Rückkehr ins Leben - Holger Niederhausen - E-Book

Rückkehr ins Leben E-Book

Holger Niederhausen

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Beschreibung

Der 16-jährige Michael verbringt jede freie Minute mit Computerspielen. Dann muss er notgedrungen die ultimative Forderung seiner Mutter befolgen, zwei Wochen lang täglich zu einem alten Holzschnitzer zu gehen, der mit ihm reden soll. Die Konflikte sind vorprogrammiert und bleiben nicht aus, und doch geschieht in dieser Begegnung viel mehr, als er je erwartet hätte. Und dann ist da plötzlich auch noch ein Mädchen, vor dem er sich eigentlich nur blamieren kann...

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Das Menschenwesen hat eine tiefe Sehnsucht nach dem Schönen, Wahren und Guten. Diese kann von vielem anderen verschüttet worden sein, aber sie ist da. Und seine andere Sehnsucht ist, auch die eigene Seele zu einer Trägerin dessen zu entwickeln, wonach sich das Menschenwesen so sehnt.

Diese zweifache Sehnsucht wollen meine Bücher berühren, wieder bewusst machen, und dazu beitragen, dass sie stark und lebendig werden kann. Was die Seele empfindet und wirklich erstrebt, das ist ihr Wesen. Der Mensch kann ihr Wesen in etwas unendlich Schönes verwandeln, wenn er beginnt, seiner tiefsten Sehnsucht wahrhaftig zu folgen…

Sie hatten ihn eingekreist. Er konnte nicht mehr flüchten. Aber er konnte sie noch immer empfindlich treffen.

„Warte du im Hintergrund, Rogal!“

„Gut!“

„Doram, du und ich schlagen gleichzeitig los. Auf mein Zeichen!“

„Okay.“

„Und Achtung – eins, zwei, drei…“

Sie feuerten ihre Kraftblitze auf den Orgen ab, und dieser bäumte sich wütend auf. Dies war ein heikler Moment. Wann immer er angegriffen wurde, konnte er mit übernormaler Kraft zurückschlagen. Diese durfte sie nicht treffen.

„Und jetzt – in Deckung!!!“

Sie warfen sich hinter die nächsten Steine.

Der Gegenangriff des Orgen ließ ihre Deckung geradezu erglühen, aber sie blieben geschützt. Knapp zwei Sekunden Zeit blieben nun, um ihn mit der Kraft des Magier endgültig unschädlich zu machen.

„Los, Rogal!“

Rogal ließ seinen grünen Angriffsstrahl in Richtung des Orgen schießen und traf ihn. Noch einmal bäumte sich das Monster brüllend auf – und fiel dann zur Erde nieder.

Sie kamen aus ihrer Deckung hervor und teilten die Kraftpunkte und Besitztümer des Orgen unter sich auf. Er ließ Doram dem Monster einen abschließenden Tritt versetzen.

„Mission beendet“, sagte Morlo. „Das war die letzte für heute. Ab wann seid ihr morgen on?“

„Ich ab 15 Uhr“, sagte Rogal.

„Ich, ähm, muss morgen endlich meinen Englischaufsatz schreiben, bin schon zwei Tage über der Frist, ich denke, es wird erst ab 18 Uhr was…“, sagte Doram.

„Scheiß was auf Englisch! Schreib ihn doch jetzt noch…“, antwortete Morlo.

„23 Uhr! Schreib du doch um diese Zeit noch einen Aufsatz!“, schimpfte Doram.

„Schon gut! Also ich warte. Bin ab 15 Uhr ebenfalls on. Und wir sehen ja, wann du da bist. Also, Jungs, erholt euch etwas – wir haben morgen viel vor. Ihr wisst ja…“

„Alles klar – gut’ Nacht!“

„Ja, bis morgen – ich beeil mich.“

Er schaltete offline. Noch gefühlte zwei Minuten starrte er auf den Bildschirm, dann schaltete er den PC aus.

Jetzt war er wieder einfach nur Michael. Kein kämpfender Avatar mit schimmernder Rüstung, machtvollen Kräften und Waffen und fortwährend auf der Suche nach geheimnisvollen Orten und Aufgaben…

Auch Morlo war jetzt einfach nur Stefan und nicht der mächtige, erfahrene Krieger, ihr gemeinsamer Anführer. Und Rogal war jetzt nur noch Lars, der Dritte im Bunde. Seine Hauptfigur, der Magier, hatte zwar starke Kräfte für einen Angriff, aber selbst kaum Widerstand – so musste er sich bei ihren Missionen immer erst einmal im Hintergrund halten, um sich nicht zu gefährden. Sie selbst, Morlo und er, hätten einen erfolgreichen Angriff des Orgen durchaus überleben können. Aber es hätte sie eine Menge Kraftpunkte gekostet und sehr zurückgeworfen.

Er ging ins Bad und putzte sich die Zähne. Dann ging er schlafen. Es war praktisch, dass er hier oben sein eigenes kleines Bad hatte. So gab es wenigstens abends keinen Streit mehr. Aber warum musste man in Englisch Aufsätze schreiben…

Als er am nächsten Morgen geduscht hatte und bereits verspätet in die Küche kam, begrüßte ihn seine Mutter einsilbig:

„Guten Morgen.“

„Morgen“, erwiderte er ebenso einsilbig. Er hatte wirklich keine Lust auf eine Diskussion – er wollte, dass dies endlich auch morgens aufhörte.

„Na, wie lang hast du gestern wieder gespielt…“

Er wusste es. Es war immer wieder das Gleiche.

„Mam’, hör doch auf! Ich dachte, wir hatten irgendwann mal vereinbart, dass du nicht mehr fragst!“

„Nicht mehr fragst!? Ach ja!? Erinnerst du dich auch noch, wann das war? Das war, als wir auch vereinbart hatten, dass du allerhöchstens drei Stunden am Tag spielst! Wann war das noch gleich? Keine Ahnung, Michael! Keine Ahnung, wann das war! Aber wieviel spielst du jetzt? Du tust ja praktisch nichts anderes mehr! –“

Sie hatte sich völlig ereifert und war noch immer nicht fertig. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr keine Hausaufgaben aufhabt! Das kann ich mir einfach nicht vorstellen! Also – wann machst du die überhaupt noch!?“

Das war etwas, was ihn am allermeisten an seiner Mutter störte: Dass sie irgendwann immer wieder anfing, hysterisch zu werden und ein Drama zu veranstalten. Obwohl er spürte, dass auch in ihm die Wut hochstieg, sagte er betont ruhig:

„Mam’, du weißt genau, wie ich es mache. Nach der Schule mache ich alle Hausaufgaben – und wenn ich fertig bin, darf ich doch wohl machen, was ich will! Wir haben nun mal nicht mehr so viel auf jetzt. Es ist Ende März. In einer Woche sind Osterferien. Die meisten Klausuren sind geschrieben – das Schuljahr plätschert jetzt so langsam aus…“

Das war in Bezug auf den Englisch-Aufsatz schlicht gelogen. Ein ganz und gar gutes Gefühl hatte er dabei nicht – aber spätestens heute Abend um 18 Uhr war der Englisch-Aufsatz ja schließlich ebenfalls geschrieben.

„Plätschert aus? Plätschert aus!? Und umgekehrt kann deine Spielerei also zu einer riesigen Woge anschwellen, die alles mit sich reißt? Michael merkst du eigentlich noch, was du da eigentlich tust? Du zerstörst dein Leben!“

Seine Mutter sah ihn eindringlich an. Eine Haarsträhne hing ihr in die Stirn.

Er hatte diese Sprüche satt. Er wollte sich rechtfertigen und den ganzen Blödsinn ihrer übertriebenen Sorge entlarven, aber er hatte dazu keine Kraft. Die Wut über diese immer wiederkehrende Situation übermannte ihn, und er stieß einfach nur betont böse aus:

„So ein Schwachsinn!“

Dann ging er ohne einen weiteren Blick an ihr vorbei in den Flur, schnappte sich Rucksack und Jacke, öffnete die Haustür und ließ sie hinter sich laut ins Schloss fallen.

Er fühlte in solchen Momenten wirklich eine große Wut – und eine große Sehnsucht danach, endlich unabhängig zu sein, erlöst von allen Erwachsenen, die ständig meinten, auf einen aufpassen zu müssen. Und doch gab es da noch ein anderes Gefühl. Auch dieses begleitete ihn, während er zur Schule lief. Auch wenn er seine Mutter nicht mehr angesehen hatte, als er an ihr vorbeigegangen war, wusste er ganz genau, wie sie dagesessen hatte – und wie sie vielleicht auch jetzt noch da saß, in ihrer Küche, ganz allein. Und er wusste es nicht nur, er konnte es auch fühlen…

Selbstverständlich wusste er sehr genau, dass ihr eigener Ärger nur das war, was nach außen trat – und dass sie sich innerlich tatsächlich Sorgen machte. Seltsamerweise wusste er dies immer dann ganz genau, wenn er sich selbst sehr geärgert hatte und wenn sie wieder einmal so wie eben im Streit auseinander gegangen waren. Dann war die andere Seite seiner Mutter auf einmal sehr nah, unabweislich, und sein schlechtes Gewissen konnte sehr, sehr genau unterscheiden, dass das, was so laut und ärgerlich nach außen trat, nicht alles war.

Aber war es denn seine Schuld, dass sie sich so viele Sorgen machte? Dass sie jetzt traurig oder vielleicht sogar verzweifelt allein da am Küchentisch saß, vielleicht sogar ein wenig weinte? Er hatte das mal gesehen… Neben dem schlechten Gewissen gab dieser Gedanke doch auch ein schönes Gefühl; das Gefühl, wichtig zu sein. Und eigentlich mochte er ja seine Mutter auch, trotz allem. Aber wenn sie einfach nicht verstand…

*

Als er den heutigen Schultag hinter sich gebracht hatte, war der Ärger über den morgendlichen Zusammenstoß bei ihm längst verflogen. Der Englischlehrerin hatte er erzählen können, dass er mit dem Aufsatz schon angefangen habe und dass er ihn zu morgen fertig haben würde. Das war der einzige Wermutstropfen: dass er jetzt erst einmal drei Stunden lang damit beschäftigt sein würde. Aber zumindest war das ein gutes Argument für seine Mutter: dass er heute einmal einen langen Aufsatz zu schreiben hatte. So bräuchte er sich weder mit einem schlechten Gewissen an ihr vorbeidrücken, wenn er auf sein Zimmer ging – und würde auch abends nach getaner Arbeit ab 18 Uhr mit einem wirklich reinen Gewissen weiterspielen können.

Zuversichtlich öffnete er die Tür. Etwas bedenklich war ihm dann doch zumute, weil der Streit von heute morgen sich in der Wohnung auf einmal doch wieder viel realer anfühlte. Für seine Mutter war das Problem ja doch immer anwesend… Wie würde sie ihn begrüßen?

Er fand sie im Wohnzimmer.

„Hi, Mam’“, sagte er so harmlos wie möglich.

„Hallo, Michael“, sagte sie. Und nach einer kurzen Pause:

„Wie war dein Tag?“

„Gut – wir haben jetzt doch einen Englisch-Aufsatz aufbekommen…“

„Aha.“

„Ja, dann werde ich mich wohl mal an die Arbeit machen.“

„Michael, wir müssen erst einmal reden.“

Er spürte, wie er innerlich aufstöhnte. Er atmete einmal tief ein.

„Was ist denn?“, fragte er gedehnt.

„Das weißt du so gut wie ich“, antwortete sie. „Setz dich.“

Sie wies auf die Coach.

Er stöhnte hörbar und ließ sich auf die Coach fallen. Sie setzte sich ihm gegenüber an das andere Ende.

„Michael“, sagte sie ruhig und schaute ihn an.

Er versuchte, möglichst gelangweilt und relativ genervt zurückzuschauen.

„Michael“, wiederholte sie noch einmal. „Du kommst im Herbst in die elfte Klasse. Du bist vor sechs Wochen sechzehn geworden. Dass du die Prüfungen in diesem Jahr halbwegs geschafft hast, bedeutet nicht, dass die nächsten drei Jahre genauso einfach werden. Wenn du dich nicht anstrengst, wirst du das Abitur nicht schaffen!“

Er stöhnte wieder.

„Abitur! Alles dreht sich ums Abitur! Das werde ich schon schaffen. Und wenn nicht – mein Gott, dann mach ich was anderes…!“

„Aber was, Michael – was!? Das Abitur kann dir nur egal sein, wenn du wüsstest, was du ohne Abitur machen willst. Aber du weißt ja nicht mal den Unterschied! Du weißt ja nicht mal, was man mit Abitur und ohne machen kann. Du weißt ja nicht mal, was du machen willst!“

„Ich hab ja auch noch über drei Jahre Zeit!“

„Ja – aber du hast keine Zeit mehr, um darüber nachzudenken, ob du dich anstrengen willst! Wenn du die Schule jetztnicht ernst nimmst, ist dein Abitur gefährdet – ja, mehr als das. Und wenn du ohne Abitur dastehst und dich umschaust und merkst, dass du etwas machen willst, wofür man das Abitur gebraucht hätte…“

„Dann kann ich es ja nochmal nachmachen.“

„Wie stellst du dir das vor!“

Seine Mutter rief es fast.

„Wie stellst du dir das vor! Jetzt gehst du zur Schule – jetzt musst du dich anstrengen. Glaubst du, es wird leichter, wenn man es erstmal versaut hat und alles den Bach runtergeht? Nein, glaub mir, es wird immer schwerer. Du musst dich schon entscheiden, anders geht es nicht.“

„Aber ich habe keine so schlechten Noten. Zweien und Dreien – warum machst du dir solche Sorgen!?“

„Das versuche ich dir die ganze Zeit zu erklären!“ Er spürte, wie er wieder allergisch auf ihre Verzweiflung reagierte, die er so wenig verstand.

„Die Dreien sind im letzten Zeugnis deutlich mehr geworden, ich habe kaum noch Zweien gesehen. Warum ich mir Sorgen mache!? Weil es zum Abitur hin nicht ein wenig, sondern deutlich schwerer werden wird. Man muss sich anstrengen, Michael, anstrengen, wenn man Abitur haben will! Denkst du, das wird einem geschenkt? Denkst du, es wird einem hinterhergeworfen? Aber nein, dich interessiert das ja nicht. Für dich ist ja diese Spielerei alles. Michael, das geht nicht!“

„Ich hab einfach keine Lust auf diese Scheißschule!“

Es war ihm einfach so rausgerutscht – aber er hatte auch keine Lust, hinter dem Berg zu halten. Dieses ganze Gerede der Erwachsenen über Schule, Abitur, Studium und so weiter kotzte ihn einfach nur an. Er wusste, dass er seine Mutter damit enttäuschte, aber er hatte auch keine Lust mehr, dauernd auf sie Rücksicht zu nehmen. Ständig verlangten sie, dass man ihre Sichtweise übernahm, aber sie selbst kümmerten sich überhaupt nicht um das, was man selbst dachte. Sollten die Erwachsenen mit ihrer ganzen Schule und ihrer ganzen Welt doch zum Teufel gehen. Ja, das dachte er manchmal wirklich.

Er wusste, dass er seine Mutter mit seinen Worten schockiert hatte. Aber es war die Wahrheit. Die Schule wurde für ihn immer unwesentlicher. Er war inzwischen auch alt genug, um zu merken, dass die meisten Lehrer irgendwo doch nur ihren Stoff durchzogen, jedes Jahr wieder – es war eigentlich egal, wer zur Schule kam, die Schüler kamen und gingen, die Lehrer unterrichteten jeden Tag das Gleiche. Und irgendwo merkte man sehr deutlich, dass man ihnen eh egal war. Nicht ganz, aber im wesentlichen doch. Man hatte zu lernen, und wer nicht lernte, der war den Lehrern sowas von scheißegal – und den ließen sie sicher sogar mit Vergnügen durchs Abitur fliegen. Er hatte auf diesen ganzen Zirkus einfach keine Lust.

„Michael…“

Er hörte, wie seine Mutter sich offenbar gesammelt hatte.

„Ich weiß ja, dass du es nicht gerade einfach hast, mit einer alleinerziehenden Mutter, so ganz ohne Va–“

„Ach, hör doch auf!“, stieß er wütend hervor und sprang auf.

„So ein Blödsinn! Als ob es darum ginge! Ist mir doch egal, ob ich ohne Vater lebe. Denkst du, ich kann mich nach fünf Jahren überhaupt noch an ihn erinnern? Als ob das eine Rolle spielt! Lass mich doch einfach in Ruhe mit allem!“

Er ließ sie stehen, ging die Treppe nach oben, schloss seine Tür und warf den Computer an.

Stefan meldete sich im Chat zuerst.

„Was ist los? Es ist erst 14.58 – ich dachte du bist erst ab 18 Uhr on?“

Er tippte:

„Frag nicht, lass uns spielen.“

Zuerst spielte er unkonzentriert und mit schlechtem Gewissen. Dann legte er das letztere ab und ging völlig im Spiel auf.

Gegen 23 Uhr verabschiedete er sich mit dem Hinweis auf den noch zu schreibenden Aufsatz.

Verstohlen schlich er sich leise in die Küche, holte sich etwas zum Essen aus dem Kühlschrank und warf die drei Chipstüten in den Müll, die er in den letzten Stunden geleert hatte. Wieder auf seinem Bett liegend, kämpfte er zuerst damit, die Ereignisse der letzten acht Stunden aus dem Kopf zu bekommen, und dann damit, etwas englische Gedanken hineinzubekommen.

Als er schließlich mit dem vierten Absatz kämpfte, fielen ihm bereits fast die Augen zu.

Zweieinhalb Stunden und knapp zwei Seiten später schloss er das Heft schließlich, weil er einfach nicht mehr konnte. Er wusste, dass dies wohl der schlechteste Englisch-Aufsatz war, den er je geschrieben hatte…

Obwohl die Sonne warm auf den Marktplatz schien, erledigte Frau Wagner ihren Einkauf, als befände sie sich in einem endlosen dunklen Traum. Auch ihre langjährige Bekannte, bei der sie seit eh und je das Gemüse kaufte, änderte daran nichts.

„So, Doris, hier sind auch deine Tomaten. Darf es noch etwas sein? Vielleicht etwas von den leckeren Landgurken hier?“

„Nein, danke Christa, das ist dann alles…“

„Gut, das macht dann zusammen fünfzehn Euro achtzig.“

„Bitte.“

„Danke. – Und hier hast du vier zwanzig zurück. Aber nun sag mal, was hast du denn auf dem Herzen?“

„Ich, wieso?“

„Das sieht man doch! Doris! Mir kannst du es doch sagen, das weißt du doch…“

„Ach, Christa… Was soll ich sagen? Ich weiß nicht mehr weiter! Michael ist nur noch am Computerspielen. Reden kann man mit ihm nicht mehr – kann ich mit ihm nicht mehr. Er hört mir einfach nicht zu. Und die Schule scheint ihm ganz egal zu sein. Das Abitur… Er denkt, er ist noch gut genug, aber…“ – Hier versagte ihr die Stimme.

„Doris!“

Doris Wagner wischte sich die Augen und versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen.

„Entschuldige…“

„Nein, das macht doch nichts…“

„Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich weiß nicht, was ich noch machen soll.“

„Ach, Doris, ich verstehe schon. Würde mein Martin sich so benehmen, mein Mann würde das ganz schnell wieder in Ordnung bringen. Aber du bist ja mit Michael alleine…“

Frau Wagner sah ihrer Bekannten direkt in die Augen und fragte:

„Was soll ich tun, Christa?“

Christa Müller erwiderte den ratlosen Blick und versuchte dabei, etwas Trost zu spenden.

„Wenn ich das wüsste… Aber – warte mal! Kennst du den alten Holzschnitzer? Mit der Hütte oben am Weg zum Wasserfall? Ich sehe ihn öfter mal auf dem Markt einkaufen.“

Verständnislos schaute Doris Wagner die Gemüseverkäuferinan.

„Den alten Holzschnitzer? Ich weiß wohl, dass es da oben diese Hütte gibt. Aber ob ich damit jetzt das richtige Gesicht verbinde… Und was hat das mit Michael zu tun?“

Ihre Bekannte schüttelte den Kopf.

„Ach, es war nur so eine Idee. Du kennst doch Frau Gerber? Ihr Sohn Thomas… Nun ja, das ist ein ganz normaler Junge. Aber sie hatte es auch schwer gehabt, mit ihm, mit ihrem Mann, zwischen den beiden und so weiter. Na ja, Genaues weiß ich eigentlich nicht. Aber eines weiß ich: Irgendwann letztes Jahr hatte sie mir ganz begeistert davon erzählt, wie ihr Thomas eines Tages diesen Holzschnitzer kennengelernt hatte – frag mich nicht, wie – und wie dann eine ganz seltsame Wandlung mit ihm vorgegangen war. Er hat doch auch eine Freundin – ich hab den Namen vergessen – aber das muss auch ein prachtvolles Mädchen sein. Jedenfalls, Frau Gerber kam, als sie mir davon erzählte, aus dem Schwärmen nicht heraus. Und ich seh’ die beiden ja manchmal – zwei tolle Kinder, na ja, Kinder kann man ja gar nicht mehr sagen. Aber – jedenfalls hat Frau Gerber das alles mit diesem Holzschnitzer in Verbindung gebracht… dass sie letztlich wieder eine wirkliche Familie geworden sind. Sie hat derart geschwärmt, dass man meinen konnte, es geht um einen Zauberer. Na ja, vielleicht ist das etwas übertrieben, aber…“

„Ach, Christa, du weißt gar nicht, wie sehr du mir damit hilfst. Ich erwarte gar keinen Zauberer, aber wenn ich nur etwas tun kann, wenn ich nur noch irgendeine Möglichkeit sehe, die ich versuchen kann, bin ich schon dankbar… Hab herzlichen Dank!“

Sie wandte sich zum Gehen.

„Viel Glück! Und sag mir, wenn ich etwas tun kann!“

„Ja…“

Etwas unentschlossen ging Michaels Mutter auf die Holzhütte zu, die am Ende eines Seitenpfades entlang des Weges zum Geißberg-Wasserfall lag. Obwohl am Anfang des Weges ein einfaches Schild auf die Hütte und den Verkauf von Holzsachen hinwies, wusste Doris Wagner nicht zu sagen, ob hier jemals Menschen abbogen. Sie hatte sich schon manchmal gefragt, warum der alte Holzschnitzer nicht mehr Werbung machte, ja, wie er sich hier überhaupt halten konnte.

Links und rechts des mit ein wenig Schotter locker befestigten, grasbewachsenen Pfades zwitscherten die Vögel. Der Frühling hatte längst Einzug gehalten. Frisches, zartes Grün begann sich überall zu zeigen. Doch Doris Wagner war überhaupt nicht nach Frühling zumute. Sie wusste nicht einmal, wie ihr zumute war. Gleich würde sie einen völlig fremden Mann um Hilfe bitten. Doch wie sollte sie das tun? Sie hatte keine Ahnung.

Vor der Hütte standen einige große Holzengel. Die schöne Schnitzkunst fiel ihr ins Auge. Wieder fragte sie sich, warum hier so wenige Menschen herkamen. Sie musste sich gestehen, dass sie selbst jetzt auch zum ersten Mal hier stand. Wie auch immer, dieser Empfang war seltsam und einladend zugleich.

Die Tür stand offen. Sie betrat einen etwas dunklen Raum, an dessen Dämmerlicht das Auge sich aber rasch gewöhnte, zumal auf der rechten Seite die Vormittagssonne ihre Strahlen durch die kleinen Fenster hineinschickte. Es war ein Verkaufsraum, in dessen Mitte auf großen zusammengestellten Tischen Schnitzkunst aller Art stand, ebenso auf schmaleren Tischen und Regalen an allen vier Seiten des Raumes. Sie nahm ein Reh in die Hand, das gerade vor ihr stand, bewunderte die zarte, lebendige Arbeit und stellte es wieder hin.

Unsicher rief sie halblaut:

„Hallo?“

Nach einem kurzen Moment hörte sie aus einem hinteren Raum der Hütte als Antwort:

„Ich komme.“

Wenig später trat ein alter, recht kräftig gebauter Mann mit grauweißem Bart in die Türöffnung am gegenüberliegenden Ende des Raumes. Sie hatte ihn schon einige Male auf dem Markt gesehen und hatte auch relativ sicher gewusst, dass es der Holzschnitzer von hier oben war – aber erst jetzt war es etwas wirklich Konkretes. Wie wenig man sich doch eigentlich kannte…

„Guten Tag!“, begrüßte sie eine nicht unfreundliche Stimme, in der sich auf eine seltene Weise eine leise Wärme mit einem starken, in sich gegründeten Selbstbewusstsein vereinte.

„Guten Tag“, erwiderte Frau Wagner etwas verwirrt. „Sie, äh, Sie haben hier wirklich schöne Sachen…“

„Danke“, erwiderte der alte Mann verbindlich, und man hörte, dass er es ernst meinte, dass er eines solchen Lobes aber auch nicht bedurfte. Vielleicht hörte er aber auch einfach nur, dass dies bloß als eine Art Einleitung zu etwas ganz Anderem gemeint war.

Ruhig stand der alte Mann da, und plötzlich wusste Frau Wagner, dass er längst sah, dass sie nicht hier war, um sich die Schnitzereien zu betrachten oder etwas zu kaufen. Sie fühlte sich einerseits etwas ertappt, andererseits aber zugleich seltsam verstanden und aufgehoben, und so begann sie mit einer Mischung aus Unsicherheit und leiser Zuversicht:

„Ja, also ich…“

Als sie sah, dass die warmen Augen des Holzschnitzers sie zum Weitersprechen ermunterten, verschwand ihre Unsicherheit auf einmal, und sie begann einfach.

„Also ich komme auf Empfehlung einer Freundin… Eine der Gemüseverkäuferinnen auf dem Wochenmarkt. Sie erzählte mir von Frau Gerber, nein eigentlich von deren Sohn, von einer wunderbaren Wandlung –“

„Ach, Sie meinen Thomas? Thomas und Lea? Ja, was ist mit den beiden?“

Der alte Mann schien sich zu freuen, von den beiden Kindern zu hören. Nun ja Kinder… Sie waren ja genauso alt wie Michael. Man sagte noch immer ‚Kinder’, aber sie waren einem längst über den Kopf gewachsen, im wörtlichen und auch im übertragenen Sinne…

„Mit den beiden ist nichts. Ich kenne sie leider gar nicht wirklich. Aber meine Freundin erwähnte sie, weil sie von Frau Gerber gehört hatte, dass mit ihrem Sohn eine wundersame Wandlung vorgegangen war, nachdem er bei… nun ja, bei Ihnen gewesen war.“

Nach einem kurzen Moment der Stille brach der alte Mann in ein herzliches Lachen aus.

„Das klingt ja nach einem sehr seltsamen Zauberer!“

„Nun ja, ehrlich gesagt tat es das wirklich etwas.“

„Gut“, sagte der alte Holzschnitzer schmunzelnd. „Meinetwegen. Und was kann ich jetzt für Sie tun?“

„Oh, ähm – Sie denken doch etwa nicht, dass ich wirklich denke, dass Sie –“

„Nein, ich denke gar nichts. Aber aus irgendeinem Grund sind Sie doch wohl gekommen?“

Nun gab es für Doris Wagner kein Halten mehr:

„Ja, ich weiß mir mit meinem Sohn keinen Rat mehr. Und ich meine: wirklich keinen Rat mehr. Dass Christa dann Sie erwähnte, erschien mir wie der letzte Hoffnungsstrahl. Ich – ich kann einfach nicht mehr!“

„Wenn das so ist – dann kommen Sie, wir setzen uns erst einmal, und Sie erzählen in aller Ruhe, was Ihnen solche Sorge macht.“

Der alte Mann machte eine einladende Geste, und Frau Wagner folgte ihm in eine kleine, aber gemütliche Küche, in der viele getrocknete Kräuter an der Wand hingen.

„Setzen Sie sich… Möchten Sie einen Tee?“

„Ja, gerne.“

Sie fühlte sich von ihrer Verzweiflung noch immer überwältigt, und doch empfand sie hier so etwas wie einen schwachen Hoffnungsschimmer. Als der alte Holzschnitzer ihr dann warmen duftenden Tee eingoss, sie ihre Hände um die schöne große Keramiktasse legte und vorsichtig einen ersten Schluck nahm, beruhigte sich ihre Seele langsam.

Der alte Mann hatte sich ihr gegenüber gesetzt und sich ebenfalls eine Tasse voll Kräutertee eingeschenkt. Nun hielt auch er diese in den Händen und sagte schließlich:

„Nun, dann erzählen Sie einmal. Wie heißt denn Ihr Junge…?“

„Oh, ich habe mich selbst noch gar nicht vorgestellt. Doris Wagner.“

Sie stand noch einmal auf und reichte dem alten Mann die Hand.

„Oh, ja.“

Sich ebenfalls halb erhebend, ergriff er über den Tisch reichend ihre Hand, drückte sie kurz, aber herzlich, dann setzte er sich wieder.

„Johannes Weißenberg.“

„Freut mich, Herr Weißenberg. Ja, mein Junge, der Michael…“

Im Gesicht des alten Holzschnitzers zeigte sich ein Ausdruck besonderer Freude.

„Michael! Ein schöner Name. Der Erzengel, der den Drachen besiegt…“

„Wirklich?“, fragte Frau Wagner. „Das wusste ich gar nicht. Aber da sind wir immerhin gleich beim Thema. Ein Engel ist er nun wirklich nicht. Aber gegen Drachen und anderen Mist kämpft er fortwährend. Er sitzt nur noch am Computer!“

„Ah, ich verstehe… Ja, das ist wirklich ein Drachenkampf…“, sagte der Alte wie nachdenklich für sich selbst.

„Das ist schon alles!“, fügte Frau Wagner fast beschwörend hinzu. „Er tut nichts anderes. Er geht zur Schule, er macht glaube ich, mehr oder weniger, seine Hausaufgaben, aber dann spielt er nur noch diese Spiele – tagaus, tagein, von nachmittags bis spätabends, vielleicht sogar bis in die Nacht!“

Der alte Holzschnitzer nickte langsam.

„Und das ist also Ihr Leid?“

Doris Wagner nickte ebenfalls.

„Ja“, sagte sie leise.

„Und… Sie sind alleinerziehend?“

Irgendwie schämte sie sich und blickte auf den Tee in ihrer Tasse.

„Ja.“

„Ja, das ist sehr schwierig. Und irgendwann wird es dann sehr schwierig…“

Sie blickte auf und fragte den alten Holzschnitzer direkt:

„Was soll ich machen?“

„Nun…“, sagte der alte Mann langsam. „Ich weiß natürlich nicht, was Sie bereits alles gemacht haben. Ich weiß ja noch eigentlich gar nichts.“

„Ich habe schon alles versucht“, sagte Frau Wagner, nun wieder in sich zusammensinkend. „Ich habe geredet, geredet, geredet. Mit Engelszungen. Versucht, streng zu sein. Freundschaftlich. Mahnend. Mit Versprechungen. – Es hat alles nichts geholfen. Und es wurde mit der Zeit nur noch schlimmer. Am Anfang waren es ja nur zwei, drei Stunden am Tag. Jetzt ist es nichts anderes mehr.“

„Wie lange schon?“

„Ich weiß nicht. Seit einem Jahr, anderthalb Jahren…“

„Und wie alt ist Michael jetzt? Auch sechzehn?“

„Ja. Gerade geworden, vor zwei Wochen.“

„Und – haben Sie einmal über sich gesprochen? Ich meine, über Ihre Beziehung zueinander? Oder ging es immer um das Spielen und um ihn?“

Doris Wagner schaute verwundert auf.

„Wie meinen Sie das? Natürlich ging es vor allem um das Spielen. Darum, dass er damit das Leben verpasst, nichts lernt, dass er sich seine Zukunft verdirbt, dass er raus muss, draußen was erleben, mit Freunden… Unsere Beziehung? Ich habe das Gefühl, wir haben überhaupt keine Beziehung mehr. Ich habe das Gefühl, ich bin nur noch ein störender Faktor, der zwar gut ist zum Essen machen und Wäsche waschen – und ansonsten nur jemand, der einen von diesem Mist abhalten will…!“

„Nun ja…“, sagte der alte Holzschnitzer langsam. „Das ist möglich. Ich dachte nur daran, dass auch in diesem Alter durchaus noch die Möglichkeit besteht, dass man eine wirkliche Beziehung vermisst, auch wenn es schwierig zu sein scheint. Bei Thomas war es auch so, dass er eine ziemlich schwierige Beziehung zu seinen Eltern hatte. Es war aber nicht so, dass er sich nicht danach gesehnt hätte. Er hat zwar nicht Computerspiele gespielt – aber diese sind ja immer letztlich irgendeine Art Flucht oder Suche…“

„Ich weiß nicht, welche Beziehung er zu mir suchen würde oder welche er bei mir nicht finden würde, wenn er sich nicht von sich aus so zurückziehen würde – völlig!“

Der Alte nickte.

„Ja“, sagte er und nahm einen Schluck von seinem Tee. „Darüber kann ich so theoretisch auch nichts sagen. Das könnte man nur im Gespräch selbst herausfinden.“

Doris Wagner stellte ihre Tasse ab.

„Könnten Sie… ich meine, könnten Sie nicht einmal mit meinem Jungen reden?“

Der alte Mann schaute sie an, dann lachte er wiederum herzlich auf.

„Entschuldigen Sie bitte. Ich lache nicht über Sie – ich fühle Ihr Leid sogar sehr stark mit. Es ist nur nicht gut, wenn ich… nun ja, wenn ich wirklich für so etwas wie ein Zauberer gehalten werde. Das bin ich ganz und gar nicht! Konkret gesprochen: Ein Gespräch mit Ihrem Jungen, der mich nicht einmal kennt, also mit einem wildfremden Mann, würde überhaupt nichts bewirken – das kann ich Ihnen im voraus sagen. Selbst wenn es eine Wirkung hätte, wäre diese nicht nachhaltig.“

Er nahm einen Schluck Tee. Dann fuhr er fort:

„Aber ich höre Ihre Frage auch in ihrer tieferen Bedeutung. Und darauf kann ich natürlich nur antworten: Selbstverständlich könnte ich mit Michael sprechen. Aber ‚einmal’ würde keinen Sinn haben. Und mehrmals wird nur möglich sein, wenn er das selbst in irgendeiner Weise mitmacht. Ich sage nicht ‚will’, aber ich sage bewusst: immerhin ‚mitmacht’. Er könnte zum Beispiel sehr gerne einmal die nächsten zwei Wochen für jeweils zwei Stunden hierherkommen, damit ich mit ihm reden kann – und er mit mir, wenn er will. Das muss er nicht, ich kann auch nur mit ihm reden. Auch nicht zwei Stunden ununterbrochen. Das wird sich schon zeigen. Nur herkommen – das müsste er. Anders kann ich mit ihm nicht sprechen.“

Doris Wagner machte sich noch keine Gedanken über die Frage, wie dies möglich werden könnte. Erstaunt fragte sie nur:

„Das – das würden Sie wirklich machen?“

„Ja“, lachte der Alte, „warum denn nicht?“

„Ich müsste ihn nur… hierherschicken?“

„Ja – Sie oder irgendjemand oder irgendetwas anderes oder er sich selbst…“

„Ja… wie das gehen soll, weiß ich auch noch nicht.“ Der alte Holzschnitzer goss ihnen Tee nach.

„Da kann ich Ihnen leider nicht helfen. Ich hoffe nicht, dass Sie zu irgendeiner Drohung greifen müssen – oder ob Sie dazu überhaupt die Möglichkeit hätten. Das würde die Sache natürlich sehr erschweren. Aber ganz freiwillig wird er sicher auch nicht hier vorbeikommen. Ein Spaziergang zu dieser schönen Hütte ist für ihn sicher nicht einmal im Traum eine Alternative zu dem, was er nun einmal den ganzen Tag tut und wofür er noch ganz andere Dinge liegen lässt. Sie müssen also abwägen, was für Möglichkeiten Sie überhaupt haben, ihn davon zu überzeugen, dass er so etwas wie diese zwei Wochen einmal mitmachen muss… Ich will natürlich auch nicht, dass es zwischen Ihnen zu einem weiteren Streit kommt, der völlig unfruchtbar bleibt.“

„Nein“, erwiderte sie. „Natürlich nicht. Aber das soll auch nicht Ihre Sorge sein. Dafür muss ich selbst eine Lösung, einen Weg finden. Aber den eigentlichen Weg, den haben Sie mir gerade angeboten, und dafür bin ich Ihnen wirklich sehr, sehr dankbar. Für die Frage, wie Michael überhaupt zu Ihnen kommt, wird mir schon noch etwas einfallen…“

„Nun“, lächelte der alte Holzschnitzer. „Ich denke, da habe ich mir gerade ein Abenteuer mit einigen Unbekannten eingefangen…“

„Oh ja“, lachte Doris Wagner nun zum ersten Mal. „Das fürchte ich auch. Aber erst einmal steht mir ein Abenteuer bevor.“

Sie erhoben sich beide.

„Dafür wünsche ich Ihnen alles Gute. Lassen Sie sich einfach nicht von den erstbesten Drachen einschüchtern. Dann wird es schon gelingen!“

Der alte Holzschnitzer drückte ihr herzlich und voller Wärme die Hand.

Gleichzeitig mit dieser Geste erfüllte sie ein großes Vertrauen, und sie sagte:

„Ich danke Ihnen – ich danke Ihnen wirklich von ganzem Herzen!“

Der Alte lächelte nur zur Antwort.

„Warten Sie.“

Er ging kurz an den Küchentisch, notierte etwas auf einem kleinen Zettelchen und gab ihn ihr.

„Hier ist meine Telefonnummer. Falls Sie mir demnächst jemanden ankündigen möchten…“

„Danke“, lachte Frau Wagner. „Ja, ich hoffe, das kann ich…“ Der Alte begleitete sie noch zur Tür und blieb dort eine Weile stehen.

Seinen warmen Blick im Rücken, schritt sie voller Zuversicht wieder in den Frühling hinein…

*

Mitten in einem gemeinsamen Angriff klopfte seine Mutter an die Tür.

„Kann jetzt nicht!“, rief er zerstreut und war schon wieder mitten im Geschehen.

„Ich komme rein!“, hörte er seine Mutter.

Sie öffnete die Tür.

Durch die sich zwischen dem Geschehen hinter ihm und dem Bildschirm teilende Aufmerksamkeit konnte ihr gemeinsamer Gegner, ein machtvolles Monster namens Regindrat, mit einem einzigen gut gerichteten Feuerstoß ihren gesamten Angriff zunichtemachen und sie auseinandertreiben.

„Was ist da los, Doram!?“, rief Morlo alias Stefan wütend per Team Speech.