Die schwarze Fledermaus 23: Die Morde der Nazi-Spione - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 23: Die Morde der Nazi-Spione E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Die USA sind in den Krieg eingetreten. Ein Spionagering der Nazis unterwandert und sabotiert die Kriegsbemühungen, versenkt Schiffe auf hoher See. Die Spur führt nach Florida. Kann die Schwarze Fledermaus den Kopf der Spione entlarven?Aus dem Amerikanischen von Swantje BaumgartDie Printausgabe umfasst 190 Buchseiten.

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Seitenzahl: 203

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 23

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

G. W. Jones

Die Morde der Nazi-Spione

Aus dem Amerikanischenvon Swantje Baumgart

Das Abenteuer Die Morde der Nazi-Spione erschien im November 1942 unter dem Titel The Nazi Spy Murders in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Silk Kirby

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-023-9Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Gegenspion

Sein Name war Norton Kirby, besser bekannt als Silk. Für gewöhnlich war er ein kahlköpfiger Mann mittleren Alters, von schlanker Statur, ruhig und leistungsfähig. Doch Silk Kirby hatte über die Jahre die Fähigkeit entwickelt, sich zu verkleiden. Nicht zu aufwendig, denn Silk betrachtete Mittel wie falsche Schnurrbärte, viel Ölfarbe und allerlei Produkte, die die Wangen auspolsterten oder die Nase flacher erscheinen ließen, als ausgesprochen verräterisch. Er verwendete einfache Verkleidungen und spielte seine Rolle perfekt.

In diesem Augenblick war er nicht kahlköpfig. Vielmehr hatte er graues, kurz geschnittenes Haar, so wie es die Männer beim preußischen Militär trugen. Er erweckte den Anschein, als sei er ziemlich gedrungen. Tatsächlich war seine Kleidung dafür verantwortlich. Seine Perücke war clever gemacht und gut befestigt. Seine Mundwinkel waren heruntergezogen, die Augen kalt und dominant.

Das war ungewöhnlich, denn Silks Beruf war der eines Dieners.

Mit kurzen, schweren Schritten ging er eine belebte Straße in Yorkville hinunter, einem Teil von Manhattan, der von Deutschen bewohnt wurde. Niemand schenkte ihm viel Beachtung, denn er wirkte teutonisch und schien hierher zu passen. In Yorkville lebten friedliche, patriotische Amerikaner, die als Deutsche geboren worden waren. Sie wohnten hier, weil sie die Gesellschaft von Familien liebten, die ihre Sprache sprachen. Und sie hatten vor langer Zeit gelernt, dass es nicht wirklich ungefährlich war, einen Fremden in ihrer Nähe zu hinterfragen.

Silk lenkte seine Schritte mit beinahe militärischer Präzision und betrat ein großes Café. Kellner warfen ihm neugierige Blicke zu. Rund fünfzig Personen, die an Tischen, in Nischen und an der Bar saßen, schauten allesamt in seine Richtung. Silk starrte zurück, deutete auf einen Tisch, den er wollte, und folgte dem Kellner dorthin. Neben einem Stuhl blieb er stehen und wartete darauf, dass man diesen für ihn zurückzog und hielt. Nachdem der Kellner das getan hatte, setzte Silk sich langsam.

Er bestellte einen Krug Bier und kippte diesen binnen zwei Minuten hinunter. Dann lehnte er sich zurück. In der Hand hielt er einen weiteren schaumbedeckten Krug. Die anderen Gäste des Cafés setzten ihre leisen Unterhaltungen fort.

Eine halbe Stunde verging. Das Café füllte sich schnell. Deutschsprachige Zeitungen, die allesamt Hitler und alles, wofür er stand, verdammten, waren deutlich sichtbar ausgelegt. Ein großer Teil der regelmäßigen Besucher des Cafés hassten seinen Namen und würden jeden sofort schlagen, der seine Hand zum Hitlergruß hob.

*

Doch es gab auch andere. Viele von ihnen waren Männer, die durch Türen oder Gassen huschten, um den Gruß ­auszutauschen, den sie für die Sache eines Monsters gelernt hatten, das verrückt nach Macht war und einen Charlie-Chaplin-Schnäuzer trug. Und das über ein teuflisches Gehirn und eine Grausamkeit verfügte, die einen römischen Eroberer hätten erröten lassen.

Zwei von ihnen betraten das Café. Irgendetwas erfreute sie sehr. Es war neun Uhr. Eine warme Nacht und die sichtbaren weißen Hemden der beiden Männer waren rußbedeckt. Sie traten an die Bar und gesellten sich zu einigen weiteren Männern. Silk neigte leicht den Kopf. Er hatte diesen Tisch gewählt, weil der in Hörweite zur Bar war.

Einer der Neuankömmlinge sprach mit gedämpfter, aber hörbarer Stimme.

„Gut, der Pier brennt. Sehr schöne Flamme. Das ist unsere Antwort auf die Razzien und Verhaftungen, die vorgenommen wurden.“

Ein anderer stieß ihn mit dem Ellenbogen an. „Sei ruhig, du Idiot. Wir sind uns nicht bei jedem hier sicher.“

Der erste Mann wurde blass und kippte ein halbes Glas Bier hinunter. Fünf Männer gehörten zu der Gruppe und sie entfernten sich von den anderen an der Bar. Kurz darauf stellte Silk fest, dass er in dem großen Spiegel hinter der Theke genau beobachtet wurde. Die fünf steckten die Köpfe zusammen und warfen ihm immer wieder Blicke zu. Sie sprachen so leise, dass er nicht einmal ein Flüstern hören konnte.

Schließlich kamen zwei von ihnen zu ihm hinüber und setzten sich an seinen Tisch. Sie lächelten ihn so offensichtlich unschuldig an, dass es schon amüsant war.

„Ich bin Paul Stuek“, sagte einer von ihnen. „Ich wohne hier, gehe schon seit Monaten in diese Bar. Aber dich habe ich noch nie gesehen.“

„Hindert mich das daran, hier reinzugehen und ein Bier zu trinken?“, fragte Silk auf Deutsch. Es gehörte zu Silks Fähigkeiten, dass er reinstes Deutsch ohne eine Spur von Akzent sprechen konnte. „Ihr Idioten ... ihr blöden Schweine! Wenn ich gewollt hätte, dass ihr euch zu mir setzt, hätte ich euch dazu eingeladen. Raus mit euch!“

Die beiden Männer standen auf, waren verunsichert. Dennoch waren sie kaum gewillt, von einem Fremden so entschiedene Befehle anzunehmen. Doch sie waren von preußischer Geburt und Befehle waren ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Solange sie mit harter Stimme und erbarmungslosem Blick gegeben wurden, mussten sie befolgt werden.

Beide Männer kehrten zurück an die Bar und Silk lehnte sich zurück, scheinbar schäumend vor Wut. Alle fünf Männer duckten sich und steckten ihre Köpfe zusammen. Dann begannen sie erneut zu flüstern.

Silk wusste, dass bald etwas geschehen würde. Er hatte es so geplant. Er sorgte sich nur darum, wie lange diese fünf Männer brauchen würden, um sich zu entscheiden. Wenn sie in aller Ruhe fortgegangen wären, hätte Silk viele Tage umsonst intensiv gearbeitet.

Drei von ihnen kamen näher, während die anderen beiden zu einer schmalen Tür gingen, die links von der Bar lag. Silk wagte es nicht einmal, zu dem Trio ­aufzuschauen. Bis er den Lauf einer Waffe spürte, die gegen seine Schulter gepresst wurde.

„Du wirst uns netterweise die Ehre erweisen“, sagte ein Mann mit leiser Stimme, „aufzustehen und zu der schmalen Tür da drüben zu gehen. Wenn wir einen Fehler machen, dann tut es uns leid, gnädiger Herr. Aber wir dürfen kein Risiko eingehen.“

Silk stand auf und starrte die Männer an. Doch die Waffe wurde noch immer gegen seine Schulter gepresst. Mit steifen Schritten ging er auf die Tür zu. Er passierte die beiden Männer, die dort Wache standen, und ging einen engen, finsteren Flur entlang, bis man ihm befahl, stehen zu bleiben. Einer der Männer öffnete eine weitere Tür, die in einen leeren Raum führte. Silk ging hinein und blieb mitten darin stehen.

„Ein Stuhl“, schnappte er. „Bringt einen Stuhl, ihr Schwachköpfe. Vor meinen Untergebenen werde ich nicht stehen.“

*

Die Männer krochen beinahe vor dem drohenden Ton, der in seiner Stimme lag. Einer von ihnen eilte hinaus und kehrte mit einem hochlehnigen Stuhl zurück. Umständlich setzte Silk sich hin.

„Nun“, wollte er wissen, „was hat dieser Unsinn zu bedeuten?“

Einer der Männer übernahm die Rolle des Sprechers. Es gefiel ihm nicht besonders.

„Sehen Sie, gnädiger Herr“, erklärte er. „Sie sind neu hier. Wir kennen Sie nicht. Und Sie haben an einem Platz gesessen, an dem Sie hören konnten, was wir sagten. Natürlich ...“

„Schweine!“, donnerte Silk. „Seid ihr so blind, dass ihr ein Mitglied der Geheimpolizei nicht erkennt?“

„Geheimpolizei?“, ertönten fünf Stimmen gleichzeitig. „Gestapo?“

„Was sonst? Selbstverständlich habe ich euch gehört. Und schreibt euch das hinter die Ohren, ihr dummen Affen, ihr redet zu viel und zu laut. Ihr seid unvorsichtig in der Wahl eures Versammlungsortes. Im Reich wäre ich geneigt, darüber nachzudenken, ob ich nicht eine sechsmonatige Strafe in einem Konzentrationslager für euch alle anordnen sollte.“

Der Sprecher blieb beharrlich. „Aber, Herr ...“

„Du kannst mich Behmer nennen. Dieser Name ist so gut wie jeder andere. Nun, ihr Idioten, ihr wollt Beweise. Ich sollte euch wohl einen Schlüssel zu meinem Hotel geben.“

Silk wollte in seine Tasche greifen. Augenblicklich wurde eine Waffe auf ihn gerichtet. Diese Männer waren respektvoll und irgendwie verängstigt, doch sie gingen kein Risiko ein. Silk grollte einen Fluch, stand auf und hob die Hände. Sie durchsuchten ihn und fanden einen Schlüssel, an dem ein Hotelschildchen befestigt war. Einer der Männer las die Inschrift darauf. Dann berieten sie sich hastig und im Flüsterton und zwei der Männer gingen eilig davon.

Der Sprecher verbeugte sich leicht.

„Wie ich schon sagte, gnädiger Herr. Es tut uns leid, Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Aber wir müssen sicher sein. Meine Männer sind zu Ihrem Hotelzimmer unterwegs. Wenn Ihre Papiere in Ordnung sind ...“

„Das könnte dich den Kopf kosten!“, donnerte Silk. „Ich habe die Nase voll davon, mich mit der Dämlichkeit von Narren wie dir herumzuschlagen. Wer auch immer dich ausgewählt hat, um für das Reich zu arbeiten, sollte erschossen werden. Und jetzt belästige mich nicht. Wenn deine Männer zurückkehren, wird dir klar sein, welchen Fehler du gemacht hast. Bis dahin wünsche ich nicht, mit dir zu reden. Ist das klar?“

„Ja, gnädiger Herr, absolut klar. Sie werden uns verzeihen ...“

„Haltʼs Maul!“, schnappte Silk und sank tiefer in seinen Stuhl.

Eine halbe Stunde verging, ehe die Boten zurückkehrten. Ihre Gesichter waren von Linien zerfurcht, die geradezu ehrfürchtig schienen. Sie standen vor Silk stramm und hoben die Hände zu einem Gruß, den sich ein Teufel ausgedacht hatte.

„Heil Hitler“, sagten sie wie aus einem Munde. „Wir wussten nicht, gnädiger Herr, dass Sie der neue Anführer unserer Armeen hier sind. Wir bitten Sie untertänigst um Verzeihung.“

„Pah!“, explodierte Silk. „Ich schätze, ihr habt die Papiere gefunden. Wenn ihr sie durcheinandergebracht habt ...“

„Aber nein, gnädiger Herr. Wir haben sie wieder genauso hingelegt, wie sie waren. Wir stehen zu Ihrer Verfügung, Herr Behmer. Wenn es irgendetwas gibt, das wir tun können, um unsere Dummheit wiedergutzumachen ...“

„Ihr könntet es mit einer Kugel durch den Kopf versuchen“, erwiderte Silk wütend, als er sich erhob. „Ja, ich bin Behmer. Und ich bin für die Einsätze zuständig. Ihr wisst alle, dass wir vorhaben, mit allen erdenklichen Mitteln gegen unsere Feinde vorzugehen. Ich habe bereits angeordnet, dass gewisse Maßnahmen ergriffen werden.“

„Gnädiger Herr ...“ Einer der Männer trat einen Schritt vor, wobei er jedoch weiterhin strammstand. „Darf ich Sie etwas fragen?“

Silk machte eine zustimmende Handbewegung und zündete sich eine Zigarette an.

„Wir haben die Befehle explizit ausgeführt, gnädiger Herr“, sagte der Mann. „Die Dinge sind genauso abgelaufen, wie es geplant war. Aber es sind solche Kleinigkeiten, so trivial. Es gibt Größeres. Wir haben die Ausrüstung. Wir könnten Munitionsfabriken in die Luft sprengen ... oder die Untergrundbahnen, wenn sie voll sind mit den amerikanischen Schweinen.“

„Und wofür wäre das gut?“, fragte Silk mit strenger und monotoner Stimme. „Man gewinnt keinen Krieg, indem man Zivilisten tötet. Das haben wir von den Tee schlürfenden Briten gelernt, oder nicht? Unsere unbesiegbare Luftwaffe hat dieses verlassene Land tagein tagaus bombardiert. Und sie fordern noch immer lautstark die Invasion des Festlandes. Nein ... das sind Kleinigkeiten.“

„Aber das ist auch das Niederbrennen einer Werft, das Versenken eines Schiffes. Das Stehlen von ein paar wertlosen Entwürfen ...“

Silk schnitt eine Grimasse. „Macht ihr hier die Pläne? Gehört ihr zum Generalstab? Nein ... nicht mehr als ich. Wir alle nehmen unsere Befehle entgegen, und die ­müssen befolgt werden. Hört ihr, was ich sage? Sie müssen befolgt werden, oder die dumme New Yorker Polizei wird vor einem Rätsel stehen. Das Rätsel, wie irgendjemand die Strafe ertragen konnte, die, wie sie herausfinden werden, einem Mann auferlegt wurde, bevor er zum Leichnam wurde.“

Die fünf Männer schwiegen. Silk schnippte seine Zigarette auf den Boden in die Mitte des Raumes. Dann machte er eine Handbewegung und einer der Männer sprang hinzu und trat die Zigarette aus. An der Tür blieb Silk Kirby stehen.

„Ich halte mich im Hintergrund, bis alles bereit ist. Meine Pflicht ist es nun, Agenten wie euch genau zu überprüfen. Unglücklicherweise habt ihr mich entdeckt, ehe ich vorbereitet war. Daher werdet ihr niemandem gegenüber erwähnen, dass ich hier bin. Nicht einmal vor euren Ehefrauen. Habt ihr verstanden?“

„Unsere Ehefrauen wissen nichts“, erwiderte einer der Männer hoffnungsvoll. „Frauen kann man keine Geheimnisse anvertrauen, gnädiger Herr.“

„Gut. Ich sehe, der Bund hat euch ein wenig Verstand eingehämmert. Wenn ihr mich wiederseht, lasst ihr euch nicht anmerken, dass ihr mich kennt. Es sei denn, ich mache den ersten Schritt. Das ist alles. Heil Hitler.“

Silk hob die rechte Hand zum Gruß. Die Finger der linken Hand hatte er hinter seinem Rücken fest gekreuzt. Er stolzierte hinaus, warf dem Barkeeper einen bösen Blick zu und ließ das Café hinter sich.

Als er um eine Ecke gebogen war, zog er ein Taschentuch hervor und wischte sich über die Stirn. Diese letzten Minuten waren aufregend gewesen. Wenn die hinterlegten Papiere zu genau untersucht worden wären, hätte man vielleicht herausgefunden, dass es gut gemachte Fälschungen waren.

Silk fühlte sich ermutigt durch die Tatsache, dass seine erste Begegnung mit fünf Trotteln des Reiches gezeigt hatte, dass sie nichts ahnende Rohlinge waren. Doch er ließ sich von ihnen nicht täuschen. Andere mochten so schlau sein, wie diese dumm waren.

Silk wusste, womit er es zu tun hatte. Jedes Mal, wenn er sich zeigte, würde sein Leben in Gefahr sein. Aber all das war Teil des Spiels. Ein Spiel, das ein unheimliches Wesen erdacht hatte und spielte, bekannt als die Schwarze Fledermaus. Silk war der Gehilfe der Schwarzen Fledermaus.

Kapitel 2 – Rattennest

Das Hafengebiet von Manhattan wurde gut bewacht. Dennoch herrschte dort in diesem Augenblick ein ­chaotisches Durcheinander. Ein Kai, an dem Versorgungsgüter für die amerikanischen Truppen in Island gestapelt waren, stand in Flammen. Das Feuer wütete so heftig, dass man von einem Sabotageakt ausgehen musste.

Rauchwolken füllten die Straßen und breiteten sich rund um das Feuer und den Polizeiapparat aus, den man in aller Eile eingerichtet hatte. Feuerlöschboote schütteten Wasser auf den Brand, doch die Bemühungen zeigten kaum Wirkung.

Ein Mann trat aus dem Rauch und auf den Bürgersteig. Er zog eine speckige Kappe tief in sein breites Gesicht und ging eilig auf einen Essenswagen zu, der an der nächsten Ecke stand.

Er war groß und seine Hände erinnerten an Boxsäcke. Sein Kopf saß auf breiten Schultern, scheinbar ohne sichtbaren Hals. Er hieß Jack OʼLeary, obwohl der Name nicht zu ihm zu passen schien. Seine äußere Erscheinung ließ darauf schließen, dass man ihn ganz automatisch Butch nennen würde.

Er war ein weiterer Gehilfe der Schwarzen Fledermaus. Vielleicht nicht ganz so gerissen wie Silk Kirby mit seiner Wiederauferstehung. Doch Butch war vertrauenswürdig und kräftig. Und er brachte dem geheimnisvollen Wesen, für das er arbeitete, größte Bewunderung entgegen.

Butch warf einen Blick in den Essenswagen und sah, dass er verlassen war. Der Besitzer war damit beschäftigt, den Tresen abzuschrubben. Als er damit fertig war, ging er in die kleine Küche am hinteren Ende.

Butch öffnete vorsichtig die Schiebetür, schlich auf Zehenspitzen hinein und quetschte sich in eine Ecke ganz am Ende. In der Nische befand sich ein niedriger Sitz mit hoher Lehne, sodass Butch dort komplett verborgen war. Um sicherzugehen, dass ihn niemand sah, kauerte er sich noch weiter zusammen.

Der Besitzer erschien aus der Küche und begann, labbrig aussehende Pasteten und Kuchen zu schneiden. Butch machte keine Anstalten, nach ihm zu rufen. Er wollte vor Ort sein, dabei aber weder gesehen noch gehört werden.

Kurz darauf ging die Schiebetür auf und vier Männer traten ein. Vier finster dreinblickende Männer mit breiten Gesichtern. Sie sahen aus, als hätten sie vor langer Zeit vergessen, wie man lächelt. Sie alle trugen die grobe Kleidung von Schiffsbeladern. Sie setzten sich an den Tresen und nannten dem Besitzer grollend ihre Bestellungen. Der bewegte sich mit ungeahntem Eifer, um diese auszuführen.

Einer der Männer am Tresen sagte etwas auf Deutsch. Ein weiterer antwortete auf Englisch. Aus dem Inhalt ihres Gespräches – oder zumindest aus dem, was Butch verstand – erfuhr er, dass sie gerade geholfen hatten, Waren auf einen Frachter zu laden, der nach Russland fahren sollte.

„Wartet ab, bis er auf halbem Weg übers Meer ist“, sagte der Mann, der Englisch sprach. „Wenn unsere U-Boote sie nicht kriegen, wird die Ladung verrutschen. Wenn das passiert, werden sie alle Hände voll zu tun haben. Es kann sogar durchaus sein, dass das Schiff sinkt.“

„Ach!“, warf ein weiterer Mann mit offensichtlicher Verachtung ein. „Das ist alles so unbedeutend. Selbst das Feuer, das da gerade wütet. Warum zieht man uns nicht für irgendwelche großen Aufgaben heran?“

„Ruhe“, schnappte der erste Mann. „Man hat uns gelehrt, Befehle nicht infrage zu stellen.“

„Aber wir setzen unsere eigene Sicherheit aufs Spiel, indem wir diese trivialen Dinge erledigen.“ Der Bursche weigerte sich, von dem Kurs abzugehen, den er eingeschlagen hatte. „Ich für meinen Teil hätte nichts dagegen, ins Gefängnis zu gehen, wenn ich etwas Bedeutendes erreicht hätte. Aber so geht es uns allen. Zumindest allen, die wir kennen. Kleine Dinge. Aufgaben, die ein genauso großes Risiko bergen und keine echten Ergebnisse bringen.“

„Abgesehen davon, das FBI und die Geheimdienste von Marine und Armee zu Fall zu bringen“, meldete sich ein dritter Mann zu Wort. „Diese Männer sind keine Idioten. Früher oder später kriegen sie uns und ... hier werden Spione aufgehängt.“

„Pah!“, knurrte der erste Mann. „Diese weichherzigen Amerikaner verurteilen Spione höchstens zu fünf oder zehn Jahren Gefängnis. Wenn der Führer ankommt, werden wir nicht nur frei sein, wir werden auch Helden sein.“

„Da bin ich nicht so sicher“, widersprach ein weiterer Mann. „Die Amerikaner sind seltsame Leute. Sie werden härter, und wenn es erst so weit ist, dann gibt es keine härteren Menschen auf der Welt. Ich ...“

Der Sprecher steckte sich eine Zigarette in den Mund, hob einen Fuß und versuchte, an seiner Schuhsohle ein Streichholz anzuzünden. Dabei drehte sich der Stuhl, auf dem er saß, ein wenig, sodass er Butch in der hinteren Ecke sitzen sah.

„Ruhe!“, sagte der Mann leise. „Jemand hört uns zu. Werner, schau hinter dich. Der Mann in der letzten Ecke. Kennst du den?“

Werner war der größte Mann des Quartetts. Er drehte sich vorsichtig um und starrte Butch an. Dann stand er auf und ging langsam zu der Nische hinüber.

Butch hatte sich ganz klein gemacht und starrte geradeaus. Tief in die mit Kissen ausgelegte Bank gedrückt, sah er nicht besonders groß aus. Werner legte beide Hände mit den Handflächen nach unten auf den Tisch und schaute Butch an.

„Du hast bestimmt bestellt“, sagte er. „Und es dauert lange, das Essen zuzubereiten, heh?“

Butch schaute auf. „Ich hab noch nicht bestellt. Ich warte darauf, dass jemand herkommt und mich fragt, was ich haben will. Wird auch Zeit, dass Sie kommen. Ich nehme einen Hamburger, leicht angebraten, mit Zwiebeln, Pommes und etwas ...“

Werner lief rot an. „Ich bin kein Kellner. Und jetzt hör zu, mein Freund. Du stehst jetzt auf. Ich werde dich durchsuchen. Und wenn du ein Polizist oder sonst irgendein professioneller Schnüffler bist ...“

Butch blinzelte eulenhaft. „Ich verstehe nicht. Ich bin hergekommen, um was zu essen. Nicht, um durchsucht zu werden. Und ich glaube auch nicht, dass man mich durchsuchen wird.“

Werner winkte und seine drei Kumpels kamen herüber. Auf ein weiteres Signal hin stellten sie sich so auf, dass jegliche Aktivitäten von der Straße aus nicht zu sehen waren. Werner öffnete seinen Gürtel. Er bestand aus einem breiten und dicken Lederstreifen mit einer gewaltigen kupfernen Schnalle. Er nahm den Gürtel ab und ließ ihn langsam durch seine Hände gleiten.

„Ich sagte, du wirst dich mit einer Durchsuchung einverstanden erklären“, erinnerte er Butch. „Denkst du etwa, ich hätte das nicht erst gemeint?“

„Ich hab nie geglaubt, dass Sie das nicht erst meinen.“ Butch zitterte ein wenig. „Ich verstehe das nur nicht. Das ist alles.“

„Dann werde ich mich klarer ausdrücken.“ Werner beugte sich weiter zu ihm hinunter und stieß sein hässliches Gesicht beinahe gegen Butch. „Du bist nicht hergekommen, um etwas zu essen, sondern um zu lauschen. Du hast dich hier versteckt, in der letzten Nische. Du wusstest, dass wir kommen. Und du wolltest zuhören ...“

Plötzlich trat Werner einen Schritt zurück und schwang den Gürtel. Die Schnalle segelte auf Butch zu, doch sie traf nie ihr Ziel. Werner wusste nur, dass eine riesige Hand unter dem Tisch hervorschoss, den Gürtel packte und ihn mit einer Drehbewegung aus seinem Griff befreite.

Dann drehte sich Butch, bis er halb aufgestanden war, gerade als Werner nach einem Essigfläschchen griff, das auf dem Tisch stand. Butch streckte eine gewaltige Hand aus und Werners Zähne schlugen mit solcher Wucht aufeinander, dass es schmerzte. Er wurde ein Stück nach hinten geworfen, und bevor er irgendetwas tun konnte, hatte Butch die Nische verlassen.

Werner schluckte ein wenig und er fragte sich, wie ein Mann in so kurzer Zeit so groß werden konnte. Doch Werner hatte drei weitere Männer hinter sich. Und so machte er sich bereit, um diesem Anfänger von einem Lauscher zu zeigen, was Strafe wirklich hieß.

Er versetzte Butch einen Schwinger und seine Faust krachte auf den Kiefer des riesigen Mannes. Das war alles, es krachte einfach nur. Butch rührte sich keinen Millimeter. Er zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. Werner hatte viel Wucht in diesen Schlag gelegt. Doch nun holte er zu einem weiteren Schlag aus und sammelte dafür all die Kraft, die er besaß.

Butch bewegte sich plötzlich. Nicht auf Werner zu, sondern auf zwei seiner Kumpels zu, die näher kamen. Butchs Hände schossen gleichzeitig hervor. Er packte je einen der Männer und ließ ihre Köpfe mit einem dumpfen, knirschenden Geräusch aufeinanderschlagen. Dann ließ er beide Männer los, sodass sie zu Boden fielen.

Der vierte Mann machte auf dem Absatz kehrt und tat einen Hechtsprung in Richtung Tür. Butch war nur den Bruchteil einer Sekunde schneller und der flüchtende Deutsche fand sich plötzlich in dessen Griff baumelnd wieder.

Werner, der durch all das einen Augenblick lang wie versteinert gewesen war, wurde plötzlich wieder aktiv. Er sprang auf den Tisch zu, ergriff seinen dicken, gefährlichen Gürtel und schwang ihn. Die Schnalle landete auf Butchs Rücken. Der große Mann schlug dem Kerl, den er hielt, kurz ins Gesicht. Dann ließ er ihn fallen wie eine Stoffpuppe und wandte sich um.

Werner wurde plötzlich klar, dass er irgendwie in Schwierigkeiten war. Der große Mann stand zwischen ihm und der Tür. Es gab kein Entkommen. Er schwang den Gürtel erneut und schrie nach dem Besitzer und dem Koch, damit sie ihm halfen.

Der Besitzer packte eine Flasche Ketchup, blieb jedoch hinter dem Tresen stehen. Dort schien es sicherer zu sein. Werner schlug noch einmal mit dem Gürtel zu. Dann schien es ihm, als sei die Welt explodiert. Auf Butchs Gesicht hatte sich noch immer so etwas wie ein Lächeln abgezeichnet, bis die Gürtelschnalle auf seinen Rücken krachte. Dann verblasste das Lächeln und Butchs Gesicht wurde von hasserfüllten Linien durchzogen.