Die Schwarze Fledermaus 42: Quinn unter Verdacht - G.W. Jones - E-Book

Die Schwarze Fledermaus 42: Quinn unter Verdacht E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Staatsanwalt Tony Quinn ist bekannt für seine humane Einstellung und seinen untadeligen Charakter. Dieser Kämpfer für Recht und Ordnung wird jedoch bezichtigt, einen Unschuldigen auf den elektrischen Stuhl gebracht zu haben. Seine steile Karriere als Staatsanwalt scheint beendet.

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Seitenzahl: 162

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 42

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

6039 – Verräterische Spuren von G. W. Jones

6040 – Regie des Todes von G. W. Jones

6041 – Wer überlebt, stirbt! von G. W. Jones

6042 – Quinn unter Verdacht von G. W. Jones

G. W. Jones

Quinn unter Verdacht

Aus dem Amerikanischenvon W. Arnemann

Das Abenteuer Quinn unter Verdacht erschien im Herbst 1946 unter dem Titel With Malice Aforethought in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Tony Quinn

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-042-0Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1. Kapitel

Der blinde Staatsanwalt Tony Quinn saß in einem tiefen Ledersessel am Kamin seiner Bibliothek, den leeren Blick seiner starren Augen auf die Flammen gerichtet. Seine Hände krampften sich so fest um den Knauf seines weißen Blindenstockes, den er zwischen den Knien hielt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Irgendwo im Haus schlug eine Uhr elf. Quinn zuckte zusammen. Am Vormittag desselben Tages, Punkt elf Uhr, hatte die Hinrichtung John Todds stattgefunden …

Leise trat Silk, sein Butler und Vertrauter, ins Zimmer. Er stellte ein Tablett mit der Whiskyflasche, Soda und einem Glas auf den Tisch und schenkte ein. „Ich dachte mir, dass Sie einen kleinen Drink nötig haben, Sir“, sagte er. „Ich weiß, wie nahe Ihnen so was geht.“

„Danke, Silk“, murmelte Quinn, ohne sich zu rühren. „Einen doppelten sogar. Ja, Silk, es gibt Tage im Leben eines Staatsanwalts, an denen einem die Last der Verantwortung zu erdrücken droht. Am Tag einer solchen Hinrichtung habe ich das Gefühl, selbst einen Menschen getötet zu haben.“

„So dürfen Sie das nicht sehen, Sir!“, wandte Silk energisch ein. „Sie haben dafür gesorgt, dass ein Mörder zum Tode verurteilt wurde. Das war Ihre Pflicht. Und er hat den Tod verdient.“

„Ich weiß“, seufzte Quinn. „Ich habe den Fall nach bestem Wissen und Gewissen geführt. Ich bin überzeugt, dass John Todd zu Recht hingerichtet wurde. Er hat seinen gütigen alten Onkel ermordet. Es war heimtückischer, vorbedachter Mord aus Habgier. Trotzdem ist es kein angenehmer Gedanke, dass ich es war, der beantragen musste, John Todd vom Leben zum Tode zu befördern. Schließlich ist auch ein Mörder ein menschliches Wesen …“

Silk reichte Quinn einen steifen Drink und mixte sich selbst auch einen.

„Es war kein besonders interessanter Fall“, bemerkte er kopfschüttelnd. „Ein Dummkopf, der den natürlichen Tod seines wohlhabenden Onkels nicht abwarten konnte. Was hat er davon? Außer der Erbschaft hat er sein eigenes Leben verloren.“

„Stimmt, es war kein besonders interessanter Fall“, bestätigte Quinn und erlebte ihn in Gedanken noch einmal.

John Todd brauchte schnell Geld. Seine einzige Hoffnung war das Vermögen seines Onkels gewesen. Und da dieser nicht von selbst starb, glaubte er, nachhelfen zu müssen, Wilbur Stone, der alte Onkel, pflegte aus­gedehnte Frühspaziergänge zu machen. Todd wusste das und richtete es so ein, dass er um die Zeit mit dem Wagen durch den Wald kam. Er überfuhr den alten Mann, stieg aus und vergewisserte sich, dass er tot war. Er hatte alles gut geplant. Es sollte so aussehen, als wäre es ein Unfall mit Fahrerflucht gewesen. Aber kein Verbrecher ist vor unvorhergesehenen Zufällen sicher. Todd konnte nicht wissen, dass zwei Männer ihn kurz vor dem Unfall in ­seinem Wagen gesehen hatten. Und ein Jäger sah die ganze Sache aus einem Gebüsch mit an. Das wurde Todd zum Verhängnis.

Quinn sagte nachdenklich: „Todd hat bis zuletzt seine Schuld geleugnet und Vollzugsaufschub gefordert. Aber die Zeugen besiegelten durch ihre Aussagen sein Schicksal.“

„Die Zeugen, und der Staatsanwalt, der die Anklage gegen ihn erhob“, ergänzte Silk. „Ihr Plädoyer war großartig, Sir, und Ihre Beweisführung unwiderlegbar. Todds Verteidiger war völlig hilflos.“

„Der arme Lawton Leslie“, sagte Quinn mit einem flüchtigen Lächeln. „Ich glaube, er hätte mir am liebsten den Hals umgedreht. Dabei wusste er nicht einmal, dass ich noch einen weiteren Zeugen hätte vorladen können.“

„Einen weiteren Zeugen?“, fragte Silk überrascht. „Ich wusste gar nicht, dass es noch einen gab.“

„Das wissen die wenigsten“, erwiderte Quinn. „Die Umstände waren etwas ungewöhnlich. Du erinnerst dich. Der sogenannte Unfall ereignete sich im Wald, nahe der Grenze meines Amtsbereiches. Auf der einen Seite der Straße ist das Gebüsch, von dem aus Brad Cowan, der Jäger, alles beobachten konnte. Auf der anderen Seite befindet sich ein hoher Zaun, der den Garten eines großen Waisenhauses begrenzt.“

„Ich erinnere mich“, sagte Silk.

„In dem Waisenhaus lebt auch ein etwa zwölfjähriger Junge namens Kip Evans. Er fühlte sich dort sehr unglücklich und war im Begriff, auszubrechen. Gerade als er über den Zaun kletterte, kam Todd mit seinem Wagen angefahren. Der Junge wurde unfreiwillig Zeuge des Verbrechens. Was er sah, erschreckte ihn derart, dass er eiligst wieder zurückkletterte und sich in den Schlafsaal schlich. Sein Fehlen war noch gar nicht bemerkt worden.“

„Das war also der Junge, der in Ihr Büro kam und Sie allein sprechen wollte? Sie sagten mir damals nicht, was er Ihnen erzählt hatte.“

„Ich versprach ihm Stillschweigen. Er hielt es für seine Pflicht, mir seine Beobachtungen mitzuteilen, bat mich aber, nur im äußersten Notfall davon Gebrauch zu machen. Er hatte Angst, man würde ihn im Waisenhaus schlecht behandeln, wenn man von seinem Ausbruchsversuch erfuhr. Da ich genug Zeugen gegen John Todd zur Verfügung hatte, verzichtete ich auf Kips Aussage. Ich habe hinterher nur Rechtsanwalt Leslie davon erzählt, um ihn von der Schuld seines Klienten zu überzeugen.“

„Ich möchte wissen, ob Leslie es wirklich ist, jetzt, da sein Klient tot ist“, bemerkte Silk.

Kaum dass er ausgesprochen hatte, klingelte es. Silk stellte sein Glas weg und öffnete die Tür. Ein Besuch zu dieser Stunde war nichts Außergewöhnliches. Ein Staatsanwalt kann sich nicht nur an die Dienststunden halten, und Verbrecher tun das ebenso wenig.

Quinn hatte im Gespräch mit Silk die Maske der Blindheit fallenlassen, die er sonst immer zur Schau trug, wenn er sich beobachtet wusste. Jetzt nahmen seine Augen wieder den starren, Blicklosen Ausdruck an, und seine ganze Haltung wurde unsicher wie die eines Blinden.

Erregte Stimmen und Schritte näherten sich. Der Besucher stürmte ins Zimmer, gefolgt von Silk. Quinn sah ihn und schätzte ihn mit einem Blick ab. Aber das konnte der Besucher nicht wissen. Es war ein großer Mann mit braungebranntem Gesicht und der gesunden Farbe eines Menschen, der sich viel in frischer Luft aufhält. Jetzt waren seine Züge verschreckt.

Quinn sagte: „Sie müssen wissen, dass ich blind bin. Ich kenne Ihre Schritte nicht. Sie müssen ein mir Fremder sein?“

„Ich heiße Raymond Alvin“, sagte der Mann. Er ließ sich auf einen Stuhl sinken und drehte nervös den Hut zwischen den Händen. „Ich komme zu spät, ich habe es mir schon gedacht! John Todd ist hingerichtet worden, nicht wahr?“

„Ja. Wenn nicht im letzten Augenblick ein Aufschub gewährt wurde, aber davon ist mir nichts bekannt. Warum interessiert Sie das, Mister Alvin?“

„Weil Todd unschuldig war!“, schrie Alvin außer sich. „Ich habe den alten Mann überfahren! Es war ein Unfall!“

Quinns Miene blieb unbewegt. Aber ein furchtbarer Schreck hatte ihn erfasst; denn wenn Alvins Behauptung stimmte, hatte er das Leben eines Unschuldigen auf dem Gewissen.

„Erklären Sie sich näher, Mister Alvin“, bat er tonlos.

Der Besucher begann: „Es war in der Morgendämmerung. Ich fuhr mit dem Wagen nach Hause. Und ich, ich hatte einen über den Durst getrunken, das heißt, um es ehrlich zu sagen: Ich war sternhagelvoll. Ich fuhr wie ein Idiot, habe den Alten überhaupt nicht gesehen, und spürte nur, wie etwas gegen den Kühler prallte.“

„Was für einen Wagen fuhren Sie, Mister Alvin?“, warf Quinn ein.

„Einen grauen Packard. Lassen Sie mich weitererzählen. Ich stoppte, wendete mit einiger Mühe und stieg aus. Ich sah sofort, dass der Mann tot war. Da verlor ich die Nerven. Ich fuhr nach Hause, so schnell ich konnte, brachte den Wagen weg und packte das Nötigste. Dann fuhr ich nach Kanada. Ich hatte dort eine Jagdhütte und mied jeglichen Kontakt mit der Außenwelt. Ich versteckte mich und wusste nicht, was weiter aus der Sache geworden war. Aber man kann nicht ewig vor seinem Gewissen davonlaufen. Ich musste eines Tages wieder zurückkommen. Hätte ich es doch bloß etwas früher getan!“

Er schloss die Augen und presste beide Hände gegen die Schläfen.

„Fahren Sie fort“, forderte Quinn ihn auf.

Alvin nahm sich zusammen.

„Gleich nach der Ankunft kaufte ich mir auf dem Bahnhof eine Zeitung. Sie können sich vorstellen, wie erpicht ich auf Neuigkeiten war. Schließlich hatte ich sieben Monate in der Wildnis verbracht. Das erste, was ich las, war die Notiz über die Hinrichtung. Ich hatte ja keine Ahnung, dass man den Tod des alten Wilbur Stone einem anderen zur Last gelegt hatte! Dabei habe ich ihn getötet. Aber es war kein Mord, sondern ein Unfall!“

„Sind Sie sofort nach der Lektüre der Nachricht zur mir gekommen?“, fragte Quinn.

„Nein. Ich rief zuerst im Gefängnis an. Man sagte mir, dass er soeben hingerichtet worden sei. Er schwor bis zuletzt, unschuldig zu sein. Und er war es auch, das weiß niemand besser als ich!“

Quinn sagte ernst: „Mister Alvin, sind Sie sich der vollen Bedeutung dieses Geständnisses bewusst? Ich habe Todd angeklagt, weil ich von seiner Täterschaft überzeugt war. Es gab Zeugen, die seine Schuld beschworen. Und das Gericht schloss sich meiner Überzeugung an.“

„Aber Sie irrten sich. Sie alle!“, schrie Alvin verzweifelt. „Ich war es! Ich habe Wilbur Stone überfahren! Mein Wagen steht noch in meiner Garage, wie ich ihn verlassen habe, mit eingebeulter, blutverkrusteter Stoßstange. Ich sage Ihnen, ein Unschuldiger ist für meine Tat hingerichtet worden!“

Quinns Gesicht war eine eisige Maske, als er sagte: „Mister Alvin, wenn Ihre Behauptungen wahr sind, werden Sie sich unter schwerer Anklage zu verantworten haben. Betrachten Sie sich als verhaftet. Silk, ruf Inspektor McGrath an und bitte ihn, sofort hierherzukommen, um Mister Alvin festzunehmen.“

„Nein!“

Mit einem Schrei sprang Alvin auf die Füße. Er zitterte vor Erregung am ganzen Körper. Erst jetzt schien ihm die volle Tragweite seines Geständnisses bewusst zu werden. Er hatte sich gestellt, schien aber nicht bereit, die Folgen seines Tuns auf sich zu nehmen.

„Ruf McGrath an, Silk!“, wiederholte Quinn fest, den dies sonderbar berührte.

Alvin griff blitzschnell nach seiner Hüfttasche, brachte einen vernickelten Revolver zum Vorschein und legte auf Silk an. Den blinden Staatsanwalt nahm er als Gegner nicht ernst.

„Wenn Sie das Telefon anrühren, schieße ich!“, drohte er. „Ich weiß, dass Sie kein Erbarmen mit mir hätten, Quinn! Ich will aber noch nicht sterben! Wenn einer von euch eine Bewegung zum Telefon macht, knalle ich ihn nieder!“

Silk hatte die Hände halb erhoben und zog sich rücklings zur Tür zurück, als wolle er Alvin den Ausgang versperren und es doch noch auf einen Kampf ankommen lassen. Alvin trat auf ihn zu, die Pistole in der Hand, einen Ausdruck wilder Entschlossenheit in den Augen. Da zuckte Silk die Achseln und trat beiseite. Alvin stürzte an ihm vorbei, jagte mit ein paar Sätzen durch die Halle, riss die Haustür auf und verschwand in der Nacht.

*

Quinn war blass wie der Tod.

„Silk!“, rief er in äußerster Erregung. „Wenn dieser Mann die Wahrheit sagt, habe ich eine furchtbare Schuld auf mein Gewissen geladen! Ein Justizirrtum, das ist das Schrecklichste, was einem Staatsanwalt passieren kann. Ich muss mir Gewissheit verschaffen. Ruf McGrath an. Oder nein, warte! Zuerst Butch. Er soll so schnell wie möglich herkommen. Dann verschaffe dir Raymond Alvins Adresse. Er behauptet, der Wagen, mit dem er Wilbur Stone überfahren hat, sei noch in seiner Garage. Butch soll sofort hinfahren und sich den Wagen ansehen. Wenn sich getrocknetes Blut an der Stoßstange findet, soll er etwas davon abkratzen, damit ich es untersuchen kann. Er soll es hierher bringen und den Zustand des Wagens in allen Einzelheiten beschreiben.“

Silk machte sich sofort an die Ausführung dieser Weisungen. Zunächst suchte er Alvins Adresse im Telefonbuch. Es gab nur einen Mann dieses Namens, und Silk ging von der Annahme aus, dass es ihr Besucher von vorhin war. Butch O’Leary ließ nach dem Anruf nicht lange auf sich warten. Eine Viertelstunde später war er zur Stelle, und Silk erklärte ihm, was von ihm erwartet wurde. Quinn hatte sich wieder in seinem Sessel am Kamin niedergelassen und wartete auf das Eintreffen des Polizeiinspektors. Mit Windeseile würde sich die Neuigkeit in der ganzen Stadt verbreiten. Und Quinn wusste, dass er schweren persönlichen Anfeindungen ausgesetzt sein würde. Es gab genug Leute in der Stadt, die ihn hassten und jede Gelegenheit ergreifen würden, ihm ein Bein zu stellen. Aber schlimmer als diese Aussicht war der Gedanke, vielleicht wirklich einen Unschuldigen auf den elektrischen Stuhl gebracht zu haben. Quinn war entschlossen, sofort sein Amt niederzulegen, wenn sich diese schreckliche Möglichkeit als Tatsache erweisen sollte. Er dachte an den Prozess zurück. Die Zeugenaussagen waren klar und eindeutig gewesen. Aber ­freilich konnten Zeugen lügen oder sich irren. Er hatte nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, von der Schuld John Todds felsenfest überzeugt. Hatte er sich getäuscht? Hatte sein verhängnisvoller Irrtum ein Menschenleben gekostet? Tony Quinn fühlte sich plötzlich um zehn Jahre gealtert. Er wusste, er würde keine ruhige Minute haben, bis er der Sache auf den Grund gegangen war. Und wenn er die Wahrheit erfuhr, und diese gegen ihn sprach, würde er seine Konsequenzen ziehen. Auch wenn das das Ende seiner Karriere bedeutete.

Schon einmal hatte es geschienen, als sollte seine Laufbahn als Staatsanwalt ein jähes Ende finden, an dem Tag nämlich, da ein überführter Verbrecher ihm im Gerichtssaal eine Flasche Säure ins Gesicht schleuderte. Dieser Racheakt kostete Quinn das Augenlicht. Er erblindete von einer Sekunde zur anderen. Und keiner der berühmten Ärzte, die er aufsuchte, konnte ihm helfen oder auch nur Hoffnung machen. Das war die schwärzeste Zeit im Leben Tony Quinns. Trotzdem ließ er sich vom Schicksal nicht unterkriegen. Er versuchte, sich mit dieser Blindheit abzufinden und weiterzuleben, so gut es ging. Er erlernte die Blindenschrift, lernte es, sich mithilfe seines weißen Blindenstocks vorwärts zu bewegen. Er nahm Silk Kirby als Butler, Sekretär, Fahrer und Blindenführer ins Haus. Und er fand einen kleinen Trost in der Tatsache, dass sich durch einen barmherzigen Ausgleich der Natur seine anderen Sinne entsprechend schärften: Geruch, Tastsinn, Gehör entwickelten sich zu ungewöhnlicher Feinheit.

Als er es längst aufgegeben hatte, auf eine Wendung seines Schicksals zu hoffen, trat, gegen jede Voraussicht, diese Kehrtwende doch noch ein. Eines Abends erhielt er den Besuch einer jungen Dame, was sein Leben mit einem Schlag zum zweiten Mal änderte.

Carol Baldwin war die Tochter eines Polizei­sergeanten, der in einer kleinen Stadt im Mittelwesten im Sterben lag, von der Kugel eines Gangsters tödlich getroffen. Es war Sergeant Baldwins letzter Wunsch, dem blinden Staats­anwalt Tony Quinn zu helfen, von dessen vielversprechender Karriere und tragischer Erblindung er in den Zeitungen gelesen hatte. Und er erklärte sich bereit, für Quinn die Netzhaut seiner Augen zu opfern. Dankbar nahm Quinn das ungewöhnliche Anerbieten an. Er reiste mit Carol zusammen in ihre Heimatstadt. Dort vollzog ein unbekannter, aber äußerst begabter junger Arzt die Netzhauttransplantation von den Augen des Sterbenden auf die des Blinden. Die Operation glückte. Kurze Zeit nach dem Tode Sergeant Baldwins konnte Tony Quinn wieder sehen. Ja, seine Augen waren nun schärfer als zuvor und obendrein mit einer seltsamen Nachtsichtigkeit begabt: Er konnte im Dunkeln alles ebenso klar unterscheiden wie am hellen Tag. Tony Quinn beschloss, seine Heilung vor der Öffentlichkeit geheim zu halten und nach außen hin weiter den Blinden zu spielen. Das verschaffte ihm einen unschätzbaren Vorteil über seine Feinde. Den Kampf gegen das Verbrechertum machte er sich von nun an zur Lebens­aufgabe. Und er führte ihn auf doppelte Weise, tagsüber als der blinde ­Staatsanwalt Tony Quinn, und nachts als der anonyme Rächer mit der Maske. In schwarzer Verkleidung und einer eng­anliegenden Seiden­maske vor dem Gesicht, so suchte er die Verbrecher in ihren Schlupfwinkeln auf und schlug ohne Erbarmen zu. Seine Verkleidung, besonders der schwarze Umhang, der ihm im Dunkel der Nacht die Umrisse eines großen Nachtvogels gab, brachte ihm den Namen Schwarze Fledermaus ein, jenen Namen, der in der Unterwelt sehr bald schon bekannt und gefürchtet war.

Ganz allein hätte die Schwarze Fledermaus den schweren Kampf gegen die Unterwelt von Chicago kaum bestehen können. Drei Freunde standen ihm dabei zur Seite. Drei, die mit ihm durch dick und dünn gingen. Da war zunächst Silk Kirby, sein Butler und Sekretär, der ihm längst mehr als ein Angestellter, nämlich ein wirklicher Freund und Vertrauter war.

Dann Carol Baldwin, mit der ihn eine tiefe Zuneigung verband. Carol war nicht nur eine liebende Frau, sondern ein Kamerad, auf den er zählen konnte. Ihrer hübschen, zarten Gestalt sah man die Kraft und den Mut nicht an, die in ihr steckten. Und ihre kleine Pistole mit dem Perlmutt­griff verstand sie, wenn es sein musste, zu handhaben wie ein Scharfschütze.

Wie die Schwarze Fledermaus machte sie von der Waffe jedoch stets nur dann Gebrauch, wenn ihr keine andere Möglichkeit mehr blieb.

Der vierte im Bunde war Butch O‘Leary, ein gutmütiger Riese mit Fäusten wie Dreschflegeln und dem Gemüt eines treuen Bernhardiners.