Die schwarze Fledermaus 19: Die Todesmaschine - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 19: Die Todesmaschine E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Aus dem Amerikanischen von Swantje BaumgartErschienen im März 1942 unter dem Originaltitel BlackoutmurdersUnbekannte morden mithilfe einer schrecklichen Maschine, deren Erfinder entführt wird. Dessen Tochter bittet Tony Quinn um Hilfe.Aber wer ist in diesem Verwirrspiel Täter und wer ist Opfer?Die Printausgabe umfasst 212 Buchseiten.

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Seitenzahl: 232

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 19

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

G. W. Jones

Die Todesmaschine

Aus dem Amerikanischenvon Swantje Baumgart

G. Wayman Jones – hinter diesem Pseudonym verbirgt sich meistens der amerikanische Autor Norman A. Daniels, so auch beim vorliegenden Roman.

Daniels wurde am 3. Juni 1905 in Connecticut geboren, brach sein Studium aus finanziellen Gründen ab und begann 1931 eine beispiellos produktive Karriere als Autor. Allein in den folgenden drei Jahrzehnten veröffentlichte er über 2.000 Geschichten: Comics, Bücher, Radio­hörspiele, aber vor allen Kriminal- und Superheldenromane. Für den Chicagoer Verlag Thrilling Publications erschuf er die Figur der Schwarzen Fledermaus und verfasste einen Großteil ihrer 62 Abenteuer, die zwischen 1939 und 1952 in den USA erschienen. Daniels starb am 19. Juli 1995 im Alter von 90 Jahren in Kalifornien.

Das Abenteuer Die Todesmaschine erschien im März 1942 unter dem Titel The Blackout Murders in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2019 BLITZ-VerlagRedaktion: Harald GehlenFachberatung: Dr. Nicolaus MathiesTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Dorothea MathiesSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-019-2

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Flucht in den Tod

Es herrschte wohl eine gewisse Aufregung wegen des Blackouts in New York City, der für zehn Uhr geplant war. Jeder wollte wissen, wie der Times Square, die eleganten Straßen und die Billigläden in der Innenstadt in völliger Dunkelheit aussehen würden.

Ein Feuerwerk hatte man ebenfalls versprochen, denn nachdem Flieger der Army und der Navy den Blackout aus der Luft untersucht hatten, sollten drei große Aufklärungsbomber über die Stadt fliegen und Leuchtgeschosse abwerfen, Millionen von Lichtstärken produzieren und die Umgebung mit Kameras fotografieren, die auf die Explosionen der Leuchtgeschosse abgestimmt waren.

Alle Polizisten waren im Dienst, und sie alle hatten den Auftrag, die Augen nach Verbrechen offenzuhalten, die während der halben Stunde völliger Dunkelheit geschehen mochten. Streifenwagen mit zusätzlichen Scheinwerfern und speziellen blauen Lampen würden durch die Haupt- und Nebenstraßen kreuzen. Während dieser dreißig Minuten würde sich außer ihnen kein Fahrzeug auf den Straßen bewegen.

All das ließ den Krieg näher rücken, und entsprechende Vorkehrungen waren notwendig. Wachleute, die nach Luftangriffen Ausschau hielten, würden auf ihren Posten, Feuerwehren und Krankenhäuser in Alarmbereitschaft sein.

Man hatte Schritte unternommen, um tatsächliche Bedingungen so gut wie möglich zu simulieren, die im Falle eines Luftangriffes herrschen würden. Alles würde da sein ... außer den Bomben.

Zwanzig Minuten vor der Stunde null schlief der Verkehr bereits ein. Vor den Fenstern der Hotels hingen schwarze Vorhänge, Wohnhäuser waren darauf vorbereitet worden, die Schalter umzulegen, sodass jedes Zimmer im Dunkeln lag.

In einem der ärmeren Bereiche der Stadt standen drei große Mietshäuser, die nun verlassen waren und auf die Abbruchteams warteten. Sie standen dicht beisammen, getrennt durch schmale, düstere Gassen. Keiner von denen, die sich auf der Straße aufhielten, bemerkte das Fenster im ersten Obergeschoss des mittleren Gebäudes, das langsam geöffnet wurde. Ein Mann mit vom Schrecken gezeichneten Gesichtszügen streckte seinen Kopf hinaus und schaute sich um. Als er sich der Entfernung zu der betonierten Straße bewusst wurde, schwand die Farbe aus seinem Gesicht, doch er zögerte nur kurz.

Er schwang ein Bein über die Fensterbank und blieb kurz rittlings darauf sitzen, während er die Straße unter sich in beiden Richtungen betrachtete. Als er sicher war, dass ihn niemand beobachtete, klammerte sich der Mann mit den Fingern an der Fensterbank fest, um sich dann nach unten fallen zu lassen. Offensichtlich hatte er die Kraft in seinen Fingern überschätzt. Als sein gesamtes Körpergewicht daran hing, glitten seine Finger von der Fensterbank, und er ließ los. Wie ein Bleigewicht fiel er zu Boden und blieb für einige Sekunden liegen.

Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung, die er wohl nur aus einem zwingenden Grund überhaupt aufbringen konnte, gelang es ihm, aufzustehen. Er ging ein paar Schritte und brach erneut zusammen.

Noch einmal kam er auf die Füße und lehnte sich erschöpft gegen die Backsteinmauer. Dann bewegte er sich humpelnd weiter. Alle paar Schritte wandte er sich um, so als erwarte er düstere Schatten, die ihn aus der Dunkelheit anspringen mochten. Der Mann war ganz offensichtlich verängstigt und anscheinend ebenso entschlossen.

Als er die Mündung der Gasse erreichte, sah er ein Taxi langsam die Straße hinunterrollen. Er winkte heftig, und das Taxi fuhr an den Straßenrand. Der Mann humpelte darauf zu und zuckte bei jedem Schritt zusammen. Er öffnete die Tür und fiel geradezu in den Fahrgastraum.

Zum Flughafen ... und fahren Sie, so schnell Sie können!“, sagte er keuchend zu dem Fahrer. „Zu dem Flughafen, von dem aus diese Kameraflugzeuge gleich starten werden. Beeilen Sie sich!“

Der Fahrer zog eine Grimasse.

„Das kann ich nicht, Kumpel. In zwanzig Minuten gibt es einen Blackout, und nichts und niemand kommt von der Stelle, verstehst du? Ich werde annähernd so lange brauchen, bis ich am Flugfeld bin. Warte mal ... es wird ruhiger. Vielleicht kann ich es schaffen.“

„Fünfzig Dollar, wenn Sie’s schaffen ... Aber beeilen Sie sich. Es geht um Leben und Tod. Wenn ich nicht rechtzeitig am Flughafen bin, werden zwölf Männer sterben. Das Telefon kann ich nicht benutzen, denn sie würden mir niemals glauben. Könnten Sie jetzt bitte losfahren?“

Der Fahrer schien sich dem Ernst der Lage bewusst zu werden. Er legte den Gang ein und raste davon. Die nächste Kurve nahm er auf zwei Rädern. Wie er vermutet hatte, war der Verkehr praktisch zum Erliegen gekommen. Er fuhr über einige rote Ampeln, nahm mehrere Schleichwege und überquerte kurz darauf die Queensboro Bridge. Der Flughafen war nun nicht mehr weit, doch die Minuten vergingen wie im Flug.

Der Fahrer wandte sich in seinem Sitz um und sprach, ohne die Augen von der Straße zu nehmen.

„Du denkst doch nicht etwa daran, den Flughafen zu betreten, Kumpel? Die haben Marinesoldaten überall rundherum postiert. Wenn du das versuchst, dann pumpen sie dich vielleicht mit Blei voll.“

„Das Risiko gehe ich ein, nur beeilen Sie sich! Beeilen Sie sich!“

Der Fahrer zuckte mit den Schultern und gab Vollgas. Wenig später sahen sie die Lichter des Flughafens. Lichter, die in zwei Minuten ausgeschaltet werden sollten. Der verletzte Mann massierte noch immer seinen geschwollenen Knöchel. Damit hatte er eine Beschäftigung, irgendetwas, um seine Gedanken von der düsteren Tragödie abzulenken, welche kurz bevorstand.

Das Taxi fuhr dicht an das Tor heran. Zwei Marinesoldaten mit Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten waren im Dienst. Der Taxifahrer stieg aus und öffnete die Wagentür.

„Ich sag’s dir“, warnte er seinen Fahrgast mittleren Alters. „Es ist unmöglich, an diesen Jungs am Tor vorbeizukommen. Für die nächste Stunde oder länger darf niemand aufs Feld.“

„Helfen Sie mir“, stöhnte der Fahrgast, als er seinen verletzten Knöchel belastete. „Die können mich nicht aufhalten, sag ich Ihnen! Gar nichts darf mich aufhalten!“

Der Taxifahrer half ihm zum Tor, wo die beiden Marine­soldaten sie sofort anriefen. Bevor es zu irgendwelchen Erklärungen kam, war die Stunde null angebrochen. Alle Lichter verloschen, und das Gebrüll großer Bomber durchbrach die vorherige Stille.

„Lasst mich durch“, flehte der verletzte Mann. „Ich muss die Flugzeuge erreichen.“

Die wachhabenden Marinesoldaten waren durch die plötzliche Dunkelheit kurzfristig blind und durch die Motoren der großen Flugzeuge teilweise ertaubt und stießen gegeneinander. Der Taxifahrer rannte zurück zu seinem Wagen. Der verletzte Mann duckte sich tief und rannte an den Wachen vorbei. Dann begann er, humpelnd über das Feld zu laufen. Er winkte mit beiden Händen und schrie, so laut er konnte.

Jemand musste ihn gehört haben, denn ein Suchscheinwerfer glitt über das Feld, fing ihn ein und richtete sich auf ihn. Er sah wüst aus, das Haar ­durcheinander, ohne Hut, seine Kleidung schmutzig und zerrissen. Den Ausdruck auf seinem Gesicht hätte man leicht für wahnsinnigen Hass halten können, anstatt der Panik, die darin lag.

Mehrere Männer rannten auf ihn zu. Dann geschah es. Dank des Suchscheinwerfers hatten diejenigen, die Zeugen des Vorfalls wurden, keine andere Wahl, als das Gesehene zu glauben. Das Letzte, was sie sahen, war der Mann mit hoch erhobenen Armen, der irgendetwas Unverständliches schrie. Dann war dort, wo er eben noch gestanden hatte, nur noch ein hoher Turm aus wütenden Flammen. Trümmer flogen gen Himmel. Ein Krater erschien auf geheimnisvolle Weise, als hätte ihn jemand von unten heraus gegraben.

Nach dem Knall setzte die Druckwelle ein, als die Luft jenes Vakuum füllte, das die Explosion hinterlassen hatte. Bäume schwankten heftig. Zwei Leichtflugzeuge, die nicht weit entfernt standen, wurden von der Kraft des Luftstroms halb um sich selbst gedreht. Der Lärm breitete sich brüllend aus und ließ beinahe die Trommelfelle der Zuschauer platzen.

Diejenigen, die schließlich den Ort des Geschehens erreichten, wurden nun in das helle Licht von einem halben Dutzend großer Suchscheinwerfer getaucht. Sie fanden nur wenig, was darauf schließen ließ, dass hier nur einen Augenblick zuvor noch ein menschliches Wesen gestanden hatte. Da waren ein Schuh, der auf wundersame Weise unbeschädigt war, ein paar Kleidungsfetzen und Knöpfe.

Colonel Whately, der das Kommando über die Kamera­flüge hatte, schrie einige Befehle. Flutlichter wurden eingeschaltet. Die beiden Wachposten kamen herbeigerannt, außer Atem und kaum in der Lage, etwas zu sagen.

„Er ist an uns vorbeigerannt“, keuchte einer von ihnen. „Der war völlig irre, Sir. Sagte immer wieder, er müsse die Aufklärungsflugzeuge erreichen.“

„Geht zurück auf eure Posten“, befahl Whately. „Und schließt die Tore. Wir machen weiter wie geplant. Niemand kommt rein, keine Reporter und auch sonst niemand. Seht euch ab jetzt vor. Das wäre alles.“

Whately wandte sich zu einigen Mitarbeitern des Flugplatzes um, die herumstanden und mit offenen Mündern das Loch im Boden anstarrten.

„Es ist ganz offensichtlich“, erklärte Whately, „dass dieser Mann, wer immer er auch war, mit der Absicht der Sabotage herkam. Er trug eine Bombe bei sich, die er an den Kameraflugzeugen anzubringen hoffte. Er muss den Zeitzünder falsch eingeschätzt haben, und die Bombe ging hoch, bevor er sie wie geplant anwenden konnte.“

„Gott sei Dank“, seufzte einer der Männer. „Er hätte eine Menge Menschen umbringen können. Ich ... äh ... gehe nicht davon aus, dass er jemals identifiziert werden wird.“

„Wohl kaum!“, sagte Whately. „Geht jetzt bitte zurück auf eure Posten. Ich werde die Flugzeuge überprüfen lassen, bevor sie starten. Ich hätte niemals erwartet, dass dieser Plan in irgendeiner Weise sabotiert werden könnte. Das scheint vollkommen sinnlos zu sein, aber die ­Gedankengänge der Saboteure sind manchmal ziemlich seltsam.“

*

Whately gab die notwendigen Anweisungen, und ein Dutzend Männer machten sich auf den Weg, um die drei großen Bomber auf Herz und Nieren zu prüfen. Jeder Winkel und jede Ecke der Flugzeuge wurde untersucht, bis selbst Whately sich absolut zufrieden zeigte und überzeugt war, dass keine unheilvollen Geräte darin versteckt sein konnten.

Drei Männer traten aus einem Hangar hervor. Jeder von ihnen trug ein sperriges, kastenartiges Gerät. Es waren die wertvollen Kameras, die New York City aufnehmen sollten, während die Stadt in völliger Dunkelheit lag. Experten richteten die Kameras in den Flugzeugen ein. Die Blitze wurden überprüft, und die Mannschaften begaben sich auf ihre jeweiligen Positionen.

Funkmeldungen von den Bombern, die nun über die Stadt flogen, berichteten, dass der Blackout-Test zur vollsten Zufriedenheit verlief. Dann kam die Nachricht, dass die Kameraflugzeuge nun abheben konnten. In jedem saßen vier Männer: zwei Piloten, der Fotograf und ein Funker. Sie begaben sich auf die Position für den Start und rollten dann nacheinander mit lautem Getöse das Flugfeld hinunter. Sie hoben vom Boden ab und flogen zu den Sternen hinauf.

Colonel Whately stand in der Dunkelheit und schaute zu, wie sie aus dem Blickfeld verschwanden. Er biss sich auf die Unterlippe.

„Meine Gebete sind bei ihnen“, sagte er leise. „Ich halte nicht viel von Vorahnungen, aber in meinem Herzen spüre ich so etwas wie eine Warnung. Ich kann es nicht verdrängen, so sehr ich es auch versuche.“

„Unsinn“, lachte ein anderer Mitarbeiter. „Was kann ihnen schon passieren? Die Vernichtung eines Saboteurs durch seine eigene Bombe, das ist schon ziemlich unheimlich. Gott sei Dank hat sie ihn vernichtet und nicht das, wofür diese Bombe bestimmt war.“

Doch Colonel Whatelys Vorahnung war richtig. Die drei Aufklärungsbomber, die nun in Richtung Innenstadt flogen, waren dem Untergang geweiht. Die Männer, die sie flogen, hatten nicht mehr Chancen als ein verurteilter Mörder, der bereits auf dem Elektrischen Stuhl festgeschnallt war. New York würde tatsächlich ein paar Feuerwerke zu sehen bekommen. Doch es würden sehr viel heftigere Feuerwerke werden, als die Einwohner erwarteten.

Kapitel 2 – Vergessenheit

Im Westteil der Stadt, zwischen den herrschaftlichen Anwesen, die in einem der exklusivsten Viertel in einer Reihe standen, befand sich ein großes Gebäude. Wie seine Nachbarn stand auch dieses Haus zurückgesetzt von der Straße. Bäume und sorgfältig geschnittene Büsche verbargen es vollständig vor seinem nördlichen Nachbarn. Auf der Südseite des Hauses war eine Kreuzung.

Ein schmuckes Eisentor gewährte Einlass. Daneben wies ein Namensschild aus Messing dieses Gebäude als das Wohnhaus von Anthony Quinn aus.

In diesem Augenblick brannte kein Licht, so wie es die Behörden, die für den Blackout verantwortlich waren, verlangt hatten. Tony Quinn und sein Mann für alle Fälle, Silk Kirby, hielten sich im Garten hinter dem Haus auf.

Tony Quinn war hochgewachsen, hatte ein markantes Gesicht, und einst mochte er ein gut aussehender Mann gewesen sein. Doch nun hatten sich tiefe, hässliche Narben in das Fleisch rund um seine Augen gegraben. Auch die Augen waren leer und leblos. Er benutzte einen Stock, um sich seinen Weg zu ertasten, obwohl Silk Kirby an seiner Seite war, um ihn zu führen.

Silk sah ungefähr so aus, wie es sein Spitzname andeutete. Er war kahlköpfig, um die vierzig und schlank. Doch er strahlte eine gewisse Eleganz aus, die darauf abzielte, bei den Leuten absolutes Vertrauen zu wecken, selbst bei Fremden. Silk hatte hart an dieser Eleganz gearbeitet, und sie war ihm sehr nützlich gewesen, als er noch einer der cleversten Hochstapler des Landes gewesen war.

„Ich denke, Sir“, sagte Silk und schaute sich um, „wir sind ziemlich sicher. Die Bäume und Büsche, zusammen mit dem Blackout, sorgen dafür, dass niemand Sie sehen kann.“

Quinn nickte. Plötzlich kam Leben in seine toten Augen. Es war eine wundersame Veränderung, und soweit es Tony Quinn betraf, war es tatsächlich ein Wunder.

„Wir bekommen einen Vorgeschmack darauf, wie der Krieg sich anfühlen wird, wenn wir eintreten“, sagte er mit angenehmer Stimme. „Hör mal ... die Flugzeuge kommen. Ich sehe außerdem ungefähr ein Dutzend Bomber, die einen Angriff simulieren. Jetzt kommen die Kampfflugzeuge dazu. Die machen keine halben Sachen, Silk.“

Silk versuchte, mit seinen Augen die Dunkelheit zu durchdringen. Dann schüttelte er langsam den Kopf.

„Sie können also sogar die Flugzeuge da oben sehen. Ich muss schon sagen, Sir, dass Sie für Ihre Monate der Blindheit entschädigt wurden. Mit Zinsen.“

Quinn lächelte.

„Ja, Silk. Die Dunkelheit hat keine Bedeutung für mich. Ich kann sogar Farben in einem völlig finsteren Raum sehen ... Die Bomber sind jetzt theoretisch abgedrängt. Die Kameraflugzeuge kommen. Sie werden Leuchtgeschosse abwerfen und Bilder von der Stadt machen. Wenn eines in unserer Nähe landet, innerhalb einer viertel Meile, dann halte die Augen geschlossen. Die Dinger sind extrem hell. Die Flugzeuge gewinnen an Höhe. Sie werden die Leuchtgeschosse jetzt jeden Moment abwerfen.“

Plötzlich wurde die Dunkelheit durch das intensive, blendende Licht von einem Dutzend großer Leucht­geschosse erhellt. Im selben Augenblick erschienen drei deutlich sichtbare purpurrote Blitze hoch am Himmel. Quinn stieß einen scharfen Schreckensschrei aus.

„Silk! Die Flugzeuge! Sie sind mitten in der Luft explodiert! Gerade habe ich sie noch gesehen ... und gleich darauf war da nur noch der Blitz von drei Bomben. Sie sind alle gleichzeitig explodiert. Silk! Das war Mord! Sabotage!“

„Aber wie?“, keuchte Silk.

„Wenn eines der Flugzeuge in Stücke gerissen worden wäre, dann hätte das ein Unglück sein können. Aber wenn drei davon binnen Sekundenbruchteilen explodieren, dann ist das kein Unfall, Silk. Lass uns ins Haus gehen und hören, ob im Radio irgendetwas darüber berichtet wird, was passiert ist.“

Leichtfüßig liefen sie zur Hintertür. Plötzlich ging die Straßenbeleuchtung an, und die Fenster der Häuser wurden wieder beleuchtet. Tony Quinn wurde abrupt langsamer, seine Augen waren erneut leer und blind. Während er weiterging, tastete er mit seinem Stock. Silk führte ihn gleichzeitig. Sie stiegen die Stufen zur Hintertür hinauf und traten ein. Selbst hier, in der Zurückgezogenheit seines Hauses, spielte Quinn weiterhin seine Rolle des blinden Mannes.

Er ging in sein Arbeitszimmer, setzte sich in einen tiefen, abgenutzten und bequemen Ledersessel vor dem Kamin und griff nach Pfeife und Tabak. Dabei tastete er suchend über die Oberfläche des kleinen Tisches, der neben dem Sessel stand. Silk schaltete das Radio ein. Er drehte an dem Rädchen für die Sendersuche, doch offensichtlich hatten die Nachrichtenredaktionen die Geschichte über die Zerstörung am Himmel noch nicht veröffentlicht.

Während sie warteten, zog Quinn ungeduldig an seiner Pfeife. Auf seinen Augen lag ein Film, und er starrte an die nackte Wand. Dieselben Augen waren jedoch in der Lage gewesen, die absolute Finsternis zu durchdringen, eine Meile gen Himmel, und hatten die Manöver der Flugzeuge beobachtet.

*

Tony Quinn war einst ein kämpferischer, junger Bezirksstaatsanwalt gewesen, der sich leidenschaftlich dafür eingesetzt hatte, das Verbrechen auszumerzen. Dann, eines Tages, hatten Gauner während einer öffentlichen Verhandlung versucht, Beweise zu vernichten, indem sie Säure darüber geschüttet hatten. Während des Gerangels war Tony Quinn der Inhalt einer Säureflasche direkt in die Augen geschüttet worden. Er war sofort erblindet.

Er war wohlhabend genug, um die besten Augenärzte der Welt zu verpflichten. Und so war er weit herumgereist, immer auf der Suche nach dem einen Mann, der sagen würde, dass es eine Chance gäbe. Doch keiner sagte es. Für die ganze Welt war Tony Quinn lebenslang erblindet.

Kurz vor der Katastrophe war Silk Kirby auf der Bildfläche erschienen. Er hatte sich in Quinns Haus geschlichen, um es auszurauben. Doch durch einen glücklichen Zufall hatte er Quinns Leben vor mordenden Gangstern gerettet. Danach war Silk bei ihm geblieben. Als Quinn erblindete, hatte er sich als unentbehrliche Hilfe entpuppt.

Eines Nachts, Monate nachdem er erblindet war, war ein Mädchen in Quinns Haus erschienen. Es war Carol Baldwin. Ihr Vater lag sterbend in einer Stadt im ­Mittleren Westen, das Opfer der Kugel eines Gangsters. Carol machte ein ungewöhnliches Angebot, angeregt durch ihren Vater. Als Polizist hatte er das Verbrechen mit allen Mitteln bekämpft, bis es ihn schließlich erwischt hatte. Er hatte Tony Quinn gekannt. Er hatte dessen spektakuläre Karriere verfolgt und hatte in ihm ein Potenzial erkannt, das sich in dem immerwährenden Kampf gegen Verbrecher als nützlich erweisen könnte.

Tony Quinn, der nach jedem Strohhalm griff, war bereitwillig mit Carol in diese kleine Stadt gereist. Dort hatte ein unbekannter Chirurg ein Wunder vollbracht. Er transplantierte Teile der Augen von Carols Vater in den Kopf von Tony Quinn. Carols Vater war kurz darauf gestorben. Darauf folgten Wochen voller unbeschreib­licher Anspannung, in denen Tony Quinn sich fragte, ob er würde sehen können, wenn die Verbände abgenommen werden würden.

Er konnte sehen, und zwar mit einer Sehkraft, die stärker war als die jedes anderen Menschen. Die Natur hatte ihn für die trostlosen Tage der Dunkelheit entschädigt. Er konnte in der Nacht sehen. Seine Augen durchdrangen die völlige Dunkelheit mit derselben Leichtigkeit, mit der ein durchschnittlicher Mensch am Tage sehen kann. Und das war noch nicht alles. Während seiner Blindheit hatte ihn die Natur außerdem entschädigt, indem sie seinen Tastsinn gestärkt hatte, ebenso wie sein Gehör und seinen Geruchssinn. Diese verbesserten Fähigkeiten hatte er behalten.

Er sah auch Carol Baldwin, in all ihrer blonden Schönheit. Sie schmiedeten Pläne. Und so wurde die Schwarze Fledermaus geschaffen. Bekleidet mit einer Maske, die sein Gesicht bedeckte und die verräterischen Narben verbarg, und einem Umhang, der wie die Flügel einer Fledermaus gerippt war, forderte Tony Quinn die Unterwelt heraus. Bald war sein Name das am meisten gefürchtete Wort, das man in den Höhlen, wo die Verbrechen geplant wurden, aussprechen konnte.

*

Er arbeitete mit völlig unorthodoxen Methoden, ohne Gesetze und Regeln zu beachten. Die Polizei suchte nach ihm, denn wenn es nötig war, brachten die beiden Automatiks der Schwarzen Fledermaus den Tod. Er markierte seine Opfer stets mit kleinen Aufklebern in der Form einer Fledermaus, damit niemand sonst für die Toten verantwortlich gemacht wurde.

Nach und nach erreichte der Ruf der Schwarzen Fledermaus auch die hintersten Ecken der Welt. Die Männer, die Schuld auf sich geladen hatten, duckten sich, wenn er auf der Bildfläche erschien. Auf seinen Kopf war ein Preis ausgesetzt, und Tausende Ganoven hätten nur zu gern versucht, diesen einzutreiben. Doch die Schwarze Fledermaus schoss schneller und verschwand so vollständig von der Bildfläche wie kein anderer lebender Mensch.

Jack O’Leary, besser bekannt als Butch, war das vierte Mitglied der kleinen Organisation, die mit der Schwarzen Fledermaus zusammenarbeitete. Butch war ein riesiger Mann, der im Denken etwas langsam war. Und er hatte seinen Wert oft unter Beweis gestellt. Er besaß Hände so groß wie ein Schinken, einen Stiernacken und einen sanften Charakter. Bis er wütend wurde. Dann wurde er zu einem menschlichen Wirbelsturm aus Bewegung und Kraft.

Einige mochten den Verdacht hegen, dass Tony Quinn die Schwarze Fledermaus war. Doch es gab nur wenige, die wirklich der Überzeugung waren, dass ein Mann, der von berühmten Ärzten als unheilbar blind bezeichnet wurde, die Schwarze Fledermaus sei. Die größte Ausnahme war Captain McGrath vom Polizeikommissariat. Er hatte geschworen, die Schwarze Fledermaus zu verhaften. Und er hegte den starken Verdacht, dass Tony Quinn und die Schwarze Fledermaus eine Person waren.

All seine Bemühungen, das zu beweisen, waren vergebens gewesen. Doch Captain McGrath hatte keine Ahnung, wie nahe er der Wahrheit schon mehrfach gekommen war. McGrath war aufrichtig, tüchtig und kompetent. Tony Quinn mochte ihn trotz der Art und Weise, wie er sich in die Fälle stürzte und versuchte, die Schwarze Fledermaus in die Enge zu treiben. Das war McGraths Job.

Police Commissioner Warner, ein langjähriger Freund von Tony Quinn, mochte ebenfalls eine Ahnung hegen. Doch selbst wenn Warner es hätte beweisen können, so hätte er es niemals getan. Die Schwarze Fledermaus stand auf der Seite von Gesetz und Ordnung. Er hatte einige der härtesten Fälle gelöst, von denen Warner je gehört hatte. Doch aufgrund seiner Methoden drohte der Schwarzen Fledermaus die sofortige Verhaftung, sollte er geschnappt werden. Für Tony Quinn war das nicht mehr als das zusätzliche Salz in der Suppe.

Er hatte kürzlich seine Arbeit als privater Rechtsanwalt wieder aufgenommen. Es half ihm, die Langeweile zwischen den Fällen zu vertreiben. Außerdem bot es ihm einen ganz offiziellen Weg, gewisse Umstände zu untersuchen, die mit den verschiedenen Fällen in Zusammenhang standen. In der Innenstadt führte er eine Kanzlei und blieb so ständig in Übung.

*

Nun wartete Tony Quinn ungeduldig auf die erste Eilmeldung. Sie kam, doch sie war kurz, denn Fakten waren keine bekannt. Jeder, der an Bord dieser drei Flugzeuge gewesen war, war in Stücke gerissen worden. Sogar von den Flugzeugen waren nur noch Holzsplitter und Metallstücke übrig. Sabotage wurde vermutet, und auch die vollständige Geschichte von dem Mann, der von seiner eigenen Bombe zerfetzt worden war, wurde der Öffentlichkeit bekannt gemacht.

Silk schaltete das Radio aus. Quinn lehnte sich stirnrunzelnd zurück.

„Schreckliche Ereignisse, aber auch interessant, wenn man es von unserer Warte aus betrachtet, stimmt’s, Silk? Es sieht aus wie die Arbeit von Saboteuren, aber kann das wirklich sein? Warum haben sie diese drei Flugzeuge zerstört, wenn sie mit den größeren und neueren Bombern, die einen Angriff auf die Stadt simuliert haben, viel mehr Schaden hätten anrichten können? Das ergibt keinen Sinn. Und dann der Mann, der am Flughafen in Stücke gerissen wurde ... Das ist auch nicht logisch. Saboteure kennen sich in ihrem Geschäft aus. Bei solchen Dingen würden sie kaum versagen. Und wo wir schon bei den Theorien sind. Warum sollten Vorkehrungen getroffen werden, um die Flugzeuge zu sprengen, wenn sie in der Luft sind, wenn sie gemäß anderslautenden Plänen vernichtet werden sollen, wenn sie am Boden sind?“

„Ja, Sir“, sagte Silk hoffnungsvoll. „Denken Sie, das ist etwas, was sich die ... äh ... Schwarze Fledermaus mal ansehen sollte, Sir? Wir haben schon seit Wochen nichts zu tun. Es tut einem Mann nicht gut, wenn er nur untätig herumsitzt, Sir.“

Quinn lächelte verhalten.

„Was immer es auch ist, Silk. Wir wissen, dass jemand einen groß angelegten Mord begangen hat. Und all das interessiert die Schwarze Fledermaus. Mir fällt gerade ein, dass ein Mann namens Joel King ­kürzlich ganz nebenbei in den Nachrichten erwähnt wurde. Er ist Erfinder. Und er hat behauptet, dass er viel an irgendeinem Gerät gearbeitet hat, mit dem er hofft, in der Lage zu sein, Munitionsdepots, Benzinleitungen und sogar an Militärflugzeugen angebrachte Bomben zu sprengen.“

Silk lachte.

„Der gute alte Todesstrahl?“

„Nein.“ Quinn wurde ernst. „Joel King ist oder war kein Narr. Er hat angesehene Schulen besucht und Abschlüsse gemacht. Und er hat in der Vergangenheit hervorragende Arbeit geleistet. Vor zwei Wochen verschwand er auf geheimnisvolle Weise von der Bildfläche. Die übliche Vermutung, dass er überarbeitet ist und an Amnesie leidet, hat sich durchgesetzt. Vielleicht stimmt das.“

Silks Lächeln verschwand.

„Was, wenn er irgendetwas fertiggestellt hat und es jetzt ausprobiert? Manche von diesen Erfindern sind sowieso ein bisschen verrückt.“

„Joel King nicht“, widersprach Quinn. „Ich hatte mich für sein Verschwinden interessiert, weil es Ähnlichkeit mit einem anderen Fall hatte, an dem wir gearbeitet haben. Einer, bei dem ein meisterlicher Verbrecher Erfinder entführt und gezwungen hat, ihr Wissen preiszugeben, um dann ihre Ideen zu stehlen. Ich bezweifle, dass irgendjemand anders diesen Trick versucht. Aber angenommen, irgendwelche Leute, die diesem Land und der Demokratie im Allgemeinen feindlich gesonnen sind, haben ihn geschnappt, sein Gerät an sich genommen und setzen es hier ein? Solch ein Instrument in den falschen Händen würde eine Verwüstung anrichten, wie wir sie noch nie gekannt haben. Ich ...“

Plötzlich schrak Silk auf.

„Das neue Gerät, das wir installiert haben, um anzuzeigen, ob jemand im Labor ist, hat gerade angeschlagen. Das muss entweder Carol oder Butch sein.“

„Zieh die Vorhänge zu“, befahl Quinn. „Ich gehe rein. Du bleibst hier und passt auf.“

Silk zog die Vorhänge zu. Quinn stand auf, ertastete sich seinen Weg durch das Zimmer und ließ dann die Maske des blinden Mannes fallen. Er klemmte sich den Stock unter einen Arm und bediente verborgene Schalter an der Wand. Dann glitt ein Bücherregal teilweise zur Seite und legte den Eingang zu einem perfekt verborgenen Labor frei, das zugleich die Werkstatt der Schwarzen Fledermaus war.

Ganz oben in einem Bücherregal saß eine ausgestopfte Eule. Silk hatte bemerkt, dass eines ihrer Augen in hellem Grün leuchtete. Das war das Signal, dass sich jemand im Labor aufhielt.

Abgesehen von Tony Quinn und Silk wussten nur zwei Personen, wie man das Labor erreichte. Carol oder Butch mussten sich durch das Gartentor auf Quinns Grundstück schleichen, einen dunklen Bereich mit Bäumen und Pflanzen durchqueren und dann das Gartenhaus weit hinter Quinns Wohnhaus betreten. Eine Falltür gab den Zugang zu einem Tunnel frei, der wiederum direkt zum Labor führte.