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Ein bildhübsches, junges Mädchen wird ermordet. Nur Staatsanwalt Tony Quinn ahnt, dass der Mord an ihr Teil eines mörderischen Komplotts ist. Die Schwarze Fledermaus steht vor dem menschgewordenen Grauen.
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Seitenzahl: 169
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In dieser Reihe bisher erschienen
6001 – Der Anschlag von G. W. Jones
6002 – Der Sarg von G. W. Jones
6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones
6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder
6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek
6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones
6007 – Die Spione von G. W. Jones
6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones
6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones
6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones
6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones
6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones
6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones
6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones
6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones
6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones
6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones
6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones
6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones
6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones
6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones
6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones
6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones
6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones
6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones
6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones
6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones
6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones
6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones
6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones
6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones
6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones
6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones
6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones
6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones
6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones
6037 – Bunte Steine von G. W. Jones
6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones
6039 – Verräterische Spuren von G. W. Jones
6040 – Regie des Todes von G. W. Jones
6041 – Wer überlebt, stirbt! von G. W. Jones
6042 – Quinn unter Verdacht von G. W. Jones
6043 – Wölfe jagen im Rudel von G. W. Jones
6044 – Das Versteck am See von G. W. Jones
6045 – Johnny Hampelmann von G. W. Jones
6046 – Der Todeskandidat von G. W. Jones
6047 – Der vergessene Mord von G. W. Jones
6048 – In der Stadt lauert der Tod von G. W. Jones
6049 – Die Giftschlange von G. W. Jones
6050 – Geister der Vergangenheit von G. W. Jones
6051 – Der Mordmacher von G. W. Jones
6052 – Die Lügenmörder von G. W. Jones
6053 – Stadt aus Hass von G. W. Jones
6054 – Mord im Rathaus von G. W. Jones
6055 – Der sterbende Millionär von G. W. Jones
6056 – Die Bande der jungen Mörder von G. W. Jones
6057 – Die verschwundene Million von G. W. Jones
6058 – Die Dokumente des Selbstmörders von G. W. Jones
6059 – Mörderstadt von G. W. Jones
6060 – Das perfekte Böse von G. W. Jones
6061 – Der Meistermörder von G. W. Jones
6062 – Unter Druck von G. W. Jones
6063 – Die Liga der gesichtslosen Männer von G. W. Jones
6064 – Verhängnisvolle Erbschaft von G. W. Jones
6065 – Der unschuldige Mörder von G. W. Jones
6066 – Sexy und tödlich von G. W. Jones
6067 – Zwei Fälle für Tony Quinn von A. S. Jones
Die schwarze Fledermaus
Buch 64
Titelinfo
Mord
Kein Routinefall
Die Schwarze Fledermaus und seine Freunde
Die Identifizierung des Killers
Befehl zum Mord
Das mysteriöse Haus
Ein weiterer Besuch
Die Aussage eines Sterbenden
Butch kommt ins Spiel
Ein Anruf aus Europa
Unterwelt-Methoden
Der Spielerkönig
Der menschliche Köder
Eine harte Nervenprobe
Der Killer
Im Hintergrund des Verbrechens
Kugeln im Rücken
Der Bluff des Blinden
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Mühlsteig 10 • A-6633 Biberwier
Redaktion: Danny Winter
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
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Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten
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ISBN: 978-3-68984-065-5
6064 vom 14.09.2024
Das Abenteuer Die Liga der gesichtslosen Männer erschien im Frühling 1952 unter dem Titel The dangerous Corpse in dem amerikanischen Magazin Black Book-Detective.
Aus dem Amerikanischen von W. Arnemann
Man sah es ihr auf den ersten Blick an, dass sie nicht hierhergehörte.
Ihre ganze Erscheinung stand in seltsamem Widerspruch zu diesem armseligen Viertel, den billigen Läden, den schäbigen Kneipen. Trotz ihrer schlichten, unaufdringlichen Kleidung fiel ihre außerordentliche Schönheit auf. Ihre Frisur war offensichtlich das Werk eines erstklassigen Haarkünstlers, und ihrer makellosen Haut merkte man den Gebrauch teurer Kosmetika an.
Zwei Männer pfiffen, als sie an ihnen vorbeikam, und machten ein paar anzügliche Bemerkungen. Sie setzte ihren Weg so ruhig und unbeirrt fort, dass die Männer verstummten.
Sie sah sich suchend um und blieb schließlich vor einem Laden stehen. Das Schaufenster trug die folgende Inschrift:
MAURICE ROBARD
BILDHAUER-BEDARF
Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie eintrat, und musterte ihr Spiegelbild in der Glasscheibe. Es zeigte ihr ein sehr schönes Mädchen von Anfang zwanzig, mit kastanienbraunem Haar und hellblauen Augen. Nur bei näherem Hinsehen bemerkte man die Fältchen und dunklen Ringe um ihre Augen und die Glanzlosigkeit ihres Blickes. Es sah aus, als hätte sie seit Wochen keinen Schlaf gehabt.
Schließlich riss sie sich zusammen, öffnete die Ladentür und trat ein.
Der Laden war mit Gipsbüsten, Statuen und Bildhauerwerkzeug aller Art vollgestopft. Ein Mann, offenbar Robard, der Besitzer, kam hinter einem schmutzigen Vorhang zum Vorschein, der den Laden von einer Art Werkstatt trennte. Robard war ein kleiner Mann mit einem Vollbart und Lachfalten um die Augen. Er trocknete sich die Hände an seiner Schürze ab und fragte mit einer leichten Verbeugung: „Bitte, Mademoiselle?“
„Ich suche jemanden“, antwortete sie. „Er bildhauert ein wenig. Darum dachte ich, Sie kennen ihn vielleicht als Kunden.“
Robard verbeugte sich wieder. „Ich will Mademoiselle gern helfen, wenn ich kann. Wie heißt dieser Herr?“
Sie zögerte. „Es könnte sein, dass er sich unter einem anderen Namen vorgestellt hat. Im Allgemeinen nennt man ihn Whitey wegen seines weißblonden Haars.“
„Weißblondes Haar?“ Robard runzelte nachdenklich die Stirn. „Ja, ein blonder Herr war neulich hier.“
„Oh, bitte!“, rief sie spontan. „Whitey ist fast zwei Meter groß, schlank, gut aussehend, etwa fünfunddreißig.“
Robard unterbrach sie mit einer Handbewegung. „Tut mir leid, Mademoiselle, dann war es ein anderer. Der Mann, den ich meine, war klein und dick und ziemlich hässlich.“
Enttäuschung malte sich auf ihrem schönen Gesicht.
„Dann kann er es nicht sein. Wissen Sie, mein Bekannter ist Amateur-Bildhauer. Wenn er bei Ihnen Werkzeug gekauft hat, so hat er wahrscheinlich anderes ausgewählt als ein Berufsbildhauer.“
Robard schüttelte den Kopf. „Es tut mir wirklich leid, Mademoiselle, aber ich kann Ihnen nicht helfen. Ich kenne den Mann nicht, den Sie suchen.“
„Ich danke Ihnen trotzdem“, erwiderte sie. „Sie waren sehr freundlich.“
„Bitte, bitte! Auf Wiedersehen, Mademoiselle!“
„Au revoir“, antwortete sie automatisch. Offenbar war sie sich gar nicht bewusst, dass sie Französisch gesprochen hatte. Ihre Aussprache war perfekt.
Robard sah ihr nach, als sie die Straße hinunterging. Ihr Gang und ihre Haltung drückten tiefe Hoffnungslosigkeit aus. Robard zuckte die Achseln und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Das Mädchen ging noch ein paar Häuserblocks weiter und trat dann in einen Torweg. Sie öffnete ihre Handtasche, zählte ihr spärliches Kleingeld und nahm dann ein kleines Päckchen heraus. Sie öffnete es, und ein kostbares Halsband kam zum Vorschein. Seufzend wandte sie sich nach der gegenüberliegenden Straßenseite, wo sich der Laden eines Pfandleihers befand. Sie trat ein und ging ohne Zögern auf den kleinen Drahtkäfig zu, in dem der Pfandleiher thronte. Man merkte, dass sie nicht zum ersten Mal einen solchen Ort aufsuchte.
„Wie viel kann ich dafür bekommen?“, fragte sie und legte das Halsband auf den Ladentisch. „Es ist mein rechtmäßiges Eigentum und nicht gestohlen.“
Der Mann musterte das Schmuckstück durch seine Lupe. „Das will ich Ihnen gern glauben, meine Dame. Es ist eine Schöpfung von Tiffany, nicht wahr?“
„Ja.“
„Dreihundert“, bot er ihr an. „Dann wird es Ihnen nicht so schwerfallen, es wieder auszulösen.“
„Ich werde es nicht wieder auslösen. Ich möchte so viel wie möglich dafür haben.“
„Vierhundert?“
„Es ist zehnmal mehr wert. Aber meinetwegen, vierhundert. In kleinen Scheinen.“
Er nickte, griff nach dem Pfandscheinblock und fragte nach ihrem Namen. Sie zögerte eine Sekunde. Dann sagte sie: „Beatrice Simmons, Gienrock Avenue 233.“
Er schrieb den Namen hin, riss den Pfandschein ab und reichte ihn ihr. Dann holte er eine Kassette aus seinem Safe und zählte ihr vierhundert Dollar in Fünf-, Zehn- und Zwanzigdollarscheinen hin.
Sie nahm das Geld, faltete es sorgfältig zusammen und steckte es in ihre Handtasche.
„Danke.“
Sie nickte ihm kurz zu und verließ den Laden.
Der Pfandleiher sah ihr neugierig nach. Er beobachtete, wie sie einen Häuserblock weiterging, dann die Straße überquerte und auf ein hässliches altes Ziegelhaus zuging. Sie zog einen Schlüssel aus der Tasche, schloss die Haustür auf und verschwand.
Der Pfandleiher zuckte die Achseln. Auch sie hatte ihm also einen falschen Namen angegeben. Wie die meisten, die zu ihm kamen. Einen falschen Namen und eine falsche Adresse. Er besah sich das Halsband noch einmal und blätterte dann die polizeilichen Hinweise auf gestohlene Schmuckstücke durch. Das Halsband wurde nirgends erwähnt. Er schloss es in seinen Safe ein. In dieser Gegend war es nicht ratsam, eine solche Kostbarkeit öffentlich zur Schau zu stellen.
So sah der Pfandleiher nicht mehr, wie das Mädchen nach einer Weile wieder aus dem Haus kam.
Diesmal schlug sie die entgegengesetzte Richtung ein. Sie ging langsam und mutlos, als sei sie seit Tagen oder Wochen unterwegs.
Ein paar Blocks nordwärts stand eine Imbissbude in einer Baulücke. Sie trat ein und setzte sich auf einen Hocker an der Theke.
Der Besitzer der Bude war über fünfzig, hatte ein dickes, rotes Gesicht und eine Glatze. Er war in Hemdsärmeln. Aber er begrüßte sie mit ausgesuchter Höflichkeit. Alle Leute waren besonders höflich zu ihr.
„Ich möchte Kaffee und ein Spiegelei auf Brot“, sagte sie. „Und haben Sie in letzter Zeit Whitey gesehen?“
„Whitey?“ Er starrte sie verwundert an. „Wen meinen Sie?“
„Alle nennen ihn Whitey“, antwortete sie. „Ich weiß, dass er manchmal hierherkommt.“
„Nicht, dass ich wüsste.“
„Dann entschuldigen Sie.“
Er machte sich daran, das Spiegelei zuzubereiten. Als er fertig war, fragte er, ohne sich umzuwenden: „Mit Pfeffer und Salz?“
Keine Antwort.
Er drehte sich um.
Das Mädchen war fort. Auf der Theke lag eine Dollarnote.
* * *
Stunden später kehrte das Mädchen wieder in diese Gegend zurück. Ihre Schritte waren schleppend, ihre Schultern hingen müde herunter. Sie stieg wieder die Stufen zu dem alten Ziegelhaus hinauf, schloss die Haustür auf und kletterte zwei Treppen hoch. Oben öffnete sie mit demselben Schlüssel, betrat ein schäbiges Zimmer und knipste das Licht an.
Dann hielt sie erschrocken ein. „Joe!“, entfuhr es ihr.
Ein Mann richtete sich auf dem schmalen Bett auf. Er hatte offenbar, während er wartete, eine ganze Anzahl Zigaretten geraucht und an der Wand ausgedrückt. Er sah brutal aus mit seinem Stiernacken und den funkelnden kleinen Augen.
Jetzt setzte er sich auf und schwang die Füße über den Bettrand.
„Hey, Baby!“, brummte er mit zynischem Grinsen. „Mich hast du nicht erwartet, was? Hast geglaubt, du kannst einen Idioten aus mir machen? Aus mir hat noch kein Weibsbild einen Idioten gemacht!“
Unwillkürlich hob sie die Stimme. „Lass dir erklären, Joe.“
Er schrie sie zornig an: „Du glaubst, du bist was Besseres, wie? Du bist genau wie alle anderen, nur schlauer. Aber jetzt reicht’s mir!“
„Joe!“ Sie wich zurück, als er ihr drohend näher kam. „Joe, hör doch! Ich habe deine Hilfe gebraucht, ich ...“
Er ließ sie nicht zu Wort kommen. „Warte, du Luder!“
Sie schrie entsetzt auf. „Joe! Tu mir nichts!“
Irgendwo im Treppenhaus ging eine Tür. Eine tiefe Männerstimme rief: „Ruhe!“
Joe achtete nicht darauf. Er hatte das Mädchen in eine Ecke gedrängt und streckte jetzt drohend die klobigen Hände nach ihr aus.
„Dir werd ich’s zeigen! Mit mir kann das keine machen, mit mir nicht! Nur damit du Bescheid weißt!“
„Joe!“ Ihre Stimme überschlug sich vor Angst. „Joe Keeley! Nicht! Bitte, nicht!“
Eine andere Tür öffnete sich irgendwo im Haus. Diesmal war es eine Frauenstimme, die sich über den Lärm beschwerte.
„Lasst euch scheiden, zum Donnerwetter! Aber lasst anständige Leute in Ruhe schlafen!“
Das Mädchen wich plötzlich seitwärts aus und versuchte, die Tür zu erreichen. Aber der Mann war bei ihr, als sie gerade die Hand auf die Klinke legte. Er packte sie grob am Arm und riss sie ins Zimmer zurück.
Verzweifelt wehrte sie sich. Sie sprang ihn an wie eine Katze und brachte ihm eine tiefe Kratzwunde an der Wange bei.
Seine Halsadern schwollen an vor Zorn. Er schleuderte sie aufs Bett, und seine Hände schlossen sich um ihre Kehle. Unerbittlich drückte er zu, bis sie aufhörte, sich zu wehren, und ihre Gestalt erschlaffte.
Dann erst ließ er sie los und richtete sich auf. „So, den Denkzettel wirst du nicht so leicht vergessen“, knirschte er. „Und jetzt steh auf!“
Er erhielt keine Antwort. Sie rührte sich nicht.
„Aufstehen, hörst du?“, wiederholte er zornig.
Als sie immer noch nicht gehorchte, schlug er sie ins Gesicht. Ihr Kopf fiel zur Seite und blieb so liegen. Er wurde stutzig, schüttelte sie, erstarrte, als er ihre blicklosen Augen sah.
Hastig ergriff er ihr Handgelenk. Kein Puls war zu fühlen. Er beugte sich über sie und horchte an ihrer Brust.
Dann richtete er sich auf. In seinen Augen stand nacktes Entsetzen.
„Tot“, murmelte er tonlos. „Das wollte ich nicht. Wirklich nicht.“
Er wich zurück, schaute ungläubig seine Hände an, als könnte er noch nicht fassen, was sie angerichtet hatten. Dann wandte er sich rasch um und rannte zur Tür. Er riss sie auf und stürzte in den Flur hinaus.
Jemand kam die Treppe herauf.
Der Mörder zwang sich dazu, seinen Schritt zu verlangsamen. Er wischte sich mit einem Taschentuch das Blut von der Kratzwunde.
Der Mann, der die Treppe heraufkam, warf ihm kaum mehr als einen mürrischen, gleichgültigen Blick zu und ging weiter.
Der Mörder ging die Treppe hinunter. Unten begann er wieder zu laufen. Er rannte die Straße entlang bis zur nächsten Ecke. Als er eine blaue Uniform sah, verlangsamte er den Schritt. Er schlenderte mit erzwungener Ruhe an dem Polizisten vorbei und pfiff sogar vor sich hin. Der Polizist beachtete ihn nicht.
Endlich gelangte er in eine Seitenstraße. Und nun rannte er wie gejagt, ohne sich umzusehen. Fort aus diesem Viertel, fort von dem schäbigen alten Ziegelhaus, fort von der Toten auf dem schmalen Bett.
Der große Polizeiwagen kam mit heulender Sirene angejagt. Der Mann, der neben dem Fahrer saß, steckte sich ein Abzeichen an den Rockaufschlag. Darauf stand INSPEKTOR.
Inspektor McGrath war ein vierschrötiger, bulliger Mann mit ergrauendem Schnurrbart und wachen, misstrauischen Augen. Er trug Zivilkleidung.
Als er aus dem Wagen stieg, nahmen zwei uniformierte Polizisten Haltung an.
„Guten Abend, Inspektor McGrath!“, grüßte der eine.
McGrath nickte. „Hallo, Brady! Na, was gibt’s?“
Der Polizist deutete nach oben.
„Zweiter Stock. Ein Mädchen erwürgt. Leutnant Grogan nimmt alles auf. Scheint so das Übliche zu sein.“
„Hm“, brummte McGrath.
Er stieg schwerfällig die Treppe hinauf. Das Übliche ... Wie oft schon war er so in irgendein fremdes Haus gerufen worden, in dem eine Leiche lag.
Im zweiten Stock empfing ihn Leutnant Grogan. Bei ihm waren ein mürrischer Mann von nichtssagendem Aussehen, eine fette Frau in einem verblichenen rosa Schlafrock und ein rotgesichtiger Mann von Mitte fünfzig, der nur mit Hose und Unterhemd bekleidet war.
„Also?“, fragte Inspektor McGrath.
Bevor Leutnant Grogan noch antworten konnte, überschüttete ihn die Frau mit einem aufgeregten Wortschwall.
„Ich hab alles gehört, Inspektor! Sie stritten und rauften sich wie die Wilden! Machten einen Krach, dass das ganze Haus dröhnte! Ich schrie noch, sie sollten Ruhe geben. Aber sie ...“
„Wie heißen Sie?“, unterbrach McGrath die Frau.
„Minnie Fay“, antwortete sie und fuhr in einem Atem fort: „Und ich habe gehört, wie sie seinen Namen rief. Tu mir nichts!, rief sie. Bitte nicht! Oder so ähnlich.“
McGrath fragte: „Wer war der Kerl? Ihr Mann?“
„Sie hatte keinen Mann, soviel ich weiß“, sagte die Nachbarin. „Aber er hieß Joe. Ich hörte, wie sie ihn Joe nannte.“
„Joe? Das hilft uns nicht viel weiter“, brummte der Inspektor. Dann wandte er sich dem rotgesichtigen Mann im Unterhemd zu. „Und wer sind Sie?“
„Ich? Na, ich wohne doch zwei Türen weiter. Hab sie oft gesehen, wenn sie ging oder kam. War eine hübsche Person. Hat nicht lange hier gewohnt. Vielleicht acht, zehn Tage. Hat nie einen Mann mit nach Hause gebracht, soviel ich weiß. Nein, sie war eine recht anständige Person.“
„So. Und was haben Sie gehört?“
„Dass sie ihn Joe rief.“
„Haben Sie niemanden gesehen?“
„Nein. Ich habe hinaufgerufen, sie sollen still sein. Gesehen hab ich keinen.“
„Eine große Hilfe“, knurrte McGrath ärgerlich. Dann fragte er den unscheinbaren Mann, der bisher nichts gesagt hatte: „Und Sie?“
Der kleine Mann war offenbar nervös. Seine schiefergrauen Augen blinzelten unsicher, und sein Adamsapfel bewegte sich unruhig auf und ab.
„Ich ... ich heiße Benny. Benny Loper“, sagte der Mann. „Ich wohne hier. Ich kam gerade nach Hause. Ich habe nichts gehört. Kein Wort.“
„Was wollen Sie dann überhaupt hier?“, fragte der Inspektor unwirsch.
„Hm, ich glaube, ich habe den Mörder gesehen“, erklärte Loper. „Ich traf einen Mann auf der Treppe. Und ich bin sicher, er kam aus dem Zimmer des Mädchens. Ich hab es dem Leutnant schon gesagt. Es war ein großer, kräftiger Kerl. Einer, mit dem man nicht gern anbinden möchte. Und er sah aus, als hätte er Angst.“
„Haben Sie ihn früher schon mal gesehen?“, fragte McGrath.
Benny Loper schüttelte den Kopf. „Nein, bestimmt nicht. Aber ich würde ihn wiedererkennen.“
Leutnant Grogan schaltete sich ein.
„Ich habe die genaue Beschreibung aufgenommen, Inspektor.“
„Gut. Wann ist die Leiche gefunden worden?“
Grogan sah in seine Notizen. „Loper ist nach seiner Aussage um halb zehn nach Hause gekommen, als er diesen Mann sah. Aber er hatte nichts von dem Handgemenge gehört, und so ging er ruhig auf sein Zimmer. Er hörte dann etwa um Viertel nach elf die Hausbesitzerin schreien, als sie die Leiche fand. Sie war heraufgekommen, um eine neue Glühbirne im Treppenflur einzuschrauben. Sie sah die Tür zum Zimmer des Mädchens offenstehen und schaute hinein. Das Mädchen lag tot auf dem Bett.“
McGrath nickte. „Gut. Gehen wir hinein.“
Sie betraten das Zimmer.
McGrath sah sich die Tote an. Selbst jetzt sah man, dass sie nicht hierhergehörte.
Dann machte er sich an die Untersuchung des Zimmers. Es sah wüst aus. Schubladen waren herausgerissen und der Inhalt auf dem Fußboden verstreut worden. Ein Stuhl war umgekippt und seine Polsterung aufgeschnitten und durchwühlt worden. Selbst die paar armseligen Drucke waren von den Wänden gerissen und ihre Rahmen zerbrochen worden.
Als McGrath um das Bett herumging, trat er auf etwas Hartes. Er bückte sich und hob eine feine Drahtzange auf. Nachdenklich runzelte er die Stirn. Dann beugte er sich über die Leiche und besah sich die Hände der Toten, ohne sie zu berühren. Im Mittelfinger der linken Hand befand sich eine tiefe Kerbe, aber kein Blut war zu sehen. Offenbar hatte das Mädchen an diesem Finger jahrelang einen zu engen Ring getragen.
McGrath machte sich daran, die Kleidungsstücke zu untersuchen, die verstreut auf dem Boden umherlagen. Einige von ihnen trugen innen die Etiketten teurer Modefirmen.
Er öffnete den Schrank. Ein Koffer stand darin, der mit zahlreichen Plaketten von Luxushotels und Schifffahrtslinien beklebt war.
Gedankenvoll starrte er durchs Fenster auf die nackte graue Wand des Luftschachts. Schließlich ging er zum Bett zurück und sah kopfschüttelnd auf das Mädchen hinunter.
„Armes Kind“, murmelte er. „Du passtest nicht hierher. Was hast du hier gewollt, was hast du gesucht? Ich werde es herausfinden. Und ich werde den Kerl kriegen, der dich ermordet hat.“
Er ging zur Tür. „Wo ist das Telefon?“, bellte er.