Tod unterm Leuchtturm - Nick Living - E-Book

Tod unterm Leuchtturm E-Book

Nick Living

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Beschreibung

Wenn nichts mehr ist, wie es scheint, wenn alles verwischt und unklar ist, dann sind wieder die Geister los! Auch in diesem Werk erleben die Protagonisten Dinge, die im ersten Moment nicht zu erklären sind. Es handelt sich um erfundene Geschichten und tatsächliche Berichte aus dem Leben. Und jede Story deutet an, dass es manchmal von Vorteil sein kann, wenn es für unerklärbare Phänomene keine Erklärung geben mag. So ist es eben verständlich, dass in beinahe jeder Lebenssituation ganz plötzlich unfassbare Vorgänge zu beobachten sind, Vorgänge, die sicherlich zum Nachdenken anregen mögen, die allerdings immer wieder spannend sind.

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INHALT

Die Tote im Haus

Ring der Hoffnung

Lisas Garten

Die Lüge

Die sonderbare Mrs. Smith

Die Fremde im Lift

Der schwarze Mann

Timmis Geschenk

Dämonen der Vergangenheit

Petras Traum

Höllenfahrt

Tom

Vermisst

Joy

Gerda

Das Buch

Das Oberhemd

Eine Berliner Romanze

Sharon

Totenschiff

Fremdsprachenkurs

Der Weihnachtsbaum

Das Haus im Schnee

Mein schönstes Geschenk

Lottogewinn

Schneemenschen

Das alte Ehepaar

Der Auftritt seines Lebens

Die Gedenktafel

Das alte Auto

Fische

Gefährliches Bad

Der Schornsteinfeger

Zeit unseres Lebens

Der alte Ring

Buch-Raub

Zwischenfall

Anitas Wunder

Der Edelstein

Lilians Besuch

Blumige Heilung

Der Lauf

Der Fremde

Das Amulett

Die alte Schreibmaschine

Das Beste im Leben

Mutters Licht

Nach dem Regen

Verfolgt

Geisterschiff

Der Geist von Eddas Cove

Graffiti

Waldspaziergang

Träume

Stich im Herz

Jims Entdeckung

Engel der Träume

Die Harfenistin

Seltsamer Unfall

Glatteis

Winchester

Lia

Der Sprung

Schwarzer Rauch

Babyklappe

Auf der Reise

Die Zigeunerin

Engel des Glücks

Wiedersehen

Koma

Die böse Schwester

Großmutters Spiegel

Ende einer Reise

Sein größter Kampf

Stille Nacht

Die Gitarre

Die Träne des Engels

Der mystische Zauber

Der Flachmann

Klassentreffen

Der letzte Gast

Der Schneider

Engel der Hoffnung

Der nächtliche Gast

Min Min Lichter

Geisterbahn

Das Klavier

Goldstrand

Zeitsprung

Besessen

Der Fremde

Die Schreibmaschine

Telefax

Tod unterm Leuchtturm

Gruselkino

Die Tote im Haus

Seit drei Tagen wohnte Lisa Campbell nun schon in ihrer wunderschönen Dachgeschosswohnung und fühlte sich pudelwohl. Bis zu jenem denkwürdigen Tage, an welchem sich ihr bisher so schönes Leben wendete. Wie jeden Morgen wachte sie erst gegen neun Uhr auf und bereitete sich einen wohlschmeckenden Kaffee zu. Der würzige Duft des frisch gerösteten Toastes verbreitete eine wirklich gemütliche Atmosphäre.

Plötzlich vernahm sie einen Schrei. Er musste aus dem Treppenhaus gekommen sein. Lisa wunderte sich, denn sie hatte auch ihr Radio eingeschaltet und immer wieder wurde die laufende Sendung von diversen Kurznachrichten unterbrochen. Möglicherweise handelte es sich um eine solche Meldung. Doch ein merkwürdiges Gefühl, vielleicht auch eine innere Unruhe ließ sie einfach nicht mehr los. Sie schlich zu ihrer Wohnungstür und schaute neugierig durch den Türspion. Erschrocken wich sie zurück. Auf der Treppe lag eine Frau. Hastig öffnete sie die Tür und stürzte zu dieser Frau. Deren Gesicht war blutüberströmt und auf den Stufen verteilte sich ein blutiges Rinnsal. Lisa rief sofort die Polizei. Die erschien schnell und der Notarzt konnte nur noch den Tod der fremden Frau feststellen. Nun war es also dahin mit der Ruhe und der Gemütlichkeit, die sich Lisa in ihrem neuen Domizil in Los Angeles erträumt hatte. Mit einem solch schlimmen Vorfall hatte sie wahrlich nicht gerechnet. Am nächsten Morgen erfuhr sie aus der Zeitung, dass diese Frau angeblich Selbstmord verübt haben sollte. Sie wollte die Zeitung schon weglegen, da musste sie an den Schrei dieser Frau denken. Wieso hatte sie so geschrien, wenn sie sich doch selbst umgebracht hatte? Und wieso suchte sie sich für ihr Ableben ausgerechnet die Treppe vor Lisas Wohnung aus? Nein, da konnte etwas nicht stimmen. Lisa beschlich ein sonderbares Gefühl – war es vielleicht Mord, der sich da vor ihrer Türe ereignet hatte? Eigentlich wollte sie sich mit solch bösartigen Dingen überhaupt nicht beschäftigen. Doch ihr Großvater, der einst selbst Polizist war, hatte immer gesagt: „Wenn Dir etwas spanisch vorkommt, dann gehe der Sache nach. Die Toten haben es verdient.“ Und weil Lisa noch einige Tage Urlaub hatte, begann sie, das Treppenhaus zu untersuchen. Sie betrachtete sich die Stufen und den kleinen Vorraum, an welchen auch die Nachbarwohnung grenzte. Die fremde Frau, soviel stand fest, wohnte nicht in dieser Wohnung. Sie musste zu Besuch gewesen sein. Im Polizeibericht, den man im Internet nachlesen konnte, stand, dass die Frau angeblich einen Abschiedsbrief hinterlassen haben sollte. Sie wollte aus dem Leben scheiden und stürzte sich die Treppen hinunter. Allerdings waren es ja nur vier Stufen, die die Fremde hinuntergestürzt war.

Und sie hatte sich nicht das Genick gebrochen. Woran also starb sie und wieso starb sie überhaupt? Und warum wurden die Ermittlungen so schnell eingestellt? Lisa setzte sich auf die Stufen und schaute nachdenklich zur Wohnungstür der Nachbarwohnung. Irgendetwas lag auf dem Fußabstreicher vor der Tür. Lisa ging zur Tür und hob es auf. Es sah aus wie ein Stück von einem Fell. Es sah sehr sonderbar aus und glich irgendwie einem Mäusefell.

Aber wieso kam ausgerechnet ein solches Mäusefell vor diese Tür? Nachdenklich lief Lisa die Stufen hinab.

Zwischen dem Geländer und den Stufen hatte sich ein Papierfetzen verklemmt. Lisa hob ihn auf und betrachtete ihn von allen Seiten. Es war eine Todesanzeige, allerdings eine sehr alte.

Eine junge Frau wurde ermordet. Allerdings konnte man nur diesen einen Satz lesen, der Rest war nicht mehr zu erkennen. Ein wenig enttäuscht begab sich Lisa in ihre Wohnung zurück. Am Vormittag rief sie bei der Hausverwaltung an. Sie wollte sich nach dem Mieter der Nachbarwohnung erkundigen. Doch der Verwalter meinte, dass die Wohnung seit längerer Zeit leer stand.

Aber wie konnte das sein? Demzufolge war die Tote auch nicht zu Besuch in der Nachbarwohnung. Oder sie wollte diese Wohnung anmieten-das war aber auch schon beinahe die letzte Möglichkeit, die noch übrig blieb. Der Verwalter meinte, dass es bisher keinen Interessenten für die Wohnung gab. Lisa bekundete, Interesse an der Nachbarwohnung zu haben und wollte sie sich ansehen. Die Hausverwaltung war einverstanden und Lisa holte sich den Schlüssel für die Wohnung. Als sie die Wohnung betrat, bemerkte sie den abgestandenen üblen Geruch. Noch einmal las sie den aktuellen Zeitungsartikel über die tote fremde Frau.

Da stand nichts über den Grund des Besuches der Frau in jenem Haus. Und wenn sie nicht zu Besuch in diesem Hause war, warum war sie dann hier? In der Küche der Wohnung entdeckte Lisa wieder dieses seltsame Fell, wie sie es schon im Treppenhaus vorfand. Und weil sie einfach keinen Anhaltspunkt fand, der sie auf eine Spur hätte bringen können, nahm sie sich etwas vor.

Sie wollte die folgende Nacht in dieser Wohnung verbringen, um herauszufinden, was da vor sich ging. Sie blies sich eine Luftmatratze auf und legte sie in eine Ecke des Wohnzimmers. Als es dunkel wurde, begab sie sich in die Nachbarwohnung und legte sich auf ihre Luftmatratze. Neben der Matratze hatte sie sich eine Taschenlampe gelegt, sodass sie sofort nachsehen konnte, wenn etwas passierte. Schließlich brach die Nacht herein und Lisa bereute längst ihren Entschluss, die Nacht in dieser leeren kalten Wohnung zu verbringen. Sie brauchte nur ihre Matratze zu nehmen und in ihre eigene Wohnung hinüber zu gehen. Doch die Neugier war stärker als die Angst vor etwas Unbekanntem. Und so hielt sie durch.

Als es kurz nach Mitternacht war, wollte sie doch wieder in ihre Wohnung zurück. Zu ungemütlich und zu kalt war es geworden. Schlaftrunken stand sie auf und wollte die Wohnung verlassen, da fuhr eine eiskalte Windbö durch die Räume. Lisa blieb wie angewurzelt stehen. Es war beinahe so, als hätte jemand die Wohnungstür geöffnet. Doch es war niemand zu sehen. Plötzlich knackte es laut und die Fenster sprangen auf. Der kalte Wind blies in die Zimmer und Lisa lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Sie nahm ihre Luftmatratze und postierte sich hinter einer Tür. Die Luftmatratze nutzte sie als Schutzschild. Immer heftiger blies der Wind in die Wohnung und Lisa wusste nicht mehr so genau, was sie davon halten sollte. Auch hatte sie den starken Drang davon zu rennen, nur die Neugier hielt so noch am Ort. Plötzlich gellten grelle Schreie durch die Nacht und irgendwelche Tiere flogen durch die Räume. Dann wurde es still und Lisa dachte schon, dass nun alles wieder vorüber sei. Doch da blitzte ein feuerrotes Licht inmitten des Wohnzimmers auf. Lisa erschrak und aus dem roten Licht entstieg eine furchterregende Gestalt. Sie sah aus wie ein riesiges Monster-Krokodil oder etwas, das aussah wie ein Krokodil, nur es stand aufrecht. Und es spukte Feuer.

Aus seinem langgezogenen Maul stoben grelle Flammen in den Raum und seine Augen blitzten feuerrot auf. Es roch angebrannt und übel, beinahe wie Schwefel. Der gesamte Raum leuchtete nun dunkelrot und das Monster stand im Raum und spie unablässig Feuer. Lisa hatte große Angst und sie traute sich kaum, Luft zu holen. Das Monster starrte in ihre Richtung und sie war kurz davor, die Nerven zu verlieren.

Doch sie wusste, dass sie durchhalten- und diesen entsetzlichen Moment aushalten musste. Das Monster fauchte und zischte und Dutzende Fledermäuse kamen durch die offenen Fenster ins Innere des Raumes. Sie setzten sich im Kreis um das Monster und schrien markerschütternd. Die gesamte Szene ähnelte einem Horrorfilm im Fernsehen. Nur es war real. Plötzlich verwandelten sich die Fledermäuse in Menschen … in Frauen … Lisa erschrak …all diese fremden Frauen ähnelten der Toten … sie waren ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich. Wie konnte so etwas nur möglich sein? Lisa war vollkommen irritiert, doch sie wusste nun wenigstens, dass das rätselhafte Fell, welches sie im Treppenhaus und in der Wohnung vorfand, von den Fledermäusen stammte. Aber welche Verbindung gab es zwischen den Fledermäusen, dem Monster und der Toten? Lisa wusste nicht mehr weiter. Ihr war auch bewusst, dass sie ihre Beobachtungen niemandem mitteilen konnte.

Es würde ihr kein Mensch glauben. Sie wollte noch darüber nachdenken, da verwandelte sich auch das Monster in einen Menschen. Es war ein Mann, der in einem schwarzen Umhang auf einem großen schwarzen Stein stand. Die Fledermäuse waren mucksmäuschenstill, und als der Fremde undefinierbare Laute äußerte, stoben die Fledermäuse auf und davon. Schreiend und krächzend flogen sie aus den Fenstern in den dunklen Nachthimmel hinein. Der fremde unheimliche Mann schaute sich nach allen Seiten um, beinahe so, als würde er ahnen, dass er nicht allein im Zimmer war. Doch dann verwandelte er sich wieder in das grässliche Monster und flog ebenfalls durch ein offenes Fenster davon. Die Fenster schlugen zu und es wurde still … totenstill. Lisa fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen.

Was konnte das nur gewesen sein? Hatte sie sich das alles am Ende nur eingebildet? Aber es war doch alles so real! Weil nichts mehr geschah, nahm sie ihre Luftmatratze und verschwand schnellstens aus der gespenstischen Wohnung. Doch das Erlebnis ließ sie einfach nicht mehr los. Was war da nur geschehen? Und warum hatte man so schnell von einem Selbstmord gesprochen, der möglicherweise gar keiner war? Warum gab es keinerlei Ermittlungen und an wen sollte sie sich wenden, um über ihr mysteriöses Erlebnis zu sprechen? Im Erdgeschoss des Hauses lebte eine alte Dame … Mrs.

Sheffield. Gegen Mittag ging sie zu Mrs. Sheffield und bat sie um ein Gespräch. Die alte Dame bat Lisa höflich in ihre Wohnung, und als Lisa ihr von dem merkwürdigen Erlebnis in der Nacht berichtete, wurde Mrs. Sheffield sehr schweigsam. Dann setzte sie sich auf ihr gemütliches Sofa und begann zu erzählen: „Wissen Sie, dieses Haus ist schon sehr alt. Ich war beinahe die erste Mieterin, die hier einzog. Und immer wieder waren da diese Spukgeschichten, die mir meine ehemalige Nachbarin berichtete. Ich glaubte ihr nicht, doch sie ließ sich nicht davon abbringen. Angeblich wäre das Haus verflucht und ein böser Geist würde sein Unwesen hier treiben. Ich wollte das nicht glauben. Aber ich weiß, dass hier einst ein alter Friedhof war, bevor man das Haus gebaut hatte. Nicht alle Gräber wurden beseitigt und einige Skelette sollen sich noch unter dem Fundament befinden. Auch das des alten Mr.

Murdock. Es war der Friedhofsverwalter, der angeblich mit dem Teufel im Bunde gestanden haben sollte. Man sagte, dass dessen Geist jedes Mal an seinem Todestag durch dieses Haus fliegen soll.“ Lisa war sprachlos. Sie starrte die alte Mrs. Sheffield an und wusste gar nicht, was sie dazu sagen sollte. Für sie stand fest, das Monster, dieser fremde Mann … das musste der alte Mr. Murdock gewesen sein. Aber wer war die Tote? Mrs. Sheffield konnte sich auch keinen Reim auf die tote Frau machen. Und Lisa musste glauben, was ihr die alte Dame da erzählte.

Doch sie wollte mehr über diesen sonderbaren Mr. Murdock erfahren. Und so bat sie Mrs. Sheffield, ihr doch noch mehr über den alten Friedhofsverwalter zu erzählen. Mrs. Sheffield aber konnte ihr nicht weiter helfen. Sie hatte keine weiteren Informationen für Lisa. Ein wenig betrübt verließ sie Mrs. Sheffield und stand ratlos im Treppenhaus. Sie wollte in den Keller gehen, um dort nach einem Hinweis zu suchen. Nachdenklich stieg sie die alte Kellertreppe hinab. In dem engen Kellergang war es feucht und modrig. Doch sie konnte einfach nichts Merkwürdiges entdecken. Da fiel ihr Blick auf einen alten Schornstein. Er war mit einem Brett vernagelt. Lisa zog ein wenig an dem morschen Brett und es fiel knackend auf den Boden. Dahinter, teilweise von Schutt bedeckt, verbarg sich ein dickes altes Buch. Vorsichtig zog es Lisa unter dem Schutt hervor und befreite es von all dem Schmutz. Als sie es aufschlug, entdeckte sie Dutzende Fotos darin … das Buch war ein altes Fotoalbum! Die alten vergilben Bilder zeigten einen schwarz gekleideten Mann. Darunter entzifferte Lisa dessen Namen … es war Mr. Murdock! Und neben Mr.

Murdock war die Tote aus dem Treppenhaus abgebildet … Lisa erschrak … es war Mrs. Murdock, seine Ehefrau! Neben dem Bild von Murdocks Frau befand sich ein handschriftlicher, nahezu unleserlicher Text. Lisa versuchte, die vergilbten Schriftzeichen zu entziffern. Schließlich las sie: „Es war Mr. Murdock, der seine Frau ermordet hat. In der Sekunde ihres Todes verfluchte sie ihn, er möge bis an sein Lebensende als bösartiges Monster durch die Nacht irren. Niemals mehr sollte er zur Ruhe kommen, denn er hatte einst seine Seele dem Teufel verschrieben. Nur, um das Erbe seiner Frau, dieses alte Haus in Besitz nehmen zu können. Wer dies Buch liest, wird erfahren, wie es wirklich war!“ Lisa konnte nicht mehr weiter lesen, denn die Schrift war einfach nicht mehr zu erkennen. Irgendwer hatte unterschrieben, und schon bald ahnte Lisa, wer das alles aufgeschrieben hatte. Als sie aus dem Keller in ihre Wohnung gehen wollte, kam ihr Mrs.

Sheffield entgegen. Sie lächelte Lisa recht merkwürdig an, und als Lisa ihr das alte Buch zeigte, blitzten Mrs. Sheffields Augen plötzlich feuerrot auf, und auf ihrer linken Schulter saß eine graue Fledermaus …

Ring der Hoffnung

Es war die Zeit nach dem Tode seiner geliebten Ehefrau Jenny. Jeden Tag besuchte Peter ihr Grab auf dem kleinen Friedhof in Everly-Stokes. Weinend saß er an ihrem Grab und dachte an die vielen schönen Jahre, die sie gemeinsam hatten. Jenny hatte einfach alles, was man sich nur vorstellen konnte: Ein liebevolles Gesicht, große Augen und eine faszinierende Art. Peter konnte nicht verstehen, dass das alles nun zu Ende war. Aber die Krankheit war stärker als sie und nun blieb ihm nur dieser naturbelassene kleine Stein mit dem eingravierten Namen. Er verfiel immer mehr und immer öfter kam er an diesen tränenreichen Ort, der sich schon tief in seinen Lebensrhythmus eingegraben hatte. Ben, der Friedhofsverwalter sprach mit ihm, fragte ihn, ob er Hilfe brauchte.

Doch Peter winkte nur ab und sagte, dass ihm wohl niemand mehr helfen konnte. Und so trottete er eines Abends mal wieder den steinigen Weg von seiner winzigen Farm bis zu Jennys Grab.

Er wünschte sich so sehr, dass seine Träume wahr würden und er Jenny wiedersehen könnte. Er würde ihr sogar ins Jenseits folgen, wenn er nur bei ihr sein dürfte. Als er sich auf den Baumstumpf neben Jennys Grab setzte, vernahm er plötzlich ihre Stimme: „Weine nicht, mein Liebster.“, sprach sie leise, „Ich bin Dir so nah. Nie wirst Du allein sein, denn ich bin tief in Deinem Herzen. Doch schau, eine Stunde werde ich noch einmal für Dich da sein.“ Peter wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sah, wie Jenny in ihrer ganzen Schönheit lächelnd hinter dem Stein erwuchs. Lebensecht stand sie schließlich vor ihm und hatte Tränen in ihren wunderschönen Augen.

Peter stand auf und umarmte sie. Die beiden küssten sich und es war, als sei Jenny nie von ihm gegangen. Gleichzeitig veränderte sich auch die Umwelt.

Wie ein Fächer klappte die traurige Welt auf dem Friedhof zusammen und einer sich öffnenden Jalousie gleich breitete sich eine neue, sonnige Welt um die beiden aus. Peter konnte nicht fassen, was er da sah. Wie war nur all das möglich? Er wollte etwas sagen, doch Jenny legte ihren Finger auf seine Lippen und flüsterte: „Sag nichts. Genieße es nur.“ Und die beiden setzten sich in das frische duftende Gras und schauten sich unentwegt an. Ein lauer Wind wehte um sie herum und der azurblaue Himmel war wie eine unendliche Woge des Glücks, welche die beiden da überspannte. Peter wünschte sich, mit Jenny zusammen im Farm-Haus zu sein und den Tag so ablaufen zu lassen, wie es früher immer war.

Und so geschah es. Alles, was er sich wünschte, wurde wahr. Das Pferdegespann, die Farm, die Felder … und Jenny. Sie durchlebten noch einmal den gesamten Tag, den sie sonst auch erlebten. Und Peter fühlte sich so gut, wenngleich er immer wusste, dass es nur ein schöner Traum war. Aber vielleicht konnte er Jenny ja nun für immer behalten und dieser Traum endete nicht mehr. Doch obwohl Jenny lächelte und nichts ihre Freude über diesen wahr gewordenen Traum zu trüben vermochte, schien sie irgendetwas zu belasten. Als der Abend kam, wurde sie immer ernster und lächelte gar nicht mehr. Peter wusste nicht, wie er seine junge Frau noch aufmuntern konnte. Es gelang ihm einfach nicht, und als es Mitternacht war, sagte sie: „Ich muss nun wieder fort. Wir hatten nur diesen einen wunderschönen Tag. Doch hier, nimm diesen Ring als Erinnerung an mich. Er wird Dir immer sagen, dass ich bei Dir bin. Er ist wie mein Herz, so klar und rein und so ehrlich und voller Liebe. Es ist der Ring der Hoffnung.

Doch nun- Adieu mein Liebster.“ Vor Peters Augen löste sie sich in Luft auf und nur der Ring in seinen Händen kündete von dem wundersamen Traum, den er soeben erleben durfte. Die schöne Landschaft, der gesamte Traum klappte wie ein Fächer in sich zusammen und Peter fand sich in der einsam traurigen Welt seiner tristen Wirklichkeiten wieder. Verzweifelt saß er an Jennys Grab und weinte bitterlich.

Er hatte das Gefühl und den immer stärker werdenden Drang, seiner jungen Frau zu folgen. Dorthin, wo vielleicht alles besser war und wo die alten Träume wahr werden könnten. Dieses traurige Leben ohne Jenny hielt er einfach nicht mehr aus. So lief er den langen Weg bis zu einem Abhang. Dort ging es tief hinunter und unten war nichts als eine steinige Wüste. Er nahm den Ring und steckte ihn an seinen kleinen Finger. Dann sprang er in die Tiefe. Doch als er so nach unten flog, flog auch sein bisheriges Leben wie ein Film an ihm vorüber. Er sah seine Kindheit, die Mutter und all die vielen Jahre, die er zu Hause in Pennsylvania verbrachte. Seine Mutter hatte ihm immer gesagt: „Junge, gebe niemals auf.

Egal, wie schlimm es auch kommt. Meine Hoffnung wird dich überall begleiten.“ Und dann sah er Jenny, ihr Grab und wie er mit ihr zusammen diesen allerletzten Tag verbrachte. Er spürte die Wärme in seinem Herzen und in diesem Ring, den er an seinem Finger trug. Und er wusste, dass es nun vorbei wäre mit all dem Leben und er in den Tod hinab tauchen würde. Ob er dort wohl seine Jenny wiederfinden könnte? Er fiel und fiel und er wunderte sich schon, denn er hätte doch längst dort unten, auf den harten Felsen aufschlagen müssen. Aber es geschah nicht, denn er flog immer weiter. Und als er an seine Hand schaute, bemerkte er, dass der Ring an seinem Finger hell aufblitzte und wie ein strahlender Stern am nächtlichen Firmament leuchtete. Er flog über das steinige Tal und fiel nicht auf all die spitzen Felsen. Er blieb am Leben und er hatte es längst bereut, sterben zu wollen. Und plötzlich, wie aus dem Nichts tauchte vor ihm ein kleiner Junge auf. Er mochte wohl so etwa sieben Jahre alt sein. Er stand blinzelnd vor ihm und erst jetzt bemerkte Peter, dass er gelandet war … auf der Blumenwiese hinter seinem Haus. Die hatte Jenny einst angelegt und der kleine Junge fragte ihn, ob er Jennys Mann sei. Peter nickte ungläubig und der Kleine meinte, dass er Jennys Sohn sei. Peter bekam einen gehörigen Schrecken. Er verstand nicht, was ihm der kleine Junge da gesagt hatte.

Jenny hatte einen Sohn? Der kleine Mann beteuerte, die Wahrheit zu sagen und sprach: „Ja, ich bin Benji. Mutter wusste nicht, dass mich Vater mit sich genommen hatte. Doch er starb vor wenigen Tagen. Nun muss jemand anderes für mich sorgen. Du bist doch Jennys neuer Mann? Sorgst Du nun für mich?“ Peter starrte den Kleinen mit großen Augen an und konnte noch immer nicht glauben, was er da hörte. Jenny hatte also ein Kind, bevor sie ihn kennengelernt hatte. Warum hatte sie nie etwas davon gesagt? Er nahm den Kleinen mit ins Haus, und als Benji seine kleine Kinderhand hervorstreckte, bekam Peter den Schock seines Lebens. An Benjis kleinem Finger steckte genau der gleiche Ring, den er von Jenny in seinem Traum bekommen hatte. Er hielt seinen Ring dicht neben Benjis Ring. Und es gab nichts, was die beiden Ringe unterschied. Einer war immer schöner als der andere. Sie funkelten und blinkten, dass Peter fassungslos schwieg. Benji aber schien gar nicht von Jenny sprechen zu wollen, obwohl sie seine Mutter war. Und Peter erzählte ihm nicht, dass sie tot war und er tagtäglich zu ihr ans Grab ging. Er ging auch nur noch dorthin, wenn Benji schlief. Der Kleine sollte nichts von Peters Trauer und Jennys Tod mitbekommen. Er zog Benji groß und die beiden wurden ein unerschütterliches Team. Zusammen erlebten sie all die vielen Abenteuer, die er mit Jenny nicht mehr erleben konnte. Und so vergingen die Jahre. Peters Trauer über seine Jenny wurde von Benjis Anwesenheit überlagert. Dennoch vergaß er seine Frau nicht. Er zog Benji jedoch groß, als sei er sein richtiger Vater. Da war wieder soviel Liebe und soviel Kraft und auch Hoffnung in seinem einst so traurigen Haus. Und eines Tages nahm er Benji mit zu Jennys Grab. Doch der mittlerweile vierzehnjährige Junge wunderte sich gar nicht, dass seine Mutter tot war. Er schien wohl schon von ihrem damaligen Ableben gewusst zu haben. Als Peter Benji endlich daraufhin ansprach, entgegnete ihm der Junge: „Ich weiß, dass meine Mutter tot ist. Sie starb noch, bevor ich mit meinem Vater verunglückte. Doch sie gab mir einst diesen wunderschönen Ring. Wer ihn besitzt, so meinte sie, wird niemals mehr einsam oder traurig sein.

Denn es ist der Ring der Hoffnung und der Liebe.“ Peter konnte nicht fassen, was ihm Benji da sagte. Dieser Junge wusste also auch von dem Ring. Er zeigte Benji seinen Ring und die beiden waren glücklich, dass sie dieses Andenken an Jenny besaßen. Doch dann holte Benji eine alte Zeitung aus seinem Rucksack. Er schlug sie auf und gab sie Peter. Fassungslos las Peter den großen Artikel, unter dem Benjis Bild und das seines toten Vaters abgebildet war: „Bei einem schweren Autounfall auf dem Highway ist in den späten Nachtstunden ein Vater mit seinem kleinen Sohn tödlich verunglückt …“

Lisas Garten

Lisa Fisher liebte Pflanzen über alles. Erst kürzlich bezog sie ein kleines, einsam gelegenes Haus am Stadtrand von Los Angeles und legte sich einen ansehnlichen Garten zu. Dort konnte sie ihrer Liebe ungehindert nachgehen. Doch sie umgab ein sonderbares Geheimnis. Denn immer, wenn sie sich in einen Mann verliebte, dauerte es gar nicht lange, verschwand der Liebste auf Nimmerwiedersehen.

Mrs. Steele, die ein stattliches Anwesen nicht weit von Lisas Haus besaß, schien sich als Lebensaufgabe die Beobachtung von Lisas Grundstück gesetzt zu haben. Da sie es überdrüssig war, die Millionen ihres vor zehn Jahren verstorbenen Ehemannes auszugeben, widmete sie sich ab sofort der Beobachtung von Lisas Grundstück. Und natürlich wunderte sie sich, dass sie Dutzende junger Männer in Lisas Haus hineingehen sah, aber keinen Einzigen wieder hinaus. Das fand sie schon sehr merkwürdig. Die schlimmsten Befürchtungen plagten sie und sie wusste nicht, ob sie zur Polizei gehen sollte oder nicht. Doch weil sie so eine Art Berufung in der Beobachtung des Hauses sah, wollte sie noch einige stichhaltige Beweise sichern. Eines Abends bemerkte sie, wie Lisa mal wieder von einem jungen Mann nach Hause gebracht wurde. Die beiden lachten und schienen eine Menge Spaß zu haben. Fröhlich tanzend sprangen sie ins Haus und Mrs. Steele holte ihr Nachtsichtgerät, um Genaueres sehen zu können. Doch es war einfach nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Nur, dass sie den jungen Mann nie wieder sah. Dafür wurde der Garten hinter Lisas Haus immer stattlicher. Die wunderschönsten Bäume gediehen dort und Mrs.

Steele wollte mehr über diese Bäume erfahren. Unter einem Vorwand sprach sie Lisa an und interessierte sich scheinbar sehr für die Bäume im Garten. Lisa war es zwar gar nicht so recht, dass Mrs. Steele so hartnäckig nachfragte, doch sie ließ sich auf Mrs. Steeles Interesse ein und führte sie in den Garten. Solch wunderschöne Bäume hatte Mrs. Steele wahrlich noch nie zuvor gesehen. Es war eine Pracht und Mrs. Steele wollte natürlich mehr über die Gewächse erfahren. Sie hatte sich wohl zum Ziel gesetzt, Lisa auszufragen, aber Lisa schwieg und verriet nichts. Stattdessen komplimentierte sie die ein wenig verwirrte Mrs. Steele aus dem Haus. Die hatte nichts Eiligeres zu tun, als zur Lokalpresse zu gehen und von Lisas Garten zu schwärmen. Sie wollte damit erreichen, dass ein Reporter den Garten etwas näher unter die sprichwörtliche Lupe nahm. Doch das Ganze ging nach hinten los und der Journalist, mit dem sie sich unterhielt, wollte nichts von Lisas Garten wissen.

Wer interessierte sich schon für harmlose Bäume und Pflanzen, denn die fraßen schließlich keine Menschen und waren viel zu unspektakulär. So musste Mrs. Steele wohl oder übel wieder nach Hause fahren. Doch ihre Neugierde war derart stark, dass sie sich wieder auf die Lauer legte. Wieder lief sie zu Lisas Grundstück und spähte den Garten aus. So bemerkte sie nicht, wie sich die Dunkelheit über die Gegend legte. Es wurde kalt und windig und Mrs. Steele fröstelte sehr. Sie wollte schon wieder nach Hause gehen, da vernahm sie ein seltsames Singen. Es kam aus Lisas Garten, und als Mrs. Steele zwischen den dichten Hecken aufs Grundstück schaute, sah sie Lisa mit einem Kerzenleuchter in der Hand zwischen den Bäumen umher tanzen. Dabei sang sie in den hellsten Tönen. Doch was war das … Mrs. Steele glaubte, einer Sinnestäuschung zu unterliegen … die Bäume verwandelten sich in junge Männer. Zusammen mit Lisa tanzten sie auf der Wiese und schienen sich recht zu amüsieren. Plötzlich schlug die ferne Kirchturmuhr zur Mitternacht.

Die jungen Männer verwandelten sich in furchtbare Monster und Lisa schwebte wie ein leuchtender Geist über der grausigen Szene. Mrs. Steele fuhr die Angst in die Glieder, doch sie konnte sich nicht abwenden. Sie musste wissen, was in diesem Garten vor sich ging. Und so starrte sie ungehindert zu dem mysteriösen Treiben. Lisa hatte sich unterdessen in ein feuerspeiendes Ungetüm verwandelt und die Monster um sie herum sprangen im Rhythmus des Liedes, welches sie noch immer sang, auf und nieder. Was für ein furchterregendes Schauspiel. Es glich einem teuflischen Theaterstück, nur mit dem einen Unterschied: Alles war real! Mrs. Steele musste sich am metallenen Gitter des Zaunes festhalten, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Doch ihre Neugierde war grenzenlos. Schließlich war es ein Uhr. Die Monster verwandelten sich wieder in Bäume und Lisa in die schöne junge Frau, die sie sonst immer war. Sie nahm den Kerzenleuchter, den sie auf der Wiese abgestellt hatte und schritt ins Haus zurück. Dann wurde es still. Auch Mrs. Steele ging nach Hause und wusste nicht, was sie nun tun sollte. Unmöglich konnte sie die Polizei informieren. Niemand würde ihr glauben. Da hatte sie eine Idee! In der Nähe befand sich ein Friedhof. Dort lief sie hin und entwendete von einem Grab ein hölzernes Kreuz. Sie nahm es an sich und schlich sich zu Lisas Grundstück. Durch ein Loch im Zaun gelangte sie auf die Wiese. Sie legte das Kreuz zwischen die Bäume und versteckte sich hinter einer hohen Hecke. Doch als sie eine Weile ausgeharrt hatte und nichts passierte, holte sie das Kreuz wieder zurück. Sie fand es sehr komisch, dass das Kreuz nicht die erwünschte Wirkung erbrachte und die bösen Geister vertrieb. Schnell brachte sie das Kreuz zum Friedhof zurück und überlegte, was sie sonst noch tun könnte. Doch so sehr sie sich auch ihren Kopf zerbrach, es fiel ihr einfach nichts ein! Und so legte sie sich ins Bett. Aber vor Nervosität konnte sie einfach nicht schlafen. Unruhig wälzte sie sich in ihrem Bett herum und plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie wollte Lisa zur Rede stellen. Was nutzten all die vielen Beobachtungen und die heimlichen Aktionen, wenn doch nichts dabei herauskäme. Vielleicht versteckte sich hinter all dem bösen Zauber etwas ganz anders? Gleich am nächsten Morgen, und nachdem sie sich ein wenig frisch gemacht hatte, lief sie zu Lisa. Die öffnete ahnungslos die Tür und Mrs. Steele bat um ein Gespräch. Die beiden begaben sich in den Garten und setzten sich auf eine Bank zwischen den Bäumen. Mrs. Steele schaute sich argwöhnisch um. Was wäre, wenn sich die Monster wieder zeigten? Sie nahm all ihren Mut zusammen und äußerte ehrlich und ohne Umschweife ihr Anliegen. Als sie fertig war, schluchzte Lisa.

Doch was sie dann sagte, konnte Mrs. Steele beinahe nicht glauben. Mit trauriger Miene hob Lisa zu sprechen an: „Ach wissen Sie. Sie sind so ehrlich, aber Sie können mir ja doch nicht helfen. Einst hatte ich meine Seele dem Teufel verschrieben, weil ich meinen Mann Jim, der schwer an Krebs erkrankt war, nicht verlieren wollte. Der Teufel kam und ich gab ihm mein Versprechen, dass sobald Jim wieder gesunden würde, meine Seele zur Verfügung stünde. So geschah es. Jim wurde gesund und der Teufel holte sich meine Seele. Doch er hatte gelogen. Als er in einer Wolke aus Schwefeldämpfen verschwand, verwandelte er Jim in einen Baum. Und jede Nacht, wenn die Uhr Zwölf zeigte, verwandelte er uns in bösartige Monster, die ihm huldigen sollten. Und das Schlimmste war, dass alle meine Liebsten, die ich später kennenlernte, das gleiche Schicksal ereilte.“

Mrs. Steele starrte fassungslos in Lisas Gesicht und bemerkte schockiert, dass nicht eine Träne über Lisas Wangen rollte. Sie wunderte sich darüber und sprach Lisa daraufhin an. Doch Lisa winkte nur ab und meinte, dass sie seit dem Erscheinen des Teufels nicht eine einzige Träne weinen konnte. Da wurde Mrs. Steele so traurig, dass sie selbst bitterlich zu weinen begann. Sie umarmte Lisa und dabei tropften Ihre Tränen auf Lisas Gesicht. Und es war unfassbar, aber Lisa konnte endlich wieder richtig weinen. Und die Schleusen öffneten sich wie riesige Tore. Lisa weinte und weinte und konnte sich einfach nicht mehr beruhigen. Der grausame Zauber schien langsam zu brechen und Lisas Tränen benetzten den Boden, sickerten ins Wurzelwerk all der vielen sonderbaren Bäume in ihrem Garten. Da geschah ein unglaubliches Wunder. Die Bäume verwandelten sich in junge gut aussehende Männer. Und unter all den vielen jungen Männern, die ihr Glück allesamt nicht fassen konnten, war auch Jim, Lisas Mann. Er fiel Lisa um den Hals und die beiden weinten vor Glück. Der böse Zauber war gebrochen und an den Stellen, wo einst die vielen Bäume standen, gediehen die allerschönsten Blumen. Ein Duft von Frühling und Liebe zog durch den Garten und Mrs. Steele war heilfroh, dass sie Lisa auf diese so einfache Art und Weise helfen konnte. In Lisas Haus kehrte das Glück zurück und der Teufel schien für immer vertrieben. Eines Nachts, als Mrs. Steele wieder einmal schlecht schlafen konnte, war es ihr, als ob sie ein Geräusch hörte. Es musste ganz aus ihrer Nähe kommen.

Und als sie ihre Augen aufschlug, stand ein sonderbares Wesen hinter der Gardine ihres Schlafzimmerfensters. Vorsichtig schob sie sich aus ihrem Bett und bemerkte einen feuerroten Lichtschein, welcher zwischen den wehenden Gardinenschals hindurchschimmerte. Und das Lied war das gleiche, welches Lisa einst in ihrem Garten gesungen hatte. Ängstlich schlich Mrs.

Steele zum Fenster, um nachzusehen, was es mit dem seltsamen Gesang und dem vermeintlichen Licht auf sich hatte. Da bemerkte sie etwas, dass am vergangenen Tag noch nicht da war. Es war ein riesiger, rot schimmernder Baum, der genau vor ihrem Fenster stand …

Die Lüge

Und sie bewegt sich doch! Mit diesem Spruch hatte es Galileo Galilei den Menschen gezeigt. Die Erde ist rund und bewegt sich um ein Zentralgestirn, die Sonne. Aber … ist das wirklich so?

Atlanta, 2. Dezember 1997

Tony Clauß arbeitete sehr erfolgreich in der Forschung und hatte gerade erst einen wichtigen Meilenstein in seiner Arbeit erreicht. Nach langen und entbehrungsreichen Jahren der Forschung war es ihm gelungen, einen Generator zu entwickeln, der ein künstliches Schwerefeld erzeugte. Dies war vor allem für die Weltraumfahrt von allergrößter Bedeutung. Mit diesem neuartigen Generator war es nun endlich möglich, Menschen auf langen Weltraumflügen nicht mehr der Schwerelosigkeit auszusetzen. An diesem denkwürdigen Tage sollte er den Generator in eine Weltraumrakete einbauen, die dann zu einem Testflug ins All aufsteigen sollte. Allerdings handelte es sich dabei um ein privat finanziertes Projekt, welches auf einem abgesperrten Gelände bei Atlanta durchgeführt wurde. Tony hatte sich bei Mr. Potter, dem Leiter des Experimentes angemeldet, der ihm die Rakete zeigen wollte. Als Tony bei Potter eintraf, war dieser gerade nicht vor Ort und Tony sollte eigenständig mit den Arbeiten beginnen. Die Rakete befand sich in einem Silo, der tief in die Erde eingelassen war.

Tony brauchte nur durch eine Schleuse in die obere Sektion der Rakete, wo sich der Nutzlastbehälter befand. Er bot gerade so viel Platz, um die nötigen Computer und den neuen Generator unterzubringen. Der Teststart war für den Abend vorgesehen. Tony zog sich einen Schutzanzug über und betrat die Kapsel. Hinter sich schloss sich die Luke und riegelte den engen Raum hermetisch ab. Die seltsame Stille wurde nur durch ein leises Summen unterbrochen und vorn unter einem Bullauge befanden sich die Computer, die in regelmäßigen Abständen bunte Lichter aufflackern ließen. Tony kniete zwischen all der aufwendigen Elektronik, um den Generator anzuschließen. Es gelang und mit seinem mobilen PC schaltete er das Gerät ein. Doch plötzlich geschah etwas Merkwürdiges: Der Rumpf der Rakete begann zu vibrieren.

Erst ganz sanft doch dann immer stärker und stärker. Schließlich begann ein ohrenbetäubendes Rauschen und Pfeifen, und ein heftiger Druck presste Tony zwischen seinen Generator und die übrigen Apparaturen. Die bunten Lichter flackerten hektisch und die Rakete rüttelte derart heftig, dass Tony schon befürchtete, sie könnte auseinanderbrechen. Panisch versuchte Tony sich zu befreien. Und nur eine einzige Frage beherrschte Tony: Was ging da nur vor? Er wollte schnellstens aus der Rakete, doch er konnte sich einfach nicht befreien. Zu fest wurde er in den engen Spalt gedrückt und er bekam kaum noch Luft. Das Bullauge verfinsterte sich und irgendwie war es Tony, als ob er plötzlich ganz leicht wurde, federleicht sogar. Er schien zu schweben, doch er klemmte fest zwischen den Apparaturen. Dann allerdings schaltete sich der Generator ein. Eigentlich sollte der sich erst dann zuschalten, wenn die äußerste Schicht der Erdatmosphäre erreicht war und die Schwerelosigkeit begann. Er schien jedoch einwandfrei zu funktionieren und alle Instrumente zeigten volle Schwerelosigkeit an. Wie war das nur möglich? Offenbar erzeugte der Generator bereits zu diesem Zeitpunkt sein künstliches Schwerefeld.

Mit letzter Kraft quetschte sich Tony aus seinem Spalt und hangelte sich an den unzähligen technischen Apparaturen vorbei bis zum Bullauge. Doch als er durch das Schutzglas schaute, glaubte er, an einer Sehstörung zu leiden.

Denn das Bullauge war keineswegs mehr verdunkelt. Tony konnte hinausschauen und starrte fassungslos in die graue Unendlichkeit einer unwirklichen Welt. Unter der Rakete schwebte eine riesige Scheibe, die auf einer Art Ozean driftete. Über der Scheibe schwebten der Mond und Dutzende von Sternen. Und eine leuchtende Sonne erhellte die gesamte Szenerie. Tony kniff seine Augen zusammen, glaubte zu träumen. Doch als er seine Augen wieder öffnete, war noch immer alles vorhanden. Wie konnte das nur möglich sein? Wieso befand sich unter ihm eine Scheibe? War das etwa die Erde? Sie musste es sein, denn wo sollte sich die Rakete sonst befinden? Plötzlich wurde es still im Raumschiff und Tony ahnte, dass sich die Instrumente, die für den Start der Rakete verantwortlich waren, abgeschaltete hatten. Lautlos glitt der Raumflugkörper durch eine unbegreifliche Umgebung und Tony starrte kopfschüttelnd durch das Bullauge. Er konnte einfach nicht glauben, was er sah. Sollte das am Ende alles nur Einbildung sein? Oder handelte es sich hier wirklich um den Testflug der Rakete? Das Einzige, was ihn überzeugte, war sein Generator. Der schien zu funktionieren, denn Schwerelosigkeit gab es in der Rakete faktisch nicht mehr. Tony stand sicher auf dem Boden und der Generator zeigte normale Werte an.

Plötzlich vernahm er menschliche Stimmen. Sie wurden offenbar vom automatischen Funksystem der Rakete ausgesandt. Doch sie sprachen von etwas, dass ganz und gar nicht stimmen konnte. Auf einem Monitor konnte Tony sehen, welche Bilder da an die Erde geschickt wurden. Demnach befand sich die Rakete im All und tief unter ihr thronte die riesige blaue Kugel der Erde. Doch das stimmte ja nicht, und nur Tony wusste, dass es anders war. Denn diese wuchtige Scheibe in dem fahlen grauen Nichts, inmitten eines wabernden Urozeans, musste die wirkliche Erde sein. In diesem Moment flogen ihm die wirrsten Gedanken durch den Kopf. Er sah all die vielen Sternenforscher, die Astronauten und die Veteranen der Astronomie: Kepler, Galilei … und nichts war mehr, wie es sein sollte. Tony war schockiert. Sollte denn wirklich alles nur eine wahnwitzige Lüge gewesen sein? War am Ende die Erde doch eine Scheibe? Und wie war das mit den Menschen, der Krone der Schöpfung? In Tonys Kopf drehte sich alles und ihm wurde heiß, sehr heiß. Er taumelte zu seinem Generator zurück. Da setzte wieder das seltsame Vibrieren ein und Tony wurde unweigerlich in seine Spalte gepresst, aus der er sich eben erst befreit hatte. Sämtliche Kräfte verließen ihn und er fiel derart unsanft, dass er sich den Kopf an einem der Messinstrumente schlug und ohnmächtig wurde. Irgendwann spürte er eine Hand auf seiner Schulter, jemand rüttelte ihn. „Hallo, Mr. Clauß, hören Sie mich, es funktioniert alles wunderbar!“ Tony versuchte seine Augen zu öffnen und schaute schließlich in das Gesicht eines Mannes im weißen Kittel.

Es war Mr. Potter, der in der Luke der Rakete stand und Tony mit aufmunternden Worten begrüßte. Der war noch immer ganz benommen und faselte andauernd etwas von der Erde, die eine Scheibe sei und auf einer wabernden Ursuppe dahin schwamm. Potter konnte nichts damit anfangen und lachte nur. Dann half er Tony aus seiner misslichen Lage und die beiden verließen die Rakete. Außerdem wurde Tony klar, dass der Flugkörper noch gar nicht gestartet war. Er stand noch immer in seiner Verankerung im Silo und summte vor sich hin. Potter teilte Tony mit, dass der Generator einwandfrei funktionierte und der Testflug noch am gleichen Abend stattfinden sollte. Tony, der sich rasch erholte, war erleichtert.

Offenbar hatte er alles nur geträumt. Die langwierige Forschungsarbeit und die vielen durchgearbeiteten Nächte hatten ihn wohl mürbe werden lassen und er hatte sich den ganzen Unsinn mit der Scheibe nur zusammengedichtet. Nachdem alle Vorbereitungen getroffen waren, betrat Tony sein Labor, von wo aus er den Generator steuern konnte. Noch bevor die Rakete startete, checkte er den Generator noch einmal gründlich durch. Das Gerät verfügte sogar über einen internen Speicher, der alle Etappen des Fluges aufzeichnete und den gesamten Flug im Bild festhalten konnte. Plötzlich fiel Tony auf, dass der Generator schon irgendetwas aufgezeichnet haben musste. Das konnte eigentlich gar nicht sein, denn die Rakete war ja noch am Boden. Irritiert öffnete er den Speicher und kontrollierte die Programme auf ihre Funktionstüchtigkeit. Doch alles funktionierte normal.

Es war jedoch eine Videoaufzeichnung im Speicher, die Tony eigentlich sofort löschen wollte. Doch zuvor schaute er sich diese Aufzeichnung an. Was er dann zu sehen bekam, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Und sofort kehrten seine vermeintlichen Erinnerungen zurück: Die Scheibe, der wabernde graue Ozean, diese Unendlichkeit! Und er spürte, wie ihm der Atem zu stocken drohte, denn all diese Dinge hatte der Speicher tatsächlich vor sechs Stunden aufgezeichnet … die Scheibe, den wabernden Ozean und die graue unerklärliche Unendlichkeit.

Die sonderbare Mrs. Smith

E s war bereits Nacht, als ich den Hollywood-Highway entlang fuhr. Ich wollte nur noch nach Hause und ich dachte schon an mein warmes gemütliches Bettchen. Der Scheinwerferkegel meines Autos bohrte sich in die Dunkelheit und die Müdigkeit malte seltsame Gebilde in die Nacht dort draußen. Plötzlich bemerkte ich eine Person, die am Straßenrand entlanglief. Ich verstand nicht, wie das sein konnte, schob das auf meine immer stärker werdende Müdigkeit. Doch als ich an der Person vorüberfuhr, war mir klar, dass ich mir das nicht eingebildet hatte. Es war eine alte Frau, die sich durch mein vorüberfahrendes Fahrzeug nicht stören ließ. Das verwunderte mich und ich fuhr rechts ran, um den Wagen anzuhalten. Da nicht viel Betrieb auf dem Highway war, bestand auch kaum Gefahr, von einem anderen Fahrzeug angefahren zu werden. Dennoch fragte ich mich, warum diese alte Frau ausgerechnet auf einem Highway unterwegs war. Ich fuhr ein wenig zurück, um der alten Dame entgegen zu fahren. Dann stieg ich aus und rief: „Hallo, was tun Sie mitten in der Nacht hier draußen?“ Die Alte blieb stehen und musterte mich irritiert. Nur die Scheinwerfer meines Wagens spendeten ein wenig Licht und ich sah, wie die Alte aus dem Scheinwerferlicht trat.

Ich stellte mich kurz vor und meinte, dass ich sie mit in die Stadt nehmen könnte. Zunächst lehnte sie ab, doch dann machte ich ihr klar, wie gefährlich ihr nächtlicher Ausflug auf dem Highway sein konnte und schließlich stieg sie ohne weitere Worte in meinen Wagen. Erleichtert schwang ich mich hinters Steuer und wir fuhren los. Lange Zeit schwieg sie und ich wagte nicht, sie irgendetwas zu fragen. Doch dann meinte sie ein wenig reserviert: „Warum halten Sie ausgerechnet bei einer alten Frau? Nehmen Sie doch junge Mädchen mit, an mir werden Sie keine Freude haben.“ Ich verstand nicht, was sie damit zum Ausdruck bringen wollte. Ich war weder auf der Suche nach einer Bekanntschaft noch interessierte mich ihr Alter. Ich wollte ihr ja nur etwas Gutes tun und sie in die Stadt zurück bringen. Und so antwortete ich nicht auf ihre Bemerkung, schmunzelte nur verlegen. Die Alte schien das bemerkt zu haben und sagte ein wenig verbindlicher: „Mein Name ist Serelda Smith und ich lebe im Seniorenstift in der Franklin Avenue. Bitte bringen Sie mich dorthin.“ Ich fand es bemerkenswert, dass sie mir nun sogar ihre Adresse nannte. Ich kannte das Seniorenstift. Es war eine sehr eindrucksvolle Villa, in welcher ausschließlich betuchte Senioren untergebracht waren. Ich beeilte mich, fuhr zügig in die Stadt und brachte sie bis zu der von ihr geschilderten Adresse in der Franklin Avenue.

Eine Weile standen wir vor dem Gebäude und die alte Dame zeigte sich plötzlich sehr gesprächig. Sie erzählte mir von ihrem Leben und von ihrem Mann, der schon seit drei Jahren tot war. Sie hatte wohl Millionen geerbt, doch irgendetwas schien sie zu bedrücken. Schon bald erzählte sie mir, was es war. Eine habgierige Schwester, die sich Mary Shields nannte, hätte es angeblich auf ihr gesamtes Vermögen abgesehen. Immer wieder hatte sie versucht, die alte Dame auf irgendeine Art und Weise, die man nie nachweisen konnte, ums Leben zu bringen. Ich konnte nicht verstehen, dass Mrs. Smith nie zur Polizei gegangen war. Immerhin ging es um ihr Leben und auch um ihr beträchtliches Vermögen. Mrs.

Smith jedoch wollte keine Polizei. Sie wollte die Sache aussitzen und abwarten, was geschieht. Ich verstand das nicht, wollte sie noch bis zu ihrem Zimmer bringen. Doch dann gab sie mir ein merkwürdiges Seidentuch mit einem darin eingenähten goldenen Ring und sagte: „Sie brauchen mich nicht hineinzubringen. Warten Sie zehn Minuten und behalten Sie dieses Tuch.

Es wird Ihnen noch viel Glück bringen.“ Ich starrte die alte Dame verständnislos an, während sie mit einem leichten Augenzwinkern aus meinem Wagen stieg. Langsamen Schrittes und ohne sich noch einmal umzudrehen, verschwand sie im Inneren der Villa.

Ich hatte kein gutes Gefühl, als ich sie so mutterseelenallein in dieses Haus gehen sah. Was, wenn an ihrer Geschichte etwas Wahres war? Gab es diese vermeintliche Schwester Mary wirklich? Und wie was hatte es mit den mysteriösen Mordversuchen auf sich? Nachdenklich schaute ich mir das Seidentuch mit dem Ring an und legte es neben mich auf den Beifahrersitz. Plötzlich hörte ich das Sirenengeheul einesPolizeiwagens. Das Auto raste heran und parkte hinter meinem Wagen.

Zwei Beamte sprangen heraus und rannten in die Villa. Nervös und irritiert beobachtete ich das seltsame Treiben. Was war da nur geschehen? Ich stieg aus und sah einen dritten Beamten, der noch im Wagen saß. Ich klopfte an die Autoscheibe und fragte den Polizisten, was geschehen sei. Der antwortete mir, dass jemand tot im Zimmer aufgefunden sei. Es handelte sich um eine alte Dame. Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Sollte es sich vielleicht … aber das war ja unmöglich … ich hatte sie doch gerade erst hier abgeliefert. Doch es war genau so: Die Tote war Mrs. Smith! Die Polizei wurde von einer Schwester Mary gerufen, die in dieser Nacht Dienst hatte. Als Mrs. Smiths Leiche aus dem Gebäude getragen wurde, standen mir die Tränen in den Augen. Es hieß, dass sie erdrosselt wurde. Doch womit, wusste man nicht.

Da fiel mir das Seidentuch ein, welches mir Mrs. Smith gegeben hatte. Und obwohl der Gedanke mehr als absurd erschien, gab ich den Beamten dieses Tuch. Es stellte sich heraus, dass es sich um Schwester Marys Tuch handelte; denn bei dem Ring, der in das Tuch eingenäht war, handelte es sich um ihren Ehering. Außerdem hatte Schwester Mary diverse Verletzungen an ihren Händen, die sie sich zuzog, als sie das Tuch voller Hass kraftvoll um Mrs.

Smith Hals zusammenzog. Winzige Blutpartikel, die man in dem Tuch fand, lieferten den letzten Beweis ihrer Schuld. Doch damit war die Geschichte noch nicht zu Ende. Erst war es mir gar nicht aufgefallen, aber auf der hinteren Sitzbank meines Fahrzeuges fand ich Mrs. Smiths Handtasche. Mir war vollkommen schleierhaft, wie diese Tasche auf die hinteren Sitze gekommen war.

Als ich die Tasche öffnete, entdeckte ich mehrere Bündel Dollarnoten. Darunter befand sich ein Brief. Ich öffnete ihn nicht, brachte die Handtasche zur Polizei. Dort öffnete man den Brief und ich fiel beinahe in Ohnmacht, als mir dessen Inhalt vorgelesen wurde: „Dieses Geld ist für meinen Enkel. Es ist mein gesamtes Vermögen, welches ich vor Schwester Mary gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte!“ Dann wurde mein Name genannt und ich spürte, wie mir der Atem stockte. Das gesamte Geld war tatsächlich für mich bestimmt. Mir blieb nichts anderes übrig als es anzunehmen. Und nun begriff ich, dass es tatsächlich meine Großmutter war, die ich nie kennengelernt hatte.

Die bei Mrs. Smith gefundenen Unterlagen bewiesen das eindeutig. Dass sie ganz in meiner Nähe lebte, konnte ich nicht einmal erahnen, denn es gab keinerlei Kontakt zu ihr. Es musste erst zu dieser nächtlichen Begebenheit kommen, dass ich sie endlich kennenlernen konnte. Von dem Geld wollte ich ihr eine schöne Grabstelle kaufen und ihr Andenken in Ehren halten, in dem ich das altehrwürdige Seniorenstift finanziell unterstützte. Dennoch gab es eine winzige Kleinigkeit, die ich später von einem der Polizisten zufällig erfuhr. Als ich Mrs. Smith, also meine Großmutter, vor der Villa abgesetzt hatte, war sie in Wahrheit schon fünf Stunden tot …

Die Fremde im Lift

Clark lebte seit drei Jahren in Washington D.C. und so langsam begann er sich furchtbar zu langweilen. Denn nach all den vielen Jahren seines Studiums und den Berufsjahren als Chemiker fand er, dass sein Leben irgendwie keinen rechten Sinn hatte. Er sehnte sich nach einer jungen Frau und nach einem Sohn. Doch er fürchtete sich davor, ein Familienleben und die damit verbundenen Verpflichtungen einzugehen. Und doch war da etwas in seinem Herzen, das er sich nicht erklären konnte. Es schien wie eine undefinierbare Wärme zu sein, die sich von Tag zu Tag intensiver in ihm ausbreitete. Er verstand das als Zeichen und glaubte, eine Bekanntschaft stünde unmittelbar bevor. Und so nahm er sich eines Abends vor, zu einem Tanz für Alleinstehende zu gehen. Natürlich sollte dieser Abend ganz besonders schön werden. Schon am Nachmittag stand er deswegen vor seinem Kleiderschrank und probierte die alten Anzüge an, die ihm längst nicht mehr passten.

Als er sich vor seinem Spiegel drehte und immer wieder feststellen musste, dass ihm die alten Sachen viel zu knapp geworden waren, bemerkte er einen sonderbaren Schatten. Er schien direkt hinter ihm zu stehen und hatte Ähnlichkeit mit einem Menschen. Clark rieb sich die Augen und glaubte, eine Halluzination zu haben. Und weil der Schatten schließlich verschwand, dachte er auch nicht weiter darüber nach.

Allerdings konnte er sich für keinen seiner Anzüge entscheiden und so blieb es bei einer Jeans und einem weißen Hemd. Er fand es plötzlich gar nicht mehr so wichtig, sich für den bevorstehenden Abend aufzumotzen. Womöglich war der ganze Aufwand ohnehin umsonst. Er schloss den Kleiderschrank, zog sich seine Jacke über und verließ die Wohnung. Als er im Fahrtsuhl stand, um die zwanzig Etagen nach unten zu fahren, bemerkte er in einem Spiegel, der gleich neben der Aufzugstür hing wieder diesen seltsamen Schatten. Diesmal konnte er sogar erkennen, dass es eine junge Frau war.

Sie stand vor einem Fenster und sah sehr traurig aus. Aber um wen es sich bei der Person handelte, wusste er nicht. Dafür lief eine Flüssigkeit ganz langsam an der Aufzugstür herunter. Clark trat näher an die Tür heran und betrachtete sich die Flüssigkeit. Sie war rot und Clark erschrak sich fürchterlich.

Er vermutete, dass es sich dabei um Blut handeln musste. Plötzlich ruckte der Aufzug und das Licht fiel kurzzeitig aus. Als es sich wieder einschaltete, waren der Schatten und die merkwürdige Flüssigkeit verschwunden. Die Tür öffnete sich und Clark lief hinaus auf die Straße. Es war nicht sehr weit bis zu jenem Club, in welchem der Tanzabend für Singles stattfand. Und so ließ Clark den Wagen stehen und lief die paar Meter bis zum Club. Plötzlich vernahm er ein seltsames Geräusch, und als er sich umschaute, bemerkte er, dass aus einem Fenster in der dritten Etage eines Hauses riesige Flammen schlugen.

Clark überlegte nicht lange und rannte zu dem Haus. Er vernahm Stimmen, und als er hinaufschaute, sah er einen kleinen Jungen, der auf einem Balkon stand und um Hilfe rief. Clark versuchte, die Haustür einzutreten und nachdem es ihm schließlich gelungen war, rannte er durch das verqualmte Treppenhaus bis in die dritte Etage. Offenbar lebte in dem alten Haus keiner mehr, denn nirgends sah er ein Namensschild und so manche zerschlagene Wohnungstür stand offen. Während Clark die morschen Stufen nach oben lief, zog er sich seine Jacke aus und hielt sie sich vor den Mund. Denn der dicke Rauch stach entsetzlich in seinen Augen und vor der Wohnungstür konnte er kaum noch etwas erkennen. Das Hauslicht fiel aus und hinter einer Glasscheibe sah er die lodernden Flammen. Entschlossen trat er die Tür ein und bemerkte, dass sich die Flammen schon bis auf den Flur gefressen hatten. Eine Tür war noch unbehelligt und Clark rannte in das Zimmer. Dort entdeckte er eine leblos am Boden liegende junge Frau, und draußen auf dem Balkon stand der kleine Junge.

Clark stürmte auf den Balkon, schnappte sich den Kleinen und brachte ihn ins Treppenhaus. Dort wies er ihn an, die Treppe nach unten zu laufen und in der Haustür zu warten. Dann eilte er zurück und zog die junge Frau im allerletzten Moment aus dem Zimmer. Er trug sie über den bereits brennenden Flur bis ins Treppenhaus. Dann rannte er die Stufen hinunter und hörte nur noch, wie die Flammen knirschend ins Treppenhaus brachen. In der Haustür wartete der kleine Junge. Er weinte bitterlich und seine Tränen liefen in dicken Bahnen über sein verrußtes Gesicht … Clark brachte die junge Frau bis zu einer angrenzenden Wiese und aus der Ferne vernahm er die Sirenen der Feuerwehr. Schon bald standen Dutzende Feuerwehrautos vor dem brennenden Haus. Die Feuerwehrleute hatten alle Hände voll zu tun, den Brand, der drohte, das ganze Haus in sich zu verschlingen, zu löschen. Unterdessen war die junge Frau zu sich gekommen und öffnete ihre wunderschönen braunen Augen. Der kleine Junge stand neben ihr und Clark versuchte, ihn zu trösten. Er nahm ihn in seine Arme und hielt ihn ganz fest. Dann kümmerte er sich um die junge Frau, die noch immer nicht begriffen hatte, was geschehen war. Clark versuchte, ihr alles zu erklären und er erfuhr schließlich, dass es eine Gasexplosion in der Wohnung gegeben hatte. Dabei musste sie ohnmächtig geworden sein und nur ihr kleiner Sohn, der gerade aus dem Keller kam, blieb unversehrt. Schnell griffen die Flammen um sich und der Kleine stand hilflos auf dem Balkon und schrie verzweifelt um Hilfe. Er wollte seine Mutter nicht allein lassen, konnte ihr aber auch nicht helfen, weil sie leblos auf dem Boden lag. Nur Clarks schnellem Eingreifen war es zu verdanken, dass die beiden gerade noch rechtzeitig gerettet werden konnten. Er verliebte sich in die schöne junge Frau und die beiden heirateten schließlich und wurden ein glückliches Paar. Denn Clark hatte sie längst erkannt: Es war die junge Frau, die ihm am Unglückstag im Fahrstuhl erschienen war …

Der schwarze Mann

Der Kaffee schmeckte süß, zu süß, und Inspektor Herborn saß nachdenklich vor dem Bild der gerade erst tot aufgefunden Amanda Keller, die am Rande eines abgemähten Kornfelds gefunden wurde. Vermutlich wurde sie mit einem Tuch erdrosselt und der Täter war flüchtig. Herborn musste noch einmal los, um die Leute des angrenzenden Dorfes zu befragen. Viel versprach er sich nicht davon, denn die Leute in dieser Gegend galten als starrköpfig und wenig gesprächig. Dennoch lag ihm viel daran, gerade diesen Fall aufzuklären. Denn die Ermordete hatte einen kleinen Sohn. Der war unterdessen zu seinen Großeltern gebracht worden und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Allein dafür lohnte es sich, alles an die Aufklärung des Falles zu setzen. Die Befragung der Dorfbewohner gestaltete sich genau so, wie der Inspektor vermutete. Er erfuhr natürlich nichts und wollte wieder in seine Pension zurückfahren.

Da entdeckte er vor einer verlassenen Scheune am Straßenrand einen kleinen Jungen. Der saß zitternd im Stroh und seine Augen stachen ängstlich unter seinem lustigen Pony hervor. Herborn brauchte eine Weile, um den Kleinen von seiner Polizeizugehörigkeit zu überzeugen. Und irgendwie klappte das auch ganz gut. Schließlich saßen die beiden gemeinsam im Stroh und der Kleine, der sich Tim nannte, erzählte von einer sonderbaren Beobachtung.

Mit zittriger Stimme berichtete er dem Kommissar, dass er mal wieder auf der Suche nach einem herumirrenden Bären war und gar nicht mehr nach Hause wollte. Doch als er sich schließlich doch auf den Heimweg begab, bemerkte er einen seltsamen, schwarz gekleideten Mann. Dieser unheimliche Fremde trug eine schwarze Maske und stand regungslos mitten auf der Straße. Erschrocken und total verwirrt flüchtete Tim in diese Scheune und der schwarze Mann kam ihm glücklicherweise nicht hinterher. Herborn ließ den Kleinen reden, wollte wohl erreichen, dass der Junge etwas ruhiger wurde. Immerhin war er sehr aufgeregt und ängstlich.

Der Inspektor versprach dem Kleinen, ihn mit seinem Polizeiwagen nach Hause zu bringen. Tim war selig vor Glück, denn er wollte unter keinen Umständen allein durch die Nacht irren. Nachdem der Kommissar den kleinen Jungen bei dessen Eltern abgesetzt hatte, fuhr er wieder hinaus, wollte den Fundort von Amandas Leiche auf sich wirken lassen. Vielleicht gab es ja doch irgendwelche Anhaltspunkte, die ihm bislang nicht aufgefallen waren. Doch als er seinen Wagen vor dem Feld anhielt und in die schweigende Dunkelheit starrte, spürte er gar nichts. Nebelschwaden stiegen aus dem Feld und wurden dichter und dichter. Herborn konnte im Scheinwerferkegel fast nichts mehr erkennen. Da schien sich plötzlich der Nebel zu teilen. Wie versteinert klemmte der Inspektor in seinem Sitz und beobachtete das mysteriöse Geschehen. Zwei rote Lichtpunkte drangen durch die Dunkelheit und plötzlich stand ein schwarz gekleideter Mann mit einer schwarzen Maske in den wabernden Nebelschwaden. Er rührte sich nicht und der Inspektor tastete aufgeregt nach seiner Waffe in der Jackentasche. Doch als er sie herausziehen wollte, verschwand der Mann wieder im Nebel genau so plötzlich, wie er gekommen war. Herborn versuchte, noch irgendetwas zu erkennen. Doch der schwarze Mann blieb verschwunden.

Irgendwie hatte der Inspektor das sonderbare Gefühl, dass dieser Fremde der Mörder gewesen sein könnte. Doch er konnte ihn in diesem immer dichter werdenden Nebel unmöglich verfolgen. Er würde sich selbst in Gefahr bringen. So startete er den Wagen und fuhr auf die Straße zurück. Langsam tastete sich das Fahrzeug in die Richtung, in welcher Herborn das Dorf vermutete. Die Scheinwerfer bohrten sich in den dichten Nebel und die Fahrt schien endlos zu sein. Plötzlich ruckelte der Wagen. Nervös hielt Herborn den Wagen wieder an und suchte nach der Ursache.

An der Tankanzeige bemerkte er, dass kein Benzin mehr im Tank war. Nervös kramte er sein Handy aus der Jackentasche und wollte Hilfe rufen. Doch es war wie in einem schlechten Krimi … der Akku war leer. Was sollte er jetzt tun? Sollte er wirklich aussteigen und zu Fuß nach dem Dorf suchen? Doch … hatte das wirklich Sinn? Sollte er nicht warten, bis sich der Nebel verzogen hatte und erst dann loslaufen? Nachdenklich schaltete er die Scheinwerfer aus. Er öffnete die Wagentür und stieg aus. Der kalte feuchte Wind fächelte um sein Gesicht und wirbelte den Nebel gespenstisch auf. Und plötzlich vernahm er ein Geräusch. Es war ein sonderbares Rascheln, das sich rasch näherte. Aus dem Nebel trat erneut dieser merkwürdige schwarze Mann.

Wieder blieb er regungslos stehen und nur seine roten Augen stachen wie Blitze durch die Dunkelheit. Herborn spürte, wie sein Herz zu rasen begann.

Auch machte sich ein flaues Gefühl in seiner Magengrube breit. Es war ein Gefühl, welches er schon lange nicht mehr kannte: Angst! Ihm war klar, dass er diese lähmende Angst überwinden musste, wenn er sich dem Täter entgegen stellen wollte. Entschlossen griff er nach seiner Waffe, die er vorsichtshalber bereits auf den Beifahrersitz gelegt hatte. Gerade wollte er den vermeintlichen Täter zum Aufgeben zwingen, da ertönte ein Schuss. Zunächst glaubte Herborn, der Täter habe auf ihn geschossen. Doch er hatte ja gar keine Waffe bei dem schwarzen Mann gesehen. Und als er an sich herunterschaute, konnte er keine Verletzung entdecken. Dafür wankte der fremde Mann bedenklich hin und her und fiel schließlich auf die feuchte Straße. Mit einem Satz sprang Herborn hinter seinen Wagen, um sich dort zu verbergen. Wer hatte da geschossen? Unmöglich konnte er sich in dieser gefährlichen Situation dem Fremden nähern. Vermutlich wartete der Schütze nur darauf, ihn auch noch umlegen zu können. Aber warum? Herborn kroch vorsichtig in seinen Wagen zurück und versuchte, diesen zu starten. Es gelang, also musste sich doch noch ein Rest Benzin im Tank befinden. Er drückte aufs Gaspedal und raste davon. Er schaffte es bis ins Dorf, denn der Nebel hatte sich ein wenig gelichtet. Von dort rief er Verstärkung. Kurze Zeit später trafen die Polizeiwagen ein. Herborn wies die Beamten an, zu der Stelle zu fahren, wo der schreckliche Mord geschah. Sofort fuhren sie los. Und sie fanden den schwarz gekleideten Mann mit der noch viel schwärzeren Maske. Es stellte sich schließlich heraus, dass die DNA des Fremden mit der am Fundort von Amandas Leiche übereinstimmte. Denn bei diesem Mord hatte er sich an der Hand verletzt und Blut verloren. Sie waren also dem Täter auf die Spur gekommen. Nur, wer hatte den Täter erschossen? Inspektor Herborn tappte