Die schwarze Fledermaus 22: Prophet des Todes - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 22: Prophet des Todes E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Aus dem Amerikanischen von Swantje BaumgartErschienen im September 1942 unter dem Originaltitel The Murder ProphetEine mysteriöse Kolumne in einer angesehenen Tageszeitung droht den Ruf des Blattes zu zerstören. Darin werden Morde angekündigt, die kurz darauf tatsächlich begangen werden. Doch wer ist für die Kolumne verantwortlich? Wer für die Morde? Und was ist das Motiv? Ein verzwickter Fall mit zahlreichen Verdächtigen.Die Printausgabe umfasst 204 Buchseiten.

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Seitenzahl: 209

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 22

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

G. W. Jones

Prophet des Todes

Aus dem Amerikanischenvon Swantje Baumgart

G. Wayman Jones – hinter diesem Pseudonym verbirgt sich meistens der amerikanische Autor Norman A. Daniels.

Nicht so beim vorliegenden Roman, der von Laurence Donovan (1885-1948) geschrieben wurde. Donovan arbeitete als Journalist für den San Francisco Call-Bulletin, die Vancouver Sun und als Lokal­redakteur für den Spokane Chronicle. In den späten 1920ern begann er, nach einem Abstecher nach Hollywood, Heftromane diverser ­Genres zu verfassen, darunter neun Romane für die beliebte Abenteuer-­Reihe Doc Savage.

Das Abenteuer Prophet des Todes erschien im September 1942 unter dem Titel The Murder Prophet in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2019 BLITZ-VerlagRedaktion: Harald GehlenFachberatung: Dr. Nicolaus MathiesTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Dorothea MathiesSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-022-2Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Ein Mörder im Verzug

Die aufsehenerregende Nachricht wurde in schwarzer Fraktur in Schriftgröße 72 als Schlagzeile ausgerufen: MILLIONÄR MORDEN ERMORDET. Das fett gedruckte Wort EXTRA stand ebenfalls oben auf der ersten Seite der Abendausgabe des Sentinel.

Ein Extrablatt herauszubringen war eine radikale Abkehr von der konservativen Politik des Sentinel, ebenso wie die Entscheidung für die schwarze Fraktur in Schriftgröße 72. Denn mehr als eine Million ernsthafter Bürger betrachteten das siebzig Jahre alte Nachrichtenblatt als Symbol für Sitte und Anstand.

Als nun dieser Vertreter von drei Generationen älterer Leser verkündete, dass der Millionär Morden ermordet worden sei, zweifelte niemand daran, dass dies die Wahrheit war und eine Sensation, die ein Extrablatt rechtfertigen würde.

Und doch hatte Mrs. Harrington, die etwas dickliche Haushälterin der Bewohner der vierten Etage des Greenwich Village-Ateliergebäudes, mehr als nur Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieser seriösen alten Zeitung.

Sie schluckte, als sie die schreiende schwarze Schlagzeile entdeckte. Dann holte sie tief Luft und lehnte sich Halt suchend an die Wand des Flurs. Noch einmal warf sie einen Blick auf den riesigen Schriftzug, der die Vorderseite einer Ausgabe des Sentinel bedeckte, die ausgebreitet vor der halb geöffneten Tür von Atelier B-9 lag.

Ihre Augen wurden größer und größer, als sie aufschaute und in das Appartement spähte. Es gab nur einen Millionär Morden, der einen solchen Ausbruch seitens dieser konservativen Zeitung wert gewesen wäre. Und das war Clifford Morden, der langjährige Mieter von Atelier B-9.

Und Clifford Morden, schlank und athletisch für einen Mann Ende fünfzig, saß vor seiner Staffelei. Durch die halb geöffnete Tür konnte Mrs. Harrington ihn deutlich sehen.

Außerdem war Clifford Morden quicklebendig. Mit einem spachtelartigen Werkzeug, das er in der rechten Hand hielt, mischte er gerade Farben auf der Palette, die er in der linken Hand hielt.

Sein gepflegtes Profil war in dem kräftigen weißen Licht, das auf die Staffelei fiel, deutlich zu erkennen. Sein Modell, das außerhalb von Mrs. Harringtons Blickfeld hinter einer Trennwand positioniert war, wurde von dem Licht vermutlich ebenso hell erleuchtet.

Die plumpe Mrs. Harrington hatte sich nur teilweise wieder unter Kontrolle, als sie das Extrablatt des Sentinel mit zitternden Händen aufhob. Sie war Irin und neigte zu simplem Aberglauben, doch an Visionen und Geister glaubte Mrs. Harrington nicht.

Und überhaupt, ein Geist würde keinen Laut von sich geben. Mr. Morden klatschte die Farben jedoch so lebhaft auf die Palette, dass er dabei leise Geräusche verursachte. Außerdem hustete er ein wenig und rieb sich dann mit dem Rücken seiner rechten Hand über das Kinn, eine Angewohnheit, die er schon ewig pflegte.

Mrs. Harrington sah, dass Mr. Mordens Kinn wie gewöhnlich mit einer Mischung aus verschiedenen Farben verschmiert war. Das war der Beweis.

„Mr. Morden wurde nicht ermordet“, flüsterte Mrs. Harrington und atmete erleichtert auf. „Aber es ist meine Pflicht, ihm zu sagen, dass er völlig falsch dargestellt wird.“

Sie trat durch die Tür, die Zeitung vor sich, als könnte diese unglaubliche Lüge beißen. Dann hustete sie leicht.

„Ich bitte um Entschuldigung, Mr. Morden ...“

Augenblicklich wandte Mr. Morden sich stirnrunzelnd um.

„Was gibt es denn, Mrs. Harrington?“

Der Millionär, dessen einziges Hobby die Malerei war, wurde nur ungern gestört. Mrs. Harrington bemerkte außerdem, dass er einen Blick zu seinem Modell warf, das Mrs. Harrington nicht sehen konnte, so als sei er äußerst nervös.

Mrs. Harrington drehte die Zeitung herum, sodass Mr. Morden die verblüffende Schlagzeile lesen konnte. Einen kurzen Augenblick lang sah sie eine schattenhafte Bewegung an dem offenen Fenster, das auf die Feuertreppe hinausführte. Dann verloschen die Lichter des Ateliers und eine dunkle Gestalt huschte auf sie zu.

Nur Mrs. Harringtons altmodische wulstartige Frisur bewahrte sie davor, dass ihr der Schädel eingeschlagen wurde, als ihr Angreifer zuschlug. Die verhinderte auch, dass sie vollkommen das Bewusstsein verlor, als sie fiel, wie gelähmt und zu keiner Bewegung fähig.

Undeutliche Geräusche drangen durch den dünnen Schleier ihres Bewusstseins. Sie hörte ein unterdrücktes Stöhnen und das Klappern von Mr. Mordens Farbpalette auf dem Boden. Dann fiel die Staffelei um.

Sie hörte nicht, wie Mr. Mordens Körper zu Boden fiel. Doch vielleicht hatten ihre weiblichen Instinkte, die sie für diese Dinge empfänglich machten, dafür gesorgt, dass sie die Bewegung kleiner Füße bemerkte, und ebenso das kurze Aufblitzen eines kleinen Lichtscheines wie von einem Feuerzeug.

Die kleinen Füße bewegten sich eilig fort. Eine Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Es konnte nur eine Tür gewesen sein und die führte zu der Küche des Ateliers. Eine Außentür der Küche führte zu einem Hausflur in der Nähe der hinteren Treppe.

Kalte Angst umklammerte Mrs. Harringtons Herz. Sie konnte sich nicht bewegen, doch ihr Verstand wurde klarer. Sie erinnerte sich an den Schatten am offenen Fenster, doch sie hörte keinerlei Bewegung aus der Richtung der Feuertreppe.

Plötzlich öffnete und schloss sich die innere Küchentür. Ein metallisches Klicken durchschnitt scharf die darauf­folgende Stille. Schwere Schritte schlurften kurz darauf umher. Dann folgte eine knallende Explosion, die sehr nach dem Knacken einer Kappe auf einer Spielzeugpistole klang.

Als die Haushälterin sich rührte und aufzustehen versuchte, wurde erneut eine Tür zugeschlagen. Von der Straße vier Etagen weiter unten ertönte das plötzliche hohe Heulen der Sirene eines Polizeiautos.

Wegen ihrer nackten Angst funktionierte Mrs. Harringtons Gedächtnis weiterhin hervorragend. Sie erinnerte sich an einen jungen Mann, der ihr auf dem Flur begegnet war, bevor sie das Extrablatt über den Mord auf Mr. Mordens Türschwelle gesehen hatte.

Es war ein großer, dunkelhaariger, gut aussehender junger Mann gewesen. Sie hatte ihn bei zwei weiteren Gelegenheiten in Mr. Mordens Atelier gesehen. Einmal war er gemeinsam mit Mr. Morden angekommen und die Haushälterin hatte gehört, wie sie über Farben gesprochen hatten. Zuerst hatte sie ihn für einen Verkäufer gehalten, einen Hausierer für Farben. Doch als sie ihn erst vor wenigen Minuten gesehen hatte, hatte er keinen Hut getragen. Er hatte einen ungepflegten Eindruck erweckt und ausgesehen, als habe er getrunken.

Ob er aus Mr. Mordens Atelier gekommen war, wusste sie nicht.

Bis zu diesem Augenblick hatte die schwarze Schlagzeile diese Angelegenheit aus ihren Gedanken verbannt.

*

Schwerfällig kam Mrs. Harrington auf die Füße, als sie stampfende Schritte den Flur hinunterkommen hörte.

„Komm her, du!“ Der schroffe Befehl klang streng und voller Autorität. „Wir werden schon sehen, wo du hergekommen bist. Vielleicht malst du Bilder mit deinen Fingern oder du bist irgendwo in einen Farbtopf gefallen!“

„Hier ist es, Sergeant! Atelier B-9! Machen Sie Licht!“

Der Lichtschalter in dem Atelier klickte. Gnadenloses weißes Licht durchflutete das Appartement. Es zeigte die dickliche Mrs. Harrington, die benommen dastand und die Zeitung noch immer umklammert hielt.

Auf dem Boden zusammengesackt, das Gesicht mit lebhaften Farben verschmiert, eine Hand ausgestreckt auf einer Leinwand, so als wolle er die teilweise gezeichneten Umrisse eines Frauenkopfes verbergen, lag ­Clifford Morden, der berühmte Millionär.

Millionär Morden war ermordet worden! Genau, wie es der konservative Sentinel in seiner Story behauptete. Es gab keinerlei Anzeichen von Gewalt.

Morden war an einem flüchtigen Gift gestorben, das man später als das tödliche und schnell wirkende ­Strophanthus identifizieren würde. Es war in der Farbe gewesen, die er auf seinem Kinn und seinen Lippen verschmiert hatte.

Der althergebrachte Ruf des Sentinel, nichts als die Wahrheit zu berichten, war bestätigt worden, sogar hinsichtlich der Todesursache.

Der Captain vom Morddezernat, dessen Gesicht so rot war, als würde er gleich explodieren, war ein gewisser Captain McGrath.

„Er ist tatsächlich tot!“, knurrte er. „Sieht nach Gift aus, ganz wie es das Extrablatt vom Sentinel berichtet! Nur dass wir gerade erst gekommen sind!“

Er rieb sich mit seinen plumpen Fingern über seine schwitzende, gerötete Stirn.

„Das behauptet der Sentinel“, sagte ein weiterer Mitarbeiter des Morddezernats. „Er sagt ... sehen Sie! Die Frau hat so ein Extrablatt bei sich! Da steht, dass die Polizei von Mord durch Gift berichtet und dass ein Verdächtiger festgenommen wurde ...“

„Halt die Klappe!“, brüllte Captain McGrath. „Dieses Extrablatt vom Sentinel wurde vor einer halben Stunde auf der Straße ausgegeben! Zwanzig Minuten sind vergangen, bis wir bemerkt haben, dass in diesem Fall niemand draußen war und dass kein solcher Bericht innerhalb des Bezirks erstellt wurde! Hey, ist das alles, was ihr bei der Durchsuchung dieses Irren herausgefunden habt?“

Captain McGrath nahm eine Geldbörse und ein Notizbuch von einem seiner Männer entgegen. Er starrte den schwarzhaarigen jungen Mann an, dessen Augen blutunterlaufen waren. Aus seinem zitternden Mund floss Speichel, während er irgendwelche Worte murmelte. McGrath versetzte dem jungen Mann eine schallende Ohrfeige, woraufhin dessen Kopf heftig herumflog.

„Ist das dein Name, Bruder? Bist du Michael Doran? Wenn du Michael Doran bist, was weißt du über diese Angelegenheit?“

Der junge Mann schloss die Augen. Seine Knie gaben nach und er brach zu McGraths Füßen zusammen.

„Holt alles her, jede verdammte Ausgabe! Ich zäume das Pferd von hinten auf! Ich werde herausfinden, wie der Sentinel ein Extrablatt drucken kann, in dem alle Einzelheiten zu einem Mord stehen, der noch gar nicht begangen wurde, und dann noch im Polizeidezernat anrufen kann. Und ruft an, damit Frank Lark ­festgenommen wird. Schafft ihn in eine Zelle, wo absolut niemand an ihn rankommt!“

Während Captain McGrath mit Commissioner Warner im Hauptquartier telefonierte, notierten die Mitarbeiter des Morddezernats die erstaunliche Geschichte von Mrs. Harrington.

„Der Sentinel ist, wo wir anfangen müssen, Commissioner!“, sagte er. „Ich lasse Lark festnehmen, damit er verhört wird.“

Wenige Minuten später waren Commissioner Warner und Captain McGrath, die mit dem bizarrsten Mord konfrontiert wurden, den es in der Geschichte des Morddezernates jemals gegeben hatte, auf dem Weg zu den Redaktionsräumen des Sentinel.

*

Ungefähr zur selben Zeit verließ einer der besten Polizeireporter der Stadt eine Bar nicht weit vom örtlichen Polizeirevier. Er hatte eine Ausgabe von dem Extrablatt des Sentinel bei sich, in dem der Mord von Clifford Morden detailliert beschrieben wurde, und las darin, während er den Gehweg überquerte.

Anscheinend hatte er einige Drinks gehabt, dennoch ging er geradeaus. Hinter ihm trat ein Mann aus der Bar. Dieser Mann ging mit schnellen Schritten den Gehweg entlang. Als er einen kleinen Laster passierte, der am Straßenrand geparkt war, streckte er eine Hand nach dem Polizeireporter aus.

Aus dem Winkel seines schiefen Mundes drangen Worte. „Es ist der Bursche mit der Zeitung! Verfehl ihn nicht!“

Der kleine Laster fuhr los. Der Reporter hielt die Augen auf die sensationelle Schlagzeile gerichtet und ging weiter. Seine Bewegungen waren steif und seltsam unsicher.

Er ging dicht an einer geparkten Limousine vorbei und lief direkt vor den kleinen Laster. Es knallte und krachte, als die metallene Stoßstange auf Fleisch und Knochen traf. Dann schleuderte der schnell fahrende Laster Larks Körper wie eine kaputte Schlenkerpuppe in den Rinnstein.

Der Laster fädelte sich in den Verkehr ein und raste, plötzlich schneller werdend, davon. Der Körper blieb schlaff und leblos zurück.

Der Haftbefehl für Frank Lark, den zuverlässigen und altgedienten Polizeireporter des Sentinel, war raus. Auf Captain McGraths Anweisung durfte er mit niemandem reden, bis er von der Polizei befragt worden war.

Doch Frank Lark würde nie mehr befragt werden und niemand würde mehr mit ihm reden. Das Extrablatt mit der seltsamen, prophetischen Story über den Mord an Millionär Morden hielt er in seinen toten Händen fest umklammert.

Und in dem alten Gebäude, das den Sentinel beherbergte, gingen Commissioner Warner und Captain McGrath auf direktem Wege zum Büro von George Drake, dem Chefredakteur, vorbei an klappernden Schreibmaschinen und grauhaarigen Redakteuren, die an neuen Schlagzeilen arbeiteten.

Drake, ein fetter kleiner Mann mit Glatze, sah aus, als hätte er gern seinen Platz mit dem des toten Clifford Morden getauscht.

„Ich sage Ihnen, Commissioner, so kann es nicht gewesen sein“, sagte er mit rauer Stimme. „Gütiger Himmel, meine Herren! Wenn es so ist, wie Sie sagen, dann ... dann ist das das Ende für den Sentinel selbst.“

„Es ist so, wie wir sagen, Drake“, murmelte Commissioner Warner mit finsterer Miene. „Eine detaillierte Story über den Mord an Morden wurde gedruckt, eine Stunde, bevor es geschah!“

Kapitel 2 – Der Bluff des blinden Mannes

In der gesamten Geschichte der großen Stadt hatte es noch nie eine solche Story über eine Story gegeben. Aber es war vielmehr die irre Geschichte einer großen Zeitung, die noch mehr Aufsehen erregte als der sensationelle Mordfall.

Die Schlagzeilen der anderen Zeitungen übernahmen sofort die unglaublichste Story, die jemals veröffentlicht worden war. Nämlich die Ankündigung des Mordes an einem der reichsten Einwohner der Stadt, mit allen Einzelheiten, bis hin zu der Verhaftung eines Verdächtigen. Und diese Story war mindestens eine Stunde vor dem tatsächlichen Mord in den Druck gegangen.

Einige besonders eilige Ausgaben anderer Zeitungen hatten den Mord an Clifford Morden der Story über das prophetische Extrablatt untergeordnet, das zu früh die Straßen überflutet hatte:

SENTINEL-MORD MASSGESCHNEIDERT

SENTINEL VERBUCHT MORD FÜR SICH

Selbstverständlich war das Extrablatt über den Mord an Morden allen konkurrierenden Zeitungen zuvorgekommen. Zum ersten Mal seit seiner Gründung hatte sich der unerschütterliche und konservative Sentinel an einer neuen und bizarren Art versucht, über Neuigkeiten zu berichten.

Ganz oben auf den verstreuten Ausgaben und Papierkörben lagen die Titelseiten anderer Zeitungen mit ihren vernichtenden Schlagzeilen. Es war der breite, flache Schreibtisch von Bunt Preddy, bekannt als der härteste Nachrichtenredakteur in dieser großen Stadt.

In diesem Augenblick wirkten Preddys markante Gesichtszüge eingefallen vor Anspannung und Sorge. Die gesamte, sonst so abgebrühte Erscheinung des Nachrichtenredakteurs schien in einem ununterbrochenen qualvollen Schweißausbruch aus seinen Poren zu sickern.

„Ich sage Ihnen, es war ein ganz gewöhnlicher Anruf von Frank Lark, unserem eigenen Mann, und der hat sich noch nie geirrt“, knurrte Bunt Preddy und fuhr sich nervös mit den Fingern durch das graue Haar. „Jackson hier hat den Anruf entgegengenommen. Es war kurz vor der Deadline für die Abendausgabe. Ich habe die Titelseite zurückgezogen, um sie neu drucken zu lassen. Jackson hat die Story in die Tasten gehämmert und ich habe die Gelegenheit genutzt und es als Extrablatt veröffentlicht. Es konnte kein Irrtum sein.“

Carl Jackson, ein rundlicher Textaufbereiter mit Mondgesicht, zupfte an seinem Kragen. Die obersten Knöpfe standen offen. Aus seinen Augen traten tatsächlich Tränen, als er von den Schlagzeilen auf dem Schreibtisch des Nachrichtenredakteurs in die harten Gesichter von Commissioner Warner und Captain McGrath aufschaute.

Das gewohnte Klappern der Schreibmaschinen war verstummt. Es war wie die Stille während einer Schlacht, wenn die Maschinengewehre kurz schwiegen.

George Drake, der Chefredakteur, schwang hilflos seine kleinen, plumpen Hände. Die kahlen Stellen auf seinem Kopf waren schweißbedeckt.

„Wie es aussieht, war das eine ganz gewöhnliche Berichterstattung, Commissioner Warner“, sagte Drake. „Das könnte bei jeder Zeitung passieren. Wenn Mr. ­Rowland nur hier wäre.“

„Aber das ist noch nie bei irgendeiner anderen Zeitung passiert!“, brüllte Captain McGrath. Sein kräftiger Körper zitterte vor Wut. „Andere Zeitungen haben der Polizei schon manches Mal übel mitgespielt. Sie haben unser Vertrauen missbraucht, haben Storys zu früh veröffentlicht, aber ...“

„Ganz ruhig, Captain“, unterbrach Commissioner Warner. Er hatte sich besser unter Kontrolle und sein scharfsinniger Verstand versuchte, in einer unerwarteten Situation ruhig zu urteilen. „Übrigens, Drake, wo ist Mr. Rowland?“

Arthur Rowland, Anfang sechzig, war zweiunddreißig Jahre lang Herausgeber des Sentinel gewesen. Er war gegenüber den alteingesessenen Anteilseignern des Sentinel immer dem Grundsatz der absoluten Genauigkeit treu geblieben und niemand hatte dies je infrage gestellt.

„Mr. Rowland ist gestern Abend zu seiner Farm in Connecticut gefahren und wollte dort das Wochenende verbringen“, sagte Chefredakteur Drake. „Ich habe ihn angerufen, aber er ging nicht ran.“

Commissioner Warner nickte geistesabwesend. Er warf einen Blick über die alten Hasen unter den Redakteuren, die rund um den großen hufeisenförmigen Tisch saßen, über die langen Reihen von Schreibmaschinentischen und zu den Wänden.

Gerahmte Porträts, die frühere Herausgeber zeigten, die Gründer, berühmte Reporter vergangener Zeiten. Ihre Gesichter schauten grimmig hinunter auf den Raum, in dem nun Stille herrschte.

„Sobald wir Frank Larks eigene Version hiervon haben, werden wir vielleicht etwas bekommen, womit wir arbeiten können“, stellte Warner fest.

„Ich fürchte, die werden Sie nie bekommen, Commissioner!“

Eine scharfe, klangvolle und irgendwie bittere Stimme schallte quer durch den Redaktionsraum. In dem abgetrennten Teil der Nachrichtenredaktion war das knarrende Geräusch eines sich öffnenden Tores zu hören. Darauf folgte das scharfe Tappen eines Stockes, der zuerst den Boden und dann die Schreibtische zu beiden Seiten berührte.

„Tony Quinn?“, rief Commissioner Warner und ging mit großen Schritten auf die hochgewachsene, schmale Gestalt des Mannes zu, der sich seinen Weg mit seinem Stock ertastete. „Was führt Sie hierher? Haben Sie gelesen ... haben Sie gehört, was geschehen ist?“

Warner nahm Tony Quinns Arm. Einst war der ein kämpferischer Bezirksstaatsanwalt gewesen. Doch nun war er ein offensichtlich blinder Mann, in dessen nichts sehenden Augen kein Leben war und die hässlich anzusehen waren.

Jahre zuvor hatte die Tat eines Gangsters Tony Quinn von seinem hohen Amt in die scheinbare Nutzlosigkeit des Privatlebens geworfen, das ein blinder Mann führte. Der Gangster hatte Säure versprüht, um Beweise zu vernichten.

Der stämmige Captain McGrath schaute verärgert drein und sein Gesicht errötete noch mehr als zuvor.

„Tony Quinn hier?“, knurrte er mit unterdrückter Stimme. „Dann wette ich, dass die Schwarze Fledermaus nicht weit ist.“

Lange Zeit hatte Captain McGrath ganz offen und mit Nachdruck versucht, die schattenhaften Flügel der berühmten Schwarzen Fledermaus festzunageln, der als Verbrecher gesucht wurde, obwohl er als gnaden­loser Bekämpfer des Verbrechens anerkannt wurde. Mehr als einmal war McGrath davon überzeugt gewesen, dass Tony Quinn die Schwarze Fledermaus sein musste.

Ungeachtet der Beförderungen vom Sergeant bis zum Captain, die seine unaufhörliche Jagd gemeinsam mit der Schwarzen Fledermaus ihm eingebracht hatte, hatte McGrath geschworen, dass er die Nemesis des Verbrechens und den Dorn im Auge des Polizeidezernats vor Gericht bringen würde. Und wenn es das Letzte sein würde, das er tat.

Tony Quinn blieb neben Bunt Preddys großem Schreibtisch stehen. Seine leeren Augen schienen auf nichts Substanzielleres gerichtet als das Messingrohr einer pneumatischen Papierrutsche über dem Schreibtisch. Sein Stock berührte Preddys Kopf und er entschuldigte sich augenblicklich.

Vom Chefredakteur bis zum jüngsten Volontär schaute jeder voller Respekt auf Tony Quinns aufrecht stehende, muskulöse Gestalt. Es schien unmöglich, dass sich ein blinder Mann so hervorragend in Form halten konnte.

Captain McGrath respektierte den ehemaligen Bezirksstaatsanwalt insgeheim, doch das zeigte er nicht. Er fuhr mit dem fort, was er gerade gesagt hatte, als Tony Quinn so plötzlich und ohne Begleitung erschienen war.

„Erzählen Sie uns nicht, Quinn, dass Sie etwas von der Schwarzen Fledermaus gehört haben und dass er auch noch an diesem verrückten Mordfall beteiligt ist?“, wollte McGrath wissen. „Und wie kommen Sie darauf, dass wir Frank Lark nicht befragen werden?“

Die feinen, kleinen Narben rund um Tony Quinns Augen betonten noch die makellosen und kämpferischen Gesichtszüge, die ihn schon als Bezirksstaatsanwalt ­ausgemacht hatten. Sein Gesicht war nicht mehr schön anzusehen. Doch wenn er lächelte, dann war da etwas, was die meisten Menschen für sich einnahm und ihnen ein Gefühl von Wärme gab.

„Frank Lark kann seine Version der Story über den Mord an Morden nicht wiedergeben, weil er tot ist“, erwiderte Tony Quinn mit sanfter Stimme. „Sein Leichnam ist gerade auf dem Weg ins Leichenschauhaus, schätze ich. Als ich gerade unten ankam, wurde er als das Opfer eines Unfalls mit Fahrerflucht auf der Dreiundzwanzigsten Straße identifiziert. Der Unfall war erst wenige Minuten her.“

„Frank Lark ist tot?“

Nachrichtenredakteur Preddy und Herausgeber Drake stießen die Worte gleichzeitig hervor. Carl Jackson, der Textaufbereiter mit dem Mondgesicht, stöhnte. Aus seinen Augen drangen noch immer Tränen.

„Lark wurde getötet?“ Sein rundliches Gesicht wurde kreidebleich. „Er kann nicht tot sein. Er hat angerufen und die Morden-Story durchgegeben ...“

„Ganz ruhig, Jackson“, sagte Preddy und strich sich erneut mit nervösen Bewegungen durch sein graues Haar. „Vielleicht ist es ein Irrtum. Mr. Quinn, wie haben Sie ...“

Mehrere Telefone schienen gleichzeitig zu klingeln. Sie standen auf einem Schreibtisch neben dem von Bunt Preddy. Der Mann an diesem Schreibtisch war Compton, der Lokalredakteur.

Alle nannten ihn nur Baldy Compton. Vermutlich, weil der Kopf des Wirtschaftsredakteurs Compton so kahl und glatt wie eine Billardkugel war. Er nahm einen der Telefonhörer ab, während einige Textaufbereiter die anderen Gespräche annahmen. Bald stellte sich heraus, dass verschiedene Quellen identische Berichte erstatten wollten.

Baldy Compton legte den Hörer seines Telefons auf, stand auf und ging zu der Gruppe hinüber, die neben ­Preddys Schreibtisch stand. Er sprach mit erstickter Stimme.

„Tony Quinn hat sich nicht geirrt“, sagte er. „Frank Lark wurde im Leichenschauhaus ohne Zweifel identifiziert. Wie es aussieht, wurde unsere einzige Möglichkeit vernichtet, den Ursprung für die Sensationsnachricht des Sentinel über den Mord herauszufinden.“

Bunt Preddy hatte den Kopf in seine Hände gelegt. Als Nachrichtenredakteur sah er vielleicht schon das Ende seiner Karriere bei der Zeitung. Carl Jacksons rundliches Gesicht war verzerrt. Er konnte seinen Zorn nicht länger zügeln.

„Das ist doch klar, Preddy!“, stieß er hervor. „Begreifen Sie nicht? Vielleicht war Frank Lark betrunken, als er anrief! Und dann ist er vor ein Auto gelaufen! Und ich werde der Sündenbock sein!“

Quinn wandte sich zu Jackson um, doch sein Blick war auf einen Punkt gerichtet, der ein gutes Stück von ihm entfernt lag.

„Wie kommen Sie darauf, dass Frank Lark betrunken war, als er getötet wurde?“, fragte er freundlich.

„Na ja ... also, ich dachte, er hätte ein oder zwei Gläser getrunken“, stammelte Jackson. „Aber ich habe mir nichts dabei gedacht, als ich hörte, was für eine große Geschichte er da hatte. Er sprach ziemlich deutlich.“

„Könnte ihn vielleicht jemand dazu gedrängt haben, zu reden, um dem Sentinel die große Morden-Mord-Story zu geben?“, beharrte Tony Quinn.

„Warten Sie mal, Quinn!“, bellte Captain McGrath. „Wir sind immer noch die Polizei. Oder hat Ihr Freund, die Schwarze Fledermaus, Ihnen noch irgendeinen Hinweis gegeben?“

Tony Quinn lächelte freundlich. Seine Gesichtszüge blieben ruhig und ungerührt.

„Ich habe einen kleinen Hinweis bekommen, McGrath“, sagte er geduldig. „Aber Sie sind immer noch die Polizei. Ich bin nur der Anwalt desjenigen, der außerhalb der Geschäftsstelle des Sentinel am meisten vom Mord an Morden betroffen ist. Ich kam her, um Commissioner Warner zu treffen, bezüglich meines Mandanten und ihres einzigen offensichtlichen Verdächtigen, Michael Doran.“

„Wie können Sie als sein Fürsprecher engagiert worden sein, wo Doran uns doch etwas vorgespielt hat und vorgab, er sei betäubt gewesen?“, wollte Captain McGrath wissen.

„Nicht Fürsprecher“, korrigierte Tony Quinn. „Warum ich engagiert wurde, ist unwichtig. Aber ich werde mich für Doran einsetzen. Ich beabsichtige, mit ihm zu sprechen und eine eingehende Untersuchung anzuordnen, um den Grund für seinen Zustand herauszufinden.“

Tatsächlich hatte niemand Quinn engagiert. Er hatte Doran weder gesehen noch gesprochen. Doch kurz ­nachdem er das Extrablatt des Sentinel gelesen hatte, hatte er eine Nachricht im Radio gehört, die den Mord bestätigte und laut der Doran festgenommen worden war.

Er hatte auf der Stelle beschlossen, den Fall zu übernehmen, denn dieser hatte seine Neugier geweckt. Außerdem war eine Bitte aus einer außergewöhnlichen Richtung an ihn herangetragen worden. In dem Glauben, dass er wertvolle Informationen würde sichern können, indem er vorgab, Doran zu vertreten, den er später zu befragen gedachte, war Tony zu der Zeitungsredaktion geeilt. Er wusste, dass sich die Polizei dort einfinden würde.