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Nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Vaters fühlt sich die zehnjährige Josefine wie ein aus dem Nest gefallenes Vögelchen - hilflos, unverstanden und allein.
In seinem grenzenlosen Schmerz lässt das Kind niemanden an sich heran - nicht einmal die Stiefmutter Pia, die wirklich alles versucht, um wieder ein Lachen auf Fines Gesicht zu zaubern. Es ist, als gäbe das Mädchen allen Menschen die Schuld am Tod seines Vaters, ganz besonders aber Pia. Hat nicht gerade sie ihr in den letzten Monaten die Hälfte der Liebe ihres Vaters geraubt?
So jedenfalls sieht es Fine, und in ihrer Verzweiflung lässt sie sich zu Dingen hinreißen, die Pia das Leben zur Hölle machen. Zu spät erkennt Fine, was sie damit anrichtet ...
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Seitenzahl: 107
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Josefine – kleine Hexe mit Herz
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag – privat
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9921-9
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Josefine – kleine Hexe mit Herz
Wie sich die Träume eines Kindes erfüllten
Von Heide Prinz
Nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Vaters fühlt sich die zehnjährige Josefine wie ein aus dem Nest gefallenes Vögelchen – hilflos, unverstanden und allein.
In seinem grenzenlosen Schmerz lässt das Kind niemanden an sich heran – nicht einmal die Stiefmutter Pia, die wirklich alles versucht, um wieder ein Lachen auf Fines Gesicht zu zaubern. Es ist, als gäbe das Mädchen allen Menschen die Schuld am Tod seines Vaters, ganz besonders aber Pia. Hat nicht gerade sie ihr in den letzten Monaten die Hälfte der Liebe ihres Vaters geraubt?
So jedenfalls sieht es Fine, und in ihrer Verzweiflung lässt sie sich zu Dingen hinreißen, die Pia das Leben zur Hölle machen. Zu spät erkennt Fine, was sie damit anrichtet …
Es war einer jener ungemütlichen Abende, an denen sich so mancher wünscht, es den Tieren gleichzutun, die zu Beginn der dunklen Jahreszeit ihre Körperfunktionen auf Sparflamme schalten und sich auf den Winterschlaf vorbereiten.
Nebelschwaden zogen im freien Land über die abgeernteten Felder. Von den Bäumen tropfte Feuchtigkeit. Und die Landstraße, auf welcher sich die Nässe mit dem herabfallenden Herbstlaub mischte, glich streckenweise eher einer gefährlichen Rutschbahn. Das Autofahren konnte an solchen Abenden bei einsetzender Dunkelheit mitunter zum Albtraum werden.
So empfand es auch die Krankenschwester Pia Lammert, der etliche Dinge durch den Kopf gingen, die sie jetzt weitaus lieber getan hätte, als vierzig Kilometer zum Nachtdienst in die Klinik zu fahren. Bei diesem unfallträchtigen Wetter verwünschte sie ihren Entschluss, sich vor einigen Monaten so vehement um die Stelle als Nachtschwester in der kleinen orthopädischen Klinik in dem südlichen Vorort bemüht zu haben. Hätten die leitenden Ärzte sich doch für ihre ältere Mitbewerberin entschieden!
Nein, dachte Pia, ich darf nicht undankbar sein. Bei diesem Job verdiente sie weitaus mehr als bei ihrer vorherigen Tätigkeit im Kreiskrankenhaus, und er war im Grunde sogar weniger stressig.
Es gab zum Beispiel kaum Ärger oder Eifersüchteleien mit ihren Kolleginnen, denn die letzten verließen kurz nach Pias Eintreffen das Haus. Und des Nachts gab es für sie nur in Ausnahmefällen mehr zu tun, als sie dies von den Tagesschichten her gewohnt war. Diese Ausnahme bildeten vorhergehende Operationstage. Aber auch das machte ihr nicht viel aus. Sie fühlte sich mit ihren zweiunddreißig Jahren jung und war, soweit es ihr bekannt war, auch gesund.
Und es gab noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Während der Nachtschicht war sie ihr eigener ,Herr‘. Meistens brauchte sie nicht einmal den Arzt zu wecken, der Bereitschaftsdienst hatte und in einem abgelegenen Zimmer in der Klinik schlief. Sie schaffte es auch allein, mit den ihr anvertrauten Kranken fertigzuwerden.
Pia überlegte, welcher ,Mann für besondere Fälle‘ es heute war, mit dem sie bei einem möglichen Notfall zu tun haben würde. Falls es keine Änderung im Dienstplan gegeben hatte, musste es Dr. Berger sein, ein schlanker, ernster Mann mit etwas schwermütigen grauen Augen, von dessen Privatleben ihr kaum etwas bekannt war. Er begegnete ihr immer höflich, aber sehr distanziert. Schwer zu sagen, ob Arroganz der Grund dafür war. Was ging es sie an? Sie erledigte gewissenhaft ihre Arbeit, da konnte ihr niemand etwas nachsagen. Und wenn sie gelegentlich einen der Bereitschaftsärzte wecken musste – was spielte es da für eine Rolle, ob dieser leutselig oder unterkühlt war?
Hoppla, Pia, nicht unaufmerksam werden!, mahnte sie sich erschrocken zur Ordnung, als sie in einer unter Umständen etwas zu schnittig ausgefahrenen Linkskurve merkte, wie ihr Wagen nach rechts hin auszubrechen drohte. Aber es war auch nicht ganz einfach, auf einer Fahrstrecke von fast vierzig Kilometern seine Gedanken ausschließlich auf das Verkehrsgeschehen zu richten. Und so gingen diese auch nach relativ kurzer Zeit bereits wieder eigene Wege …
Die Krankenschwester Pia Lammert war mit ihrem schmalen ebenmäßigen Gesicht, der klaren hellen Haut, den weichen mittelblonden Haaren und ihrer schlanken Figur wesentlich hübscher, als sie es von sich glaubte. Es mochte daran liegen, dass ihr dies in ihrem zweiunddreißigjährigen Leben viel zu selten bestätigt worden war.
Sie selbst hätte sich als absolut durchschnittlich aussehend bezeichnet. Das heißt, falls sie überhaupt jemals über sich und ihr Aussehen nachdachte. Pia gab nicht viel auf Äußerlichkeiten. Sie, die durch ihren Beruf gelernt hatte, in Gesichtern zu lesen, fand eher ein blasses Gesicht anziehend, dem die Freude über die ersten kleinen Fortschritte nach geglückter Operation eine sanfte Röte verlieh. Weitaus anziehender jedenfalls als ein schönes, aber gelangweiltes Gesicht, das hinter der Schminke verborgen blieb. Eine gute Hautcreme, etwas Lippenrot, wenn sie mal ausging, und ein mildes Shampoo zur Pflege der Haare, damit diese ihren natürlichen Glanz behielten – mehr benötigte Pia nicht für sich.
Wenn Pia sich den Kopf zerbrach, dann darüber, wie sie Tante Hertha ihre Altersbeschwerden erleichtern konnte. Oder ob sie den Winter nicht doch besser mit der Bahn zum Dienst fahren sollte, auch wenn das zeitaufwendiger war. Das waren die Probleme, mit denen sie sich vorwiegend herumschlug.
Tante Hertha, die nun bald achtzig wurde, hatte seit dem Unfalltod von deren Eltern an Pia Mutterstelle vertreten. Damals war Pia gerade mal vierzehn Jahre alt gewesen. Notgedrungen hätte auch die Schwester ihres Vaters sie durchgefüttert. Aber deren Wohnung war schon mit Ehemann und eigenen drei Kindern übervölkert gewesen. Dann war da noch der Bruder ihrer Mutter, der sich um sie hätte kümmern können. Doch dessen Frau war in der Familie als Xanthippe verschrien, die den Streit zum Leben brauchte wie andere Leute den Sonnenschein. Da hätte Pia schon eher das Heim vorgezogen, als unter demselben Dach mit dieser zänkischen Person zu wohnen.
In dieser Situation hatte ohne viele Worte Tante Hertha, eine Tante ihres Vaters, eingegriffen. Sie, eine ledige Frau, die ihren Verlobten verloren hatte, hatte Pia angeboten, zu ihr zu ziehen.
Die Verwandtschaft war anfangs skeptisch gewesen. Wie sollte ein ,altes Mädchen‘ wie Tante Hertha eine verstörte Jugendliche erziehen können?
Doch Tante Hertha in ihrer ruhigen Art, damals schon auf die sechzig zugehend, war der Meinung gewesen, dass es bei gegenseitiger Rücksichtnahme gehen müsse. Sie hatte in Pia weniger das Kind als vielmehr bereits eine junge Erwachsene gesehen, mit welcher man gewisse Absprachen treffen konnte.
Ein Angebot, das Pia ihr nie vergessen hatte. Auf diese Weise hatte Tante Hertha ihr sowohl ein Heimleben als auch die zänkische Verwandte erspart.
Heute war Tante Hertha alt und hinfällig und hätte vermutlich in ein Seniorenheim abgeschoben werden müssen, würde jetzt nicht sie, Pia, ihre vermeintliche Schuld abtragen, indem sie auf Freundschaften und Vergnügen weitgehend verzichtete und Tante Hertha betreute.
Einige Jahre lang hatte Pia als Krankenschwester in der näher gelegenen Kreisstadt gearbeitet und die Hausarbeit erledigt, wenn sie von ihrem anstrengenden Dienst heimkam. Aber inzwischen brauchte die Ersatzmutter Dauerpflege – wenigstens tagsüber.
Da hatte Pia Erkundigungen eingezogen und von der offenen Stelle als Nachtschwester in der orthopädischen Privatklinik gehört und sich gleich um diese beworben. Zu dem großstädtischen Vorort war es zwar doppelt so weit zu fahren, aber die Stelle bot etliche Vorteile: Auch wenn sie tagsüber ihren versäumten Nachtschlaf nachholen musste, war sie für die Tante doch erreichbar, falls es nötig wurde. Und ihr blieb dennoch Zeit, die dringendsten Hausarbeiten zu erledigen. Außerdem hatte sie statt einzelner freier Tage, einem gewissen Turnus gemäß, drei ganze Wochen lang an einem Stück frei, in denen sie das Liegengebliebene nachholen konnte.
Leider aber stand jetzt der Winter vor der Tür und mit ihm die unterschiedlichsten Witterungsverhältnisse. So befand sich Pia täglich in einem Dilemma zwischen beruflichem und privatem Stress. Dass dies kein Dauerzustand sein konnte – schließlich war auch sie kein Übermensch – das war ihr klar. Doch sie wollte den Gedanken an die einzige Möglichkeit, der eine Lösung ihres Problems bedeuten würde, so weit wie möglich von sich schieben.
Hatte Tante Hertha seinerzeit ihr ein Heimleben erspart, so glaubte Pia jetzt, es der kränkelnden alten Dame schuldig zu sein, diese ebenfalls davor bewahren zu müssen. Keinesfalls wollte Pia aus egoistischen Motiven undankbar sein.
♥♥♥
Eben wollte Pia die Kaffeetasse an die Lippen setzen, als schon wieder ein rotes Lämpchen aufleuchtete. In dieser Nacht kam sie einfach nicht zur Ruhe.
Ach Gott, dachte Pia, ausgerechnet Nummer siebzehn! Sie würde mit ,Frau Nervensäge‘, wie sie die Patientin dort bei sich nannte, wirklich einmal ein ernstes Wörtchen reden müssen. Es ging nicht an, dass diese nicht einmal nachts Ruhe gab und bei jedem noch so kleinen Zipperlein gleich schellte.
Bei der Frau handelte es sich, wie Pia wusste, um eine von ihrem Ehemann entsetzlich verwöhnte Patientin, die sich das linke Bein gebrochen hatte und nun meinte, alles habe sich nur noch um sie zu drehen. Wenn schon der eigene Sohn die Schwestern vor den Launen seiner Mutter gewarnt hatte – wie sehr mussten diese dann erst die übrigen Angehörigen belasten?
Der junge Mann hatte es übernommen, anstelle seines wegen eines bloßen Beinbruchs völlig gebrochenen Vaters die Formalitäten zu erledigen. Später auf der Station hatte er dann eine der Schwestern zu einem kurzen Gespräch gebeten, in welchem er ziemlich unverblümt erklärt hatte, die Befehle seiner Mutter besser zu ignorieren.
Diese Warnung war nicht unbegründet gewesen, wie sich bald herausstellte. Wie ,Frau Nervensäge‘ ihren Mitpatientinnen mit der von Ihr geforderten Rücksichtnahme das Leben schwermachte, grenzte schon fast an Terror. Und die ohnehin überlasteten Schwestern versuchte sie ebenso herumzuscheuchen. Was allerdings misslang.
Trotzdem war Pia jetzt gezwungen, auch diesem nächtlichen Ruf zu folgen. Man konnte ja leider doch nie wissen … Also nippte sie nur an dem heißen Getränk, stellte die Tasse wieder ab und begab sich zu Zimmer siebzehn.
Dort war man inzwischen in heller Aufregung. Ausnahmsweise war ,Frau Nervensäge‘ diesmal völlig schuldlos. Die nette Frau Brinkmeier hatte gegen die Anordnung des Arztes ihr Bett verlassen. Bei einem Sturz vor drei Wochen hatte die Vierzigjährige einen komplizierten Beckenbruch davongetragen und sollte keinesfalls aufstehen. Rücksichtsvoll, wie sie war, hatte sie nicht nach der Nachtschwester klingeln wollen, um diese um eine Bettpfanne zu bitten. Und nun lag sie wimmernd und selbstanklagend auf dem Boden.
Pia versuchte, die Patientin zu trösten. Sie bat die Frau eindringlich, sich nicht zu bewegen, bis sie mit dem Arzt zurück sei. Danach eilte sie durch die Korridore, um Dr. Berger zu wecken …
Es ging bereits auf drei Uhr zu, als der Bereitschaftsarzt und Pia nach den zurückliegenden Aufregungen endlich das Krankenzimmer verlassen konnten. Dr. Berger hatte sich mit Umsicht der gestürzten Patientin angenommen, die nun bis zur Tagesschicht versorgt war. Erst die Röntgenaufnahmen am folgenden Tag würden zeigen, ob der Sturz einigermaßen glimpflich abgelaufen war. Die Nägel in den Bruchstellen waren zwar widerstandsfähig – Komplikationen aber dennoch nicht auszuschließen.
Diese Aussicht war es auch, die das Nervenkostüm der Patientin arg ramponiert hatte. Schließlich hatte Dr. Berger ihr eine Spritze geben müssen, um sie ruhigzustellen. Nun endlich schlief Frau Brinkmeier, und auch bei ihren Mitpatientinnen hatte sich die Aufregung allmählich gelegt.
Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, hätte der Arzt in sein Zimmer zurückkehren können, aber er folgte Pia ins Schwesternzimmer.
„Wissen Sie, was ich jetzt vertragen könnte, Schwester Pia?“ Dr. Berger ließ sich auf einen weiß lackierten Stuhl fallen und gähnte herzhaft. „Einen Schluck Kaffee. Falls uns jetzt nicht wieder ein Patient dazwischenfunkt – ob Sie dann wohl so freundlich sein könnten …?“
Pia blickte in ihre noch fast volle Kaffeetasse.
„Eiskalt“, meinte sie. „Ich koche uns frischen. Es dauert nicht lange, Herr Doktor.“
„Lassen Sie sich nur Zeit. Ich weiß nicht, ob es überhaupt noch Sinn hat, sich wieder hinzulegen. Bis ich jetzt wieder eingeschlafen bin, dürften die Hähne bereits krähen. Jedenfalls täten sie das, wenn es hier welche gäbe. Aber wer hält sich in einem Villenvorort wie diesem schon einen solchen lebenden Wecker?“ Dr. Berger grinste.
„Ich glaube, falls einer die Absicht hätte, würde er damit nur einen Anlass zu einem Rechtsstreit bieten“, stimmte Pia ihm vergnügt zu.
Für den Rest der Nacht blieb es ruhig. Pia und Dr. Berger saßen einander gegenüber und sprachen über alles Mögliche.
„Darf ich mal ein bisschen indiskret sein, Schwester Pia?“, fragte der Arzt schließlich. „Nicht aus Neugierde, möchte ich gleich anfügen. Verstehen Sie mich da bitte nicht falsch.“
„Bitte. Was möchten Sie wissen?“
„Mir ist nicht erst heute aufgefallen, dass Sie häufig schon sehr abgespannt wirken, wenn Sie zum Dienst erscheinen. Schlafen Sie tagsüber nicht in ausreichenden Maßen? Ich weiß, die Nachtruhe ist durch nichts zu ersetzen. Am Tage schläft es sich nicht so gut, aber wenn es nicht anders geht, sollte man dies trainieren.“
Pia war überrascht. Dass einer der Ärzte sie so genau beobachten könnte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen.
„Ich bemühe mich jedenfalls“, wich sie aus.
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