Die Schwarze Fledermaus 41: Wer überlebt, stirbt! - G.W. Jones - E-Book

Die Schwarze Fledermaus 41: Wer überlebt, stirbt! E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Sechs Menschen überleben einen Flugzeugabsturz. Zwei von ihnen werden kurz darauf ermordet, auf die anderen werden Mordanschläge verübt. Sie leben in ständiger Todesangst. Wer will sie töten? Was ist das Motiv?

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Seitenzahl: 154

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 41

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

6039 – Verräterische Spuren von G. W. Jones

6040 – Regie des Todes von G. W. Jones

6041 – Wer überlebt, stirbt! von G. W. Jones

6042 – Quinn unter Verdacht von G. W. Jones

G. W. Jones

Wer überlebt, stirbt!

Aus dem Amerikanischenvon W. Arnemann

Das Abenteuer Wer überlebt, stirbt! erschien im Sommer 1946 unter dem Titel The Survivor Murders in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Butch O‘Leary

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-041-3Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1. Kapitel

Ein feiner Regen ging über das hügelige Land nieder, und eine dicke Wolkendecke hing so tief, dass die Baumkronen in Dunstschleier gehüllt waren. Es war kalt. In höheren Lagen gefroren die Wassertropfen zu Eis. Und das mochte die Ursache für die Flugzeugkatastrophe sein …

In der Hecke, die die einsame Farm umgab, bewegte sich etwas. Es war, als bräche ein Tier durch die Zweige. Die Bewegung wurde von einem leisen Wimmern begleitet.

Es war früh am Morgen und noch so dämmrig, dass in dem Farmhaus Licht brannte.

Die Zweige der Hecke knackten, und eine Gestalt versuchte mühsam, sich aufzurichten. Es war ein hübsches blondes Mädchen in der Uniform einer Stewardess. Freilich war die Uniform zerrissen, beschmutzt und blutbesudelt und das Gesicht des Mädchens von Schrammen und blutunterlaufenen Prellungen entstellt. Ihr linker Arm hing schlaff herunter, das rechte Bein, mit dem bis zur Unförmigkeit angeschwollenen Knöchel, zog sie stöhnend nach.

Sie versuchte zu rufen, war aber so erschöpft, dass ihre Stimme nicht weit trug. Ein paar Schritte versuchte sie in aufrechter Haltung weiterzuhumpeln, aber mit einem Schmerzensschrei musste sie aufgeben und sich wieder zu Boden fallen lassen. Wimmernd und stöhnend robbte sie weiter, auf das erleuchtete Farmhaus zu.

Ein Mann trat aus der Tür. Das Mädchen hielt inne und rief schwach um Hilfe. Der Mann horchte, ging ins Haus zurück und kam mit einem anderen Mann wieder.

Noch einmal rief das Mädchen.

Die beiden Männer liefen in die Richtung, aus der die Stimme kam. In der Tür erschien eine Frau und folgte ihnen eilends.

Sie fanden die Verwundete, hoben sie auf und trugen sie ins Haus. Man flößte ihr heißen Kaffee ein, bis sie imstande war, zu reden.

„Ich bin Kay Saville, Stewardess eines Passagierflugzeuges“, berichtete das Mädchen. „Die Maschine ist vor ein paar Stunden in den Bergen abgestürzt ‒ genau nördlich von hier, am Rand eines Eichenwäldchens. Ein Teil der Passagiere und Besatzung ist tot, ein Teil schwer verletzt. Bitte sorgen Sie für Hilfe!“

Einer der Männer erwiderte: „Wir haben hier kein Telefon, Miss. Aber ich fahre sofort zur nächsten Ortschaft und verständige die Polizei und das Krankenhaus von Lakewood. In einer Stunde kann Hilfe zur Stelle sein.“

Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Krankenwagen können nicht bis zur Unglücksstelle fahren. Man soll die Krankenwagen hierherkommen lassen und Ärzte und Pfleger mit Pferden hinschaffen. Es war furchtbar! Alles ging so schnell, dass wir nicht einmal dazu kamen, Angst zu haben!“

„Wie viele Tote?“, fragte der Bauer lakonisch.

„Ich weiß es nicht genau. Ich war die Einzige, die Hilfe holen konnte ‒ aber auch mich hat es ziemlich schwer erwischt. Ich habe Stunden bis hierher gebraucht. Ich glaube, von den zwölf Leuten sind fünf oder sechs sofort getötet worden. Aber inzwischen sind vermutlich noch einige der Schwerverletzten gestorben.“

Erst Stunden später gelang es der Rettungsmannschaft, bis zur Unglücksstelle vorzustoßen. Den beiden Ärzten und den zahlreichen freiwilligen Helfern bot sich ein grausiges Bild.

Das ehemals so schöne, stolze Flugzeug war nur noch ein Schrotthaufen. Glücklicherweise hatte es nicht Feuer gefangen, obwohl der Treibstoff ausgelaufen war und einen penetranten Geruch verbreitete.

Die Besatzung war tot. Von den Passagieren lebten nur noch wenige.

Ein Mann starb, als ein Arzt neben ihm niederkniete. Es war ein früherer Anwalt, wie man aus seinen Papieren erfuhr, die er bei sich trug. Er hieß Fennelly. In einer Tasche fand sich ein Entlassungsschein aus einem Gefängnis, der vom Vortag datiert war.

Die anderen waren mehr oder weniger schwer verletzt. Lester Hill, dreißig Jahre alt, Blumenzüchter, konnte seine Beine nicht mehr bewegen und hatte kein Gefühl in ihnen ‒ ein Umstand, der den Arzt zu einem bedenklichen Kopfschütteln veranlasste.

Eine ältliche Frau in braunem Tweedkostüm und Sportschuhen litt unter starken Schmerzen, war aber imstande, zu berichten. „Wir wissen nicht, wie es passiert ist. Es ging so schnell. Ich heiße Grace McDonald und bin Lehrerin. Ich war auf dem Weg nach Chicago, um meine Schwester zu besuchen.“

Ein korpulenter Mann um die Fünfzig hatte ein Bein gebrochen, das man ihm notdürftig mit Zweigen schiente. Er hieß Vincent Gardet und war Fabrikant aus Chicago.

Neben ihm lagen zwei mit Mänteln zugedeckte Körper.

Dem Arzt, der die Mäntel aufhob, erklärte Gardet: „Ein junges Ehepaar. Musste auf der Hochzeitsreise sterben. Mister und Mistress Mark Rolfe. Die Frau hieß Judith. Sie haben erst vor vier oder fünf Tagen geheiratet.“

„Rolfe?“, wiederholte der Arzt. „Doch nicht …“

Gardet nickte. „Doch ‒ aus der bekannten Rolfe- Familie. Sehr reiche, prominente Leute. Der junge Mann da drüben ist auch ein Millionär: Sonny Coyle, ein bekannter Sportsmann, der in jedem größeren Rennen Pferde laufen hat. Ich glaube, er ist ziemlich schwer verletzt. Habe nicht gedacht, dass er durchhalten wird. Mister und Mistress Rolfe starben etwa eine Stunde später, nachdem die Stewardess sich aufgemacht hatte, um Hilfe zu holen. Eine großartige Person ‒ müsste wirklich einen Orden für diese Leistung kriegen, die kleine Stewardess.“

Die Ärzte leisteten Erste Hilfe. Dann wurden die Verwundeten auf Pferde geladen und abtransportiert. Mit Ausnahme Lester Hills, des Blumenzüchters, ihn musste man auf eine Tragbahre legen.

Noch ein Verwundeter war da, dessen Identität niemand kannte. Da er bewusstlos war, erfuhr man sie erst aus seinen Papieren. Der gutaussehende Mann von Mitte Dreißig mit der teuren Kleidung und einem eleganten schmalen Bärtchen hieß Harold Hewitt und war Juwelen­händler.

Mit der Stewardess waren es also im Ganzen sechs Personen, die das Unglück überlebt hatten. Und in diesem Augenblick ahnte noch niemand, dass auch einigen der Überlebenden ein baldiges gewaltsames Ende bevorstand.

Da alle Chicago zum Ziel gehabt hatten, wurden sie, nach einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus von Lakewood, mit einem Sonderflugzeug nach Chicago gebracht.

Auf dem Flugplatz war ein Heer von Fotografen und Reportern erschienen. Die Stewardess Kay Saville war die Heldin des Tages. Mit bandagiertem Bein, einen Arm in der Schlinge, stützte sie sich lachend auf einen Stock und beantwortete die Fragen der Journalisten. Sie hatte wirklich eine erstaunliche Leistung vollbracht, als sie in ihrem Zustand vier Meilen durch den Wald kroch, um die nächste Farm zu erreichen und Hilfe zu holen.

Sie sagte: „Es sollen vier Meilen gewesen sein. Mir kam es vor, als müsste ich einmal um die ganze Erde kriechen.“

*

Vor dem Wolkenkratzer im Büroviertel von Chicago hielt eine große schwarze Limousine.

Der Polizist am Eingang eilte hin, um einem Blinden beim Aussteigen zu helfen. Als dies geschehen war, salutierte er und sagte: „Guten Morgen, Mister Quinn! Wird heute ein schöner, sonniger Tag.“

Der blinde Staatsanwalt Tony Quinn nickte freundlich und stützte sich auf seinen weißen Blindenstock. „Ich kann die Sonnenwärme fühlen, Mac. Ich wünschte, ich könnte einen kleinen Spaziergang machen. Aber mir fehlt ganz einfach wieder einmal die Zeit dazu.“

Der Fahrer war um den Wagen herumgegangen und trat jetzt neben Tony Quinn. Er nickte dem Polizisten freundlich zu, nahm dann den Arm seines blinden Herrn und führte ihn ins Haus.

Sie fuhren mit einem der Lifts hinauf bis zum sechzehnten Stockwerk, wo sich an einer Tür die Inschrift befand Anthony Quinn Staatsanwalt für besondere ­Aufgaben.

Silk, Quinns Begleiter, führte seinen Herrn durch das äußere Büro, in dem die Angestellten saßen, in Quinns Privatbüro. Hier nahm er ihm Hut und Mantel ab und ließ plötzlich alle Sorgfalt außer Acht, mit der er den Blinden bisher geleitet hatte.

Aber auch mit diesem selbst ging, sobald sie allein waren, eine seltsame Veränderung vor. Die bisher starren, scheinbar blicklosen Augen wurden klar und hellwach, Quinns Bewegungen sicher und bestimmt. Erst als eine Sekretärin klopfte, fiel wieder der Schleier scheinbarer Blindheit über Quinns Augen.

Die Sekretärin meldete ihm: „Kurz ehe Sie kamen, hat jemand angerufen, Sir. Eine Mistress Grace McDonald. Sie will Sie in einer dringenden Angelegenheit sprechen und ist bereits auf dem Weg hierher.“

„Gut“, sagte Quinn. „Führen Sie sie herein, sobald sie kommt.“

Etwa eine Stunde lang ließ sich Quinn, wie allmorgendlich, von Silk die Post vorlesen. Danach begann der Publikumsverkehr. Quinn hörte sich Klagen an, nahm die Berichte von Detektiven entgegen ‒ Routinearbeit, die einen großen Teil seiner Zeit in Anspruch nahm.

Es war etwa elf Uhr, als sie eine Sirene unten auf der Straße hörten.

Silk sah aus dem Fenster.

„Ein Krankenwagen ist vorgefahren“, berichtete er. „Hier im Haus muss etwas passiert sein.“

„Sieh nach, ob es jemanden betroffen hat, den wir kennen“, bat Quinn.

Silk ging und blieb etwa eine Viertelstunde weg. Er kam mit ernster Miene wieder.

„Eine Frau ist in den Aufzugschacht gestürzt, Sir. Sie war sofort tot. Nach den Papieren, die man bei ihr fand, hieß sie Grace McDonald und war Lehrerin. Kommt Ihnen der Name nicht bekannt vor? Es ist die Frau, die vorhin angerufen und sich bei Ihnen angemeldet hat.“

Quinn sprang auf. „Richtig! Und jetzt ist sie tot. Das ist kein Zufall. In einem modernen Haus wie diesem kann man die Türen zum Aufzugschacht nicht so ohne Weiteres öffnen, wenn der Lift sich auf einem anderen Stockwerk befindet. Leute, die sich in einer dringenden Angelegenheit bei mir melden lassen, kommen für gewöhnlich mit Informationen, die anderen gefährlich werden können. Möglich, dass sie ermordet wurde.“

Silk wandte sich gleich wieder zum Gehen. „Noch weiß man nicht, von welchem Stockwerk sie abgestürzt ist. Mal sehen, ob ich was herauskriege.“

Nach einer halben Stunde kam Silk mit der Nachricht zurück, dass die Frau vom sechzehnten Stock abgestürzt war ‒ also von dem Stockwerk, in dem sich Quinns Büro befand.

„Ich fand ein paar Kratzer an der Metalltür zum Aufzugschacht. Wahrscheinlich rühren sie von einem Werkzeug her, mit dem die Tür gewaltsam geöffnet wurde. Ich habe auch die anderen Türen untersucht ‒ solche Kratzer waren sonst nirgends zu finden.“

„Grace McDonald“, murmelte Quinn nachdenklich. „Den Namen habe ich schon vorher gehört, ich weiß bloß nicht, wo … doch! In der Morgenzeitung stand er. Sie ist eine der Überlebenden des Flugzeugabsturzes. Merkwürdig! Wir fahren jetzt in die Halle hinunter und unterhalten uns mit den Liftführern.“

Ohne Schwierigkeiten machten sie den Liftführer ausfindig, der Miss McDonald zum sechzehnten Stock gefahren hatte.

Der Mann sagte: „Ich erinnere mich genau, weil sie so bärbeißig aussah und so nett redete. Ihr Kopf und ihre rechte Hand waren verbunden. Schien einen Unfall gehabt zu haben. Beim Aussteigen fragte sie mich nach Ihrem Büro.“

Quinn fragte: „Ist sonst noch jemand in diesem Stock ausgestiegen?“

„Nein, nicht bei dieser Fahrt. Aber kurz vorher fuhren zwei Männer hinauf. Don Boylan und einer seiner Leibwächter.“

„Silk, frage alle anderen Liftführer aus!“, befahl Quinn. „Ich möchte wissen, ob einer von ihnen Boylan wieder hinuntergefahren hat. Sie kennen ihn alle. Er ist oft genug in Handschellen in dieses Gebäude gebracht worden, und sein Bild war mehr als einmal in der Zeitung.“

Quinn wandte sich wieder an den ersten Liftführer. „Sie haben nicht darauf geachtet, welche Richtung Boylan und sein Begleiter oben einschlugen?“

„Doch, Sir. Sie gingen nach links. Also nicht zu Ihrem Büro, sondern in die entgegengesetzte Richtung.“

„Dort gibt es nur noch zwei Büros“, sagte Quinn. „Führen Sie mich bitte zu den Telefonzellen.“

Er rief die beiden Büros an und erfuhr, dass Don Boylan dort weder gesehen noch erwartet worden war.

Silk kam mit Neuigkeiten. „Boylan und sein Mann sind im achtzehnten Stock wieder in einen Lift gestiegen und hinuntergefahren, Sir. Das war kurz nachdem die Frau abgestürzt war.“

Quinn sagte: „Bring mich zurück in mein Büro. Von dort aus rufst du gleich Inspektor McGrath an. Er soll Boylan aufgreifen und zu mir bringen lassen. Sofort.“

„Glauben Sie denn …“, begann Silk.

Quinn fiel mit großer Bestimmtheit ein: „Miss ­McDonald war auf dem Weg zu mir. Der Tod ist ihr zuvorgekommen. Fraglos wollte jemand sie zum Schweigen bringen. Boylan war um die Zeit im Haus, ohne bestellt zu sein. Er stieg im sechzehnten Stock aus, bestieg aber später den Lift im achtzehnten Stock. Wenn Boylan so etwas tut, dann hat er etwas Bestimmtes vor. Was dies war, will ich herausfinden. Wenn du McGrath angerufen hast, kannst du feststellen, wo Miss McDonald wohnte. Geh hin und sieh dich um! Versuche herauszubekommen, warum sie mich aufsuchen wollte.“

Eine Stunde später führte die Sekretärin zwei Männer in Quinns Büro.

Der eine war Inspektor McGrath. Er sah genauso aus, wie man sich einen Polizeidetektiv vorstellt, und war ein tüchtiger Mann in seinem Fach.

In seiner Begleitung befand sich Don Boylan, ein aalglatter, geschmeidiger Gangstertyp. Boylan war der Polizei kein Unbekannter. Er hatte sich mit Schiebungen und anderen dunklen Machenschaften ein Vermögen erworben. Man vermutete auch, dass er mehrere Gegner aus seinen Kreisen umgebracht hatte ‒ aber nie hatte er der Polizei eine wirkliche Handhabe geboten, um gegen ihn vorzugehen. Seine Interessen waren sehr vielseitig. Von billigen Spielhöllen bis zu großen Tanzlokalen betrieb er alle möglichen einträglichen Geschäfte. Seit er zu viel Geld gekommen war, schien er sich kaum noch mit gefährlichen Dingen abzugeben ‒ die Tanzlokale warfen auch so genug Geld ab.

Boylan zeigte sich von der Vorladung wenig beeindruckt ‒ er war dergleichen gewohnt.

Er setzte sich unaufgefordert und grinste Quinn frech zu. „Hallo, Mister Quinn! ‒ Was soll ich denn diesmal ausgefressen haben?“

Quinn erklärte: „Ich erhielt heute Morgen einen Anruf, bei dem Ihr Name fiel.“

„Interessant. Wer hat Sie angerufen?“

„Eine Miss Grace McDonald. Sie kennen Sie?“

„Ich kenne keine einzige Frau, die so heißt“, behauptete Boylan erwartungsgemäß. „Was ist mit ihr? Warum hat sie meinen Namen erwähnt?“

„Das weiß ich nicht, Mister Boylan. Ich hoffte, es von Ihnen zu erfahren.“

„Holen Sie sie meinetwegen her, und fragen Sie sie selbst. Ich brauche keine Angst zu haben.“

Quinn nickte vielsagend. „Stimmt. Jedenfalls jetzt nicht mehr. Miss McDonald ist tot. Sie stürzte in den Aufzugschacht dieses Hauses. Kurz zuvor waren Sie mit dem Lift zu diesem Stockwerk heraufgefahren, Boylan. Wohin wollten Sie? Mit wem haben Sie gesprochen?“

„Hören Sie mal!“, brauste Boylan auf. „Wenn Sie glauben, Sie können mir einen Mord anhängen, sind Sie schief gewickelt! Ich habe die Frau nicht gekannt ‒ oder das Mädchen, oder was sie war. Vielleicht hat sie in einem meiner Etablissements gearbeitet, kann sein, ich kenne nicht alle, die für mich arbeiten. Auf jeden Fall möchte ich meinen Anwalt sprechen.“

„Augenblick!“, unterbrach ihn Quinn. „Diese Frau hat nichts mit Ihren Tanzlokalen zu tun, sie war nicht der Typ dafür, wissen Sie. Ihre Anwesenheit hier im Haus zu der kritischen Zeit könnte ein Zufall sein. Aber warum sagen Sie mir dann nicht die Wahrheit?“

Boylan zögerte. Ihm schien nicht ganz wohl in seiner Haut.

„Weil sie so blödsinnig klingt, dass Sie mir doch nicht glauben werden“, sagte er schließlich. „Aber schön, ich werde reden. Weil ich nichts damit zu tun habe und also auch nichts zu fürchten brauche. Heute Morgen hat mich einer angerufen. Klang sehr geheimnisvoll. Er sagte, wenn ich was über ‒ über eine bestimmte Person wissen möchte, solle ich hierherkommen, zum sechzehnten Stock rauffahren und bis zur Feuertreppe an der Nordseite gehen. Und das habe ich gemacht.“

„Und merkwürdigerweise ist dann niemand erschienen, nicht wahr?“, riet Quinn.

„Falsch! Jemand hatte sich auf der Treppe versteckt. Ich glaube, es war der Anrufer vom Vormittag. Er sagte, ich sollte zum achtzehnten Stock hinaufgehen und dort warten. Das tat ich auch. Aber dann passierte nichts mehr. Und so fuhr ich nach einer Weile wieder hinunter und ging fort.“

„Hm. Sie erwähnten eine bestimmte Person, über die Sie Näheres erfahren sollten“, sagte Quinn. „Wer ist diese Person?“

Boylan presste die Lippen aufeinander und schwieg.

Inspektor McGrath näherte sich ihm. „Es wäre besser für Sie, wenn Sie reden würden!“

Aber Boylan schüttelte eigensinnig den Kopf. „Ich sage kein Wort mehr, kein einziges Wort, bevor ich mit meinem Anwalt gesprochen habe. Ich weiß nichts von dem Frauenzimmer, und Sie können mir nichts anhängen. Sagen Sie dem da, er soll mich regelrecht verhaften oder in Ruhe lassen.“