Der Fakir ohne Arme - Walter Kabel - E-Book

Der Fakir ohne Arme E-Book

Walter Kabel

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Beschreibung

Der Fakir ohne Arme ist ein Kurzkrimi von Walter Kabel, der in Bombay spielt. Auszug: Wir wohnten damals im Hotel d'Angleterre in Bombay. Inkognito. Wir wollten uns ausruhen und Bombay dann in aller Stille verlassen. Wir hatten uns als holländische Kaufleute ausgegeben, und unsere Masken waren ebenso bieder und unauffällig wie unsere Namen van Hoonler und Schreetjen ... Niemand beobachtete uns. Wir schlenderten am zweiten Tage gegen sechs Uhr nachmittags am Hafen entlang und wurden so Zeugen, wie eine große überaus elegante Privatjacht am Kai festmachte. Die Jacht hieß Hudson, und am Heck wehte stolz das Sternenbanner.

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Seitenzahl: 68

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Der Fakir ohne Arme

Erster Teil: 1. Wera Orlingtons BesuchErster Teil:  2. Gräfin WeraErster Teil: 3. Ein Irrtum in der PersonErster Teil: 4. In der GarageErster Teil: 5. Des Todes SpitzenZweiter Teil: 1. Wera Orlingtons BesuchZweiter Teil: 2. Das KranichhausZweiter Teil: 3. Mein Gatte auf dem AstZweiter Teil: 4. SchminkeZweiter Teil: 5. Der befreite GefangeneAnmerkungenImpressum

Erster Teil: 1. Wera Orlingtons Besuch

Jetzt, wo die Nacht vorüber, wo bereits die ersten Sonnenstrahlen über Bombay hinwegglitten, – jetzt fühlte ich so recht, wie müde und abgespannt ich war ...

Ich saß zusammengesunken neben Harald auf den Balken, gähnte krampfhaft und hatte nicht einmal Gedanken für das, was nun geschehen würde ...

Harst spielte Statue ...

Die Ellbogen auf die Knie gestemmt, den Kopf in beide Hände gestützt, die Augen geschlossen: so verhielt er sich regungslos ...

Ich war fest überzeugt, daß er die Vorgänge der Nacht nochmals an seinem Geiste vorüberziehen ließ ...

Irrtum ...! Denn mit einem Male hörte ich ihn ganz leise schnarchen ...

Wahrhaftig – – er schlief ...

Und wie fest er schlief, merkte ich an seinen Atemzügen – auch daran, daß ihn nicht einmal das Heulen der Dampfersirenen weckte ...

Ich gähnte ... gähnte ... Versuchte es ihm gleichzutun ... Versuchte einzuschlafen ...

Keine Möglichkeit ... Es gelang mir nicht ... Und doch konnte ich keine Ordnung in meine Gedanken bringen ... Ich gab mir Mühe, nun meinerseits die Ereignisse kritisch zu zerlegen und insbesondere das Blasrohrattentat richtig zu bewerten ...

Der Blasrohrpfeil war doch nicht vergiftet gewesen ...

Und – das war sehr auffällig ... Da stimmte irgend etwas nicht ... irgend etwas ...

Dann – zerriß mir der Gedankenfaden wieder. Mein Hirn streikte ... Stumpf starrte ich auf die Jacht, wo am Deck vier Wachen faul hin und her gingen ... –

Die Sonne wurde sehr bald unangenehm ...

Wir saßen hier nun bereits anderthalb Stunden ... Und Harst schlief ... schlief ...

Da – neben mir taucht ein Chinese auf, – gelber Leinenanzug, Strohhut ... – einer von Urtschoffs Leibgarde ... Einen versiegelten Brief in der Hand – für Harst ...

»Mr. Schraut, ich soll auf Antwort warten ...« keucht der Bursche ganz außer Atem ...

Ich wecke Harald. Im Moment ist er munter ...

»Was gibt's? – Ah – also doch ...!« Und zu dem Boten: »Du hast Deinem Herrn gemeldet, daß wir hier vor der Jacht sitzen?«

»Ich nicht, Mr. Harst ... Ein anderer telephonierte ... Ich wurde nur hierher geschickt mit dem Briefe ... Ich kam mit einem Fahrrad ...«

Harald öffnete den Briefumschlag ...

Wir lesen die noch frischen Zeilen – deutsch ...:

»Herr Harst, ich biete Ihnen 10 000 Pfund, wenn Sie sofort Bombay verlassen. Sofort ...! – Glauben Sie mir, daß ich von der Familie Orligow keinen Tropfen Blut vergossen habe. Mein Ehrenwort darauf. Mischen Sie sich nicht in Dinge, die Ihnen nur gefährlich werden können – nicht von meiner Seite! Genau wie Sie mich gewarnt haben, warne ich Sie vor Wera Orlington. Diese blonde Frau besitzt die Energie eines Dutzends von Männern und wird jede Einmischung Ihrerseits mit Gegenmaßnahmen beantworten, von denen Sie nur die Wirkungen spüren. Vielleicht ist Ihnen nicht bekannt, daß hier in Bombay vor kurzem vier Russen, eine Künstlerfamilie, beseitigt worden sind ... Die Polizei glaubt anderes ... Ich weiß es besser. Auch dahinter steckt Wera Orlington. Sie kennt kein Erbarmen, ist aber auch nicht zu fassen ... – Gehen Sie auf meinen Vorschlag ein, Herr Harst! Es ist besser für alle Teile, glauben Sie mir!

U.«

Harald wandte sich an den Boten ...

»Bestelle Deinem Herrn, daß ich ablehne ... Sage ihm aber auch, daß ich mich hier nur so nahe der Jacht niedergesetzt hatte, weil ich hoffte, daß die Angst, ich könnte Frau Orlington ins Vertrauen ziehen wollen, Deinen Herrn zur Preisgabe der Wahrheit veranlassen würde ... – Hier gebe ich Dir den Brief wieder mit ... Meine Hoffnung hat sich nicht erfüllt ... Also – muß es auf andere Weise gelingen ...«

Der Chinese machte ein sehr bekümmertes Gesicht ...

»Mr. Harst, mein Herr wird toben ... Ich habe das Geld bei mir ... Ich sollte es Ihnen gleich auszahlen ...«

»Tut mir leid ... – Verschwinde ...«

Er erhob sich ...

Wir gingen am Kai entlang ... Dort, wo die Ramsur-Anlegestelle mit ihren zahllosen Ruderbooten als weiße Brücke die Kaimauern unterbricht, sprangen wir in ein Motorboot ...

»In den Hafen hinaus – schnell,« rief Harald dem indischen Bootsführer zu ...

Der merkte, daß er verkleidete Europäer vor sich hatte ...

Knatternd schoß das Boot davon ... Die vier Spione kamen zu spät ... Unser Boot war bereits jenseits der Makarar-Spitze, als sie kaum erst von der Brücke losmachten ...

Wir landeten unweit der Stelle, wo wir drüben an den Hügelabhängen die Ruine des Djeibar-Schlosses erkannten ... Bezahlten den Bootsführer und eilten davon ... waren bald in dem ersten Buschwäldchen verschwunden. Die Spione hatten das Nachsehen ...

Behaglich schlenderten wir weiter, umschritten die Wildnis des großen Djeibar-Parkes und standen gegen sieben Uhr morgens an der Pforte des Gartens unseres Bungalows. Einer der Diener harkte die Wege, kam ahnungslos herbei und fragte nach unserem Begehr.

Die tadellose Verkleidung schützte uns glänzend ... Der Diener erkannte uns nicht ...

»Ich habe im Auftrag Deines Sahibs Ahmed, dem Koch, etwas zu bestellen,« erklärte Harald in gebrochenem Englisch ... »Eile Dich ... Hole Ahmed herbei ...«

Der Diener lief davon – um den Bungalow herum ... Und wir über den Zaun – rasch auf die Veranda – durch das offene Fenster in den Wohnsalon – dann ins Schlafzimmer ... Im Nu die Bärte herunter ...

Da sahen wir Ahmed auch schon zur Pforte eilen ... Verdutzt stehen bleiben, sich umschauen ...

Kopfschlackernd machte der Koch wieder kehrt ...

Wir hörten ihn mit dem Diener zanken. Er glaubte, der habe ihn angeführt ...

Harald rief mit Donnerstimme, die beiden sollten sich ruhig verhalten ... Um zwölf wollten wir geweckt sein ...

Stille ...

Wir ins Bett ... Noch eine Beruhigungszigarette, und wir schliefen ein ...

Ich träumte ...

Ich säße in einem Auto ... Fühlte, wie mir scharfe Nadeln in die Sitzpolster fuhren ...

Und – schnellte mit einem Schrei empor ...

Starrte wild umher ...

Harst stand vor dem Spiegelschrank und rasierte sich ...

»Morgen, mein Alter ... Du bist gerade zur rechten Zeit munter geworden ... Deine Kehrseite lag ein wenig bloß, und die Mücke tat ihre Schuldigkeit ... – Im übrigen beeile Dich ... Man läßt Damen nicht allzu lange warten, besonders keine Milliardärinnen ... Frau Wera Orlington sitzt draußen auf der Nordseite der Veranda und wünscht uns dringend zu sprechen ... Kannst Dir wohl denken, weswegen ... oder nicht?!«

»Nein ...«

»Na, dann wirst Du es ja hören ... – Bitte, der Platz hier vor dem Spiegel ist frei ... Rasiere Dich, mache Dich schön ... Frau Wera soll uns als Gentlemen kennen lernen ... Außerdem hält ein falscher Bart auf Bartstoppeln sehr schlecht ...« –

Nach einer Viertelstunde waren die beiden Holländer Horrler und Schreetjen fix und fertig ...

Gingen die Veranda hinab, bogen links ein ...

Hier auf der kühleren Nordseite erhob sich Frau Wera Orlington aus dem Rohrsessel ...

Wir verbeugten uns ...

Und sie – ohne Einleitung:

»Meine Herren, ich weiß, daß Sie beide Deutsche sind – Herr Harst und Herr Schraut ...«

Sie benutzte unsere Muttersprache ... Sie hatte die Stimme vorsichtig gedämpft.

»Bitte, behalten Sie Platz, gnädige Frau ...« erwiderte Harald. Wir zogen uns Sessel herbei, und Harst klatschte in die Hände.

Ahmed kam, brachte Eislimonade, Zigaretten und die Schale mit Eisstückchen ... Entfernte sich wieder ... –

Frau Wera war schön ... Gerade diese blonden Russinnen mit den melancholischen Augen sind ein Frauentyp, der jeden besticht ...

Sie lehnte zwanglos und mit vornehmer Ruhe in den tiefen Korbsessel ... Sie musterte uns mit einem halben Lächeln ... Unsere Masken schienen ihr Interesse wachzurufen.

Dann nickte sie ...

»Glänzend, meine Herren ... Ich kenne doch Bilder von Ihnen ... Ich hätte Sie nie erkannt ...«

»Desto merkwürdiger, daß Sie unsere wahren Namen wissen, gnädige Frau ... Woher, gestatte ich mir zu fragen?«

Das halbe Lächeln verschwand ...

»Darüber möchte ich nicht sprechen, Herr Harst ...«

Aha – sie ahnte nicht, daß wir ihre Verbündeten kannten ... Sie hoffte, Harald würde sich mit dieser Antwort zufrieden geben ...

»Weshalb nicht, gnädige Frau?!« sagte er wie erstaunt. »Wenn, wie ich vermuten muß, Sie meine Hilfe in Anspruch nehmen wollen, ist doch gegenseitige Offenheit nötig ... – Mit wem habe ich die Ehre?«

»Sollten Sie mich nicht kennen, Herr Harst?!«

»Darüber ... möchte ich nicht sprechen, gnädige Frau ... Ich weiß, daß Sie verheiratet sind ... Der Ehering zeichnet sich unter Ihrem Handschuh ab ... Sie sind offenbar Russin von Geburt ... Ihr Gesichtsschnitt und Ihr hartes Deutsch verraten es. Sie müssen sehr reich sein, da Sie eine Brillantbrosche tragen, die ein Vermögen wert ist. Sie besitzen eine Jacht, da Ihr schlichter Strohhut mit einem Marineband geschmückt ist ... Sie haben heute früh mit dem Milliardär Orlington im Esplanade-Hotel das Frühstück eingenommen, weil ...«

Da ... lachte sie herzlich ...

»Ja – weil Sie eben wissen, daß ich Wera Orlington bin ...!«

»Darüber – möchte ich nicht sprechen, gnädige Frau ...«

»Oh – Sie machen es sehr schwer, Herr Harst ...!«

»Was denn?! Verlange ich etwa zuviel, wenn ich ...«

»Nein, nein ... – Nun denn: Bekannte von mir haben zufällig festgestellt, daß die hier in diesem Bungalow wohnenden Holländer zwei deutsche Berühmtheiten sind ...«

»So ... so ... Bekannte, die mit einem Blasrohr operieren ...!!«

Sie wurde leicht verlegen ...

»Das ... das ... war ein Irrtum in der Person, Herr Harst ...«

»Und wenn der Pfeil getroffen hätte?!«

Sie senkte den Kopf, seufzte:

»Gut, daß er nicht getroffen hat ... Ich ...«

»Nun – ich?!«