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Unmittelbar nach dem Ende der Sachsenkriege Karls des Großen brach mit den Nordmännern eine neue Gefahr über die Sachsen herein. Unsere Ansichten und Vorstellungen von den Wikingern sind durch die Kirchen geprägt, die diese Seefahrer überfielen und beraubten. Nicht alle von ihnen waren so wilde Kerle, wie es uns die Geschichtsschreibung erzählen wollte. In den Zeiten nach 800 überfielen die, meist jungen, Männer die Küsten des umliegenden Meeres und plünderten alles, was sie bekommen konnten. Gold, Menschen, Güter des täglichen Lebens. Alles was sie mit ihren Schiffen transportieren konnten. Ihre Frauen und Kinder blieben dabei in ihren nördlichen Ländern zurück. Diese Geschichte handelt von zwei geraubten sächsischen Kindern, die in der Fremde unter den Nordmännern versuchten zu überleben. Können sich die beiden anpassen oder werden sie im Dunkel der Geschichte verschlungen werden? Werden sie jemals ihre Heimat wiedersehen? Die weiteren Bücher in dieser Reihe, erschienen im Verlag BoD, sind: "Der Gefolgsmann des Königs" ISBN 978-3-7357-2281-2 (05.08.2014) "In den finsteren Wäldern Sachsens" ISBN 978-3-7357-7982-3 (29.09.2014) "Schicha und der Clan der Bären" ISBN: 978-3-7386-0262-3 (24.11.2014) "Im Zeichen des Löwen" ISBN: 978-3-7347-5911-6 (27.02.2015) "Im Schein der Hexenfeuer" ISBN: 978-3-7347-7925-1 (22.06.2015) "Kaperfahrt gegen die Hanse" ISBN: 978-3-7386-2392-5 (24.08.2015) "Die Bruderschaft des Regenbogens" ISBN: 978-3-7386-5136-2 (23.11.2015) "Die römische Münze" ISBN: 978-3-7392-1843-4 (19.02.2016) "Die Räubermühle" ISBN: 978-3-8482-0893-7 (30.05.2016) "Der russische Dolch" ISBN: 978-3-7412-3828-4 (25.08.2016) "Das Schwert des Gladiators" ISBN: 978-3-7412-9042-8 (29.11.2016) "Frauenwege und Hexenpfade" ISBN: 978-3-7448-3364-6 (27.06.2017) "Die Sklavin des Sarazenen" ISBN: 978-3-7448-5151-0 (26.07.2017) "Die Tochter aus dem Wald" ISBN: 978-3-7448-9330-5 (28.09.2017) "Anna und der Kurfürst" ISBN: 978-3-7448-8200-2 (20.11.2017) Weitere Informationen finden Sie unter www.buch.goeritz-netz.de
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Seitenzahl: 148
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Westwärts auf Drachenbooten
Das Dorf an der Bucht
Ein Überfall
Das Drachenboot
Eine lange Überfahrt
Dunkler Fjord
Diener oder Sklave?
Im Badehaus ihres Herren
Eine Hafenschänke
Augen wie das Meer
Erik
Zwei Beutel Goldmünzen
Auf Kaperfahrt
Ein neues Boot
Immer Westwärts
Reiche Beute
Frauen unter sich
Eine große Bitte
Schiffsjunge auf großer Fahrt
Auf in den Kampf
Zwei Boote
Gefährten und Beute
Ein neuer Stammesführer
Glaube und Abschied
Ein Stück Heimat
Zeitliche Einordnung der Handlung:
Unmittelbar nach dem Ende der Sachsenkriege Karls des Großen brach mit den Nordmännern eine neue Gefahr über die Sachsen herein. Unsere Ansichten und Vorstellungen von den Wikingern sind durch die Kirchen geprägt, die diese Seefahrer überfielen und beraubten. Nicht alle von ihnen waren so wilde Kerle, wie es uns die Geschichtsschreibung erzählen wollte.
In den Zeiten nach 800 überfielen die, meist jungen, Männer die Küsten des umliegenden Meeres und plünderten alles, was sie bekommen konnten. Gold, Menschen, Güter des täglichen Lebens. Alles was sie mit ihren Schiffen transportieren konnten. Ihre Frauen und Kinder blieben dabei in ihren nördlichen Ländern zurück.
Diese Geschichte handelt von zwei geraubten sächsischen Kindern, die in der Fremde unter den Nordmännern versuchten zu überleben. Können sich die Beiden anpassen oder werden sie im Dunkel der Geschichte verschlungen werden? Werden sie jemals ihre Heimat wieder sehen?
Die handelnden Figuren sind zu großen Teilen frei erfunden, aber die historischen Bezüge sind durch archäologische Ausgrabungen, Sagen und Überlieferungen belegt
Der Junge stand am Bug des Schiffes und schaute auf die silbern glänzenden, zappelnden Fische. Gerade eben hatte er das Netz zusammen mit dem Vater an Bord gezogen. Er war jetzt acht Sommer alt und zum ersten Mal mit hinaus gefahren. Der Vater schlug ihm anerkennend auf die Schulter, so dass er ein Stück zusammen sackte. „So viele Fische hatten wir schon lange nicht mehr in einem Netz. Du bringst uns Glück.“ sagte der Mann und die anderen Männer lachten.
Noch ein paar Mal warfen sie das Netz aus und immer mehr Fisch füllte die große Kiste in der Mitte des Bootes. Schon bald war kein Platz mehr und sie fuhren wieder zurück zum Land. Wie der Vater die richtige Richtung einschlagen konnte, wusste der Junge nicht. Er stand am Bug und ringsum war nur Wasser. „Hans.“ rief der Vater und der Junge drehte sich um. Der Mann winkte ihn zu sich und als Hans am Heck war, drückte ihm der Vater das Ruder in die Hand.
„Immer der Sonne entgegen. Sie bringt uns heim.“ sagte der Mann und strich sich mit der Hand über den Bart. Die anderen Männer verpackten vor ihnen die Netze. Sie waren zu fünft hier auf dem Fischerboot. Vier Männer und Hans, der sich schon wie ein richtiger Mann fühlte, das Ruder fest in der kleinen Hand. „Aber die Sonne wandert doch. Wie können wir da die Richtung halten?“ fragte der Junge und sein Vater nickte. „Das hast du gut beobachtet. Wir fahren nach Sonne, Wind und Wellen. Im Moment ist die Sonne, von hier aus gesehen, direkt über unserem Dorf. Man braucht das richtige Gefühl für das Meer.“ antwortete der erfahrene Fischer und ließ seinen Blick über das Wasser gleiten.
Wenig später war in der Ferne ein dunkler Streifen zu sehen. Der Vater griff in das Ruder und korrigierte etwas, dann rief er ein paar kurze Kommandos und die anderen Männer zogen das Segel ein Stück anders, damit der Wind besser hinein greifen konnte. Das schwer beladene Boot reagierte träge und brauchte ein paar Augenblicke, bevor es in die neue Richtung zog. Hans musste sich gegen das Ruder stemmen, um nicht zur Seite gedrückt zu werden. Wieder lachte der Vater, als er das sah. „Du wirst ein guter Seemann werden.“ sagte er und übernahm wieder das Ruder.
Hans ging nach vorn und sah über das Meer. Schon bald konnte er die Bucht mit der Flussmündung erkennen. Dahinter stand das Dorf, das wusste er. Die Mutter würde sicher schon auf ihn warten. Noch nie war er so lange von ihr getrennt gewesen. Aber das musste man wohl über sich ergehen lassen, auf dem Weg zum Mann und an diesem Tage hatte der Junge den ersten Schritt dorthin getan. Die Möwen kreischten über dem Boot. Sie hatten den silbernen Fisch gesehen und wollten sich auf den Fang stürzen, um einen Teil davon zu fressen. Doch die Männer verscheuchten die Vögel, die daraufhin laut schimpfend immer weitere Runden um den Mast drehten. Vielleicht war ja einer der Männer kurz abgelenkt und sie konnten ihre Chance nutzen.
Der Junge schaute wieder nach vorn. Der Steg, der direkt vor seinem Heimatdorf in die See hinein gebaut war, war schon zu sehen. Die Fischerboote brauchten ihn nicht, nur die Handelsboote legten dort an. Sie waren größer und holten den Fisch, den sie hinter den Hütten auf Gerüsten in der Sonne trockneten. Hans sah am Rande des Stegs eine Person sitzen. Noch konnte er nicht erkennen, wer es war, aber ein paar Augenblicke später sah er das wehende Haar. Das musste seine Schwester Mara sein. Nur sie trug im Dorf ihr langes Haar offen. Die blonde Mähne war nur schwer zu bändigen, aber Zöpfe, so wie sie die anderen Frauen und Mädchen im Dorf trugen, wollte sie sich nicht flechten. Sie war doppelt so alt wie Hans, fast sechzehn Jahre, und nur die beiden Geschwister waren von den vielen Kindern ihrer Eltern übrig. Alle anderen waren jung gestorben.
Zwei sind übrig, sechs waren gestorben. So war es fast in allen Familien hier im Dorf. Hans winkte der Schwester zu. Schon kurz danach zogen die Männer das Boot auf den Strand und der Junge sprang herab. „Ich musste heute alle deine Aufgaben mit übernehmen. Morgen fütterst du die Schweine wieder.“ begrüßte ihn die Schwester mit einem trotzigen Gesichtsausdruck. Sie schob sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah den vielen Fisch. Im Gedanken dachte sie sicher schon an die Arbeit, die gleich beginnen würde. Fische ausnehmen und zum Trocknen aufhängen. Ein paar davon würden sie bestimmt noch am Abend über dem Feuer in der Hütte braten. Mit einem Haarband zog sie kurz die Mähne am Hinterkopf zusammen.
Die Frauen und Mädchen aus den Häusern der vier Männer versammelten sich am Boot und nun ging es flott von der Hand. Auch bei ihnen saß jeder Handgriff. Mara hatte in ihrem Leben bestimmt schon ein paar tausend Fische ausgenommen. Solange sie sich zurückerinnern konnte, gab es jeden Abend Fisch und vorher viel Arbeit damit. Der silbern glänzende Fisch hatte dem Dorf einen kleinen Wohlstand gebracht, aber auch viel Arbeit. Sie zog das Messer, das sie immer am Gürtel trug und stellte sich zusammen mit den anderen Frauen an die flache Kiste mit dem Fisch.
Die Fischer warfen ihn von der einen Seite hinein und die Frauen nahmen ihn auf der anderen Seite heraus. Die Arbeit war schon lange Routine. Obwohl sie mit dem scharfen Messer arbeitete, schaute sie nicht hin, genauso wenig, wie es die anderen Frauen machten. Sie unterhielten sich, lachten oder sangen Lieder. So ging die Arbeit viel schneller voran und der Berg der Fische nahm langsam ab. Dafür wurde der Haufen an ausgenommenen Fischen hinter ihnen immer größer. Nachdem die Fischer den letzten Fisch vom Boot in die Kiste geworfen hatten, begannen sie den fertig ausgenommenen Fisch auf die Trockengerüste zu legen. Maras Arme schmerzten, als sie den letzten Fisch aus der Kiste nahm. Diesen würde es zum Abendessen geben. Zusammen mit der Mutter, die drei weitere Fische mit sich trug, ging sie zu dem kleinen Haus zurück.
Die Dämmerung begann schon auf sie herab zu fallen. Die Männer kippten die Abfälle der Fische und die Innereien in ein paar Eimer, die sie dann vom Steg aus in das Meer kippten. Die Möwen freuten sich, dass sie nun doch noch zu ihrem Recht kamen und mit einem lauten Geschrei stritten sie sich um die reichliche Beute. Hans fielen fast die Augen zu, als er wenig später am Tisch saß.
Es war ein Tag wie jeder andere auch an der Flussmündung. Der Vater war schon vor Beginn der Morgendämmerung mit dem Boot und den anderen Männer auf die See hinaus gefahren, so wie er am Tag zuvor mit Hans unterwegs gewesen war. Der Junge brannte schon darauf, ein zweites Mal mit dem Vater zu fahren. Es war ein heißer Frühlingstag und der Junge saß mit den Füßen im Wasser auf dem kleinen Steg. Er hatte schon die Schweine gefüttert und nun ließ er sich einfach die Sonne in das Gesicht scheinen, bis er mit seinen Arbeiten weiter machen musste. Aber er hatte noch ein paar Augenblicke der Ruhe. Er stützte sich zurück und blinzelte in den Sonnenschein. Mit zusammen gekniffenen Augen konnte er bunte Farben sehen. Wolken zogen über ihn hinweg, die immer wieder die Sonne kurz verdeckten.
Ein Spiel von Licht und Schatten zeichneten Sonne und Wolken auf dem Wasser des Flusses. Hans hörte Schritte hinter sich, er spürte, wie jemand den Steg betrat und er drehte den Kopf. Der Junge sah Mara, seine Schwester, zu ihm herüber kommen, die einen leeren Eimer dabei hatte. Vermutlich wollte sie Wischwasser aus der See holen, um den Stall damit zu säubern. Zusammen mit der Mutter hatte sie vor ein paar Augenblicken noch die Kühe gemolken, doch auch sie fand, dass es ein viel zu schöner Tag war, als dass man ihn nur mit Arbeit vergeuden sollte. Sie stellte den Eimer ab, stieg aus ihren Schuhen und setzte sich neben ihren Bruder. Mit hochgezogenem Rock ließ sie nun ebenfalls die Füße in das lauwarme Wasser hängen. Kein Wort fiel, beide lauschten nur den Wellen und den Möwen.
Stumm saßen sie schon eine ganze Weile so da, und es hätte für die beiden Kindern noch ewig so weiter gehen können, als von der Hütte her die Mutter wenig später nach Mara rief. Eher widerwillig stand sie auf, kniete sich auf das Holz des Stegs und füllte den Eimer mit Wasser. Schnell zog sie die Schuhe über die noch feuchten Füße und schleppte den schweren Holzeimer zur Hütte zurück. Hans sah ihr nach und bemerkte, wie sie beim Gehen immer wieder einen Schwapp Wasser verlor. Zum Glück war es nicht sehr weit, sonst wäre der Eimer sicher leer gewesen, bevor sie am Stall angekommen wäre.
Eine Ruhe lag über dem Dorf, die fast schon unheimlich war. Nur ab und zu war eines der Tiere aus den Ställen des Dorfes zu hören. Hans schaute wieder auf die See hinaus. Wie ein Spiegel sah das Wasser aus. Nur vereinzelt war eine Welle zu sehen, die langsam auf das Ufer zu rollte. Plötzlich frischte der Wind auf und die Möwen, die bis gerade eben noch mit dem Jungen zusammen auf dem Steg gesessen hatten, erhoben sich kreischend in die Luft. Größere Wellen kamen auf das Land zugelaufen und brachen sich unter dem Steg an den Holzbalken.
Hans stand auf und wollte gerade zurück zum Haus gehen, als er am Horizont ein kleines Segel sah. Wenig später sah er ein zweites und dann ein drittes. Kamen die Fischer schon wieder zurück? Dann hatten sie sicher einen guten Fang gemacht. Der Junge stand am Ende des Stegs und schaute auf die sich nähernden Boote. Noch waren sie nicht richtig zu erkennen, nur die braune Farbe des Stoffes und die fast viereckige Form der straff gespannten Segel konnte er sehen.
Sehr schnell kamen die Boote näher, viel zu schnell für schwer beladene Fischerboote. War der Wind dort draußen so viel stärker, als hier an Land, so dass er die Boote noch zusätzlich beschleunigte? Oder waren es vielleicht Händler? Aber warum dann mit drei Booten? Nun konnte der Junge die schmalen Bootskörper sehen. Das waren keine Handels- oder Fischerboote. Der Schrecken der Meere flog auf das kleine Dorf zu. „Seeräuber!“ schrie er so laut er konnte, er drehte sich um und lief los. Er hatte den Steg noch nicht verlassen, da schoss neben ihm das erste Boot vorbei. Ein Drachenkopf sah von oben herab auf das fliehende Kind. Mit einem knirschenden Geräusch setzte das Boot auf dem Sand auf. Bärtige Männer sprangen Axt schwingend in das Wasser zu beiden Seiten des Bootes.
Hans hatte nur ein paar Schritte Vorsprung und schon erhielt er einen Schlag in den Rücken. Er flog ein ganzes Stück durch die Luft und stürzte dann zu Boden. Neben sich sah er die Füße der Männer. Es mochten etwa dreißig Krieger sein. Alle hatten lange dunklen Jacken an, die mit Gürteln zusammen gehalten wurden, helle Hosen und schwere Schuhe trugen sie. Ein paar trugen runde Schilde und einer einen Helm. Die meisten hatten große Äxte in den Händen, die sie drohend über ihrem Kopf schwangen, ein paar auch lange Schwerter.
Die Männer verteilten sich vom Steg aus, neben dem ihre Boote lagen, über das ganze Dorf und stürmten in die Hütten. Unter den Axtschlägen zersplitterten die hastig, nach dem Schrei des Jungen, verschlossenen Türen. Auch in das Haus von Hans, das nur einen Steinwurf vor seiner Nase stand, stürmten drei Männer hinein. Der Junge hörte die Mutter und Mara vor Angst schreien. Er sah, wie Mara wenig später nackt aus der Hütte rannte, gefolgt von einem Mann, der sie niederschlug und das sich heftig wehrende Mädchen an den langen Haaren zurück zu Hütte schleppte. So wie es vorher in dem Dorf still gewesen war, so schrien nun die Frauen vor Angst, Schmerz oder Entsetzen rings um den Jungen. Nichts konnte der Junge tun, er blieb einfach so liegen. Es war, als hätten Arme und Beine versagt und er konnte sich nicht mehr bewegen.
Gelähmt vom Schreck sah er zu, wie einer der Männer eine Fackel auf das Dach des Nachbarhauses warf. Das Knistern des strohgedeckten Hauses riss ihn aus seiner Lethargie. Die ersten Männer kamen aus den Hütten zurück und trugen ihre Beute zu den Booten. Der eine oder andere hatte eine, sich heftig wehrende, Frau auf der Schulter. Auch Mara wurde an Hans vorbei gezerrt und in eines der Boote geworfen. Einer der Männer ergriff Hans, der immer noch im Sand lag und warf ihn recht unsanft in das gleiche Boot wie Mara. Mit einem Schmerzenslaut knallte der Junge auf die Holzplanken, auf die ihn der Mann geschleudert hatte.
Für einen Moment wurde es schwarz um ihn herum und der Lärm verstummte.
Das Schaukeln brachte den Jungen zurück in die Gegenwart des Tages. Er lag mit blutender Nase und einer Beule am Kopf im hinteren Teil des Bootes. Nur ein paar Schritte entfernt, im vorderen Teil, sah er Mara sitzen, die sich in eine alte Decke gewickelt hatte. Zwischen den beiden Geschwistern waren zehn Männer damit beschäftigt, das Segel in den Wind zu ziehen. Wie lange mochte der Überfall gedauert haben? Nicht sehr lange. Am längsten davon hatte sicher das Verladen der Beute gedauert. Wie lange lag er schon so da? Wahrscheinlich nur kurz! Nun gehorchten seine Arme und Beine wieder. Sollte er aus dem Boot springen? Was würde dann aus Mara? Und waren sie schon auf See?
Vorsichtig stand der Junge auf und hielt sich den Kopf mit der Hand. Die Beule tat weh, wenn er sie berührte. Hinter ihm stand einer der Männer am Ruder und gab ihm sofort wieder einen Schlag in den Rücken, so wie vor kurzen am Strand. Hans fiel nach vorn, konnte aber im Fallen noch sehen, wie der Steg hinter dem Boot verschwand. Nun lag er wieder unten und rollte sich zur Bordwand, um nicht von den Männern getreten zu werden, die in dem Boot hin und her liefen und bei ihrer Tätigkeit keine Rücksicht auf den Jungen nehmen konnten.
Alle, bis auf den Mann am Heck, setzten sich an die Ruder und trieben das Schiff noch viel schneller auf die See hinaus. Durch die Brandung wurde das Schiff durchgerüttelt. Hans drehte seinen Kopf nach vorn. Er sah Mara, die die alte Decke fest um ihren Körper zog, so als ob sie ein Schutzschild war. Er sah in ihre Augen und der Blick des Mädchens war leer. Jegliches Leben schien daraus gewichen zu sein. Ein nacktes, blutverschmiertes Bein schaute unter der Decke hervor und Mara presste sich in die Spitze am Bug, soweit sie nur konnte. Fast als wolle sie mit dem Holz des Bootes verschmelzen. Sie und Hans waren die einzigen Dorfbewohner hier an Bord. Die fremden Männer und ein paar Säcke mit Beute waren noch zwischen ihnen.
Der Junge schaute in die Gesichter der Ruderer. Die kurzen Bärte ließen trotzdem nur wenig von den Gesichtern frei. Wettergegerbt und braun sahen die Männer aus. Fast so wie der Vater, aber so sah man vermutlich immer aus, wenn man viel auf dem Wasser unterwegs war. Die Haare hatten sie zu Zöpfen gebunden. Das Schaukeln des Bootes wurde heftiger und der Wind drückte nun viel stärker in das Segel hinein. Die Männer zogen die Ruder ein und legten sie zur Seite. Von nun an würde sie der Wind vorantreiben. Einige holten aus der Beute Schläuche mit Wein, die sie von Mann zu Mann reichten.
Hans schlich sich nach vorn zu seiner Schwester, doch die reagierte gar nicht auf ihn. Wie gebannt lag ihr Blick auf den Männern, die dem Wein reichlich zusprachen. Schon bald begann der erste von ihnen ein Lied zu singen. Mit einer krächzenden Stimme, in einer für den Jungen unbekannten Sprache. Nach und nach stimmten alle an Bord ein. Hans lauschte auf die fremden Töne und dachte daran, was wohl mit ihnen beiden geschehen würde. War die Mutter auch geraubt worden? Vielleicht auf einem der anderen beiden Boote?