Sieben Nächte im Paradies - Uwe Goeritz - E-Book

Sieben Nächte im Paradies E-Book

Uwe Goeritz

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Beschreibung

Altersempfehlung: ab 16 Jahre Als Kind hatte Jasmin das Buch "Robinson Crusoe" geliebt, aber da hatte sie auch noch nicht gewusst, dass es sie an einem Freitag auf eine unbewohnte griechische Insel im Mittelmeer verschlagen würde und ihr Robinson dermaßen unsympathisch sein würde, dass sie schreiend davonlaufen könnte. Aber die Insel ist eben nicht groß genug dafür. Kann sie noch gerettet werden, bevor sie und der Mann sich gegenseitig an den Hals gehen? Oder beginnt in der Abgeschiedenheit etwas ganz anderes?

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Inhaltsverzeichnis

Sieben Nächte im Paradies

Eine verrückte Idee

Verrückte Welt

Ein einsames Segel

Ungeplanter Umweg

Schiff der Verrückten

Neuer Versuch?

Schiffbruch

Regentropfen

Gerettet?

Zerbrochene Träume

Einsam und verlassen

Ein Abend unter Freunden

Schatten der Vergangenheit

Segeltour

Gaby

Sorgen und Nöte

Schokolade macht glücklich!

Der Geist einer liebenden Seele

Erinnerungen

Regen im Paradies

Tage und Nächte

Eine Nixe

Zukunftspläne

Rettung im ungünstigsten Moment

Sehnsucht

Neue Prioritäten

Verlorene Liebe

Alles gut?

Ungelöste Fragen

Entscheidung aus Liebe

Spurensuche

Schmerzlicher Verlust

Mit der Hilfe von Freunden

Stein auf Stein

Ein glücklicher Fund

Eine zweite Chance?

Sieben Nächte im Paradies

Als Kind hatte Jasmin das Buch „Robinson Crusoe“ geliebt, aber da hatte sie auch noch nicht gewusst, dass es sie an einem Freitag auf eine unbewohnte griechische Insel im Mittelmeer verschlagen würde und ihr Robinson ihr dermaßen unsympathisch sein würde, dass sie schreiend davon laufen könnte. Aber die Insel ist eben nicht groß genug dafür.

Kann sie noch gerettet werden, bevor sie und der Mann sich gegenseitig an den Hals gehen? Oder beginnt in der Abgeschiedenheit etwas ganz anderes?

Sämtliche Figuren, Firmen und Ereignisse dieser Erzählung sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, ob lebend oder tot, ist rein zufällig und vom Autor nicht beabsichtigt.

1. Kapitel

Eine verrückte Idee

Mit quietschenden Reifen setzte die kleine Propellermaschine auf dem Inselflugplatz auf. Jasmin sah aus dem Fenster auf die kleinen Büsche, welche die Landebahn säumten. Eine wahre Odyssee ging langsam zu Ende. Vor unheimlich vielen Stunden war sie in Deutschland losgeflogen und nun, nach dreimaligen Umsteigen, endlich irgendwo in Griechenland. Immer noch nicht am Ziel ihrer Reise, aber zumindest nahe dran.

Kurzentschlossen hatte sie sich am Vortag auf den Weg gemacht, um ihren Freund zu überraschen, der auf einer kleinen griechischen Insel als Architekt ein Hotelprojekt betreute. Schon mehr wie einen Monat war er dort und sie sehnte sich nach ihm. Mit einer lässigen Handbewegung schob sie sich die Haare nach hinten und sah sich um. Eine ältere Frau mit Kopftuch zog eine Ziege an ihr vorbei durch die Sitzreihen. Außer ihnen waren nur noch vier ältere Männer mit an Bord gewesen.

Jasmin dachte an den Start der Reise zurück. Ohne lange zu zögern hatte sie ihre Tasche gepackt, war, ohne es jemanden zu sagen, zum Flugplatz gefahren und hatte das erste Flugzeug genommen, das in Richtung Süden geflogen war. Daher kamen natürlich auch diese drei Etappen. Mit ein bisschen Vorbereitung wäre das mit einem einzigen Flug auch zu schaffen gewesen, doch so lange wollte sie eben nicht mehr warten.

Die Tür direkt vor ihr öffnete sich, die Ziege meckerte und ein Gluthauch schlug in das Flugzeug hinein. Sie hatte die Ansage des Piloten nicht verstanden, aber es würden sicherlich mehr wie 40 Grad im Schatten sein. Nur, dass es hier sicherlich kaum einen Schatten gab. Es schien ihr so, als ob sie in die Herdflamme des Backofens ihrer Großmutter schaute, wie damals als Kind. Noch bevor sie sich überhaupt bewegen konnte, war ihr T-Shirt schon völlig durchgeschwitzt.

Die Frau griff sich ihren Koffer und machte zwei Schritte, bis sie in der offenen Tür stand. Flirrend stieg die heiße Luft vom Beton auf und nach einem weiteren Schritt stand sie auf der untersten Stufe der Flugzeugleiter. Nun hatte sie Hitze von oben und unten und traute sich nicht, die Füße auf den Beton zu setzen. Schließlich trug sie ja nur Sandalen mit Plastiksohlen und die würden in der Hitze sicherlich nicht lange durchhalten. Fast flehend sah sie sich um, aber es gab hier keinen Schutz vor der Hitze und bis zur Baracke der Flugaufsicht waren es bestimmt zweihundert Meter! Nur dort gab es Schatten.

Einer der Männer trat hinter ihr aus dem Flugzeug und fluchte, weil sie die Treppe blockierte. Ein heftiger Schubs mit seinem Koffer in ihren Rücken ließ sie nach unten springen und das zischende Geräusch kündete vom Ende ihrer teuren Sandalen. „Verdammt!“, fluchte sie und hob einen ihre Füße. Der Schuh zog Fäden. Nun hieß es sich beeilen, damit sie noch mit Schuhen auf der anderen Seite ankommen würde. Niemals würde sie die Strecke barfuß überstehen. Zumindest nicht ohne große Verbrennungen.

Daher rannte sie mit dem Koffer in der Hand die kleine Strecke und holte unterwegs die Ziege ein, die ihre Hufe besonders vorsichtig und fast tänzelnd auf den Boden setzte. Dann war endlich die Tür der Baracke erreicht. Von einer Minute zur nächsten war kühler Wind um sie herum. Die Klimaanlage ließ einen Strom kalte Luft über sie fallen. So stand sie in einem kleinen Raum, der keine fünf Mal fünf Meter groß war. Ein paar Bänke befanden sich an der einen Seite, an der sich auch die großen Fenster befanden, die Türen zu den Toiletten waren an der anderen.

Mit ihrem Koffer zog sie zu der Tür, auf der kunstvoll eine üppige Frau aufgemalt war. Dort drin konnte sie ihre nasse Kleidung gegen trockene wechseln, aber die Tür rührte sich nicht. Sie rüttelte am Griff, aber offensichtlich war da abgeschlossen. Ein Zettel hing neben der Tür, den sie aber nicht entziffern konnte. Ihr Griechisch beschränkte sich auf ein paar Sätze und Floskeln, die sie bei einem Urlaub mit den Eltern vor Jahren aufgeschnappt hatte, aber mit dem lesen war das schon etwas anderes.

Verzweifelt sah sie sich um, während ihr der Schweiß immer noch den Rücken herunterlief. Die alte Frau mit der Ziege betrat den Raum, verschwand aber sofort wieder, als sie den kalten Luftstrom spürte, noch bevor Jasmin sie etwas fragen konnte. Sonst war niemand hier. Sollte sie sich hier umziehen? Einfach so? Wenn die Männer hier hereinkamen? Lieber nicht! Die zweite Tür war nur zwei Schritte entfernt.

Ein Seemann war darauf gemalt und kurzentschlossen klinkte die Frau dort. Diese Tür ließ sich öffnen. „Hallo?“, rief sie in den halbdunklen Raum, erhielt aber keine Antwort. Schnell huschte sie hinein und ging zu einer der Kabinen. Der Geruch war etwas streng, aber zum Aushalten. Die Kabinentür fiel in das Schloss und Jasmin stellte den Koffer auf einen Eimer, der neben dem obligatorischen Loch im Boden stand. Diese Art von Toiletten kannte sie noch zu gut von ihrem Urlaub damals.

So schnell es ging, trocknete sie sich ab, zog sich um und lauschte nach draußen. Gerade als sie die Toilettenkabine verlassen wollte, hörte sie, wie jemand pfeifend den Raum betrat. Nun würde sie warten müssen, doch der Mann schien sich Zeit zu lassen. Jasmin hörte es plätschern und dann pfiff er einfach weiter. Eine ganze Weile später hörte sie den Wasserstrahl in das Waschbecken laufen und danach klappte die Tür. Als sie schnell nach draußen ging, stand sie direkt vor einem jüngeren griechischen Mann, der sie ziemlich verwirrt ansah, während er sich in einem der Becken plätschernd erleichterte, denn schließlich war sie hier ja im falschen Raum.

Dann lächelte er breit über das ganze Gesicht und Jasmin huschte aus dem Raum, bevor sich ihre Gesichtsfarbe dem roten T-Shirt angleichen konnte. „Geschafft!“, dachte sie und setzte sich auf eine der Bänke. Nun war es an der Zeit die weiteren Schritte zu planen, dazu zog sie eine Karte aus dem Seitenfach des Koffers und breitete diese über ihren Knien aus. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der Mann die Türe der Toilette wieder passierte und unschlüssig vor einer Tafel stand.

Mit dem Finger auf dem Plan suchte sie ihre Position und das Ziel ihrer Reise. Es lag nur noch das Mittelmeer zwischen ihr und ihrem Freund!

Ein dicker blauer Streifen, den sie nun nur noch per Schiff überwinden konnte. Und die würden sicher unten am Hafen sein. Der Mann räusperte sich und sie sah auf. „Wo wollen sie denn hin?“, fragte er in Deutsch mit einem Akzent. Gerade noch fragte sich Jasmin, woher er wusste, dass sie aus Deutschland kam, als ihr Blick auf die Karte fiel, die ja in Deutsch beschriftet war. Schnell nannte sie das Ziel ihrer Reise.

Der Mann nickte und zeigte durch das Fenster auf ein Schild, auf welchem ein Anker und ein roter Pfeil darauf waren. Aber da war sie ja auch selbst schon kurz zuvor darauf gekommen. Trotzdem bedankte sie sich und stand auf. Allerdings würde sie jetzt auch wieder in die Hitze des Mittags hinaus müssen.

Schon alleine der Gedanke daran trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. Außen am Fenster hing ein Thermometer dran. 44 Grad, im Schatten! „Ich muss verrückt sein!“, sauste es durch ihren Kopf, aber sie dachte daran, dass sie ja ihren Freund überraschen wollte. Vielleicht war diese ganze Reise einfach nur eine verrückte Idee gewesen.

Sie seufzte, schob die Tür auf und trat hinaus. Es dauerte keine zwei Minuten, da war das T-Shirt wieder zum Auswringen nass.

2. Kapitel

Verrückte Welt

Tom saß an seinem, zum Zeichenbrett umfunktionierten, Klapptisch vor dem Hotelneubau. Das Fundament war gegossen und der erste Stock war im Rohbau schon fertig. Seit einem Monat befand er sich nun schon in diesem Ort auf der Insel und arbeitete hier verbissen daran, den Bauarbeitern seine Vorstellung von dem Hotel nahezubringen. Wieder verglich er die Zeichnung mit dem steingewordenen Traum, der in seinem Architekturbüro das Licht der Welt erblickt hatte. Das Model hatte irgendwie anders ausgesehen. Was war falsch daran?

Aufgeregt ging sein Blick vom Blatt zu der Wand und zurück. Zum wievielten Male machte er das schon? Sicherlich schon zum zwanzigsten Mal. Die Tage vorher hatte er an der anderen Seite gesessen, da hatte alles gepasst. Heute war diese Seite dran, doch das war irgendwie unsymmetrisch! Lag das an seinem Blickwinkel? Er stand auf und ging drei Schritte zur Seite und wieder zurück. Es änderte sich nichts daran, dass die Mitte offensichtlich nicht die Mitte war.

Da gab es nur eine Lösung: Nachmessen! Mit dem Bandmaß versuchte er seine Vermutung zu entkräften. Vergebens! Die eine Seite war einen Meter kürzer als die andere! „Mist!“, entfuhr es ihm. Und das Fundament war auch einen Meter zu kurz. Tom kratzte sich am Kopf und überlegte. Abreißen und neu bauen? Ein neues Fundament gießen lassen und einen Verzug plus Abrissarbeiten riskieren? Eigentlich hätte er das gemusst, aber dann wäre mehr als ein Monat umsonst gewesen.

Ein neues Konzept musste her!

Wie konnte er schnell die Symmetrie wiederherstellen? Oder einfach die Blickachse verschieben und das Unsymmetrische herausarbeiten sowie betonen? Das konnte gelingen! Mit dem spitzen Bleistift entwarf er ein neues Modell. Dann radierte er es wieder aus. Noch ein paar Gedanken zur Änderung. Es war zum Verzweifeln!

Völlig in seine neue Arbeit vertieft bemerkte er, dass Wasser auf sein Werk tropfte. Regnete es etwa? Tom hob den Kopf und sah gegen die Sonne in das lächelnde Gesicht einer Frau mit langen Haaren, aus denen das Wasser auf den Tisch tropfte. Offensichtlich war sie geschwommen. Für einen Moment war er verwirrt, doch dann erkannte er die Frau wieder. Es war seine Ex-Freundin Ulrike. „Ricke, was machst du denn hier?“, fragte er überrascht.

Fast verlegen strich sich die Frau das Wasser aus den rotblonden Haaren, dann warf sie diese mit einer lässigen Handbewegung nach hinten. Sie lächelte und die Sommersprossen auf ihrem Gesicht schienen vor Freude zu hüpfen. „Ich mache hier seit gestern Urlaub“, sagte sie und zeigte zum Nachbarhotel, aus dessen Pool sie anscheinend gerade geklettert war. Der bunte Bikini stand ihr gut. Tom bemerkte, dass sie etwas zugelegt hatte, aber an den richtigen Stellen.

„So ein Zufall!“, entgegnete Tom und sah sie weiter einfach nur an. „Na dann! Wir sehen uns!“, sagte sie, drehte sich wieder zum Pool zurück und sprang nach ein paar Schritten hinein. Fast tänzelnd war sie dorthin gelaufen, denn der Beton war durch die Sonne ziemlich heiß geworden. Lange sah er ihr noch nach. Seine Gedanken kreisten um die Frau. Warum hatte er sie damals verlassen?

„Sie war gegangen!“, fiel ihm wieder ein. Der Schmerz von der Trennung bohrte sich erneut in sein Herz. Vor über einem Jahr war sie, einfach so, wortlos aus der Wohnung verschwunden. Das Bild hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Wie sie sich einfach von ihm weggedreht hatte, die Reisetasche in der Hand. Danach die geschlossene Tür der Wohnung.

Und nun war sie wieder da?

Die Erinnerung an zwei glücklich miteinander verbrachte Jahre war wieder vor seinen Augen und verdrängte die geschlossene Tür. Das erste Jahr war wild und leidenschaftlich gewesen. Noch nie hatte er eine Frau getroffen, die so viel geben konnte, wie Ricke.

Tom bemerkte, dass er sie wieder mit dem alten Kosenamen bedachte. Der Schmerz schien verflogen. Dann fiel ihm seine neue Freundin ein. Jetzt hatte er doch Jasmin! Er musste sie anrufen! Jetzt! Warum eigentlich? In allen Taschen suchte er sein Telefon, aber das lag sicher in seinem Zimmer. Dann beschloss er, am Abend anrufen, damit er bei ihr nicht denselben Fehler machte, wie bei Ulrike damals. Das zweite Jahr hatte er sich damals zu sicher gefühlt und nur noch in die Arbeit gestürzt. In seinem Tatendrang hatte er ihre verzweifelten Blicke nicht bemerkt. Erst später war ihm so manche Geste der Frau aufgefallen. Auch wenn sie vielleicht nicht zu übersehen gewesen war, so hatte er sie doch einfach weggedrückt.

Immer noch schmerzte der Verlust, aber es war vorbei. Die Spitze des Bleistiftes ruhte auf dem Papier. Da war sie sicher schon eine Minute lang gewesen. Sein Blick ging wieder zu der Frau hinüber, die sich jetzt auf einer der Liegen am Pool ausgestreckt hatte und sich einen Drink schmecken ließ. Tom legte den Bleistift weg und sah nun auf ihre Bewegungen.

Ulrike lag so, dass er sie sehen konnte, aber sie nicht ihn. Seine Gedanken flogen wieder in das zweite Jahr ihrer Beziehung zurück. Im Geiste entschuldigte er sich bei ihr für seine Unaufmerksamkeit. Wieder sah er sich, wie er bis tief in die Nacht am Zeichenbrett gesessen hatte, während sie in Dessous neben ihm stand. In einer Nacht hatte sie sich sogar nackt neben ihn gestellt, aber er hatte nicht darauf reagiert.

Der Zeitdruck der Arbeiten hatte seine Beziehung zerstört. Tat das nun dieser neue Auftrag hier auch mit der Beziehung zu Jasmin? Zu lukrativ war das Angebot gewesen. Ein Hotel auf dieser Insel! Von der Konzeption bis zum Einzug sein Werk! War es den Einsatz wert? Seufzend sah er auf die fehlende Kante. Das hätte er auch von zu Hause so hinbekommen!

Das war alles Pfusch und hier hörte wirklich keiner auf ihn. Erneut zog der Stift einen Strich über das Papier. Dann fiel ein Schatten auf den Tisch. Wieder war es Ricke, die ihm einen Kaffee hinhielt.

„Schwarz, ein Stück Zucker!“, sagte sie lächelnd und er nahm den Becher dankbar entgegen. Während er das Getränk umrührte, sah sie auf die Zeichnung. „Da stimmt was nicht“, sagte sie und Tom verzweifelte noch mehr. Wenn schon Ricke bemerkte, dass da etwas nicht stimmte, dann würden das seine Auftraggeber in zwei Wochen auf alle Fälle sehen.

„Ja! Ich weiß! Da fehlt ein Meter!“, sagte er zerknirscht und trank den Kaffee. Der war richtig gut. Ricke legte die Hand auf das Papier und verdeckte eine Hälfte, dann die andere. „Und wenn du das so machst?“, fragte sie und erklärte kurz ihre Idee. Der Gedanke war brillant. Tom sprang auf, küsste die verblüffte Frau und nahm den Stift. Das war die Idee, die er die ganze Zeit gesucht hatte.

„Als Dank lade ich dich heute Abend zum Essen ein“, sagte er schnell und war sofort in seine Zeichnung vertieft. Er bemerkte nicht einmal, dass sie nicht mehr neben ihm stand. Viel zu tief steckte er schon wieder in seiner Arbeit. Alles andere war aus seinen Gedanken verbannt. Ricke, Jasmin, die Insel, das Hotel. Das Hotel? Nicht ganz alles!

3. Kapitel

Ein einsames Segel

Nassgeschwitzt näherte sich die zweiundzwanzigjährige dem Hafen. Schon seit einer Weile konnte Jasmin die blaue Fläche des Meeres leuchten sehen. Es versprach Abkühlung in der Hitze. Kein Lüftchen war zu spüren und der Koffer hoppelte hinter ihr her auf den Steinen des schlecht gepflasterten Weges. Neben ihr döste ein struppiger Hund im Schatten einer alten Hütte. Niemand war zu sehen, der sich in dieser Hitze aus dem Versteck der Hütten heraus traute. Vermutlich war sie im Moment die einzige auf der Insel, die sich außerhalb bewegte.

Vielleicht wäre es besser gewesen, in dem klimatisierten Raum zu warten, bis die Wärme erträglicher wäre, aber da konnte sie bestimmt bis zum Abend warten. Und dann würde sie noch eine Nacht auf dieser Insel verbringen müssen. Die Limo, die sie noch in der Tasche hatte, war mittlerweile so warm, wie ihr sonntägliches Badewasser zu Hause. Es erfrischte sie nicht, sondern wärmte sie noch zusätzlich von innen.

Noch hatte sie sich nicht überlegt, wie sie hier wohl wegkommen würde. Vielleicht fuhr ja eine Fähre und sie konnte da übersetzen und hoffentlich sprach da jemand deutsch. Der Hafen war menschenleer. Ein langer, hölzerner Steg führte in das Blau hinaus. Davor war ein Pfahl mit einer Hinweistafel. Wieder in Griechisch! Sie verglich den Namen der Insel, auf welcher ihr Freund arbeitete, mit den Bezeichnungen auf der Tafel und stellte fest, dass die Fähre gerade vor einer viertel Stunde abgefahren war. Und es gab erst am folgenden Morgen die nächste. Wäre sie direkt vom Flugzeug hierher gegangen, dann wäre sie jetzt schon auf dem Weg. Vor Schreck ließ sie den Koffer fallen, der lautstark auf dem Steg aufschlug, aber zum Glück nicht in das Wasser fiel.

Da stand sie nun und sah sich um. Hier konnte sie niemandem fragen und Schatten gab es hier auch kaum. Nur an der Seite des Hafens stand ein Gebäude, das wie eine Taverne aussah. Dorthin führte sie nun schnell der Weg. Wenn die Gaststätte geschlossen war, dann konnte sie vielleicht wenigstens unter dem Vordach ein bisschen Abkühlung finden. Aus ihrem schnellen Lauf heraus drückte sie so sehr gegen die Tür, dass sie fast damit in den Raum fiel. Mit einem Knall schlug die Holztür gegen die Taverenwand und Jasmin stand mit ihrem Koffer im Schankraum.

Zwei ältere Männer saßen an einem Tisch in der Ecke und spielten irgendein Brettspiel. Beide waren sicher schon über sechzig Jahre alt und blinzelten sie erschrocken an. Hier störte sonst sicher nie jemand die Ruhe des Dorfes. „Entschuldigung“, sagte Jasmin laut und die beiden Männer widmeten sich wieder ihrem Spiel. Unbeachtet blieb sie dort im Raum stehen. Dann kam eine junge Frau in den Raum und trat hinter den Tresen. Diese sprach sie an, aber Jasmin konnte sie nicht verstehen. Daher versuchte sie es auf Englisch und die griechische Frau nickte.

Nach wenigen Augenblicken hatte Jasmin die erhoffte Cola mit ein paar Eiswürfeln im Glas. Sie war herrlich kühl und zischte fast, als sie durch die Kehle der jungen Frau floss. Zwischen dem ersten und dem zweiten Glas fragte Jasmin nach der Insel, aber die Bedienung zeigte nur auf die Tafel mit der Fähre, die auch hier drin an der Wand hing. Jasmin seufzte und nickte verstehend. „Mist“, sagte sie und die andere Frau fragte, in fast reinem Hochdeutsch, „Bis du aus Deutschland?“ „Ja“, antwortete Jasmin erfreut und setzte hinzu „Woher kannst du so gut Deutsch?“ „Mein Freund hat dort Landwirtschaftsmechaniker gelernt“, entgegnete die Frau und goss das dritte Glas Cola für Jasmin ein.

„Gibt es denn keine andere Möglichkeit, um dorthin zu kommen?“, fragte sie und zeigte auf die Fährverbindung. Die Frau schüttelte den Kopf „Die Fischer sind schon seit Stunden draußen. Die fahren auch erst morgen früh wieder raus und eine weitere Verbindung dorthin gibt es nicht. Der Weg wäre zu weit für eine Fähre am Abend. Hier will niemand im dunklen auf See müssen.“ „Na da muss ich eben bis morgen warten“, stellte Jasmin resigniert fest. „Gibt es hier ein Hotel oder eine Pension, wo ich bis morgen bleiben kann?“, fragte sie schließlich noch die andere Frau.

„Nein. Aber wenn du nichts anderes findest, so kannst du auch mit zu mir kommen“, beantwortete die junge Frau ihren flehenden Blick und hielt ihr die Hand hin „Sofia“, sagte sie freundlich lächelnd, „Jasmin“, antwortete sie und ergriff die entgegen gestreckte Hand. „Hast du auch was zu essen?“, fragte sie, „Ich habe schon seit Stunden nichts mehr gehabt.“ Sofia schob ihr die Speisekarte über den Tresen, auf der alles mit Bildern touristenfreundlich dargestellt war. Offensichtlich waren hier öfter mal Leute, die auf die Fähre warteten.

Jasmin zeigte auf ein Bild, welches wie Würstchen mit Kartoffeln aussah und Sofia nickte. Wenig später stand das bestellte Gericht dampfend vor Jasmin. Es schmeckte etwas seltsam, aber im Moment hätte Jasmin sicherlich alles gegessen, was man ihr vorgesetzt hätte. Ihr knurrender Magen war bestimmt bis zum Tisch der Spieler zu hören gewesen.

Nach einer Weile sagte Sofia „Schau mal!“ und zeigte durch die von ihr offen gelassene Tür zum Hafenbecken hinaus. Jasmin drehte sich um und sah, wie auf einem der kleinen Segelboote ein Mann begann das Segel zu ordnen. „Vielleicht fährt der heute noch raus und kann dich unterwegs absetzen“, setzte Sofia hinzu, die ja den Hafen sehr gut kannte. Was würde es auch für einen Sinn ergeben, jetzt das Segel in der Hitze zu kontrollieren, wenn man erst am nächsten Tag losfahren wollte.

„Danke dir!“, rief Jasmin, bezahlte schnell und rannte mit dem Koffer zum Anleger hinüber. Es polterte fürchterlich, als sie im Laufschritt, durch die Hitze des Mittags, auf dem alten Steg zu dem kleinen Boot lief. Gerade zog der Mann das Segel am Mast hoch, als sie keuchend vor ihm zum Stehen kam. „Entschuldigen sie“, rief Jasmin und hoffte, dass der Mann sie verstehen würde.

Fragend blickte er sie an und sie setzte hinzu „Können sie mich mitnehmen? Ich habe meine Fähre verpasst“ dann setzte sie noch den Namen ihres Zieles hinzu. Immer noch sah er sie fragend an und Jasmin verzweifelte schon fast.

Der Mann würde sie nicht verstehen und damit würde sie vielleicht doch die Nacht bei Sofia bleiben müssen. Enttäuscht drehte sie sich schon wieder um, als er sagte „Das ist für mich aber ein ganz schöner Umweg.“ Schnell drehte sie sich wieder zurück und sah ihn flehend an „Bitte“, sagte sie und wusste, dass ihrem Blick eigentlich kein Mann widerstehen konnte.

4. Kapitel

Ungeplanter Umweg

Es war ein solch schöner Tag und Alexej hatte in seinem Boot bis weit in den Mittag hinein geschlafen. Dies war sein dritter Urlaubstag und es würden noch fast vier Wochen übrig bleiben, in welchen er mit seiner kleinen Jolle über das Mittelmeer segeln wollte. Eigentlich war dieses kleine Boot nicht so wirklich ideal für eine Fahrt weit über das Meer, aber für die Touren hier zwischen den griechischen Inseln war sie einfach optimal.

Er brauchte ja auch nicht so viel. Ein kleiner Rucksack und ein paar Vorräte. Das meiste holte er sich in den Häfen, die er ja jeden Tag anlief. Nur für die Ausflüge zu den Badebuchten beabsichtigte er, sich ein paar Vorräte zusätzlich mitzunehmen. Dazu war das Boot dann auch groß genug. Schon seit Jahren hatte er vorgehabt, diese Tour mit seiner Freundin zu machen, aber die ständige Arbeit hatte dann dazu geführt, dass er nun keine Freundin mehr hatte. Die Idee mit der Tour war ihm aber geblieben. Jetzt war Urlaub! Der erste seit Jahren!

Verschlafen strich er sich die Haare aus der Stirn und setzte sich auf. Das Boot schaukelte leicht in der Dünung, die vom Meer in die Hafenbucht drückte. Hier drin ging kaum ein Lufthauch. Ein strahlend blauer Himmel zog sich über ihm von Horizont zu Horizont. Ganz selten war mal eine kleine weiße Wolke zu sehen. Alexej machte sich eine Flasche Bier auf und trank genüsslich das kalte Getränk aus.

Das hier war so ganz das Gegenteil von dem, was er sonst immer so machte. Zurück zur Natur! Nur Ruhe um ihn her! Wind, Meer und Möwen! Absichtlich hatte er das Telefon in seiner Wohnung in Athen gelassen. Für Wochen würde er nun jeden Kontakt hinter sich abbrechen. Sonst war der Trubel in der Firma ständig um ihn herum. Immer klingelte es und die Zahlen auf den Monitoren flimmerten vor seinen Augen hin und her. Seine kleine Firma, die eine Börsensoftware betrieb und auch mit Aktien handelte, war ziemlich erfolgreich. Daher war sein Vermögen in der letzten Zeit eher exponentiell gewachsen. Allerdings auf Kosten seiner Beziehung.

Auch um von diesem Schmerz geheilt zu werden, machte er diesen „harten Entzug“ von allen Kommunikationsmitteln. Ohne das wäre die