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Erwachsene machen die einfachsten Dinge furchtbar kompliziert, findet die kleine Ella. Warum sonst weigert sich ihre Mami, Lutz Meerbusch zu heiraten, den sie im letzten Urlaub kennengelernt hat? Mami müsste dann nicht mehr so viel arbeiten, und sie, Ella, hätte endlich eine richtige Familie und einen Papa, mit dem man Pferde stehlen kann.
Für Vera Rohde ist die Sache allerdings nicht so einfach und klar. Nach der bitteren Enttäuschung mit Ellas Vater misstraut sie jedem Mann. Und bei Lutz Meerbusch scheint ihr ganz besondere Vorsicht geboten, denn er ist nicht nur attraktiv, sondern zudem äußerst charmant und gewinnend. Also legt Vera ihr Herz auf Eis und bleibt unnahbar ...
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Seitenzahl: 106
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Mamis Urlaubsabenteuer
Vorschau
Impressum
Mamis Urlaubsabenteuer
Wie ein bezauberndes Kind seine Mutter glücklich machen will
Von Heide Prinz
Erwachsene machen die einfachsten Dinge furchtbar kompliziert, findet die kleine Ella. Warum sonst weigert sich ihre Mami, Lutz Meerbusch zu heiraten, den sie im letzten Urlaub kennengelernt hat? Mami müsste dann nicht mehr so viel arbeiten, und sie, Ella, hätte endlich eine richtige Familie und einen Papa, mit dem man Pferde stehlen kann.
Für Vera Rohde ist die Sache allerdings nicht so einfach und klar. Nach der bitteren Enttäuschung mit Ellas Vater misstraut sie jedem Mann. Und bei Lutz Meerbusch scheint ihr ganz besondere Vorsicht geboten, denn er ist nicht nur attraktiv, sondern zudem äußerst charmant und gewinnend. Also legt Vera ihr Herz auf Eis und bleibt unnahbar ...
Oh, diese strapaziöse unpünktliche Frau! Lutz Meerbusch nahm sich – wie wohl schon hundertmal zuvor – auch diesmal wieder vor, bei der nächsten festen Verabredung mit Marlene erst mit halbstündiger Verspätung zu erscheinen. Aber er wusste schon jetzt, dass er seinem Vorsatz doch nicht treu bleiben könnte. Denn nichts war ihm so zuwider wie Unpünktlichkeit.
Wie zwei Menschen es mit derart unterschiedlichen Auffassungen in einer so wichtigen Frage wie der Zeiteinteilung ein Leben lang miteinander aushalten sollten, darüber machte Lutz sich zunehmend Gedanken. Umso öfter, je näher der Termin rückte, der sie beide noch enger aneinander binden sollte ...
Allmählich genervt von der Warterei, suchte Lutz unter den Passanten, die auf ihn zu und dann an ihm vorübereilten, immer ungeduldiger nach dem bekannten Gesicht. Doch wie er seine Marlene kannte, stand die vermutlich auch jetzt noch in ihrem kleinen Schwabinger Apartment vor dem Spiegel und arbeitete an ihrem Make-up. Er ärgerte sich schon seit einer geraumen Weile darüber, dass er hier so nutzlos seine Zeit vertrödelte.
Wozu hatte er sich eigentlich gleich den ganzen Nachmittag freigenommen, wo doch auch eine Stunde vollkommen ausgereicht hätte, wenn er mit Marlene verabredet war?
Gerade jetzt, zu Beginn der Ferienzeit, waren mehr Bankgeschäfte zu tätigen als vor und nach der Urlaubssaison. Die Kunden benötigten Geld für ihre Urlaubsfahrten, vor allem Devisen, die von der Zentrale angefordert werden mussten. Das bedeutete zusätzliche Arbeit.
Hinzu kam noch, dass in einer kleineren Zweigstelle, wie Lutz sie in einem östlichen Außenbezirk der Stadt leitete, die Arbeit jedes einzelnen Mitarbeiters, der fehlte, von den anderen mit übernommen werden musste. Vom Beginn der Ferienzeit angefangen bis gegen Ende des Sommers war die Belegschaft nur selten vollzählig.
Was musste es da für einen Eindruck machen, wenn ihn jetzt zufällig einer seiner Mitarbeiter sehen würde, wie er sich hier, müßig an den Brunnenrand gelehnt, die Sonne ins Gesicht scheinen ließ?
Dabei hatte Lutz einen durchaus triftigen Grund für die Freistunden. Marlene und er waren übereingekommen, sich schon mal Möbel für ihre gemeinsame Wohnung anzuschauen, die sie in nächster Zeit zu bekommen hofften. Warum sollten sie weiterhin die kriminell hohen Mieten für zwei kleinere Wohnungen in München bezahlen, wenn jene wesentlich größere auch nicht so sehr viel mehr kostete? Im Moment wurde sie allerdings noch von einem mit ihnen befreundeten Ehepaar bewohnt.
Des einen Leid – des anderen Freud, dachte Lutz. Die Ehe von Rebecca und Markus Rottmann, ihren Freunden, war bedauerlicherweise gescheitert. Rebecca war Markus auf die Schliche gekommen und hatte erfahren, dass er schon seit längerem eine heimliche Geliebte hatte. Es hatte einen Mordsspektakel gegeben, in dessen Verlauf Rebecca die Scheidung verlangte.
Da Markus Rebecca nicht hatte besänftigen können, musste er schließlich in die Trennung einwilligen. Allerdings überredete er sie, ihn noch so lange in der gemeinsamen Wohnung zu dulden, bis er etwas »Passendes« gefunden habe. Dieses »Passende« aber war die momentan noch nicht freie größere Wohnung, die er gemeinsam mit seiner Geliebten zu beziehen gedachte.
Das war allerdings nur Lutz bekannt. Hätte Rebecca davon gewusst, sie hätte vermutlich anders reagiert, als noch Nachsicht mit Markus zu üben.
Auf Dauer gesehen legte keiner der beiden Rottmanns mehr Wert auf die große Altbauwohnung, die sie jetzt noch miteinander bewohnten – getrennt allerdings von Tisch und Bett, wie sie allen Freunden versicherten. Schlecht schien das gar nicht mal zu klappen.
So war es also einstweilen noch eine Frage der Zeit, bis Marlene und Lutz in die Wohnung von Rebecca und Markus einziehen konnten. Nur konnte man schwerlich erst im letzten Augenblick Möbel besichtigen. Und während Lutz genervt auf Marlene wartete, weil er gern vorausplante, ließ die Gute wie gewohnt mal wieder auf sich warten.
Nachdem Lutz' Suche nach Marlene unter den vorübereilenden Passanten bisher vergeblich gewesen war, ließ er seine Blicke über die gleich ihm Wartenden schweifen. Das waren nicht wenige. Neben dem Brunnen am Stachus gehört der Fischbrunnen auf dem Marienplatz zu einem der beliebtesten Treffpunkte verabredeter Münchner.
Lutz versuchte in den Gesichtern der Wartenden zu lesen. Manche von ihnen wirkten nervös, andere gleichgültig. Das letzte Drittel schien sich einfach des schönen Wetters zu erfreuen.
Zu einer jungen Frau in Jeans und lockerer weißer Long-Bluse fand Lutz' Blick immer wieder zurück. Sie hockte mit gekreuzten Beinen auf dem Brunnenrand und war in ein Taschenbuch vertieft. In schöner Unbekümmertheit hatte sie ihren schon ziemlich abgewetzten Lederbeutel neben sich gelegt, ohne ihn festzuhalten oder wenigstens eine Hand durch den Schulterriemen zu stecken. Wahrscheinlich hatte sie noch nie etwas von Taschendiebstahl gehört. Ob sie ihren Mitmenschen so grenzenlos vertraute, dass sie niemanden für fähig hielt, sich an ihrer Tasche zu vergreifen?
Lutz stieß sich vom Brunnenrand ab und schob sich näher an die Unbekannte heran. Ihn interessierte der Titel des zerfledderten Schmökers, in welchem sie so selbstvergessen las.
Die Frau mochte Mitte zwanzig sein. Sie war schlank, recht hübsch – jedenfalls ließen ihr schön geschwungener Mund und ihr sanft gerundetes Kinn dies ahnen – und hatte braunes, glattes, schulterlanges Haar.
Im selben Moment, als Lutz nahe genug an die Unbekannte herangekommen war, um mit einem leichten Vorbeugen seines Oberkörpers den Titel des Buches lesen zu können, klappte sie dies zusammen und verstaute es in ihrer Tasche. Gleichzeitig blickte sie auf ihre Armbanduhr.
Aha! Eine Leidensgefährtin also. Auch anderen erging es wie ihm. Diese Erkenntnis söhnte Lutz wieder mit seinem Schicksal aus.
Die Frau beugte sich zur Seite, kramte in den Tiefen ihrer Beuteltasche, nahm einen Taschenspiegel zur Hand und suchte weiter, bis sie auch noch einen Lippenstift und ein Papiertuch zutage fördern konnte. Den Stift drehte sie auf und balancierte nun, während sie ihr Lippenrot korrigieren wollte, in zwei Händen vier Utensilien: den Spiegel, das Papiertuch, die Hülse und den Lippenstift. Ein bisschen viel auf einmal. Bei diesem Manöver rutschte ihr der offene Stift dann auch prompt aus der Hand und schoss in hohem Bogen davon.
Er wäre wohl mitten in den Brunnen geplatscht, hätte sich Lutz nicht instinktiv vorgebeugt und zugegriffen.
♥♥♥
»Hoppla!« Vergnügt schwang Lutz zurück, den Lippenstift in der fest geschlossenen Faust. »Das ist ja noch mal gutgegangen.«
Die junge Frau schüttelte ihr Haar nach hinten und wandte sich Lutz zu. Aus tiefbraunen Augen traf ihn ein abschätzender Blick.
»Sie haben eine außergewöhnliche Reaktionsgabe«, stellte die Unbekannte anerkennend fest.
»Sie kann mitunter recht nützlich sein, wie man sieht«, schmunzelte Lutz und öffnete die Faust. Der schon zum Teil herausgedrehte braunstichige Lippenstift hatte Spuren in seiner Hand hinterlassen. Er reichte der Fremden den Stift zurück.
»Danke.« Entweder hatte sie jetzt keine Lust mehr dazu, ihre Lippen nachzuziehen, oder sie wollte es nicht, weil die Spitze mit Lutz' Haut in Berührung gekommen war. Jedenfalls schraubte sie den Stift wieder zu und ließ ihn samt Spiegel zurück in ihre Tasche gleiten. Nur das Papiertuch behielt sie in der Hand.
Lutz fischte aus der rechten Tasche seines hellgrauen Jacketts ein weißes Taschentuch hervor und wollte mit diesem die Lippenstiftspuren aus seiner Handfläche entfernen.
»Moment! Nicht damit!« Die junge Frau riss seine Hand zurück. »Das schmiert. Aber wir haben es gleich.« Erneut verschwand ihre Hand in dem Lederbeutel, bis sie gefunden hatte, was sie suchte: ein Päckchen Feuchttücher. Sie riss es auf und entnahm ihm ein Tüchlein. Ohne Lutz zu fragen, ob es ihm recht sei, griff die Unbekannte nach seiner Hand und säuberte wortlos deren Innenfläche. Mit dem sauberen Papiertuch wischte sie nach. »So können Sie sich jetzt der Menge wieder getrost präsentieren«, sagte sie danach zufrieden. »Und übrigens noch vielen Dank.«
»Oh, bitte sehr. Wer ist nicht gern einer schönen Frau behilflich?«, antwortete Lutz galant.
»Brechen Sie sich nur keine Verzierungen ab«, warnte die junge Frau spöttisch. »Bei mir verfängt das doch nicht.« Sie musterte den ihr fremden Mann in dem eleganten hellgrauen Anzug ungeniert, ließ ihre Blicke kritisch von den kurzgeschnittenen dunkelblonden Haaren über das markante Gesicht mit der geraden Nase und den blaugrauen Augen schweifen und weiter über seine breiten Schultern, die schmalen Hüften bis zu den weichen eierschalenfarbenen Slippern. Danach kehrte ihr Blick zu seinen Augen zurück und verharrte dort ohne Scheu.
»Bestanden?«, fragte Lutz amüsiert.
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, Ihr abschätzender Blick sprach Bände.«
»So? Hat er das? Und was hat er Ihnen verraten?«
»Dass Sie wissen möchten, mit wem Sie es zu tun haben.«
»Halten Sie sich für so unwiderstehlich, dass Sie das bei jeder Frau voraussetzen?«, schmunzelte sie.
»Keineswegs. Bei Ihnen sah es allerdings danach aus.«
»Pech gehabt. Ich habe mir lediglich die Frage gestellt, weshalb Sie bei diesen sommerlichen Temperaturen so ...«
»... aufgemotzt?«
»Das haben Sie gesagt!« Die Fremde lachte. »Ich hätte eher gefragt: ,eingeschnürt' daherkommen. Behindert Sie Ihre Krawatte nicht?«
»Nicht sehr. Ich bin sie gewohnt. Aber wenn Ihnen das lieber ist, könnte ich bei der nächsten Begegnung mit Ihnen ja vielleicht wie ... der da herkommen?« Verstohlen deutete Lutz auf einen mit großer Leibesfülle gesegneten Mann, der – mit ziemlicher Sicherheit Tourist – in weißem Unterhemd und bis zu den Knien reichenden bunten Shorts dahinschlenderte. Vor seinem gewaltigen Wohlstandsbauch baumelte sein Handy.
Verschwörerisch blickten Lutz und seine Zufallsbekanntschaft einander an. Dann brachen sie gleichzeitig in vergnügliches Gelächter aus.
»So nun auch nicht unbedingt«, japste sie.
»Sind Sie auch versetzt worden?«, erkundigte sich Lutz, nachdem sie sich halbwegs beruhigt hatten.
»Scheint so. Es ist wohl das Schicksal der Frauen, immer warten zu müssen.«
»Diesen Vorwurf muss ich entschieden zurückweisen. Ich selbst bin nämlich ebenfalls ein Mann – wie Sie sicher schon bemerkt haben dürften.« Lutz deutete eine Verbeugung an. »Und ich bin ein Pünktlichkeitsfanatiker. Von meiner Seite aus muss es allerdings heißen: Oh, diese Frauen, die niemals mit ihrem Make-up fertig werden!«
Dem wiederum widersprach die schöne Unbekannte energisch. Es kam zu einem amüsanten Schlagabtausch, den sie beide genossen. Im Laufe des Gesprächs erkundigte sich Lutz dann, weshalb sie so sorglos mit ihrer Tasche umgehe, die schon wieder neben ihr lag, als gehöre sie ihr nicht.
»Das alte Stück? Wer wird sich daran schon vergreifen? Zum Bummel durch die Stadt nehme ich aus Sicherheitsgründen vorzugsweise diese Tasche mit. Die stempelt mich, wie ich mir einbilde, zur mittellosen Studentin. Bei der ist nichts zu holen, denkt jeder Dieb.«
»Und wenn sie trotzdem noch einen Liebhaber findet? Vielleicht einen Antiquitätenhändler?«
»Dann sei sie ihm gegönnt.«
»Aber ihr Inhalt?«
»Besteht aus angebrochenen Kosmetika und wertlosem Plunder.«
»Und einem, wie ich vermute, spannenden Buch. Darf man nach dem Titel fragen?«
»Nach dem Motto: Sage mir, was du liest, und ich sage dir, wer du bist, ja?«, neckte sie Lutz. Dennoch griff sie in ihre Tasche und hielt ihm die Titelseite vor die Augen. Es handelte sich um einen Roman von Agatha Christie. »Gerade das Richtige, um eine langweilige Wartezeit zu überbrücken«, lachte sie. »Würde ich Ihnen auch empfehlen.«
»Danke für den Rat. Ich werde ihn beherzigen. Aber darüber hinaus? Kein Geld? Kein Handy? Keine Papiere?«
»Alles ist wohlverwahrt.« Schmunzelnd strich sie über ihre weite Bluse, unter der sich dabei knapp unterhalb der Taille etwas beulte. Vermutlich eine sogenannte Tresortasche. »Zufrieden?«
»In der Tat. Doch nun zu uns beiden Versetzten.« Lutz, dem die junge Frau ungemein gut gefiel, fühlte sich jetzt richtig unternehmungslustig. Zum ersten Mal war er Marlene insgeheim dankbar für ihre Unpünktlichkeit. Sollte sie sich doch allein Möbel anschauen, wenn sie endlich eintraf. Auf ihn durfte sie heute nicht mehr zählen. Er hatte jetzt etwas Besseres zu tun. »Was machen wir mit dem angebrochenen Nachmittag?«
Noch ehe die Angesprochene etwas darauf erwidern konnte, legten sich von rückwärts zwei schlanke, gebräunte Frauenarme um Lutz' Schultern. Und eine Frauenstimme gurrte: »Entschuldige, Darling, ich hab's nicht früher geschafft. Ich hoffe, dir ist die Zeit inzwischen nicht lang geworden?« Ihre blonde Löwenmähne kitzelte seine Wange.
Lutz wandte sich, sichtlich ärgerlich, wie seine Brunnenbekanntschaft erkannte, der Löwenmähnigen zu, die ihm nun mit feuerrot geschminkten Lippen enthusiastisch einen Kuss auf den Mund drückte.
»Gehen wir!«, forderte Marlene dann entschieden, fasste Lutz bei der Hand und zog ihn mit sich fort.
Eine an sich unbedeutende Szene entging ihr dabei. Mit der anderen Hand hatte Lutz nämlich flugs in seine Jackentasche gegriffen, blitzartig das zusammengefaltete Taschentuch herausgenommen und es auf den Brunnenrand neben den braunen Lederbeutel gelegt, ohne ein Wort zu sagen.