Die Schwarze Fledermaus 47: Der vergessene Mord - G.W. Jones - E-Book

Die Schwarze Fledermaus 47: Der vergessene Mord E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Akribisch hat ein genialer Verbrecher den Coup seines Lebens vorbereitet. Jeden, der seinem Ziel im Weg steht, tötet er. Für den blinden Rechtsanwalt Tony Quinn beginnt ein mysteriöser Fall. Er jagt den Mörder mit dem Januskopf.

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Seitenzahl: 159

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 47

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

6039 – Verräterische Spuren von G. W. Jones

6040 – Regie des Todes von G. W. Jones

6041 – Wer überlebt, stirbt! von G. W. Jones

6042 – Quinn unter Verdacht von G. W. Jones

6043 – Wölfe jagen im Rudel von G. W. Jones

6044 – Das Versteck am See von G. W. Jones

6045 – Johnny Hampelmann von G. W. Jones

6046 – Der Todeskandidat von G. W. Jones

6047 – Der vergessene Mord von G. W. Jones

6048 – In der Stadt lauert der Tod von G. W. Jones

6049 – Die Giftschlange von G. W. Jones

6050 – Geister der Vergangenheit von G. W. Jones

G. W. Jones

Der vergessene Mord

Aus dem Amerikanischenvon W. Arnemann

Das Abenteuer Der vergessene Mord erschien im Oktober 1947 unter dem Titel The Long Ago Murder in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Tony Quinn

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-047-5

Kapitel 1

Der Mann streckte vorsichtig den Kopf aus der Türnische, um sich zu überzeugen, dass die Luft rein war. Er war hochgewachsen und hager, und sein eckiges Gesicht hatte eine ungesunde Farbe. Niemand hätte behaupten können, dass er gut aussah, aber dennoch und trotz seiner verstohlenen Art aufzutreten, war etwas an ihm, das Respekt abnötigte.

Er trug einen Anzug, der ihm nicht passte, sondern zu weit war. Es sah aus, als hätte der Mann in letzter Zeit an Gewicht verloren. Der Anzug war von recht gutem Schnitt und neutraler Farbe und war alles andere als auffällig. Darüber war sein Träger entschieden froh.

Am äußeren Rand des Lichtkreises einer Straßenlampe blieb er stehen und untersuchte seinen Jackettärmel. Er war mit Blut besudelt, mit frischem, dunkelrotem Blut, und der Mann schauderte unwillkürlich.

Ein Polizist schlenderte um die Ecke, und der Mann tauchte in eine Türnische, wo er stehenblieb, bis der Cop vorüber war. Dann trat er wieder heraus und hastete zur nächsten Straßenecke, wo er ein Licht gesehen hatte. Er fand dort einen Drugstore. Eine Uhr im Schaufenster zeigte an, dass es ein Uhr morgens war.

Der Mann suchte in der Hosentasche herum und brachte ein paar Silbermünzen zum Vorschein, insgesamt etwa läppische vierzig Cents. Er betrat den Drugstore und stellte erleichtert fest, dass dieser beinahe leer war. Ein Verkäufer kam auf ihn zu.

„Würden Sie mir bitte diesen Zwanziger wechseln, damit ich telefonieren kann?“, sagte der hagere Mann. „Und eine Packung Zigaretten, bitte.“

„Okay. Welche Marke?“

„Ich … äh … egal. Nur eben Zigaretten. Und wie viel kostet jetzt ein Stadtgespräch? Früher war es ein Zehner.“

„Heute auch noch.“ Der Verkäufer lachte. „Das ist so ziemlich das Einzige, was nicht teurer geworden ist. Sagen Sie, waren Sie auf einer einsamen Insel, oder wie sonst erklärt es sich, dass Sie nicht wissen, was ein Telefonat im Stadtbereich kostet?“

„Auf einer Insel?“ Der Hagere gestattete sich ein schwaches Lächeln. „Ja, ja, auf einer Insel, isoliert, ruhig und einsam. Ich wollte, ich wäre wieder dort.“

Er griff mit der linken Hand nach den Zigaretten, erinnerte sich an den Blutfleck und ließ den Arm wieder sinken. Er nahm das Wechselgeld und die Zigaretten mit der rechten Hand. Dann ging er auf die Telefonzelle im Hintergrund des Ladens zu und blätterte dort im Telefonbuch.

Er schlug den Buchstaben Q auf und fuhr mit dem Finger die Seite herunter, bis er den Namen Quinn gefunden hatte. Er rieb sich nachdenklich das Kinn, trat an die Zellen­tür und blieb stehen.

Schließlich drehte er sich um und ging zur Theke zurück.

„Können Sie mir sagen, ob die Clinton Street weit von hier ist?“

Der Verkäufer zuckte die Achseln. „Wenn ich nicht irre, liegt sie in Western Springs. Keine Straße ist weit entfernt, wenn man das Geld für ein Taxi hat.“

„Aber das ist es ja gerade! Für ein Taxi reicht es nicht, was ich in der Tasche habe.“

„Dann fahren Sie doch mit dem Bus“, riet ihm der Verkäufer. „Das dauert zwar etwas länger als mit einem Taxi, aber Sie kommen auch hin.“

„Noch billiger wäre sicher die Straßenbahn“, sagte der Hagere mehr zu sich selbst als zu dem Verkäufer. Dann wandte er sich wieder an diesen mit der Frage: „Gibt es eine Linie durch die Stadt bis dort hinaus?“

Der Verkäufer blickte auf. „Hören Sie, mir scheint, Sie waren wirklich lange weg. Die Trambahn ist bereits vor acht Jahren abgerissen worden. Sie müssen also schon mit dem Bus fahren.“

Der andere nickte zerstreut, dankte und ging wieder in die Nacht hinaus. Er achtete dabei auf jeden Schatten und hielt mit scharfen Augen Ausschau nach blauen Uniformen.

Als er die Busstation erreicht hatte, drückte er sich in eine Türnische und wartete. Außer ihm warteten noch vier Personen.

Der hagere Mann stieg als letzter ein, als der Bus endlich gekommen war. Er suchte sich einen Platz in der letzten Sitzreihe und zog sich dann den Hut tief in die Stirn.

An der Stelle, die der Kassierer ihm auf seine Frage hin, wie er nach Western Springs komme, genannt hatte, stieg er um und fand sich nach einer weiteren Fahrt von fünf Minuten in einer äußerst ruhigen Gegend. Er bog um eine Ecke und ging in eine Sackstraße. Die Häuser waren hier alle groß und gehörten offensichtlich begüterten Leuten. Am Straßenrand standen Bäume, eine Seltenheit in einer Stadt, selbst in diesem ziemlich außerhalb der City liegenden Villenviertel.

Dem hageren Mann gefielen die Bäume. Sie warfen lange Schatten, aus denen er nur ungern heraustrat. Er ging langsam und vorsichtig und war bemüht, beim Gehen kein Geräusch zu verursachen. Am Ende der Seitenstraße angekommen, bückte er sich, um das am Gartentor angebrachte Namensschild zu lesen. Die Aufschrift lautete:

ANTHONY QUINN

Rechtsanwalt

Hoffentlich hilft er mir! dachte der Mann. Er muss mir helfen! Ich habe auf der ganzen Welt keinen Freund als ihn, und ich bin nicht einmal dessen sicher, dass er es nach dem, was geschah, wirklich noch immer ist.

Er drückte die Gartentür auf. Das Haus lag völlig im Dunkeln. Er schlich auf Zehenspitzen über den kies­bestreuten Fußweg, kam an die Verandatreppe und eilte hinauf. Er ging über die Veranda und griff nach dem Klingelknopf. Er zögerte einen Augenblick, ehe er den Knopf niederdrückte.

Dann griff er mit der rechten Hand in die Tasche und zog ein langes Messer heraus. Die Klinge war mit getrocknetem Blut befleckt. Er steckte es wieder zurück. Wenigstens habe ich das noch, wenn es ernst werden sollte, dachte er.

Kurz nach seinem Klingeln öffnete sich die Tür, und ein schlanker, gelenkig anmutender Mann stand vor ihm. Der Mann mochte vielleicht fünfundvierzig Jahre alt sein und war mit einem Pyjama und einem Schlafrock bekleidet.

„Ich möchte Rechtsanwalt Tony Quinn sprechen“, sagte der nächtliche Besucher. „Es ist sehr wichtig.“

„Sie kommen zu sehr ungewöhnlicher Stunde“, erwiderte der Mann im Morgenmantel tadelnd. „Es ist jetzt halb zwei Uhr nachts.“

„Ja, ich weiß. Aber mein Anliegen ist überaus dringend. Ich muss Mister Quinn sprechen. Sie dürfen mich nicht wegschicken. Ich kann nicht während seiner Sprech­stunden kommen. Ich muss ihn jetzt sprechen!“

Der Mann in der Tür überlegte einen Moment.

„Kommen Sie herein!“, sagte er dann und trat zur Seite. „Ich bin Norton Kirby, Mister Quinns Butler. Bitte gehen Sie voraus.“

Der späte Besucher kam der Aufforderung nach. ­Norton Kirby schlich sich lautlos von hinten an ihn heran und legte plötzlich seinen Arm um den Hals des Fremden. Gleichzeitig drückte er ihm das Knie ins Kreuz. Der andere war wesentlich größer und sah auch stärker aus als Quinns Mitarbeiter, aber unter diesem Griff war er völlig hilflos.

*

Norton Kirby, der allgemein unter dem Namen Silk bekannt war, untersuchte mit der freien Hand schnell und geschickt die Taschen des anderen und fand dort das Messer. Er ließ den Mann los, trat zurück und wog das Messer in der Hand.

„Hübsches kleines Spielzeug“, spottete er. „Als Sie sagten, Sie könnten nicht während der Sprechstunden meines Chefs kommen, dachte ich mir gleich, dass die Sache einen Haken hat. Sie sollen Mister Quinn sprechen und vielleicht auch einen Richter und die Geschworenen. Ich … Hören Sie, die Klinge Ihres Messers ist ja blutbefleckt! Mann, haben Sie gemordet? Wen haben Sie umgebracht?“

„Ich weiß es nicht. Ich … ich weiß es wirklich nicht. Bitte, lassen Sie mich mit Mister Quinn sprechen. Er hat mir schon einmal geholfen, und er wird mir gewiss wieder helfen.“

„So, hat er das?“ Silk sah den Mann abschätzend an. „Ging es damals auch um Mord?“

Die Antwort, die Silk bekam, hatte er allerdings nicht erwartet.

„Ja, um Mord“, gab der Fremde unumwunden zu.

Vom ersten Stockwerk her meldete sich in diesem Augenblick eine ärgerliche Stimme.

„Silk, was ist los? Ist etwas passiert?“

„Es wird am besten sein, wenn Sie herunterkommen, Sir!“, rief Silk zurück. „Wir haben Besuch. Es ist ein Mann mit Messer, mit einem recht hübschen Messer, nur ist es über und über mit Blut beschmiert! Und dann spricht der Mann von einem Mord, nein, sogar von zwei Morden.“

„Bring ihn in die Bibliothek!“ Jetzt klang die Stimme nicht mehr verärgert, sondern lediglich befehlsgewohnt. „Ich komme gleich hinunter.“

Silk warf einen Blick auf den späten Gast, verbeugte sich ironisch vor ihm und deutete mit einer großartigen Handbewegung auf eine Tür am anderen Ende der Halle.

Die Schultern des Mannes sanken nach vorn. Er schlurfte dahin, als wäre er selbst felsenfest davon überzeugt, dass alles keinen Sinn hatte.

Er trat in einen Raum von mittlerer Größe, dessen Wände mit Reihen von Büchern bedeckt waren, bei denen es sich hauptsächlich um juristische Werke handelte. In einer Ecke standen ein kleiner Schreibtisch und zwei Polstersessel, und vor dem Kamin ein großer, etwas abgewetzter Ledersessel, an dem ein weißer Stab lehnte.

Der Besucher setzte sich und rieb sich nervös die Hände. Silk stand hinter ihm. Er hielt das Messer in der Hand und beobachtete den Mann aufmerksam.

Nach einer Weile wurden langsame, zögernde Schritte auf der Treppe hörbar. Sie näherten sich über den Korridor, und schließlich trat ein Mann in den Raum.

Er war gut gebaut, hatte schwarzbraunes Haar und ein offenes Gesicht, dessen Züge eine Spur zu energisch und hart waren, um hübsch genannt werden zu können. Er bewegte sich langsam und dennoch mit einer ­Geschmeidigkeit, wie sie ein Mensch nur durch ­regelmäßiges diszipliniertes Körpertraining erwerben kann. Um seine Augen lagen tiefe, beinahe hässlich wirkende Narben. Die Augen selbst blickten starr.

Der Mann stieß an einen Tisch und blieb sofort stehen. Dann lächelte er, schien sich wieder zu orientieren und ging schließlich geradewegs auf den bequemen alten Ledersessel zu. In ihm nahm er Platz.

„Wer sind Sie, und was wollen Sie?“, fragte er.

Der Fremde beugte sich vor. „Erkennen Sie mich nicht, Mister Quinn? Natürlich nicht! Entschuldigen Sie bitte. Wir haben uns beide verändert. Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Für mich waren sie furchtbar. Ich habe abgenommen und bin stark gealtert, ich weiß es.“

„Nein, ich erkenne Sie nicht“, sagte Tony Quinn. „Noch nicht. Vielleicht wollen Sie mir zuerst einmal sagen, was Sie hier wollen mitten in der Nacht und mit einem blutbefleckten Messer.“

„Ich glaube, ich habe einen Menschen getötet. Ich weiß es nicht genau. Ich wollte niemand töten, aber ich weiß es nicht, ob ich es nicht doch getan habe. Er lag dort auf dem Boden. Ich hatte das Messer in der Hand. Er hatte viele Stichwunden und blutete.“

„Fangen Sie von vorn an“, drängte Quinn. Seine Stimme klang ruhig und zwingend.

Der Fremde seufzte. „Sie waren damals noch Staatsanwalt. Jetzt sind Sie es nicht mehr, im Telefonbuch stand Rechtsanwalt unter Ihrem Namen. Ich hatte immer gedacht, ein Staatsanwalt wäre so etwas wie ein Polizist, herrschsüchtig, brutal, immer darauf bedacht, einen ­Verdächtigen festzunageln, aber Sie waren, ganz im Gegensatz dazu, sehr freundlich und hatten auch Verständnis für mich. Deshalb bin ich heute zu Ihnen gekommen. Bei Ihnen will ich gegen mich selbst Anzeige erstatten, denn selbst wenn ich diesen Mann nicht ermordet habe, die Polizei sucht mich doch.“

„Zehn Jahre“, sinnierte Quinn. „Ich weiß nicht, wo ich Sie hintun soll, Mister …“

„Lassen Sie mich erzählen, dann fällt Ihnen vielleicht mein Name wieder ein. Ich … dieser Butler … ich mag nicht, dass …“

„Das ist Silk Kirby. Er ist mehr als ein Butler. Er ist mein Freund und genießt mein volles Vertrauen. Sie können ohne Scheu reden.“

„Danke. Sir. Lassen Sie mich also beginnen. Vor zehn Jahren war ich verheiratet und, so glaube ich, einer der glücklichsten Männer der Welt. Ich war Ingenieur und hatte in meinem Beruf Erfolg. Ich hatte gerade einen Vertrag über einen Posten in Honduras unterschrieben. Meine Frau und ich feierten das. Es war ein wunderbarer Abend. Die Erinnerung daran war das einzige, das mir geholfen hat, den Lebenswillen nicht ganz zu verlieren.“

Der Fremde hielt inne. „Silk, bring dem Herrn etwas zu trinken“, sagte Quinn. „Vielleicht einen Brandy?“, wandte er sich an den Besucher.

„Danke“, entgegnete der Fremde.

Während Silk an die kleine Bar trat und ein Glas füllte, ohne die Augen auch nur eine Sekunde von dem nächtlichen Besucher zu wenden, fuhr dieser fort.

„Wir waren mit einem Taxi auf dem Nachhauseweg. Als wir am Ziel waren und dort ausstiegen, krachten plötzlich Schüsse. Es muss sich um eine Straßenschlacht zwischen zwei Gangsterbanden gehandelt haben. Durch eine verirrte Kugel wurde meine Frau getötet, und zwar von einem gewissen Steve McClod.“

Quinn nickte. „Jetzt entsinne ich mich, und es freut mich, Sie wiederzusehen, Mister Ainsley, Clyde Ainsley, nicht wahr? Trinken Sie jetzt! Ich darf Ihren Bericht fortsetzen. Ehe Sie geheiratet hatten, waren Sie lange Zeit in Honduras gewesen und hatten sich dort eine Tropenkrankheit zugezogen. Sie befanden sich auch einige Zeit wegen einer Geisteskrankheit in einer Heilanstalt und waren völlig ausgeheilt. Als Ihre Frau von jenem Verbrecher getötet wurde, erlitten Sie jedoch einen Rückfall. Sie liefen Amok und einem anderen Gangster direkt vor die Revolvermündung. Wieso Sie damals nicht ums Leben kamen, ist mir heute noch ein Rätsel. Sie schlugen den Mann mit dem Revolver nieder, nahmen ihm die Waffe weg und schlugen ihm den Schädel ein. Dann hörten Sie, der Anführer der Bande wäre Steve McClod, und machten sich auf die Suche nach ihm. Bis die Polizei kam, waren Sie bereits von dem Schauplatz des Verbrechens verschwunden, bewaffnet und nicht mehr Herr Ihrer Sinne.“

Clyde Ainsley war zusammengezuckt, als bereite ihm die Erinnerung an jenen Schreckenstag körperliche Schmerzen. Mechanisch öffnete er den Mund und berichtete: „Ich spürte Steve McClod auf, trieb ihn in ein Haus und versuchte, ihn zu töten. Ich tat mein Bestes, aber ich hatte so viel mitgemacht und war so geschwächt, dass er entkam. Und dann kam die Polizei.“

„Und ich“, sagte Quinn. „Niemand hat es Ihnen besonders übelgenommen, dass Sie diesen Gangster getötet haben, aber man stellte Sie unter ärztliche Aufsicht. Und dann drehten Sie durch. Ich riet, Sie durch einen Psychiater untersuchen zu lassen, und es stellte sich heraus, dass Sie tatsächlich geistesgestört waren. Fahren Sie jetzt fort!“

Ainsley schüttete den Rest seines Brandys hinunter, gab das Glas mit einem gemurmelten „Danke!“ an Silk zurück und berichtete weiter: „Beinahe zehn Jahre lang war ich Patient in einer Anstalt für Geistesgestörte. Gestern beschloss ich, einen kleinen Spaziergang zu machen. Man hatte Vertrauen zu mir, und so konnte ich einfach weggehen. Ich wollte die Stadt wiedersehen und das Grab meiner Frau besuchen. Man ließ mich nämlich nie dorthin, wissen Sie. Nicht einmal an ihrer Beerdigung durfte ich teilnehmen. Das hat mir besonders wehgetan.“

„Sie müssen jetzt vergessen, was einmal war“, redete Quinn ihm zu. „Erzählen Sie mir, was geschah, nachdem Sie die Anstalt verlassen hatten.“

„Ich hatte nur sehr wenig Geld. Die erste Nacht schlief ich in einer Scheune. Ich kam heute Morgen hier an. Ich wusste, dass man nach mir suchte. Ich hatte eine Radiodurchsage gehört, aber ich wollte nicht zurück. Ich besuchte den Friedhof, und dann fühlte ich mich besser, viel besser. Mir war es ganz egal, ob sie mich jetzt zurückbrachten oder nicht. Ich stand endlich am Grab meiner bedauernswerten Frau, und dann sah ich ihn!“

„Sie meinen Steve McClod?“, fragte Quinn.

Ainsley nickte mit düsterer Miene.

„Wo haben Sie ihn gesehen?“, fragte Quinn weiter.

„Ich weiß es nicht. Mir ist die Stadt nicht mehr so vertraut, wie sie es früher einmal war. Ich folgte ihm jedenfalls. Ich weiß nicht recht, was ich eigentlich unternehmen wollte, aber ich spürte den Zwang in mir, ihn im Auge zu behalten. Er ging in ein ziemlich düsteres Viertel der Stadt und betrat dort ein Haus. Ich war dicht hinter ihm. Unter einer Glocke war eine Karte angebracht, die seinen Namen trug. Ich ging die Treppe hinauf, fand sein Zimmer und klopfte. Die Tür ging auf. Es war ganz dunkel. Der Korridor war unbeleuchtet. Ich hatte das gar nicht bemerkt. Ich weiß nicht, was dann geschah. Ich weiß nur, dass ich dann einen Toten sah.“

„War es Steve McClod?“