Die schwarze Fledermaus 20: Schatten des Bösen - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 20: Schatten des Bösen E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Aus dem Amerikanischen von Swantje BaumgartErschienen im Mai 1942 unter dem Originaltitel Shadow of EvilEin geheimnisvoller Mann, der sich nur als Schatten zeigt, rekrutiert ehemalige Verbrecher, jeder ein absoluter Experte auf seinem Gebiet, um die größte Organisation aufzubauen, die die New Yorker Unterwelt je gekannt hat.Die Polizei ist machtlos. Und dann geraten auch noch Butch und Tony Quinn in die Gewalt des Schattenmannes.Die Printausgabe umfasst 208 Buchseiten.

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Seitenzahl: 226

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 20

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

G. W. Jones

Schatten des Bösen

Aus dem Amerikanischenvon Swantje Baumgart

G. Wayman Jones – hinter diesem Pseudonym verbirgt sich meistens der amerikanische Autor Norman A. Daniels, so auch beim vorliegenden Roman.

Daniels wurde am 3. Juni 1905 in Connecticut geboren, brach sein Studium aus finanziellen Gründen ab und begann 1931 eine beispiellos produktive Karriere als Autor. Allein in den folgenden drei Jahrzehnten veröffentlichte er über 2.000 Geschichten: Comics, Bücher, Radio­hörspiele, aber vor allen Kriminal- und Superheldenromane. Für den Chicagoer Verlag Thrilling Publications erschuf er die Figur der Schwarzen Fledermaus und verfasste einen Großteil ihrer 62 Abenteuer, die zwischen 1939 und 1952 in den USA erschienen. Daniels starb am 19. Juli 1995 im Alter von 90 Jahren in Kalifornien.

Das Abenteuer Schatten des Bösen erschien im Mai 1942 unter dem Titel Shadow of Evil in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2019 BLITZ-VerlagRedaktion: Harald GehlenFachberatung: Dr. Nicolaus MathiesTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Dorothea MathiesSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-020-8Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Das perfekte Verbrechen

Die Hände der Männer, die durch den Flur im ersten Obergeschoss des großen Bürogebäudes schritten, hielten die Hände fest auf ihre Waffen gepresst, die sie in Holstern an ihren Hüften trugen. Obwohl kein Mensch in dem langen Flur unterwegs war, waren sie auf der Hut. Die Wachen von gepanzerten Wagen müssen stets auf der Hut sein.

Die gesamte Etage gehörte der Alvin Protection Company, Spezialisten auf dem Gebiet der Bewachung von Lohngeldern. Ihre Lieferwagen holten das Bargeld bei den Banken ab und brachten es zu diesen Büros, wo die Umschläge von Mitarbeitern vorbereitet wurden. Wegen ihrer Effizienz und Zweckmäßigkeit wurden diese Dienste von kleinen und großen Firmen in Anspruch genommen. Banken, die von der Arbeit geradezu erdrückt wurden, die durch die gewaltigen Verteidigungsausgaben entstand, verlangten immer öfter von den Firmen, dass diese in bar auszahlten. So wurde die gewaltige Flut von Schecks von den Banken ferngehalten, die sie bei der Verrichtung ihrer anderen Pflichten behinderte.

Jede der vielen Türen, die zu den Büros führten, war eine Spezialanfertigung aus dickem Hartholz und mit einer Stahlplatte verstärkt. Darin befanden sich Öffnungen mit Gitterrost, durch die ein Wachposten schauen konnte.

Es war mitten am Nachmittag. Eine Lohnzahlung von knapp einer viertel Million Dollar wurde erwartet. Sie musste vorbereitet und dann zu der Firma gebracht werden, für die sie bestimmt war, um dort um fünf Uhr an die Arbeiter verteilt zu werden. Die Mitarbeiter der Alvin Protection Company waren bereit und warteten bereits.

Draußen fuhr der gepanzerte Wagen vor. Säcke voll Geld wurden durch die Eingangshalle getragen, dann in einen speziellen Aufzug geladen und zu den Büros gebracht. Alles lief mit der Geschmeidigkeit eines Uhrwerks ab.

Zwanzig Minuten später fuhr ein weiterer gepanzerter Wagen vor. Vier Männer stiegen aus. Sie brachten kein Geld mit. Stattdessen sollten sie die Lohngelder zu der Fabrik bringen, sobald diese vorbereitet waren. Das Quartett betrat den Aufzug, stieg im ersten Obergeschoss aus und ging lebhaft schwatzend den Flur hinunter.

Zu diesem Zeitpunkt waren nur zwei Wachen draußen postiert. Einer von ihnen warf den vier Männern einen scharfen Blick zu, ging los und blieb dann stehen. Die Hand, die sich zu seiner Waffe bewegt hatte, fror dort ein. Er schaute in die nüchternen Läufe zwei weiterer Waffen.

*

Dann arbeitete das Quartett ganz schnell. Beide Wachen auf dem Flur wurden niedergeschlagen und in einer Vorratskammer verstaut. Die vier Männer klopften hastig ihre Kleidung ab und gingen dann mit forschen Schritten zum Haupteingang der Sicherheitsfirma.

In der Zwischenzeit waren acht weitere Männer auf dem Flur erschienen, einige allein, andere zu zweit. Sie waren aus der Eingangshalle hinaufgegangen. Sie alle waren jung, gut gekleidet, und sie bewegten sich wie gut ausgebildete Soldaten auf ihr Ziel zu.

Einer der Männer, die die Uniform eines Wachmanns trugen, schlug mit der Faust gegen die Haupttür. Der Schlitz wurde geöffnet, und die Männer im Innern konnten nur den einen Wachposten sehen, der dort stand. Die anderen Männer, die außerhalb standen, hatten sich allesamt gegen die Wand gepresst. In diesen Tagen gingen jede Menge Wachen von gepanzerten Wagen in den Büros ein und aus. Viele davon waren neu, sodass der Wachposten an der Tür nur einen kurzen Blick auf die Uniform warf und den schweren Riegel zurückschob.

Sofort lehnte der äußere Wachposten seine Schulter gegen die Tür und drückte. Der Wachmann im Innern wurde zurückgeworfen und die Tür wurde weit aufgestoßen. Die Gangster strömten hinein, und mehr als ein Dutzend Mitarbeiter war wie gelähmt. Als sie endlich nach ihren Waffen griffen, waren die Diebe vorbereitet. Zwei Gegenstände, die wie Blechdosen aussahen, wurden in der Mitte des Raumes auf den Boden geworfen. Sie explodierten mit einem dumpfen Knall, und beinahe gleichzeitig wurden die Räume von dichtem, grauem Rauch erfüllt.

Ein Gangster in der Uniform eines Wachmannes trug eine kleine Ledertasche bei sich, die er nun auf einen Schreibtisch legte und öffnete. Dann setzte er den Mechanismus eines tragbaren Phonographen in Gang. Eine schneidende und ohrenbetäubende Stimme begann, Befehle zu bellen.

„Keine Bewegung! Wir möchten niemanden töten, aber wir werden es tun, wenn nötig. Wir haben nicht den Wunsch, einen Mord zu begehen. Aber wenn ihr gegen uns arbeitet, werdet ihr alle sterben. Bleibt, wo ihr seid. Es ist nicht euer Geld, das wir stehlen. Warum solltet ihr sterben, indem ihr das schützt, was nicht euch gehört? Keine Bewegung! Bleibt einfach, wo ihr seid.“

So ging es mit nervenzerreißender Geschwindigkeit weiter. Währenddessen arbeiteten die zwölf Gangster wie am Fließband, so als wäre jeder Schritt im Voraus geplant worden. Und das war zweifellos auch der Fall. Natürlich gab es keinerlei Störungen, bis ein älterer Buchhalter von seinem Stuhl aufsprang und sich auf einen der Gangster stürzte. Unter dem Schlag eines Pistolengriffes brach der alte Mann zusammen und bewegte sich nicht mehr.

Die anderen Angestellten bemerkten das nicht, denn der künstliche Nebel war mittlerweile so dicht, dass man nichts mehr sehen konnte. Die Diebe nahmen Geldsäcke an sich und warfen Geld hinein. Das Kleingeld beachteten sie gar nicht. Die Rauchwolke schienen sie ohne Schwierigkeiten durchdringen zu können.

Ein Alarmsystem war in dem Augenblick ausgelöst worden, in dem die Eindringlinge hineingestürmt waren. Doch auch das schien sie kaum zu kümmern. Vermutlich gedachten sie, bereits weit fort zu sein, wenn die Polizei und die Wachposten der Dienststelle eintreffen würden.

Unten in der Eingangshalle konnte man eine weitere seltsame Szene beobachten. Obwohl es sich um ein großes Geschäftsgebäude mit viel Platz im hinteren Bereich für die Anlieferung von Mobiliar handelte, war ein Lieferwagen rückwärts vor dem Vordereingang abgestellt worden. Sechs Männer luden eilig massiges und schweres Zeug aus, das die Eingangshalle komplett versperrte. Fahrstuhlführer und Mitarbeiter des Gebäudes protestierten. Die Umzugsleute arbeiteten weiter und antworteten mit spöttischen Bemerkungen. Binnen kürzester Zeit herrschte ein fürchterlicher Lärm in der Eingangshalle, der jedes Geräusch übertönte, das aus dem Obergeschoss hätte dringen können.

Die massigen Möbelstücke dienten auch dazu, den Durchgang nahe der Treppen frei zu halten, über die die Gangster hinunterkommen mussten, wenn sie nicht den Fahrstuhl benutzten. Ein drei Meter breites Sofa wurde von zwei Umzugsleuten getragen, die Jeden rücksichtlos zur Seite stießen, der ihnen im Weg stand.

*

In der Ferne war eine Sirene zu hören. Dann noch eine und noch eine. Seltsamerweise schienen sie jedoch ein gutes Stück vom Gebäude entfernt anzuhalten.

Auch dafür gab es einen Grund. Jede Ecke des Blocks war versperrt. Eine von einem Laster, der genau im richtigen Augenblick liegen geblieben war. Eine weitere von zwei Wagen, die frontal zusammengestoßen waren. An der dritten Ecke arbeitete scheinbar eine Gruppe von Männern, die die Straße ausbesserten. Schweres Gerät war überall auf der Straße verteilt. Die vierte Ecke war von einem weiteren Laster blockiert.

Außerhalb dieser Sperren versuchten Polizeiwagen mit quietschenden Reifen, diese zu überwinden. Schließlich sprangen Streifenpolizisten hinaus, strömten durch die Sperren und rannten mit gezogenen Pistolen auf das Bürogebäude zu. Zehn Polizisten kamen aufgrund des Alarms. In wenigen Augenblicken würden fünfzehn weitere eintreffen.

Dann erschienen in mehreren Eingängen und Fenstern Schusswaffen. Schnellfeuerwaffen begannen, den Tod in alle Richtungen zu spucken. Keiner der Polizisten ging zu Boden, denn der Vorhang aus Kugeln hing absichtlich hoch über ihnen. Und doch war jeder Polizist gezwungen, Schutz zu suchen.

Dann spuckte der Eingang des Bürogebäudes die ersten Gangster aus. Wagen warteten auf sie und sie strömten hinein. Irgendwie gelang es einem der verbarrikadierenden Laster, sich in Bewegung zu setzen, und die Wagen schossen hindurch. Die Schüsse aus den Fenstern wurden ebenfalls eingestellt. Die Schützen hatten ihren Fluchtweg genau geplant. In den wenigen Sekunden, in denen die verblüfften Streifenpolizisten sich von der Überraschung erholten, begann jemand, mit lauter Stimme die Nachricht von dem Raub zu verbreiten.

Dann trafen weitere Polizeiwagen mit kreischenden Sirenen ein. Captain McGrath vom Hauptquartier erschien mit dieser zweiten Einheit. Er war ein stämmiger Mann mittleren Alters. Sein starkes Nervenkostüm und sein kühler Kopf machten ihn zu einem absolut furchtlosen Polizisten. Sein kurz geschnittener Schnurrbart sträubte sich, während er sich anhörte, was geschehen war. Er wollte gerade ins Gebäude gehen, als eine glänzende Limousine am Straßenrand hielt. McGrath blieb stehen und tippte sich zur Begrüßung an die Krempe seines Hutes. Police Commissioner Warner stieg aus.

„Dieser Überfall ist so teuflisch, dass er seinesgleichen sucht, Sir“, knurrte McGrath. „Müssen rund dreißig Mann dran beteiligt gewesen sein, alles in allem. Alle hier sagen, es waren sechzig, also hab ich die Zahl automatisch durch zwei geteilt. Sie haben einen gepanzerten Wagen und die Uniformen der Wachmänner geklaut, um sich Zutritt zu den Büros zu verschaffen. Wir hatten bisher keine Zeit für irgendwelche weiteren Einzelheiten. Aber irgendwie sind sie an Lohngelder gekommen, die in die Hunderttausende gehen. Und das haben sie alles getan, ohne irgendjemanden zu töten.“

„Sie irren sich, Captain“, sagte ein uniformierter Sergeant, der gerade rechtzeitig herbeigeeilt kam, um die letzte Aussage von McGrath zu hören. „Ein Buchhalter in den Büros, die für die gepanzerten Wagen zuständig sind, hat eins auf die Rübe bekommen. Ein bisschen zu hart. Er ist tot.“

Warner und McGrath eilten ins Obergeschoss. Dann fanden sie den Büroleiter der Alvin Protection Company, führten ihn in einen Raum, der nicht mit Rauch gefüllt war, und ließen sich von ihm die gesamte Geschichte erzählen, soweit ihm diese bekannt war.

„Rauchfässer, ein Phonograph, der Befehle schrie, der Fluchtweg komplett vorbereitet von Handlangern, die den Weg frei gehalten haben“, grollte McGrath, als der Leiter geendet hatte. „Commissioner, ich hasse es, das zu sagen. Aber für mich sieht das nach dem Werk eines Kerls aus, den ich kenne. Er hat diese Methoden schon früher angewandt und ist auch damit davongekommen. Nur das letzte Mal nicht. Es ist Lew Jessup, Sir. Die Art und Weise, wie diese Aktion durchgeführt wurde, lässt definitiv auf ihn schließen. Nur dass er in Sing-Sing ist und seine Strafe absitzt.“

„Er war in Sing-Sing“, korrigierte Warner. „Lew ­Jessup ist vor drei Wochen rausgekommen. Ich stimme absolut mit Ihnen überein, Captain. Es sieht ganz nach seiner geschickten Hand aus. Aber Jessup hat noch nie mit mehr als zwei oder drei Mann zusammengearbeitet. Und er hat noch nie etwas so klug geplant wie das hier. Nun, wir wissen bereits, dass Schützen an Fenstern und Türen postiert waren, um die Streifenpolizisten aufzuhalten, während die Gangster entkamen. Und sie haben alle Zugänge zu diesem Gebäude blockiert. Eine effektive Arbeit. Trotzdem sollten Sie so schnell wie möglich nach Lew Jessup suchen, Captain. Seine Arbeitsmethoden waren nie so bekannt, dass sie so perfekt kopiert werden könnten. Und dieser Akt der Gewalt, McGrath, ist nur ein weiterer, den wir zu der immer länger werdenden Liste hinzufügen können. Das Verbrechen hat anscheinend ganz plötzlich zugenommen in dieser Stadt, und das in all seiner Gottlosigkeit. Aber dieses Werk ist bisher das Schlimmste. Finden Sie Jessup. Möglicherweise hat er während seiner Zeit im Gefängnis seine Ideen an andere Männer weitergegeben. Oder, eine andere Möglichkeit, er hat eine Menge Zeit damit verbracht, seine alten Tricks zu perfektionieren.“

„Ich kriege ihn, wenn er in der Nähe ist“, versprach McGrath entschlossen. „Aber wenn diese Aktion auf sein Konto geht, dann wird der Bursche in irgendeinem Versteck sein, das wir niemals knacken werden.“

Dann übernahm Commissioner Warner schnell das Kommando. Er versammelte ein halbes Dutzend der Männer, die für die Sicherheitsfirma arbeiteten, im Büro und befragte sie maschinengewehrartig. Der Büroleiter beantwortete die meisten Fragen.

„Fingerabdrücke? Ich glaube kaum, Commissioner. Einer der Gangster hat ein paar Mal meinen Arm berührt. Ich schwöre, seine Hände steckten in dünnen, fleischfarbenen Handschuhen ... Ob ich einen von ihnen wiederkennen würde? Nun, ich habe nur zwei oder drei von ihnen gesehen, bevor der Rauch mir jegliche Sicht nahm. Und die kamen mir nicht bekannt vor. Ordentlich gekleidete Kerle, sahen auch nicht dumm aus. Aber keiner von ihnen hatte irgendetwas Besonderes an sich.“

Warner lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf.

„Sie geben uns nicht gerade viel, womit wir arbeiten können, meine Herren. Wie auch immer, ich will, dass jeder von Ihnen so schnell wie möglich zum ­Hauptquartier kommt. Gehen Sie die Verbrecherkarteien durch. Das hier ist nicht das Werk von Amateuren, und Sie haben vielleicht das Glück, jemanden zu erkennen. Das wäre alles ... und danke.“

Dann war Warner für einen Augenblick allein. In diesen wenigen Sekunden der Entspannung wirkte sein Gesicht abgezehrt. Sein für gewöhnlich ordentlich gekämmtes weißes Haar war durcheinander, tiefe Furchen überzogen seine Stirn und er kaute fortwährend auf seiner Unterlippe. Und Warner hatte allen Grund für seine Seelenqualen. Er kannte Gangster und ihre Methoden. Eine Aktion, die so glatt vonstattengegangen war wie diese, würde weitere nach sich ziehen. Und weil er die Wahrheit gesagt hatte, als er von dem plötzlichen Anstieg der Verbrechen in den letzten zwei Monaten gesprochen hatte, fragte er sich, ob seine Abteilung in der Lage sein würde, mit alldem fertig zu werden.

„Schwarze Fledermaus!“, murmelte Warner leise, wobei er die zwei Worte wie eine glühende Bitte aussprach. „Wenn Sie irgendwo in der Nähe sind, dann kümmern Sie sich um diese Schweinerei. Ich bin hoffnungslos schachmatt.“

Kapitel 2 – Doppeltes Spiel

Eine schwarze Limousine hielt vor hohen, grauen Gefängnismauern. Es war Morgen, und jeder Gefangene, der entlassen wurde, hätte sich keinen schöneren Tag aussuchen können, um seine Freiheit zu feiern.

Silk Kirby, für gewöhnlich das Faktotum des ehemaligen Bezirksstaatsanwaltes Anthony Quinn, saß hinter dem Steuer. Er lehnte sich zurück und badete in den wärmenden Sonnenstrahlen und den ersten Anzeichen des Frühlings. Eine Frau auf dem Rücksitz, Mrs. George Wengraf, sah aus wie neugeboren. Ihre Augen leuchteten voller Hoffnung und Erwartung. Sie hielt ein Taschentuch fest und spielte nervös damit herum.

Doch die dritte Person in dem Wagen war ganz ruhig, das Gesicht versteinert. Seine Hände ruhten auf dem Knauf eines Stockes, den er zwischen den Beinen hielt. Seine Augen starrten blicklos geradeaus. Tony Quinn, berühmter Anwalt, der in diesem Augenblick privat unterwegs war, zeigte eine Vorstellung, die sein Gewissen von ihm verlangte.

Fünf Jahre zuvor, als er noch Bezirksstaatsanwalt gewesen war, bevor er sein Augenlicht verloren hatte, hatte er George Wengraf angeklagt. Und er war ein wichtiger Faktor gewesen, als dieser zu einer fünfzehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Er war ein kluger und rücksichtloser Juwelendieb gewesen, mit einem außerordentlich guten Händchen dafür, die ­wertvolleren Bestände in vielen Juweliergeschäften auszuräumen. Nun war Quinn hier, um dafür zu sorgen, dass Wengraf eine faire Chance bekam. Durch den Einfluss von Tony Quinn war dem ehemaligen Gangster beinahe ein Drittel seiner Strafe erlassen worden. Und zusätzliche fünf Jahre für gute Führung.

Tony Quinn hatte keinesfalls ein weiches Herz bis hin zur Sorglosigkeit. Doch er erkannte gute Eigenschaften in einem Menschen, und davon hatte Wengraf jede Menge. Während seiner Zeit im Gefängnis hatte sich der Mann dem Schmuckdesign zugewandt und hatte einige preisgekrönte Stücke hergestellt.

Der Aufseher hatte außerdem berichtet, dass Wengraf sich gebessert habe und nicht die Absicht hatte, in sein altes Leben als Gangster zurückzukehren. Der Geistliche des Gefängnisses teilte die Überzeugung des Aufsehers. Juwelierfirmen verlangten trotz Wengrafs vorheriger Akte nach seinen Diensten als Designer. Ein gutes und vollwertiges Leben erwartete den Häftling draußen.

Mrs. Wengraf schaute Quinn an. Dankbarkeit lag in ihren glitzernden Augen.

„Ich werde Ihre Güte nie vergessen, Mr. Quinn“, sagte sie. „Als man mir nahelegte, zu Ihnen in die Kanzlei zu kommen, da dachte ich ... nun, ich dachte, alles wäre nun aus. Ich erinnerte mich, wie Sie meinen Mann ins Gefängnis geschickt haben. Oh, ich sage nicht, dass er es nicht verdient hatte. Aber Sie haben die Anderen so kompetent von seiner Schuld überzeugt, dass ich dachte ... ich dachte, Sie würden niemals nachgeben. Und ohne Ihre Hilfe hätte sich niemand wirklich darum gesorgt, dass George entlassen wird.“

Tony Quinn lächelte sanft. „Ich war seinerzeit ein ambitionierter Jungspund, Mrs. Wengraf“, sagte er wehmütig. „Ich dachte damals, dass sich ein Mann vom Schlage Ihres Gatten niemals ändern könne. Seitdem habe ich mich verändert ... Seit ich mein Augenlicht verlor. Es ist seltsam, wie der Verlust der Augen dafür sorgt, dass die Seele eines Menschen umso besser sehen kann. Ich bin sicher, dass Ihr Mann nie wieder zu einem Verbrecher werden wird. Deshalb habe ich dafür gesorgt, dass ich bei Ihnen bin, wenn Sie ihn treffen. Diese Tatsache möchte ich lediglich zu seinen Gunsten herausstreichen.“

„Da kommt er!“, rief Silk Kirby. „Sagen Sie mal, Mrs. Wengraf, Sie sollten besser auf den Burschen aufpassen. Er ist ein ziemlich gut aussehender Kerl.“

Der Sträfling kam so schnell angelaufen, wie seine Beine ihn trugen. Seine Frau lehnte sich aus der offenen Tür und winkte ihm zu. Zwei Minuten später hielt ­Wengraf mit einem Arm seine Frau fest. Mit der anderen Hand drückte er die von Tony Quinn.

„Gosh, Mr. Quinn“, sagte er inbrünstig. „Es ist schön, Sie hier zu sehen! Ich hätte nie gedacht, dass ein wichtiger Mann wie Sie sich die Mühe machen würde ...“

„Steigen Sie ein, George“, sagte Quinn lächelnd. „Ich freue mich, Sie zu sehen. Und überhaupt, warum sollten Sie überrascht sein, dass ich hier bin, wenn Sie rauskommen? Ich war auch vor Ort, als Sie reingegangen sind.“

Wengraf lachte. „Sicher waren Sie das. Und glauben Sie mir, ich werde niemals diese Rede vergessen, die Sie vor dem Richter gehalten haben. Meine Güte, ich hätte mir am liebsten selbst zwanzig Jahre im Knast aufgebrummt. Ich war überrascht, dass der Richter mir nur fünfzehn gab. Aber das ist jetzt alles Vergangenheit. Junge, ich hab jetzt etwas, worauf ich mich freuen kann! Einen großartigen Job, eine großartige Frau, die zu mir hält. Freunde wie Sie. Was kann ein Mann noch verlangen?“

Er setzte sich zwischen Quinn und seine Frau.

„Seht mich an!“, prahlte er. „Denkt ihr, das Gefängnis hat mir irgendwie geschadet? Ich hab viel draußen gearbeitet. Ich bin so braun, als hätte ich den Winter in Florida verbracht. Und so was von gesund. Ich hab mich nie besser gefühlt. Was denken Sie, Mr. Quinn? Ich meine, wie sehe ich aus?“

Mrs. Wengraf versetzte ihrem Mann einen Stoß und flüsterte etwas. Tony Quinn lächelte nur.

„Ich fürchte, ich kann Sie nicht sehen, George“, sagte er langsam. „Ich bin seit drei Jahren blind. Aber lassen wir das jetzt. Heute ist schließlich Ihr Tag ... Silk, fahr nach Hause, aber nicht zu schnell. Ich schätze, Mr. Wengraf hat eine Menge aufzuholen, was die Umgebung betrifft.“

Als sie wenig später den Stadtrand von Manhattan erreicht hatten, schnippte Wengraf plötzlich mit den Fingern.

„Gosh, Mr. Quinn, es ist mir zuwider, Sie um noch einen Gefallen zu bitten. Aber könnte ich an der Whitney Avenue 1106 kurz aussteigen? Nur ein paar Minuten.“

„Whitney Avenue?“ Quinn runzelte die Stirn. „Das ist nicht unbedingt der ideale Ort, den ein Mann, der gerade erst aus dem Gefängnis entlassen wurde, aufsuchen sollte.“

Wengraf lachte leise. „Ich weiß, Sir. Aber ein Kumpel von mir, der immer noch drinnen ist, im Gefängnis, hat mich gebeten, seiner Frau zu sagen, dass es ihm gut geht. Es dauert nur eine Minute ... Hören Sie, es gibt nichts, worum Sie sich Sorgen machen müssten, soweit es mich betrifft. Nun, selbst wenn ich einen Zehnkaräter im Rinnstein liegen sehen sollte, würde ich ihn kaum eines zweiten Blickes würdigen.“

„Na gut.“

Quinn gab Silk die entsprechenden Anweisungen. Der Wagen hielt vor einem zweigeschossigen Haus aus Sandstein in einem Wohnviertel im ärmeren Teil der Stadt. Schmutzige Vorhänge verhüllten die Fenster, und der ganze Ort erweckte einen heruntergekommenen Eindruck.

„Bin gleich zurück.“

Wengraf sprang hinaus und lief zur Tür hinauf. Er drückte auf den Klingelknopf, wandte sich um und grinste seine Frau an. Dann wurde die Tür geöffnet und er trat ein.

Fünfzehn Minuten vergingen. Tony Quinn runzelte die Stirn. Mrs. Wengraf schaute immer wieder auf ihre Uhr. Silk zappelte ungeduldig hinter dem Steuer herum.

„Silk“, sagte Quinn schließlich. „Geh rein und sieh nach, was Wengraf so lange macht. Er sagte, er wäre nur ein oder zwei Minuten fort.“

„In Ordnung!“

Silk sprang hinaus. Er stieg die Stufen zum Eingang hinauf, drückte auf den Klingelknopf und wartete. Niemand kam. Er probierte die Tür. Sie war verschlossen. Silk stellte sich unmittelbar vor das Schloss, zog ein paar schmale Schlüssel aus seiner Tasche und probierte einige davon aus. Der Riegel des Schlosses drehte sich und er trat ein.

Einen Augenblick lang dachte Silk, er hätte das falsche Haus betreten. Es war völlig verlassen. Die Böden und die Treppengeländer waren mit Staub bedeckt. Tapeten waren zerrissen und hingen von der Wand. Am hinteren Ende der Diele war ein großes Stück von der Zimmerdecke heruntergefallen.

„Wengraf!“, rief Silk. „He, Wengraf!“

Keine Antwort. Silk ging eilig zum hinteren Teil des Hauses. Er betrat ein Hinterzimmer, das von schäbigen Rollläden, die ganz heruntergezogen waren, in eine trostlose Dunkelheit getaucht wurde. Silk blinzelte, um seine Augen an das Halbdunkel zu gewöhnen. In dem Augenblick tauchten plötzlich zwei Gestalten aus einer dunklen Ecke auf und stürzten sich auf Silk.

Er war völlig unvorbereitet und der Angriff überrumpelte ihn vollständig. Einer der Männer bückte sich, um ihn an der Kehle zu packen, doch Silks Verstand begann sofort zu arbeiten. Er schlug heftig zu. Der Schlag streifte den Mann und schlug ihn nieder, verletzte ihn jedoch nicht ernsthaft. Er konnte noch immer seine Füße benutzen. Und das tat er, nachdem er schnell wieder auf die Beine gekommen war. Silk stöhnte, als ein Fußtritt nach dem anderen seine Rippen traf.

Dann bückte sich der andere Mann und schlug auf Silks Gesicht ein. Als der Angriff stoppte, war Silk der Ohnmacht nahe.

„Das wird ihn ruhig halten“, sagte einer der Männer mit heiserer Stimme. „He, Wengraf. Willst du, dass der Kerl kaltgemacht wird?“

„Nee, er ist nur irgendein Trottel. Der Bursche, den ich haben will, ist Quinn, der mich hochgenommen hat. Und ich werde ihn kriegen, diese Ratte! Blind oder nicht, das macht für mich keinen Unterschied. Er war nicht blind, als er mich ins Gefängnis geschickt hat. Verschwinden wir von hier, bevor meine wehleidige Frau ihre Nase hier reinsteckt und ich sie auch noch niederschlagen muss.“

Sie rannten durch den Raum. Als Silk aufstand, hörte er, wie eine Hintertür geschlossen wurde. Er taumelte zur Wand und lehnte sich einige Minuten lang kraftlos dagegen, bevor er zur Tür stolperte und dann hinaus auf den Gehweg.

Mrs. Wengraf sah ihn zuerst. Zumindest dachte sie das. Tony Quinns Kopf bewegte sich kein Stück und verriet somit nicht, dass auch er sehen konnte.

„Mr. Quinn, das ist Ihr Fahrer!“, rief Mrs. Wengraf. „Er ist verletzt. Sein Gesicht ist voller Blut! Irgendetwas ist passiert!“

Silk öffnete die hintere Wagentür.

„Hatte ein wenig Ärger, Sir“, sagte er. „Sieht so aus, als hätten wir uns in Wengraf getäuscht. Er hat in dem Haus einen Kumpel getroffen und beide sind durch die Hintertür abgehauen.“

„Bist du sicher?“, fragte Quinn hastig. „Er wurde nicht gezwungen, den Mann zu begleiten?“

„Nein, Sir, er wurde nicht gezwungen. Einer von ihnen hat mich niedergeschlagen, und Wengraf selbst hat einige Male zugetreten und geschlagen. Wenn Sie mich nur sehen könnten, Sir. Ich hab ziemlich was abbekommen.“

„Oh, das hat er, das hat er!“, rief Mrs. Wengraf. „Mr. Quinn, bitte glauben Sie mir! Ich hätte nicht gedacht, dass irgendetwas in der Art passieren könnte.“ Sie wandte sich mit angsterfüllten Augen zu Silk um. „Sind Sie sicher, dass mein Mann dabei geholfen hat, Sie zusammenzuschlagen?“

„Nun“, sagte Silk kühl. „Der andere Kerl hat ihn beim Namen genannt, und er hat geantwortet. Sagte, er wünschte, ich wäre Mr. Quinn, damit er ihm den Schädel einschlagen kann. Es tut mir Leid, Ma’am. Sieht so aus, als hätte Ihr Mann alle an der Nase herumgeführt. Hat uns allen etwas vorgemacht, um aus dem Gefängnis zu kommen.“

„Fahr Mrs. Wengraf nach Hause“, befahl Quinn. „Vorausgesetzt, du fühlst dich dazu in der Lage, Silk.“

„Ich bin in Ordnung“, erklärte Silk, doch seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Ein Zeichen, dass gewisse andere Dinge gar nicht in Ordnung waren.

Er setzte sich hinter das Steuer und fuhr zu Mrs. ­Wengrafs kleinem Bungalow auf der anderen Seite der Stadt. Sie weinte bitterlich. Quinn starrte mit seinen blicklosen Augen nur geradeaus. Unzählige Gedanken rasten durch sein flinkes Gehirn. War Wengraf ein cleverer Mann, der ihnen nach allen Regeln der Kunst etwas vorgespielt hatte? Waren Quinn, Mrs. Wengraf, der Aufseher, der Geistliche des Gefängnisses und der gesamte Bewährungsausschuss von ihm getäuscht worden? Es sah ganz danach aus.

Ohne sich umzusehen, wandte er sich an die Frau neben ihm.

„Mrs. Wengraf“, sagte er. „Ich will, dass Sie mir versprechen, sich keine Sorgen zu machen, bis wir das hier alles geklärt haben. Was immer Ihr Mann auch getan hat, fällt nicht auf Sie zurück, und ich bin überzeugt, dass Sie nichts damit zu tun hatten. Vielleicht ist es nicht einmal ganz seine Schuld. Verbindungen zur Unterwelt sind schwer zu kappen. Manchmal kann ein Mann sich von diesen Fesseln nicht befreien, selbst wenn er es unbedingt will.“

Sie griff nach jedem Strohhalm.