Die schwarze Fledermaus 21: Teufel ohne Gesicht - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 21: Teufel ohne Gesicht E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Aus dem Amerikanischen von Harald GehlenErschienen im Juli 1942 unter dem Originaltitel The Faceless SatanDer blinde Anwalt Tony Quinn übernimmt die Verteidigung seines Freundes, des ehrenhaften Professors Carter, auch wenn sämtliche Indizien gegen den Wissenschaftler sprechen. Alles deutet darauf hin, dass Carter seinen jungen Kollegen Hanley kaltblütig ermordet hat, um dessen lukrative Erfindung für sich zu beanspruchen.Als Quinn und sein Team ermitteln, erweist sich der Fall als bizarr und gefährlich. Stimmen aus dem Nichts, ein geheimnisvoller Unbekannter ohne Gesicht und ein Widersacher, der direkt aus der Hölle gekommen zu sein scheint.Die Printausgabe umfasst 194 Buchseiten.

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Seitenzahl: 216

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 21

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

G. W. Jones

Teufel ohne Gesicht

Aus dem Amerikanischenvon Harald Gehlen

G. Wayman Jones – hinter diesem Pseudonym verbirgt sich meistens der amerikanische Autor Norman A. Daniels, so auch beim vorliegenden Roman.

Daniels wurde am 3. Juni 1905 in Connecticut geboren, brach sein Studium aus finanziellen Gründen ab und begann 1931 eine beispiellos produktive Karriere als Autor. Allein in den folgenden drei Jahrzehnten veröffentlichte er über 2.000 Geschichten: Comics, Bücher, Radio­hörspiele, aber vor allen Kriminal- und Superheldenromane. Für den Chicagoer Verlag Thrilling Publications erschuf er die Figur der Schwarzen Fledermaus und verfasste einen Großteil ihrer 62 Abenteuer, die zwischen 1939 und 1952 in den USA erschienen. Daniels starb am 19. Juli 1995 im Alter von 90 Jahren in Kalifornien.

Das Abenteuer Teufel ohne Gesicht erschien im Juli 1942 unter dem Titel The Faceless Satan in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2019 BLITZ-VerlagRedaktion: Harald GehlenFachberatung: Dr. Nicolaus MathiesTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Dorothea MathiesSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-021-5Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Die Stimme aus dem Nichts

Arnold Carter lebte das ruhige Leben eines würdevollen Professors der State University, der auf die Rente zuging – bis zu jener Nacht, als er in seinem kleinen Häuschen in der Nähe des Campus dem Teufel begegnete.

Es war eine stürmische Nacht. Das Flackern der Blitze und das Poltern des Donners machten Mrs. Carter nervös, die angespannt in ihrem Sessel saß. Der Professor beobachtete sie und lächelte. Nach jahrelanger Forschungs­arbeit in wissenschaftlichen Laboratorien hatten Gewitter für ihn ihren Schrecken verloren.

Er saß ruhig neben ihr, trug seine Hausjacke und seine Pantoffeln und hatte eine wohlriechende Pfeife zwischen seinen Zähnen. Er war so sorgenfrei, wie ein Mann nur sein konnte, der gerade einen Stapel Tageszeitungen durchforstet hatte, der nun auf dem Boden neben seinem Sessel lag.

Das war natürlich vor seiner Begegnung mit dem Teufel, denn danach ... Er startete einen Versuch, seine Frau von dem Gewitter abzulenken, legte seine Pfeife beiseite und wandte sich zu ihr. Er sprach mit Bedacht und deutete dabei auf die Zeitungen:

„Martha, dieser Krieg läuft immer mehr aus dem Ruder. Menschen töten andere Menschen. Wissenschaftler arbeiten vierundzwanzig Stunden am Tag daran, neue Methoden für Massenmorde zu entwickeln. Es ist ein Rätsel, warum die Welt nicht endlich aufwacht und den Wahnsinn in alledem erkennt.“

Mrs. Carter unterbrach ihre Näharbeit und sah auf. „Aber Arnold, hältst du es für verrückt, Männer wie Hitler zu bekämpfen?“

„Nein, natürlich nicht“, stellte der Professor in einem ernsten Tonfall klar. „Ich bin froh, dass die USA sich endlich am Kampf beteiligen. Ich halte es für Irrsinn, dass es Menschen gibt, die einen Despoten wie Hitler tolerieren und ihm seinen Aufstieg ermöglicht haben. Oder soll ich besser von einem Abstieg sprechen? Das geht mir schon seit Wochen durch den Kopf. Weißt du, Sid Hanley beschäftigt sich mit dem Gebiet der Kriegswissenschaft.“

„Sid, dein junger Kollege an der Universität?“ Mrs. Carter horchte auf. „Was ist mit ihm?“

Carter stopfte seine Pfeife und zündete sie an. Dann sprach er langsam weiter, so als würde er einen Fortgeschrittenenkurs für seine Studenten abhalten:

„Sid Hanley ist ein extrem begabter junger Mann. Mir fällt nur noch ein weiterer Student ein, von dem ich ähnliche Meisterleistungen erwartet hatte. Erinnerst du dich an Tony Quinn? Nein, wahrscheinlich nicht. Nun, Quinn interessierte sich auch für die Wissenschaft, wandte sich aber dann der Rechtsprechung zu. Er war auch ziemlich erfolgreich in dieser Disziplin. Er arbeitete sich sogar zum Bezirksstaatsanwalt hoch, bis er erblindete. Ironischerweise wurde seine Blindheit von einer Chemikalie verursacht, die ihn mitten im Gesicht erwischte – eine starke Säure. Ich kann ihn mir kaum als blinden Mann vorstellen. Aber er praktiziert wieder als Anwalt und, glaub mir, wenn ich jemals einen Rechtsbeistand ­brauche, ist er der Mann, dem ich mich anvertrauen werde.“

„Ja, Arnold, aber was hat das mit Sid Hanley zu tun?“

„Oh, den hätte ich fast vergessen, Liebling. Ich wollte nur die Begabungen von Sid und Tony Quinn miteinander vergleichen. Nun, Sid wurde von seiner lokalen Einberufungsbehörde nicht eingezogen, damit er Tag und Nacht daran arbeiten kann, Methoden des Tötens zu perfektionieren. Das ist im auch gelungen, glaube ich. Er hat eine Kugel ohne Patronenhülse entwickelt. Natürlich hat die Kugel eine Hülle, die sich aber beim Abfeuern der Waffe komplett auflöst. Denk nur, wie man so die Schuss­frequenz einer kleinen Waffe erhöhen kann.“

Mrs. Carter griff erneut zu ihrem Nähzeug und legte es genauso schnell wieder weg.

„Mir fiel gerade ein, dass du heute Abend noch kein Glas warmer Milch getrunken hast, Arnold. Du weißt, dass der Doktor dir das aufgetragen hat. Erzähl mir mehr von Sids Erfindung, wenn ich zurückkomme.“

Professor Carter nickte und griff nach einer der Zeitungen. Zehn Minuten später stellte seine Frau eine Tasse heiße Milch auf den kleinen Beistelltisch neben dem großen, gepolsterten Sessel.

Carter fuhr fort. „Um auf Sid zurückzukommen, er macht sicher eine Menge Geld mit dieser Erfindung. Wahrscheinlich verdient er in sechs Monaten mehr als ich in meinem ganzen Leben.“

„Warum bist du nie auf so was gekommen?“ Mrs. Carter wusste, wie sie ihren Mann ärgern konnte, ohne ihre Worte wirklich ernst zu meinen. „Denk nur darüber nach, wie schön es wäre, wenn wir eine Million Dollar hätten. Und Arnold, du hättest es verdient, denkst du nicht? Dein Medaillon soll dir doch auf ewig Glück bringen und dich für immer vor Not und Armut bewahren.“

Carter lachte. „Ja, das Medaillon. Die Spinnerei eines alten Mannes, meine Liebe. Aber während all der Jahre, seit es in meinem Besitz ist, hatte ich Glück. Ich habe die Wissenschaftsprofessur an der Universität bekommen. Deine Tante starb und während wir mit einem Erbe von ein paar Hundert Dollar rechneten, stellte sich heraus, dass es in Wirklichkeit mehrere Tausend waren. Ich könnte noch mehr aufzählen. Ernsthaft, das Medaillon könnte unser Schicksal beeinflusst haben.“

„Ach, Nonsens“, spottete Mrs. Carter. „Diese Dinge wären so oder so passiert, Arnold. Trink deine Milch, bevor sie kalt wird.“

Sie beugte sich wieder über ihre Näharbeit. Professor Carter griff nach der Tasse Milch, ohne hinzuschauen. Er stieß leicht dagegen. Die Tasse wackelte wie verrückt und kippte um. Ihr Inhalt platschte auf den Teppich, aber die Tasse blieb auf dem Tisch liegen, doch nichts von der heißen Milch berührte die Oberfläche des Tisches.

Professor Carter schaute zu seiner Frau hinüber, stellte fest, dass sie den Unfall nicht bemerkt hatte, und stellte die Tasse rasch wieder aufrecht hin. Er zog seinen Sessel ein Stück heran, sodass dieser nun direkt über dem Milchfleck auf dem Teppich stand. Er lächelte verschmitzt.

„Das habe ich schon, danke. Noch mal zu Sid. Ich denke, dass ich ihm bei seiner Erfindung geholfen habe. Ich habe viel Zeit damit verbracht, ihm zu helfen. Aber mir geht es nicht darum, viel Geld zu verdienen.“

Carter lehnte sich zurück und legte den Kopf zurück gegen das weiche Polster des Sessels. Plötzlich riss er seine gerade noch halb geschlossenen Augen weit auf, sein Mund stand weit offen.

„Warum beanspruchen Sie die Erfindung nicht für sich? Natürlich brauchen Sie das Geld, Professor. Jeder braucht Geld. Töten Sie diesen Sid Hanley. Töten Sie ihn! Für einen Mann von Ihrer Intelligenz ist das doch ein Kinderspiel. Sie sagen, Sie hätten die Erfindung perfektioniert. Also, warum nicht?“

Carter saß auf einmal kerzengerade in seinem Sessel. „Martha“, sagte er angespannt, „hast du gerade etwas gesagt? Oder eine Stimme gehört?“

„Nein, Arnold. Was ist denn los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“

Carter fuhr mit der Zunge über seine Lippen und entspannte sich wieder. „Seltsam“, sagte er langsam. „Ich habe eine Stimme gehört. Eine teuflische Stimme direkt an meinem Ohr. Sie sagte mir, ich solle Sid Hanley töten und seine Erfindung stehlen.“

Mrs. Carter stand auf, trat zu ihm und legte eine Hand auf die Stirn ihres Mannes. Die Stirn fühlte sich feucht und fiebrig an.

„Arnold, du brütest etwas aus. Lehn dich zurück, mit deinem Kopf ans Polster. Du hast keine Stimme gehört, Arnold. Niemand hat etwas gesagt. Wir sind ganz allein im Zimmer. Allein im Haus. Du hast so hart gearbeitet und Sid hat die Lorbeeren dafür geerntet. Unvorstellbar, mein Ehemann spricht von Mord und Diebstahl. Wenn ich dich nicht so gut kennen würde ...“

Professor Carter hob die Hand. „Hörst du, Martha! Da ist eine Stimme. Wirklich.“

An Professor Carters Ohren drang wieder die gleiche Stimme, geschmeidig wie Samt.

„Seien Sie kein Narr, Carter. Töten Sie ihn. Beanspruchen Sie die Erfindung für sich. Niemand wird jemals davon erfahren. Sie gehört Ihnen ja bereits zur Hälfte. Tun Sie es!“

Mrs. Carter blickte ihren Mann sorgenvoll an. „Arnold, ich höre nichts. Denkst du nicht, du solltest ins Bett gehen? Und dir vielleicht morgen freinehmen. Du brauchst ganz dringend Ruhe ...“

„Nein, nein, ich bleibe noch eine Zeit lang auf.“ Carter fuhr sich mit der Hand durch sein Gesicht, das plötzlich sehr müde aussah. „Geh nur schon mal, Martha. Ich komme auch gleich nach oben. Ich möchte nur noch ein bisschen zur Ruhe kommen. Ich glaube, du hast recht, dass ich die letzte Zeit zu hart gearbeitet habe. Vielleicht sollten wir Urlaub nehmen, mal so richtig verreisen. Gute Nacht – und mach dir keine Sorgen um mich.“

Doch Mrs. Carter machte sich Sorgen, aber sie erkannte, dass ihr Mann Ruhe brauchte, um sich von seinen Halluzinationen zu erholen. Sie nahm sich vor, ihn morgen früh zum Arzt zu schicken.

Professor Carter wartete, bis seine Frau oben war. Dann schaltete er alle Lichter aus, außer einer kleinen Tischlampe in der hintersten Ecke des Zimmers. Ihr Licht warf unheimliche Schatten, die hin und wieder von den Blitzen verjagt wurden, die draußen den Nachthimmel erhellten.

Carter wischte sich durchs Gesicht, setzte sich wieder und lehnte sich zurück. Er hatte eine Stimme gehört. Er war auch nicht verrückt. Und die Bedeutung der Worte, die die Stimme gesprochen hatte, war noch furchtbarer als die Stimme selbst.

Sid Hanley töten, die Erfindung für sich selbst beanspruchen. Natürlich, das könnte er, sogar ganz leicht. Eine versehentliche Explosion. Ein Trinkglas, in das ein giftiges Alkaloid hineingeraten ist. Es gab Dutzende Methoden, einen Mord ohne Spuren zu begehen.

„Wollen Sie sich die Chance entgehen lassen, Professor?“, fragte die Stimme erneut. „Denken Sie nur, was sie erreichen könnten. Viele Millionen Dollar, Macht, Ruhm – alles für Sie. Alles! Sie müssen nur ...“

„Nein“, sagte Carter mit rauer Stimme. Er hielt sich eine Hand vors Gesicht. „Nein, ich bin weder ein Mörder noch ein Dieb. Es ist Sids Erfindung und es soll auch seine bleiben. Gehen Sie – gehen Sie in die Hölle zurück, aus der Sie gekommen sind. Gehen Sie, was auch immer Sie sind. Lassen Sie mich in Ruhe.“

Carter rechnete fest mit weiteren Überzeugungsversuchen und fragte sich bereits, wie lange er der Überzeugungskunst dieser Stimme aus dem Nichts widerstehen konnte. Aber auf einmal herrschte Totenstille. Er nahm die Hand herunter, die er sich vor die Augen gehalten hatte, und begann, wieder normal zu atmen.

Und dann stockte ihm der Atem vollends. Sein Blick fiel zu Boden und er sah zwei Beine, die neben seinem Sessel standen. Beine in Männerhosen. Die Schuhe waren auf Hochglanz poliert mit breiten und für einen Mann sehr hohen Sohlen. Dennoch waren die Schuhe recht klein, als ob ihr Besitzer verkürzte Füße hätte. Professor Carter musste auf Anhieb an Pferdehufe denken.

Er hob langsam seinen Blick und betrachtete die schlanke, schwarz gekleidete Gestalt, die steif wie eine Statue neben seinem Sessel stand. Der Mann war groß. Weit und breit war kein heller Fleck an ihm zu finden. Noch nicht mal sein Gesicht, das von einem großen Hut verdeckt wurde. Carter fragte sich sogar, ob diese Erscheinung überhaupt ein Gesicht besaß.

Carter sprach mit dumpfer Stimme: „Wer zum Teufel sind Sie? Wie sind Sie in mein Haus eingedrungen?“

Ein Lachen, das Carter durch Mark und Bein ging, war von der seltsamen Gestalt zu hören.

„Wenn man vom Teufel spricht, mein Freund, kommt er herein. Was oder wer ich bin, ist nicht von Bedeutung. Ich bin hier, um Sie zu fragen, warum Sie nicht auf meinen Vorschlag gehört haben. Bezüglich Sid Hanley, meine ich.“

Carter reagierte brüskiert. „Dann habe ich also doch eine Stimme gehört. Wo waren Sie denn die ganze Zeit? Wie ist es Ihnen gelungen, Ihre Stimme klingen zu lassen, als wäre sie nur einen Zentimeter von meinen Ohren entfernt?“

„Es tut mir leid“, sagte die Gestalt, „wir haben keine Zeit, uns über Trivialitäten zu unterhalten. Wissen Sie, Hanley ist bereits tot. Ja, er wurde ermordet. Wer es getan hat? Dumme Frage, mein Freund. Sie natürlich. Sie haben auch seine Notizen und die Formeln für die geheime Munition gestohlen, an der er gearbeitet hat. Was Sie sich geweigert haben zu tun, habe ich für Sie erledigt.“

In Carters Kopf überschlugen sich die Gedanken. Dieser Mann, diese Erscheinung oder wie immer man ihn nennen sollte, erahnte sogar die Fragen, die ihm durch den Kopf gingen. Er fragte sich, ob das ein Traum war. Aber nein, draußen tobte immer noch der Sturm und die Uhr auf dem Kaminsims tickte. Das war kein Traum, es war ein Albtraum, in dem er hellwach war.

„Ich soll Hanley getötet haben?“ Carter rang nach Luft. „Ich soll seine Arbeit gestohlen haben? Moment, ich fange an, die Sache zu verstehen. Sie müssen ein Spion sein. Das ist es – Sie sind ein Spion!“

Der Mann kicherte, aber sein Lachen klang ungefähr so fröhlich wie der Laut, der einem Gefolterten im Mittelalter über die Lippen drang, während er auf der Streckbank lag. Es war ein gespenstisches, teuflisches Lachen.

„Ein Spion!“, sagte er. „Man hat mir schon Vieles an den Kopf geworfen, aber das ist neu. Sie glauben sicher, ich wäre ein Spion der Nazis? Viele Menschen bezeichnen die Nazis mit meinem Namen und die Nazis wie­derum benutzen den gleichen Begriff für ihre Feinde. Das habe ich alles am eigenen Leib erfahren, das sind die Begegnungen, die mein Leben interessant machen. Nein, ich bin kein Spion. Ich bin eigentlich ein Nichts, bis Sie mich näher kennenlernen.“

Carter rutsche bis zur Kante seines Sessels vor. Sein Blick war auf das Telefon in der Eingangshalle fixiert. Wenn er es nur erreichen könnte, um Hilfe zu alarmieren. Martha war oben, aber er wollte sie nicht in die Angelegenheit hineinziehen.

„Ich weiß nicht, wer oder was Sie sind“, sagte Carter ruhig. „Ich weiß nur, dass Sie Sid Hanley getötet haben und mir den Mord in die Schuhe schieben möchten. Was, wenn ich die Polizei verständige?“

Wieder erklang ein Lachen wie von der Streckbank. „Die Polizei? Aber warum, Professor, die befindet sich schon auf dem Weg hierher, aber ... sie kommt zu spät. Die Polizei kann Ihnen nicht helfen und auch sonst niemand.“

„Warum nicht?“ Carter keuchte.

„Weil Sie tot sind!“

„Tot? Ich soll tot sein?“ Carter blickte auf und versuchte, einen Blick unter den Hut und auf die teuflische Miene des Mannes zu erhaschen. „Sie sind verrückt.“

„Oh, ich korrigiere meine Aussage“, kam die ruhige Antwort. „Sie sind so gut wie tot. Ich hätte Sie mit einem einfachen Fingerschnippen töten können, aber ich war gezwungen, für Beweismittel zu sorgen, mit denen die Polizei arbeiten kann. Ich nahm mir die Freiheit, diese Tasse warmer Milch zu vergiften, die Ihre Frau Ihnen so liebevoll zubereitet hat. Das Gift wird seine Wirkung ­entfalten, kurz bevor die Polizei eintrifft. In drei oder vier Minuten. Man wird vermuten, dass Sie aus Reue über den Mord an ihrem ehemaligen Studenten und Universitätskollegen Selbstmord begangen haben. Alle Beweise am Tatort deuten auf Sie hin, Professor. Sie haben die Tasse, aus der Sid Hanley immer trinkt, mit einem seltenen Alkaloid vergiftet. Es gibt nur wenige Flaschen davon und Sie besitzen eine davon.“

„Ich rufe die Polizei an.“

Carter stützte sich mit beiden Armen auf der Sessellehne ab und versuchte, sich so aufzurichten. Dabei blickte er nach oben. In diesem Moment erleuchtete ein Blitz das Zimmer. Carter sank stöhnend in den Sessel zurück.

Er hatte gesehen, was sich unter dem Hut befand. Kein Gesicht. Nichts – nur Leere. Eine furchtbare Wand aus Haut, ohne Formen und Gesichtszüge. Es gab keine Augen, keine Ohren, weder Mund noch Nase.

Carter öffnete den Mund zum Schrei. Eine Hand berührte seine Stirn. Er konnte nicht schreien. Er konnte sich noch nicht einmal bewegen.

„Sie waren ein Narr, Hanley nicht zu töten, wie ich es Ihnen vorgeschlagen hatte“, sprach sein Besucher in sanftem Tonfall. „Aber ich mag Narren. Viele von ihnen sind meine Freunde. Daher gewähre ich Ihnen einen schnellen Tod. Keinen langsamen Gifttod, sondern einen gnädigen Tod, schnell und schmerzlos. Erinnern Sie sich, was ich eben gesagt habe? Dass ich Sie mit einem einfachen Fingerschnippen töten kann? Einfach so, Professor Carter, einfach so.“

Die Hand im schwarzen Handschuh bewegte sich vor Carters Augen. Mittelfinger und Daumen berührten sich. Ein Schnipsen war zu hören. Carters Welt begann zu verschwimmen, sich um ihn zu drehen, und eine Kugel aus Dunkelheit schien sich aus der Ferne auf ihn zuzubewegen. Näher und näher, wie ein riesiger Komet, bis sie den ganzen Raum ausfüllte. Carter sackte tief in seinen Sessel und nahm schon nicht mehr wahr, wie es plötzlich beharrlich an der Vordertür klingelte.

Er war alleine im Zimmer. Die unheimliche Gestalt, die neben ihm gestanden hatte, war verschwunden. Nur sein spöttisches Lachen schien noch nachzuklingen. Der Sturm erreichte seinen Höhepunkt, aber Carter saß in seinem Sessel, unbeweglich bis auf die gleichmäßige Bewegung seiner Brust.

Kapitel 2 – Der Teufel persönlich

Tony Quinn war groß, gut gebaut und wirkte auf den ersten Blick wie ein vollkommen normaler Mann. Bei genauerem Hinsehen fielen dem Betrachter aber tiefe, hässliche Narben rund um die Augen auf. Die Augen selbst waren auch seltsam, wirkten vollkommen leer und starrten ins Nichts.

Quinn lehnte sich in die Polster seiner Limousine. Er hielt einen Gehstock zwischen seinen Knien und die Knöchel beider Hände traten weiß glänzend hervor, so fest hielt er seinen Stock. Die Frau von Arnold Carter saß neben ihm, mit einem klaren, entschlossenen Blick, offenbarte aber ihre Nervosität und innere Unruhe durch ein Taschentuch, das sie in kleine Stücke zerriss.

Der Mann am Lenkrad war schlank und wohl gekleidet in einen dunklen Anzug. Während er jedes Wort verstehen konnte, das auf der Rückbank gesprochen wurde, ließ er sich die Neugier nicht anmerken, die in ihm tobte. Der Mann hieß Silk Kirby – Hausdiener, Chauffeur, Assistent und loyaler Freund von Tony Quinn.

„Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll, Mrs. Carter“, sagte Quinn gerade. „Natürlich weiß ich, dass Ihr Mann absolut unfähig ist, einen Mord oder eine ähnliche Straftat zu begehen. Erzählen Sie es mir noch einmal – was passierte, bevor Sie ins Bett gingen?“

„Wir haben uns über Sid Hanley unterhalten, als Arnold plötzlich eine Stimme hörte. Eine Stimme, die ihm riet, Mr. Hanley zu töten und seine Erfindung zu stehlen. Er benahm sich sehr, sehr seltsam. Ich dachte, er wäre überarbeitet. Er wollte alleine unten bleiben und ich dachte, dass es das Beste für ihn war.

Ich weiß nicht mehr, wie viel Zeit vergangen war, als ich vom Geräusch der Türklingel geweckt wurde. Die Polizei stand vor der Tür. Arnold saß in seinem Sessel. Wir dachten, er sei tot, als er plötzlich aufwachte. Die Polizei hat ihn direkt festgenommen. Er hat oft von Ihnen gesprochen, daher bin ich hierhergekommen. Ich hoffe inständig, dass Sie etwas tun können.“

Das Auto hielt vor dem Polizeihauptquartier. Mrs. Carter stieg aus. Silk Kirby ebenfalls und half dem blinden Tony Quinn aus dem Wagen, über den Bürgersteig und ins Gebäude hinein. Sie begaben sich umgehend zum Büro von Commissioner Warner, einem alten Freund von Quinn.

Warner begrüßte sie freundlich und bat Mrs. Carter einen Stuhl an. Dann nahm er selbst Platz.

„Dieser Fall nimmt mich wirklich mit“, gab Warner zu. „Ich weiß, dass Professor Carter ein Freund von Ihnen ist, Tony. Aber die Indizien gegen ihn sind erdrückend. Sein Kollege an der Universität war ganz nah dran, eine unglaublich wertvolle, neue Art von Munition fertigzustellen. Nur ganz wenige Menschen wussten davon, aber Carter war einer von ihnen. Er hatte sogar bei der Entwicklung geholfen.

Es hat ganz den Anschein, als hätte Professor Carter Gift in das Glas gegeben, das Hanley immer benutzte. Ein ­extrem seltenes Gift, das es nirgendwo zu kaufen gibt. Carter besaß ein wenig davon und war vielleicht der einzige Mensch in einem Radius von 2.000 Kilometern, der auch nur ein Gramm von dem Zeug sein Eigen nannte.

Carter war der letzte Mensch, der Hanley lebend gesehen hat. Die Notizen zu der Erfindung waren aus dem Labor entwendet worden und wurden teilweise in Carters Haus gefunden. Carter hat sogar versucht, mithilfe einer Chemikalie Selbstmord zu begehen, die aber nur zu seiner Bewusstlosigkeit führte. Wir haben Spuren davon in einer Tasse Milch gefunden.

Anscheinend hat er sich mit der Dosis vertan, da er wieder aufgewacht ist. Seine ersten Worte danach ­bezogen sich auf den Mord an Sid Hanley. Er wusste sogar, wie er begangen wurde und mit welcher Chemikalie. Der Mann hat praktisch gestanden.“

„Und sonst hat er nichts gesagt?“, fragte Quinn.

Warner zuckte die Achseln.

„Was auch immer passiert, haben Sie keine Angst, dass Professor Carter auf dem Elektrischen Stuhl landet. Ein Psychiater würde ihm sofort seine Unzurechnungsfähigkeit attestieren, wenn er ihm nur zwei Minuten lang zuhört. Warum gehen Sie nicht zu ihm, Tony? Als sein Anwalt haben Sie das Recht dazu.“

„Das habe ich vor“, sagte Quinn. „Einer Sache bin ich mir sicher, Commissioner. Professor Carter hat niemanden getötet. Er hat auch nichts gestohlen oder versucht, Selbstmord zu begehen. Darauf verwette ich mein Leben. Und nun – würde mich bitte jemand zu seiner Zelle bringen?“

Warner griff zu seinem Telefonhörer. Einen Moment später betrat ein stämmiger, etwas übereifrig wirkender Mann das Büro. Er trug einen schmal geschnittenen Schnurrbart, sah aus wie Mitte fünfzig und bewegte sich so aufrecht wie ein Soldat. Captain McGrath wurde für seine Ehrlichkeit genauso geschätzt wie für seine Hartnäckigkeit in der Bekämpfung von Verbrechen.

Und für eine dritte Sache war Captain McGrath bekannt: Er hatte sich geschworen, die Schwarze Fledermaus hinter Schloss und Riegel zu bringen. Es war nicht so, dass McGrath nicht zu schätzen wusste, was die Schwarze Fledermaus tat. Doch da im Zuge seiner Aktivitäten der Erzfeind aller Schurken das Gesetz oft genug verletzte, geriet er selbst ins Fadenkreuz von Captain McGrath.

McGrath war außerdem der tiefen Überzeugung, dass dieser blinde Anwalt, Tony Quinn, die Schwarze Fledermaus war. Diese Überzeugung hatte er schon zu verschiedenen Anlässen geäußert und sogar versucht, Quinn Fallen zu stellen, um dessen Blindheit als Lüge zu entlarven. Doch jedes Mal war er beim Versuch, den Beweis für Quinns Doppelleben anzutreten, gescheitert.

„Guten Abend, Mr. Quinn“, sagte McGrath. „Ich habe gehört, dass Sie Professor Carter verteidigen sollen. Wir haben so viele Indizien gegen ihn vorliegen, dass die Verhandlung keine zwei Stunden dauern wird. Sie sollten mal die alberne Geschichte hören, die er uns erzählt hat. Sogar der Teufel persönlich kam darin vor.“

„Captain“, wies Commissioner Warner ihn scharf zurecht.

McGrath sah Mrs. Carter, schluckte und verbeugte sich steif.

„Es tut mir leid, Madam. Nehmen Sie es bitte nicht persönlich. Okay, Mr. Quinn, Sie können mir folgen.“

Silk machte Anstalten aufzustehen, als McGrath knurrend ergänzte: „... und damit meine ich nur Sie, Mr. Quinn. Es handelt sich um einen Mordfall, ich kann nicht zulassen, dass Leute hier rumlaufen, die offiziell nichts mit dem Fall zu tun haben. Ich werde Sie zur Zelle führen.“

Silk blitzte ihn an und setzte sich wieder hin. Niemand außer ihm hatte Tony Quinns leichtes Nicken bemerkt.

McGrath fasste Quinn an den Arm und führte ihn einen langen Korridor hinunter. Ein Wärter schloss die Außentür zum Zellentrakt auf, ein paar Meter dahinter befand sich eine weitere Tür, sodass beide Türen eine Schleuse bildeten. Die zweite Tür wurde geöffnet und McGrath ließ Quinns Arm los, ging voraus und ließ die Tür ein paar Zentimeter zurückschwingen, nachdem er hindurchgegangen war.

Tony Quinn, der sich mit seinem Gehstock den Weg ertastete, lief direkt gegen die Tür. Er blieb wie angewurzelt stehen. Ein leises Lachen drang über seine Lippen.

„McGrath, wo sind Sie?“, rief er.

McGrath öffnete rasch wieder die Tür und nahm Quinns Arm. Sein Gesicht war puterrot.

„Es tut mir leid. Ich war unaufmerksam, schätze ich. Ich bin es nicht gewöhnt, einen blinden Mann herumzuführen.“

„Und auch nicht sehr gut darin, sich immer wieder neue Tricks zu überlegen, um dem gleichen blinden Mann zu zeigen, dass er gar nicht blind ist. Captain, ich finde Ihr Verhalten albern, aber ich hege keinen Groll gegen Sie. Lassen Sie uns zu Professor Carter gehen, okay?“