihm so gut zu gefallen, dass er schnurrte. Jetzt blieb die Frage zu klären, wo der kleine Kerl wohl herkam. Der Computer war noch offen und Karo schloss die Suchanfrage ihres Urlaubszieles erst einmal, um eine Anfrage nach dem Katerchen einzugeben. „Vielleicht wirst du ja vermisst und dich sucht schon jemand.“ sagte sie und sah die örtlichen Anfragen durch. „Kater entlaufen.“ stand ganz oben, aber das Bild passte nicht zu dem schnurrenden Stubentiger auf ihrem Sofa. Immer weiter näherte sie sich dem Listenende, aber da war kein Bild, was auch nur annähernd dem Tier entsprach. Karos Magen begann zu knurren. Den ganzen Tag hatte sie noch nichts gegessen, der Kummer, der jetzt gerade fern war, hatte sie nichts essen lassen.

Der kleine Kater hatte sie wieder auf den Boden zurück gebracht und die Sorge um das Tier hatte sie ihren eigenen Kummer vorerst vergessen lassen. Der Kater sah zu ihr auf und sie fragte ihn „Hast du auch Hunger?“ und es schien ihr, als ob das Tier ihr zunickte. Die großen Augen waren so durchdringend, das sie dem Blick gar nicht wiederstehen konnte. So große Augen kannte sie nur aus dem Zeichentrickfilm „Der gestiefelte Kater“ den sie früher immer und immer wieder hatte sehen müssen.

„Na da schaue ich mal, was ich für dich finde.“ sagte Karo und stand auf. Schließlich war es Sonntagabend und da war sicherlich nirgendwo mehr Katzenfutter beschaffbar. Sie ging zum Kühlschrank und schaute hinein. „Möchtest du Fisch oder Geflügel?“ fragte sie laut und erwartete eigentlich die Stimme von Antonio Banderas zu hören, der ihr mit einem spanischen Akzent irgendwas wie „Signorina, ich möchte einen Fisch.“ in ihr Ohr säuselte. Aber das war wohl nur im Märchen so. Der Lachs hatte sicher Gräten und die waren für den kleinen Kerl zu gefährlich. Also nahm sie ein Stück Putenbrust und stellte es zum Erwärmen auf den Herd. „Bleibt der Fisch für mich und dann suchen wir weiter.“ erzählte Karo in der Küche, als sie ein leises „Miau“ hinter sich hörte. Der kleine Kerl hatte sich aus der Decke gewickelt und war ihr gefolgt. Jetzt saß er hinter ihr und sah sie so umwerfend an, dass sie ihn wieder hochnehmen musste. „Und wenn wir dein Herrchen nicht finden, dann bleibst du halt bei mir.“ sagte Karo und hielt das graue Fellbündel ganz fest an sich gedrückt. Der Kater schnurrte vor sich hin und vertrieb nun auch den letzten noch verbliebenen Rest des Kummers aus Karos Herzen. „Das ist die beste Therapie!“ sagte sie laut und dachte wieder an Hexi, die ihr früher auch immer jeden Kummer sofort vertrieben hatte.

Mittlerweile war das Fleisch warm genug. Daher setzte sie das Tier auf den Boden, suchte zwei kleine Schüsseln heraus und schnitt das Fleisch in kleine Würfel, die sie in die eine Schüssel gab. In die Zweite füllte sie Wasser und stellte dann Beide vor den kleinen Kater. Wie ein ausgehungerter Tiger stürzte sich das Tier auf das Fleisch. „Na du hast wohl schon lange nichts mehr gegessen?“ wunderte sich Karo. Also musste es ein entlaufenes Tier sein, eine freilaufende Katze hätte selbst in dieser Jahreszeit wohl noch ein paar Mäuse aufstöbern können. Dann nahm sie sich den Teller mit dem Fisch und aß ihn, während sie auf das Tier schaute, dass die zum Napf umfunktionierte Schüssel leerschleckte. Wieder sah der Kater zu ihr hoch und schien sie mit seinen Augen zu hypnotisieren „Mehr!“ sagte dieser Blick. Aber das Fleisch war alle. Nur noch etwas Wurst war im Kühlschrank. Karo stellte den Teller zur Seite und zerteilte zwei Wurstscheiben. „Das ist nun aber alles, was ich dir geben kann.“ sagte sie, während sie in der Küche kniete und dem putzigen Gesellen zuschaute, wie er sich das Mäulchen leckte. Danach ging er zum Wassernapf und Karo sah, das er humpelte. „Ach du Schreck.“ sagte sie und sah ihm weiter zu. „Sonntagabend und ein kranker Kater.“ dachte sie und überlegte, ob sie irgendwo einen Tiernotdienst kannte. Oder sollte sie am nächsten Morgen, da war ja dann normale Sprechstunde, mit dem Tier zum Tierarzt gehen?

Tapfer humpelte der kleine Kater aus der Küche und Karo folgte ihm einfach. Bis auf das Nachziehen der einen Pfote schien es ihm aber gut zu gehen. Er sprang sogar auf das Sofa hinauf und rollte sich auf dem Handtuch zusammen. Wieder begann er zu schnurren und sie setzte sich neben das Tier. Vorsichtig strich sie über sein Fell und vermied es, das verletzte Pfötchen zu berühren.

Dann sah sie zur Uhr. Mittlerweile war es schon fast 22:00 Uhr und da es offensichtlich kein Notfall war, verzichtete sie darauf, sich um einen Nachtdienst für das Tier zu bemühen. Die Sorge um das Tier hatte die Sorge um sich selbst vollständig aus Karo vertrieben.

Warum hatte sie sich eigentlich nicht schon lange ein Tier zugelegt? „Weil ich bisher keines gebraucht habe!“ stellte sie laut fest. Gerade heute, an diesem Tage, war nun dieser freundliche Besucher in ihr Leben getreten. So wie eine Botschaft aus lange vergessener Zeit. Als sie noch jeden Abend stundenlang mit ihrer Katze in ihrem Kinderzimmer geschmust hatte. Erneut kam der Katzenjammer zurück. Das kleine Engelchen hatte sie wieder an Siglinde und ihren Freund denken lassen. Doch da legte das Katerchen seine Pfote auf ihre Hand. Offensichtlich hatte er ihren Ärger bemerkt und versuchte sie zu trösten. „Was mache ich nun mit dir?“ fragte Karo laut und dabei war doch eigentlich alles klar. Abermals dachte sie an die Suche nach dem Halter des Tieres, aber die hatte sicher auch bis zum nächsten Tag Zeit.

„Ein Klo habe ich aber nicht für dich.“ sagte Karo zweifelnd, ob es der Kater wohl bis zum nächsten Morgen aushielt. Dann ging sie sich waschen und der kleine Freund wartete, auf dem Sofa sitzend, auf ihre Rückkehr. Er ließ sich ohne Anstalten von ihr auf den Arm nehmen und mit ins Bett tragen. Für einen Moment kam der Katzenjammer zurück, weil sie die Beiden ja genau in diesem Bett am Tage zuvor erwischt hatte, doch das Schnurren des kleinen Katers holte sie sofort wieder dort heraus.

Zusammengekuschelt lagen sie im Bett. Keine drei Stunden zuvor war sie noch in Tränen zerflossen und nun war alles gut. Das monotone Geräusch des Katers wiegte sie in den Schlaf. Die Erinnerung an eine glückliche Kindheit vertrieb allen Kummer aus ihrem Herzen.

4. Kapitel

Nachtgedanken

Da saß er nun und schaute auf den kleinen Fleck vor dem Sofa. Auch noch Rotwein! Das würde nie wieder vollständig aus dem Teppich gehen! Was hatte Sofie nur dazu bewogen? Natürlich war es spät geworden. Später als sonst, aber so hatte sich das Mädchen noch nie verhalten. War sie etwa eifersüchtig geworden? Auf Susi? Ging etwa die Pubertät schon los? Gerade dann brauchte er eine Frau an seiner Seite, die für Sofie eine Freundin sein konnte. Die ihr helfen konnte, bei all den Fragen, die ein junges Mädchen so hatte und auf die ein Mann nur selten eine Antwort fand. Er seufzte und sah sich um. Seine Augen suchten das Bild seiner Frau und fanden es nicht.

Monate hatte er gebraucht, um über den Verlust der Partnerin hinweg zu kommen und das war der erste Abend mit Susi gewesen. Natürlich hatte er schon eine Weile gemerkt, wie die Frau auf Arbeit versucht hatte, mit ihm anzubandeln. Die Blicke und der Griff in ihr Haar, wenn sie mit ihm sprach, waren nicht zu übersehen gewesen. Aber er war noch nicht bereit gewesen. Bis zu diesem Abend. Da hätte etwas laufen können. Hätte! Ohne den Rotwein ganz sicher. Wieder seufzte er und holte das Bild aus dem Schubfach, wo er es immer ablegte, wenn Susi mal zu ihnen zu Besuch kam.

Wolfgang war gerade dreißig geworden. Er sah auf das Bild. Ruth war seine erste große Liebe gewesen. Seit dem Kindergarten kannten sie sich und nach der Lehre hatten sie geheiratet. Die Krankheit und der schnell folgende Tod seiner Frau hatten ihn vollkommen aus der Bahn geworfen. Nicht einmal um Sofie hatte er sich kümmern können, so groß war seine Trauer gewesen. Der kleine Kater hatte seine Arbeit einfach mit übernommen und seit dem Verschwinden des Tieres benahm sich das Mädchen so seltsam. Der Mann setzte sich auf das Sofa zurück und begann eine stille Zwiesprache mit seiner Frau. Wie sollte es weiter gehen? Das würde das erste Weihnachten ohne Ruth werden. War er zu schnell auf Susis Avancen eingegangen? Hätte er Sofie vorher dazu befragen sollen? Ruth hätte eine Antwort gehabt, aber das Bild blieb stumm. Keine Antwort! Nur seine eigene Entscheidung.

Gerade wegen Weihnachten hatte er gehofft, dass da eine Art von Mutterersatz für Sofie in Susi zu finden war und natürlich eine neue Partnerin für ihn. Oder sollte er einfach über Sofie hinweg entscheiden? Konnte er das? Würde sich Sofie dann an Susi gewöhnen? Sicherlich! Oder nicht?

Zuerst musste er sich bei ihr entschuldigen, das hatte er in der Eile des Abschiedes ganz vergessen. Nur einen flüchtigen Kuss im Auto hatte es gegeben. Dann war die Frau, immer noch mit dem nassen Rock in der Hand, schnell in ihre Wohnung gelaufen. Er nahm das Telefon und wählte die Nummer von Susis Handy. Es piepte fünfmal, bis sich die Frau meldete. „Hallo.“ sagte sie und er antwortete „Es tut mir leid um deinen Rock. Sofie hat es nicht mit Absicht gemacht. Sie entschuldigt sich bei dir und wir laden dich für morgen Abend bei uns zum Essen ein.“

Eigentlich log er damit, aber er wollte die Tochter schlafen lassen. „Schon gut. Kein Problem. Ich komme gern.“ sagte Susi und er hörte im Unterton, dass es wohl das beste Stück in Susis Schrank gewesen war, das nun sicher ein Putzlappen war. Der Wein würde da bestimmt auch nie mehr heraus gehen. Wieder ging sein Blick auf den Teppich vor seinen Füßen. „Ich kaufe dir einen neuen Rock. Morgen nach der Arbeit.“ sag