Tod des Chefs oder Die Liebe zur Opposition - Wolfgang Schreyer - E-Book

Tod des Chefs oder Die Liebe zur Opposition E-Book

Wolfgang Schreyer

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Beschreibung

Wolfgang Schreyer, profilierter Romanautor, legt hier ein Bühnenstück vor, das die Liaison faschistischer Diktatur und bürgerlicher Scheindemokratie behandelt. Eine künstliche Opposition wird ins Leben gerufen, um eine demokratische Fassade zu demonstrieren und gleichzeitig einer wirklich revolutionären Entwicklung vorzubeugen. Doch die als Scheinopposition gegründete "zweite Partei" entpuppt sich als durchaus aktionsfähige politische Kraft, und in die vom "Chef" aufgestellten Attrappen kommt unversehens Leben ... Wolfgang Schreyer kennt sich aus in Atmosphäre, Milieu und Politik der mittelamerikanischen Republiken. Sein Stück beruht auf historischen Vorgängen in der Dominikanischen Republik in den Jahren 1961 bis 1965. Das Motiv wurde ebenfalls in dem Roman "Der Adjutant" verwendet, der von der DEFA 1971 verfilmt wurde. Das Volkstheater Rostock führte 1974 das gesellschaftskritische Stück auf, verlagert auf einen anderen Kontinent enthält es etliche Spitzen zur DDR-Politik.

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Impressum

Wolfgang Schreyer

Tod des Chef oder Die Liebe zur Opposition

Schauspiel

ISBN 978-3-86394-102-4 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien erstmals 1975 im Eulenspiegel Berlin

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Personen

Hauptmann TOMÁS, 28, 1. Adjutant (Armee)

Major PEZUELA, 40, 2. Adjutant (Staatsschutz)

Leutnant COSTA, 20, 3. Adjutant (Marine)

GENERAL Tomás, 55, Armeeminister

Der PRÄSIDENT, 60, Premierminister

Dr. PILAR, 40, Dozentin für alte Geschichte

Oberst LUNA, 36, Stabschef (Luftwaffe)

ESTRELLA, 40, Führer der Opposition

NÚÑEZ, 58, Mitglied der verbotenen KP

KING, 35, Stationschef der CIA

Der CHEF, 69, Wohltäter des Vaterlandes

Leibarzt, zwei Leibwächter, zwei Mitarbeiter des Staatsschutzes

Spielt in einer Bananenrepublik, nach der cubanischen Revolution.

Die Szene ist stets die Adjutantur im Nationalpalast.

Die Adjutantur ist das Vorzimmer, die Kanalschleuse der Macht. Wer immer zum Präsidenten oder gar zum Chef gerufen wird, der muss den gepanzerten Schauplatz des Stücks passieren; ebenso, wer das Machtzentrum verlässt.

Der Raum hat drei Zugänge, gemäß ihrem Rang auf drei Ebenen: rechts vorn zum Wartesaal und in die nachgeordneten Teile des Palastes; links, drei Stufen hoch, zum Amtszimmer des Präsidenten; in der Mitte, nochmals erhöht, die große Flügeltür zu den Gemächern des Chefs. Wenn sie sich öffnet, lässt ein süßes Leuchten schwelgerischen Luxus ahnen. Sie wird flankiert von einem Fenster (Blick über hitzeflirrende Dächer) und einer gleichgroßen Wandtafel - darauf gut lesbar das Modell der Staatsspitze.

Das Interieur vereint militärische Kälte und Sicherheitserfordernisse mit dem Prunk entschiedener Verehrung. Vorn kanalisiert ein langer Stahltisch mit farbigen Telefonen und Arbeitsplätzen für die drei Adjutanten den Zugang zur Macht. Da ist ein Trinkwasserballon und, in die Aktenwand eingelassen, der Kühlschrank - das Menschliche der Militärs anzeigend. Auf der mittleren Ebene steht eine Sitzgruppe mit Sofa, auf der oberen, schwungvoll fallend, die blaurote Staatsfahne. An den Wänden: Das Porträt des Chefs, untermalt von dessen fünf Generalissimussternen, jeweils mit Kometenschweif; ferner das barocke Staatswappen (Kreuz mit Bibel, Friedenspalme, Degen und Gewehren) und die vier Leitworte des Chefs - RECITTUD, LIBERTAD, TRABAJO y MORALIDAD.

Wer die Adjutantur auch betritt, der erhält einen gehörigen Eindruck von der Lebenskraft des Regimes, von der unvergänglichen, gottgewollten Allgewalt des Herrschers.

Erstes Bild

Costains Telefon: Herr Präsident, der Erzbischof lässt sagen, er müsse die Morgenmesse lesen. Er lehnt es wieder ab, in den Palast zu kommen ... Ja, die Posten sind verstärkt; der Flugplatz, der Hafen, Radio Nacional und die Brücken werden scharf bewacht; Patrouillen sichern den Stadtrand ... Zu Befehl, Exzellenz: Keinen vorlassen. Legt auf.

Pezuelavon rechts herein: Lang lebe der Chef!

Costa Er lebe! Adjutantur des Wohltäters des Vaterlandes besetzt mit Leutnant zur See Costa.

Zu den Grußformeln in legerer Korrektheit ein rasches Heben des rechten Arms; die Hand wird dann, ewige Treue signalisierend, für Sekunden ans Herz geführt.

Pezuela Neue Vorkommnisse?

Costa Ja, Major: Der Präsident ist beim Chef; man wünscht keine Störung. Das Wachregiment hat Urlaubssperre, die Polizei steht in Bereitschaft.

Pezuela Ich weiß. Setzt sich. Noch etwas?

Costaauf die Flügeltür deutend: Der Armeeminister ist auch da drin.

Pezuela General Tomás - so früh?

Costa Man hat sogar nach dem Erzbischof geschickt; aber der ließ sich entschuldigen.

Pezuela Wieder mal. Diese fette Laus.

Costa Verzeihung, Major: Was kann das wohl bedeuten?

Pezuela Der Klerus sagt uns die Gefolgschaft auf.

Costa Ich meine - all die Maßnahmen des Chefs ...

Pezuela Nicht so neugierig, Costa. Er rückt Akten zurecht. Der Chef wird schon wissen. Wir tun unsere Pflicht.

Costanimmt Haltung an.

Tomásvon rechts herein: Lang lebe der Chef!

Pezuelasteht auf: Er lebe! Adjutantur des Wohltäters des Vaterlandes besetzt mit Major Pezuela und Leutnant Costa.

Tomás Danke, Major. Gibt's was Neues?

Pezuela Die Wachen sind verstärkt; überall Alarmbereitschaft. Auf die Flügeltür deutend. Und da drin tut sich was: Der Chef berät mit dem Präsidenten und Ihrem Herrn Vater.

Tomás Um diese Zeit? Recht ungewöhnlich. Zu Costa: Wo ist denn das Mädchen? Wartet nebenan?

Costabedrückt: Nein, Hauptmann; sie hat sich hier noch nicht gemeldet.

Tomás Sehen Sie mal unten nach, vielleicht hält man sie auf.

Costa Zu Befehl. Ab.

Pezuela Ging's denn glatt mit ihr, gestern im Theater?

Tomás So glatt wie immer.

Pezuela Mancher beneidet Sie um dieses zarte Amt.

Tomás Wenn Sie das ein Jahr lang machen, Pezuela, steht es Ihnen bis hier.

Pezuela Na, na ... Ein kleines Prickeln ist doch sicher noch dabei.

Tomás Ach was! Erst glauben die ja immer, ich wär' hinter ihnen her. Und wenn sie dann merken, für wen man spricht, starren sie einen entgeistert an.

Pezuelagenüsslich: Denen wird schwindelig. Der Chef! Ein Herrscher über drei Millionen Menschen! Das Erlebnis der Macht - danach lechzen sie doch alle ... Hat er denn Teresa schon gesehen?

Tomás Nein; er geht ja nicht ins Theater ... Das Stück war wieder schwach, ein Volksstück. Es hätte ihn gelangweilt.

Pezuela Das Theater ist zu verwickelt, die reinste Falle. Wir hätten alle Karten aufkaufen müssen, sicherheitshalber.

Tomás Warum nicht - Ihr Staatsschutz hätte sich amüsiert.

Pezuela Wohl kaum. Die Bühne ist für Leute, die nichts erleben. Liebe und Tod und Spaß, wer von uns braucht da Ersatz?

Tomás Major, ich staune. Sie denken ja nach über Kunst.

Pezuelakopfschüttelnd: Ich frage mich, wer Teresa dem Chef empfohlen hat. Costa diesmal nicht - sie ist doch sein Mädchen.

Tomás Finden Sie's heraus, wenn Sie müssen.

Pezuela Und ob ich muss. Jede Person, die durch diese Tür da geht, ist ein Sicherheitsrisiko.

Die Flügeltür öffnet sich, General Tomás tritt auf. Jenseits der Tür zwei salutierende Leibwächter, diese wieder schließend.

Tomás General: Adjutantur des Wohltäters des Vaterlandes besetzt mit Major Pezuela und Hauptmann Tomás.

Generalabwinkend: Ja, ja, schon gut ... Ach du bist das, Junge. Tupft sich die Stirn. Mal ein Schluck Wasser.

Tomásfüllt Pappbecher aus dem Trinkwasserballon: Bitte, Vater.

Generalgierig trinkend: Ah ...!

Tomás Vater, was ist passiert?

General Nichts, nichts ... Er strafft sich. Kleines Feindmanöver, Bagatelle. Riegeln wir ab, im Gegenstoß. Er zerknüllt den Becher. Jungs, die Yankees rempeln uns an, nach dreißig Jahren Freundschaft. Uns, den karibischen Fels, die Ordnungsmacht Nummer eins, den Garanten der Stabilität! Und bloß wegen der dreckigen Nachbarinsel!

Er wirft erregt den Becher weg.

Castro wollen sie stürzen und brauchen dazu ein Alibi: Kampf auch den rechten Autoritäten! Tun, als wären sie nicht nur gegen die rote Gefahr, sondern auch gegen Recht und Ordnung! Setzen uns unter Druck, drosseln die Zuckereinfuhr, ziehen den Botschafter ab und plärren, wir seien keine wahrhafte Demokratie!

Er schlägt auf den Tisch.

Das ist doch lachhaft! Gibt's hier denn keine Wahlen, keinen Kongress und keine Verfassung? Genießt der Chef nicht das Vertrauen der Nation? ... Aber er wird's denen zeigen! Der Chef macht einen Gegenstoß. Die Welt wird staunen!

Pezuela Dem Chef ist keiner gewachsen.

General Lang lebe der Chef. Ab.

Tomás Er lebe.

Pezuela Es geht aufwärts! Der Chef wird's allen zeigen. Er ist unschlagbar - ein Genie auf jedem Feld.

Tomás Um neun erwartet er Teresa. Wo bleibt sie bloß?

Pezuela Was denn, Hauptmann - nervös?

Tomás Sein oberstes Gebot ist Pünktlichkeit.

Pezuela Sorgen? Um die Karriere? Haben Sie das nötig? ... Anders liegt es, wenn der Vater bloß Schneider ist.

Tomás Schneider? Nicht so bescheiden! Uniformen liefert Ihr Vater. Den ganzen Staatsschutz kleidet er ein.

Pezuela Ich weiß, was Sie damit sagen wollen. Ja, ich konnte etwas für ihn tun. Wo ich herkomme, da hilft der Sohn dem Vater. Woanders ist das umgekehrt.

Tomás Sie helfen ihm nicht schlecht. Dreitausend Hosen jährlich.

Pezuela Die werden auch gebraucht - und nicht im Büro! Die gehen im Einsatz drauf.

Tomás Dreitausend Hosen. Weiß das der Feind?

Pezuela Der Feind, wieso? Von welchem reden Sie?

Tomás Ihr habt doch immer einen. Den muss das sehr erschrecken: soviel Hosen - welche Aktivität!

Pezuelabeißend: Hauptmann Tomás, Sie schätzen die Logik?

Tomás Ist doch kein Wunder, nach zehn Jahren Armee. Man schätzt ja immer das, woran es mangelt, Telefon schrillt; er hebt ab. Adjutantur ...

Costa von rechts herein: Ich hab' sie gefunden.

Pezuela Teresa? Wo war sie?

Costa Bei der Etagenwache. Durch die Alarmbereitschaft hat da einer Dienst, der den rosa Passierschein nicht kennt.

Tomásins Telefon: Zu Befehl, Herr Präsident. Er legt auf. Major, zum Chef.

Pezueladie Stufen nehmend: Die Würfel sind gefallen. Zur Mitte ab.

Costasarkastisch: Die Würfel! Julius Caesar ... Pezuela trifft den Ton. Den Chef misst man an Caesar, Alexander und Napoleon - falls sein Tun sich überhaupt ermessen lässt, sich nicht unserm Blick entzieht.

Tomásdämpfend: Ich weiß, wie Ihnen jetzt zumute ist. Teresa! Aber das kann jedem hier passieren; durch so was müssen alle mal hindurch ... Da hilft nur eins: Ans Vaterland denken. Der Chef mag schwierig sein - doch was sind wir ohne ihn?

Costa Immer Haltung, Staatsräson! Ruhiger: Verzeihung, Hauptmann.

Tomás Gehen Sie zu ihr, machen Sie ihr ein bisschen Mut.

Costanickt; resignierend ab.

Tomásverhalten: Manchmal hat man's satt; man ist doch Soldat ... Manchmal frag' ich mich: Was willst du im Palast? Bist du sicher, dass du hier richtig bist?

Pezuelatritt von der Mitte auf: Der Terminplan ist geändert. Teresa soll auf Abruf warten. Befehl: Zuerst das Vaterland.

Tomás Das Vaterland, wieso?

Pezuela Der Chef hat einen genialen Plan verkündet: Die Gründung einer Opposition!

Tomás Was will er gründen?

Pezuela Eine Op-po-si-tion.

Tomás Das ist ein Fremdwort, ja?

Pezuela Das sind Leute, die anderer Meinung sind und sich zusammentun, um sie zu äußern.

Tomásverblüfft: Äußern, die andere Meinung? Ein ganz neuer Gedanke.

Pezuela Das ist der Gegenstoß. Stopft all den Hetzern das Maul, die unseren Staat als Diktatur verleumden. Bringt sie glatt aus der Fassung.

Tomás Die Bürger werden's aber auch nicht fassen.

Pezuela Bürger! Das ist Sache der Politiker.

Tomás Politiker, Major? Woher nehmen, nach dreißig Jahren?

Pezuela Der Chef wird schon wissen.

Costavon rechts auftretend: Das Kabinett tagt hier um elf - man braucht zwanzig blaue Passierscheine und zwölf grüne für das Büro der Partei.

Tomás Dann an die Arbeit, Costa! Wir kriegen eine Opposition.

Costa verständnislos: Für die Adjutantur?

Tomás Nein, für das Land,

Costanimmt Formulare: Das Land kriegt was, Hauptmann?

Tomás Eine zweite Partei. Zu Pezuela: Machen Sie's ihm klar.

Pezuela Das sind ein Haufen Leute, Costa, die anderer Meinung sind.

Costa Heilige Jungfrau Maria! ... Na, die Armee ist auch noch da.

Pezuela Die greift nicht ein. Sehen Sie, Leutnant, wir dulden das. Der Chef wünscht diese zweite Partei.

CostaFormulare zählend: Ja, dann! Er wird sich dabei schon was denken.

Pezuelastreng: Und ob er sich was dabei denkt! Leutnant, in der Seefahrt baut man auf den Steuermann, in der Staatskunst auf den Chef.

Costa O ja, ganz klar ... Aber, Major, das Programm? Was soll diese Opposition denn fordern? Er schreibt Passierscheine aus.

Tomás Das frage ich auch. Die großen Ziele sind doch längst vergeben. Unsere Staatspartei trägt sie seit dreißig Jahren auf den Fahnen: Wohlstand, Friede, Straßenbau, Bewässerung, Unantastbarkeit der Würde ... Was bleibt denn da der Opposition? Die müsste doch gegen all das sein.

Pezuela Ach, das findet sich. Es geht schon: zwei Parteien, ein Programm. Blickt auf die USA - lernt vom Feind, hat der Chef gesagt! Das Leben ist klüger als die Theorie.

Telefon schrillt, er hebt ab.

Adjutantur ... Zu Befehl, Exzellenz. Er legt auf. Hauptmann, zum Chef!

Tomászu Costa: Teresa her!

Pezuelahält Costa zurück: Sie allein, Hauptmann.

Tomás Und - Teresa?

Pezuela Auf Wunsch des Generals macht das von nun an Costa.

Costabestürzt: Heilige Jungfrau ...

Pezuela Ja, die Mädchen übernehmen Sie.

Costanimmt Haltung an

Tomás Wie denn, mein Vater hat ...

Pezuela ... erwirkt, Sie davon zu entbinden, von Ihrem zarten Amt. Sie sind zu Höherem ausersehen.

Tomás Zu was denn? Reden Sie!

Pezuelagenüsslich: Zum Aufbau der Opposition.

(black)

Zweites Bild

Nacht: Lampen brennen; durchs Fenster - Dächer im Mondlicht. Der General spielt mit Tomás Schach.

Tomásaufspringend: Schluss, Schluss mit deiner Protektion im Palast! Lass mich zur Truppe, Vater - ich bin Soldat!

General Juan - nicht so laut.

Tomás Hier ist keiner mehr, um diese Zeit ... Vater, ich hab' dir gehorcht: drei Jahre im Palast. Drei Jahre lang Lakai! Zuerst hatte ich den Wein unter mir, musste immer den ersten Schluck tun: Vertrauensbeweis, hast du gesagt. Dann war ich für Hormone da, holte Stärkungsmittel für den Chef: Gesteigertes Vertrauen, hieß es. Dann unterstanden mir die Mädchen ...!

General Vertrauen in Potenz, ein klarer Aufstieg. Und so geht's weiter jetzt: Du führst den Gegenstoß!

Tomás Mit dieser Opposition? Es ist genug. Ich will nicht mehr!

Generalväterlich: Hör zu, mein Junge - die zweite Partei, die kann ich dir aus dem Ärmel zaubern. Wie macht man das normalerweise? Man nimmt ein paar Ärzte, Fußballer, Fernsehstars, beliebte Leute eben, mischt darunter Polizeiagenten, lässt sie mit Musik durch die Straßen fahren und überall, wo sich Volk ansammelt, Arbeit, Wasser und Wohnungen versprechen ... Aber das gab's eben schon zu oft; so was zieht nicht mehr.

Tomás Das ist also nicht gemeint?

General Der Chef will mehr; er hat immer Großes gewollt. Er wünscht eine regelrechte Opposition, mit scharf gewürzter Propaganda. Eine linksradikale Partei, die Washington klarmacht, dass hier der Kommunismus ans Ruder käme, gäbe es nicht ihn, den Chef! Du brauchst also ein paar Köpfe, Juan, liberal bis chinarot - Namen, die nicht auf unserer Gehaltsliste stehen.

Tomás Wo soll man die finden?

General Ja, die Köpfe sind knapp. Entweder längst abgeschlagen oder ... Wer nicht mit uns war, der sitzt im Ausland oder hinter Gittern. Sieh dich doch mal in den Kerkern um; geh ins Zuchthaus La Victoria. Biete dort Freiheit gegen Loyalität.

Tomás Vater, gib dir keine Mühe.

General Tu es, Junge, mir zuliebe. Es ist leicht - denn man weiß ja, die Mehrheit des Volkes steht hinter uns, aber viele sind heimlich dagegen. Nun dürfen sie's öffentlich sein! Du musst sie bloß geschickt ermuntern.

Tomás Und wenn sie allzu munter werden?

General Das ist nicht das Problem; schließlich sind wir auch noch da. Eindringlich: Denk daran, ein Soldat steigt heute nur noch im Palast auf. Wir haben nicht mehr das Jahr siebenunddreißig.

Tomás Siebenunddreißig? Du meinst - das Gemetzel?

General Damals war ich Hauptmann wie du, aber im Dreck, in der finstersten Provinz. Da kam der Befehl, diese Saisonarbeiter wegzujagen; die waren aufsässig geworden, wollten Land ... Tja, wir hatten's ein bisschen schwerer.

Tomásdumpf