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Dr. Bender hält sich mit Frau und Tochter in Abazzia an der Adria auf. Nur zögernd erlauben sie Ursula, auf ein Kostümfest zu gehen, und das auch nur, weil der junge Frank Ohlsen sie begleitet. Doch als Ursula am nächsten Tag nicht zum Frühstück kommt, müssen die Eltern Bender entdecken, dass ihre Tochter nicht nach Hause gekommen ist. Und das Schlimmste ist, dass auch Frank nichts weiß. Er kann nur erzählen, dass Ursula ihn gebeten habe, noch länger bleiben zu dürfen: Ihr Tänzer sei ein guter Freund ihrer Eltern und würde sie nach Hause bringen. Herr und Frau Bender ahnen nicht, dass die Geschichte so nicht stimmt. Vor wenigen Tagen hatten sich nämlich Franks Freund Horst und Uschi kennengelernt und das Kostümfest in Fiume war die Gelegenheit, heimlich etwas Zeit miteinander verbringen zu können. Als Frank auf Horst trifft, mehren sich die Zeichen für eine Entführung Uschis. Mit am Tisch beim Fest hatten auch ein Maharadschi und ein weiterer als Inder verkleideter Mann gesessen. Irgendwann ist Horst in einem Hotel aufgewacht, wie er dahin kam, ist ihm völlig schleierhaft. Als sich die beiden Freunde unabhängig von der Polizei auf die Suche machen, geraten sie in das größte Abenteuer ihres Lebens. Denn ihr Gegner verfügt außer über Macht und Geld auch über hypnotische Fähigkeiten.-
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Seitenzahl: 255
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Hans Heidsieck
Abenteuerroman
Saga
Frauenraub in Abbazia
German
© 1950 Hans Heidsieck
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711508671
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com
„Wo bleibt Ursula?“ fragte Doktor Bender, während er sein eben durchschnittenes Brötchen bedächtig mit Butter bestrich. Dann fügte er noch Honig hinzu.
Die Gattin warf ihm einen flehenden Blick zu. „Ich bin noch nicht bei ihr gewesen,“ erwiderte sie, „ich dachte —“
Er unterbrach sie und schaute sie forschend an. „Ah — du dachtest! Was dachtest du?“
„Nach dem Fest gestern wird sie sich wohl etwas ausschlafen wollen.“
„Wollen? Ah — jetzt geht’s schon nach Uschis Launen, was? Sofort gehst du zu ihr! Sie hat sofort zum Frühstück hier auf die Terrasse zu kommen!“
Frau Doktor Bender geht schweigend. Sie kennt die launische, mürrische Art ihres Mannes, weiß, daß da nichts zu machen ist.
Er stochert in seinem Kaffee herum. Kaum einen Blick gönnt er der herrlichen Landschaft, die sich hier im blauen Wasser der Adria spiegelt. Man kann bis Fiume blicken. Drüben am anderen Ufer des Golfes stehen die Berge wie Silhouetten gegen den strahlenden Himmel ab. Unten streicht ein leichter Wind durch die Palmen. Sie zittern wie unter einer streichelnden Hand ...
Als Frau Bender in Ulrichs Zimmer trat, fand sie es leer. Alles noch unberührt. Sie stutzte. Ein jäher Schrecken packte sie plötzlich. Sie lief hin und her. Suchte ihre Gedenken zusammenzufassen. Nur ruhig Blut!
Wahrscheinlich hat das Mädel in der Nacht den letzten Zug nach Abbazia nicht mehr erreichen können. Was — Zug? Unsinn! Frank Ohlsen hatte sie doch in seinem Rennwagen hingefahren! Sollte etwas passiert sein? Mein Gott!
Sie eilte ins Foyer des Hotels. Eine Minute später schon hatte sie Frank an der Strippe. „Wo ist meine Tochter, Herr Ohlsen?“
„Was Ihre Tochter? Wieso? Ich verstehe nicht!“
In Frau Benders Hand beginnt der Hörer zu zittern. „Sie sind doch gestern abend mit ihr zum Kostümfest nach Fiume gefahren?“
„Natürlich. Ich denke, sie ist wieder hier!“
„Sie denken, sie ist wieder hier, was sind das für Redensarten? Haben Sie Uschi denn nicht zurückgebracht?“
„Gnädige Frau, ich — verzeihen Sie bitte, aber jetzt bin ich selbst ganz verwirrt. In zehn Minuten werde ich bei Ihnen sein. Erwarten Sie mich im Hotel.“
„Nein, nein — sagen Sie mir erst, wo Uschi ist! Hören Sie, Herr Ohlsen! Hallo — Herr Ohlsen!“ Keine Antwort mehr. Es wurde schon eingehängt. Auch Frau Bender läßt jetzt den Hörer fallen. Tausend Sternchen tanzen vor ihren Augen. Mit zitternden Händen sucht sie nach einem Halt, läßt sich in einen Sessel gleiten. Da kommt schon ihr Gatte die Treppe herunter. Was soll sie ihm sagen, was?
Doktor Bender kommt mit festem Schritt auf sie zu. Sein schmales, hageres Gesicht mit dem dunklen Spitzbart hat etwas Dämonisches. Seine Augen funkeln. „Was sitzt du denn hier herum? Hast du Uschi Bescheid gesagt?“
Jetzt erst bemerkte er die Verwirrung. „Zum Kuckuck, was ist denn los? Du bist ja ganz blaß — du — aber so rede doch!“
Frau Hertha Bender hat die Finger verkrampft. Mit einem Ausdruck wilder Verzweiflung blickt sie den Gatten an. „Uschi — mein Gott — das Kind —“ stottert sie nur. Er hat sich zu ihr niedergebeugt: „Also, bitte!“ Seine Stimme klingt schneidend. „Was ist passiert?“
Völlig verwirrt, stockend, schluchzend schildert sie ihm, was sie eben erfahren hat. Der Doktor steht wie versteinert da. Dann bricht es aus ihm hervor: „Ah — nicht zurückgekommen! Und Ohlsen weiß nicht! Na, der soll mir nur kommen! Ich muß ihn verantwortlich machen, ich — ja, was soll denn nun werden?“
Mühsam hat sich Frau Bender wieder etwas zurechtgefunden. „Wir wollen doch erst einmal warten, was Ohlsen sagt!“ meinte sie leise.
„Ohlsen sagt! Ohlsen sagt! Dieser Ohlsen!“ Bender stampft wie ein wütendes Tier auf und ab. Sieht, daß andere Gäste kommen, zieht seine Frau mit sich fort: „Komm — nicht vor den Leuten!“ Schweigend stapft sie neben ihm die Treppe empor. Er zerrt sie ins Zimmer. „So — also warten wir! Schöne Bescherung, verdammt noch einmal!“
Endlich wird an die Tür geklopft. „Herein!“
Es ist Ohlsen. Der junge Sportsmann mit den straffen Zügen sieht gut aus. Aber jetzt ist sein Gesicht durch Erregung entstellt. Wirr blickt er um sich. „Herr Doktor — gnädige Frau — ich bin sprachlos — ich — ja, ist Ihre Tochter wirklich nicht da?“
Bender zischt ihm entgegen: „Nein! Wo sie steckt, will ich von Ihnen wissen, verstehen Sie! Wir haben sie Ihnen anvertraut, Sie sind verantwortlich! Reden Sie!“
Ohlsen steht wir verwurzelt da. Was soll er sagen, was soll er tun? „Fräulein Ursula“, stotterte er, „ist mit mir nach Fiume gefahren, wie es verabredet wurde.“
„Das wissen wir!“ brüllt Bender, „aber wo steckt sie jetzt? Warum haben Sie sie nicht wieder zurückgebracht?“
Das Anbrüllen gab Ohlsen die gewohnte Ruhe und Überlegenheit wieder. „Zunächst bitte ich Sie“, sagte er, fest seinen Blick in den Doktor Benders bohrend, „mich nicht so anzuschreien. Ich glaube, mit ruhiger Sachlichkeit kommen wir weiter.“
Der Doktor wich einen Schritt zurück. Er war fassungslos. Aber dann packte ihn wieder sein impulsives Temperament: „Reden Sie endlich!“ rief er, nicht minder laut, „oder —“, er schien nach Worten zu suchen; bebte am ganzen Körper.
Noch ruhiger erwiderte Ohlsen: „Ich lehne alle Verantwortung ab, wenn Ihre Tochter einfach davonläuft!“
Frau Bender ist aufgesprungen. „Was sagen Sie? Einfach davonläuft? Uschi ist Ihnen davongelaufen? Wie haben wir das zu verstehen?“
„Es ist mir selber noch unverständlich. Aber — kurzum — es waren noch einige Herrschaften aus Dresden da, gute Bekannte Ihrer Familie, wie sie mir sagte, die würden sie zurückbringen, meinte sie.“
„Ich dränge mich niemanden auf. Und da Fräulein Ursula ziemlich kurz und unfreundlich war —“
„Kannten Sie denn die Leute?“
„Nein, Sie vergessen, daß es sich um einen Kostümball handelte. Man hatte zum größten Teil Larven vor.“
„Lächerlich! Herr Ohlsen — es befremdet mich außerordentlich, daß Sie unser Vertrauen so sehr mißbrauchen konnten! Jawohl! Es wäre Ihre verdammte Pflicht gewesen zu prüfen, in wessen Hände unsere Tochter geraten ist! Als dem Sohne meines Freundes Ohlsen glaubte ich Ihnen volles Vertrauen schenken zu dürfen. Selbst wenn meine Tochter sich Ihnen gegenüber nicht so verhielt, wie Sie es von Ihr erwarten konnten, — wenn sie auch vielleicht einmal launisch war — mein Gott — aber wir vertrödeln die Zeit! Was soll geschehen? Man wird sofort die Polizei verständigen müssen!“
„Das werden wir tun. Natürlich. Aber ich glaube, es ist auch gut, wenn ich selbst sofort Nachforschungen aufnehme. Selbstverständlich werde ich alles daransetzen, Ihnen Ihre Tochter so rasch wie möglich wieder zuzuführen. Es ist mir außerordentlich peinlich —“
„Jetzt, wo es zu spät ist — jawohl! Nein, nein, gehen Sie mir aus den Augen, Herr Ohlsen. Ich will Sie gar nicht mehr sehen! Gehen Sie!“
Mit einer steifen Verbeugung empfahl sich der junge Mann. Bender eilte zum Telephon.
*
Frank Ohlsen kehrte in sein Hotel zurück. Er war noch ganz durcheinander. Noch niemals hatte ihn etwas so aufgeregt, wie diese auch ihm noch völlig schleierhafte Geschichte. Bei Doktor Bender mußte er alle Kräfte zusammenreißen, um sich nicht gehen zu lassen oder gar grob zu werden. Jetzt kam die Reaktion. An den Fensterrahmen des Zimmers gelehnt starrte er auf das Meer hinaus. Mechanisch verfolgte sein Blick einen kleinen Segler, der am Ufer vorüberglitt.
Sekundenlang schloß er die Augen. Er mußte sich sammeln. So, nun war es schon wieder besser. Er hatte Dr. Bender nicht die Wahrheit gesagt. Er konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. — Horst zuliebe.
Aber nun war auch der verschwunden. Sollte er in der Tat mit dieser kleinen Hexe durchgebrannt sein?
Noch einmal ruft er sich alles ins Gedächtnis zurück. Man war nach Fiume zu dem Kostümfest gefahren bei dem fast alle Teilnehmer der großen Auto-Sternfahrt aus Deutschland versammelt waren. Er hatte Uschi vom Hotel abgeholt. Erst, als man Abazia hinter sich hatte, stieg Horst dazu. gemächlich gondelte man an der herrlichen Küste entlang; man hatte noch Zeit genug. Und die beiden jungen Leute hinten im Fond, die sich erst vor einigen Tagen gefunden hatten, schienen mit der gemütlichen Fahrt durchaus einverstanden zu sein.
In Fiume kaufte man dann kurzerhand einige Masken. Uschi erhielt ein Carmenkostüm und sah reizend aus. Fast hätte er selbst sich noch in das Mädel verliebt.
Auf dem großen Ball tanzte sie fast ausschließlich mit Horst. Na ja — warum nicht? Für ihn, Frank, gab es noch genug andere vornehme Damen der guten Gesellschaft. Vor allem die kleine Gelehrtentochter aus Darmstadt hatte ihn bald völlig in ihrem Bann. Sie sah auch entzückend aus in ihrem gutsitzenden Zigeunerkostüm. Und ihr perlendes, unbefangenes Lachen — na ja! Sie wohnte zur Zeit mit ihren Eltern in Abbazia in Pension Flora. Erika hieß sie. Ein poetischer Name, — viel zu poetisch für ihn, den nüchternen Autorennfahrer. Eigentlich etwas störend —. Ja, — also Horst — wie war das noch alles? Man sah ihn plötzlich mit Uschi an einem Tisch mit zwei Herren sitzen. Die beiden Herren waren gut kostümiert, gingen als Maharadschas, fast hätte man glauben können, sie seien echt.
Gerade als Frank mit der kleinen Erika vom Tanze kommend an seinen Tisch zurückkehren wollte, trat Uschi zu ihm: „Herr Ohlsen — verzeihen Sie — auf ein Wort!“
Den gekränkten, fast giftigen Blick seiner Tänzerin übersah er geflissentlich. „Nanu, Fräulein Bender, was gibt es denn?“
„Eine Bitte, Herr Ohlsen! Das Fest geht dem Ende zu. Ich möchte mit Herrn Steding zusammenbleiben. Er möchte mich auch nach Hause bringen — Sie gestatten es doch?“
„Aber selbstverständlich,“ hatte er, geradezu freudig erwidert und warf einen kurzen Blick zu der kleinen Erika hin. „Horst kann ich Sie wohl getrost anvertrauen. Wir sehen uns morgen wieder, nicht wahr? Und selbstverständlich habe ich Sie nach Hause gebracht — Sie verstehen!“
„ Na, selbstverständlich!“
Das war das ganze Gespräch. Er weiß es noch Wort für Wort. Ja — und nun hatte er sich unbeschwert Erikas angenommen, hatte mit ihr und ihrer Mutter zusammen noch ein Glas Sekt getrunken und dann die beiden Damen — statt Horst und Uschi — mit nach Abbazia hinübergenommen.
Und nun dieser Schreck in der Morgenstunde: Horst und Uschi verschwunden! Ein tolles Stück! Was hatten die beiden nur angestellt? Zum Teufel — sie würden doch wieder zum Vorschein kommen!
Frank stapft jetzt mit schwerem Schritt hin und her. Er versucht seine Gedanken ganz klar zu fassen. Sollte Horst mit der kleinen Uschi wirklich auf und davon sein? Eigentlich ganz undenkbar, wenn er auch eine reichlich romantische Ader hatte, der junge Schriftsteller Horst Steding, dessen bester Freund und Mäzen er war. Nein, das würde ihm Horst wohl nicht antun. Er müßte sich sonst gründlich in ihm verrechnet haben. Auch fehlten dem Freunde ja völlig die Mittel, um irgend etwas größeres unternehmen zu können. Horst war als sein Gast mit hierher gekommen, viel Geld hatte er sicher nicht.
Also schied der erste Gedanke aus. Aber nun? War den beiden auf der Rückfahrt etwas passiert? Möglich! Man mußte dem nachgehen!
Frank stieg die Treppe hinunter, hielt einen Boy in der Halle an. „Hallo, gibt es schon eine Morgenzeitung?“
Ja — es gibt eine. Er studierte sie. Doch nichts von einem Unfall. Frank zieht die Stirn in Falten. Eben will er wieder hinaufgehen, als er Horst kommen sieht. Er stürzt auf ihn zu.
„Horst — du? Na endlich! Aber was schaust du mich so starr an? Komm mit hinauf und erzähle! Was ist denn mit euch nur passiert?“
„Mit uns? Wieso? Du hast doch wohl Fräulein Uschi nach Hause gebracht?“ Frank führt den Freund ins Zimmer, starrt ihr fassungslos an. „Ich? Aber erlaube mal, Horst — du wolltest sie doch nach Hause bringen! Ich nehme an, daß das geschehen ist, — wenn auch etwas verspätet. Benders und ich haben uns schon die schwersten Gedanken gemacht.“
„Ich verstehe kein Wort von dem, was du sagst!“
Frank packt Horst, schüttelt ihn. Weicht beängstigt vor dessen gläsernem Blick zurück. „Mensch — komm doch zu dir! Was ist denn geschehen? Wo kommst du jetzt her?“
„Aus Fiume. Doch was geschehen ist — das — weiß ich nicht mehr!“
„Da schlägt’s aber dreizehn! Wo bist du denn nach dem Fest gewesen?“
„Im Hotel!“
„Hier im Hotel? Wieso? Hast dich wohl im Zimmer geirrt?“
„Nein. In Fiume.“
„Ich verstehe dich wirklich nicht!“
„Ich erwachte heute morgen in einem Hotel in Fiume. Mehr kann ich dir auch nicht sagen.“
Es klopfte. Ein Boy trat ein. „Nun?“ fragte Frank atemlos.
„Eine Frau Doktor Bender ist unten, Herr Frank, und möchte Sie sprechen!“
„Führen Sie die Dame in den Salon. Ich komme sofort. Nur ein paar Minuten!“
„Sehr wohl!“ Der Boy entfernte sich mit einer höflichen Geste. Frank legte Horst seine Hand auf die Schulter: Horst — Junge — du träumst ja! Oder was ist eigentlich, los? In einem Hotel in Fiume bist du erwacht? Ja — und weiter? Was war denn vorher? Wie bist du dorthin gekommen?“
„Das weiß ich eben nicht mehr. Ich weiß nichts mehr — mir ist so dumm im Kopf!“
„Du warst doch mit Uschi zusammen, nicht wahr? Wann und wie trenntest du dich von ihr?“
„Ich saß mit ihr und zwei Herren am Tisch.“
„Ja — mit zwei Indern!“
„Richtig. Wir tranken Sekt. Der eine starrte mich immer so an. Ich mußte in einem fort trinken. Dann ist mir plötzlich das Bewußtsein geschwunden.“
„Konntest du dich denn nicht mehr zusammenreißen?“
„Nein. Es war ganz merkwürdig — hast du übrigens einen Kognak hier? Mir ist etwas schwindlig!“
„Ich werde gleich einen kommen lassen.“ Frank drückte auf einen Knopf, „stärke dich erst mal! Wenn der Kellner kommt, bestelle dir einen. Aber trinke ihn nicht zu hastig! Und lege dich etwas nieder. Ich muß hinunter — du weißt —“
Jetzt faßte Horst den Freund heftig am Arm: „Und wo ist Uschi?“
„Ja, mein Gott — das wissen wir eben nicht!“
Horsts Augen wurden plötzlich ganz groß. Er zitterte. „Frank!“ schrie er auf, „wo ist Uschi?“
„ Ja, mein Gott — das wissen wir eben nicht!“
Frank wurde jetzt ärgerlich. „Zum Donnerwetter, ich weiß es nicht — leg dich doch erst mal hin und komm richtig zu dir! — Herein! Herr Ober — bringen Sie einen Kognak, aber einen ganz großen — Ich muß jetzt hinunter, Horst, hörst du?“
„Nein, laß mich hier nicht allein, Frank!“
„Aber ich muß doch — es geht um Uschi!“
„Dann komme ich mit!“
„Nein du bleibst hier, verstanden!?“
Vor diesem energischen Ton war Horst machtlos. Er sackte in sich zusammen, tappte auf einen Stuhl zu. Frank ging.
*
Nach wenigen Minuten kam er mit Frau Bender zurück. „Hier ist er, gnädige Frau — lassen Sie sich selbst alles von ihm erzählen! Das heißt — er weiß eben nichts mehr!“
Frau Doktor Bender rang verzweifelt die Hände. „Und wie erklären Sie sich das alles?“ fragte Frau Bender fassungslos.
Frank schritt, die Hände auf dem Rücken gefalten, ebenfalls ziemlich ratlos auf und ab.
„Gnädige Frau — es ist mir alles so peinlich!“ stammelte Horst, völlig aufgelöst, „und dann die Angst jetzt — die Angst um Uschi!“
„Wir müssen handeln!“ fiel Frank in die Rede, „ich werde sofort nach Fiume fahren. Du, Horst, kommst mit!“
Es klopfte wieder. Frank fuhr unwirsch herum. Ein fremder Herr stand in der Tür. „Herr Ohlsen, nicht wahr?“
„Allerdings. Womit kann ich dienen?“
„Verzeihen Sie bitte, Herr Ohlsen — ich möchte Sie dringend sprechen!“
In Franks Blick kam ein Leuchten: „Ah — verstehe schon — wegen — na ja! Kommen Sie hier ins Nebenzimmer! Du gestattest doch, Horst!“
Frau Bender ist jetzt mit Horst allein. „Kennen Sie diesen Herrn?“ fragte sie.
„Nein!“ erwiderte Horst.
„Vielleicht — hm — wenn er nur schon von der Polizei — mein Gott, und mein Mann soll doch nicht wissen —“
„Was soll er nicht wissen?“
„Daß ich hier bin — und nun hat mich der Beamte gesehen!“
„Gnädige Frau, es ist wirklich eine furchtbare Situation — aber man muß doch jetzt alles tun um herauszubekommen, wo sich Uschi befindet!“
Frau Doktor Bender führte ihr Seidentüchelchen an die Augen; sie weinte. „Ich hätte das alles nicht zugeben dürfen!“
„Ja, was denn.“
„Daß meine Tochter mit Herrn Ohlsen fortfuhr. Dabei hatte ich meinen Mann auch noch zugeredet. Ich werde die Hölle haben! Und wenn nun Uschi etwas passiert ist — ja, haben Sie denn keine Ahnung, wo sie geblieben ist?“
„Nein, leider nicht, gnädige Frau!“
Im Nebenzimmer verhandelte Frank mit dem Beamten. Aber er sagte ihm nicht, was er von Horst erfuhr. Blieb bei der Darstellung, die er Doktor Bender gegeben hatte.
Der Beamte machte Notizen. Blickte Frank forschend an. „Sie bleiben noch, einige Tage hier, Herr Ohlsen?“
Frank nickte. „Möglich. Je nachdem. Wollen Sie sonst noch etwas wissen?“
„Nein. Danke. Wenn wir Sie brauchen, werde ich wiederkommen.“
„Tun Sie das! Guten Morgen!“
In rasender Fahrt ging es nach Fiume. Immer noch etwas benommen, saß Horst neben dem Freund. Frank lachte in sich hinein. „Dem Polizisten“, sagte er, „hab ich was weisgemacht. Die brauchen da ihre Nase vorläufig gar nicht hineinzustecken. Das nehmen wir selbst in die Hand.“
„Du meinst —?“
„Mensch — komm zu dir! Kopf hoch! Nicht dösen! Hier hast du vielleicht die Gelegenheit, einen Roman zu erleben! Mir kommt’s fast so vor. Was nun die Polizei betrifft, so glaube ich kaum, daß sie so rasch arbeiten wird, wie wir das selber können. Ihre Mittel sind recht beschränkt. Ich aber bin in der Lage, alles zu finanzieren, was dazu nötig ist, um eine regelrechte Verfolgung auch sachgemäß durchzuführen.“
Horst blickte betroffen auf: „Verfolgung?“
„Na ja — ich denke mir so meinen Teil. Kann doch immerhin sein, daß deine Uschi entführt worden ist?“
„Meinst du?“
„Hübsch genug dazu ist sie schon.“
„Du liebst sie doch nicht etwa auch, Frank?“
„Quatsch! Rede doch keinen Unsinn! — wir fahren jetzt zunächst nach dem Hotel, wo du erwacht bist.“
„Gut.“
Das erste, was Frank hier tat: er drückte dem Portier ein Fünflirestück in die Hand. „Sie kennen den Herrn hier?“ fragte er dann. Der Portier nickte. „Hat in der vergangenen Nacht hier bei uns gewohnt.“
„Wann kam er? Kam er alleine?“
„Ja. Allein. Etwa so gegen 3 Uhr früh.“
„Hm — Ist Ihnen an Herrn Steding was aufgefallen?“
„Ja. Er machte den Eindruck eines völlig benommenen Menschen. Er kam mir wie — wie eine Marionette kam er mir vor.“
„Aber er hat ganz vernünftig mit Ihnen gesprochen? — Unterbrich mich nicht, Horst — es ist wichtig!“
Der Portier wischte sich über die Stirn, als ob er sich durchaus eines besseren besinnen könnte. „Ja, er hat ein Zimmer verlangt und ist gleich hinaufgegangen. Der Kellner hat ihn hinaufgebracht.“
„Wie — mußte ihn stützen?“
„Nein, nein. Er hat ihm nur das Zimmer gezeigt.“
„Kann ich den Kellner sprechen?“
„Gewiß!“
Der Mann wird gerufen. Kommt. Nein — ihm ist auch weiter nichts aufgefallen — außer vielleicht, daß der Fremde äußerst ermüdet schien.
„Komm, Horst,“ sagte Frank, „wir wollen jetzt zum Kasino fahren.“
Hier ließ sich Frank bei dem Direktor melden. Horst sollte im Vorzimmer warten.
Der Direktor empfing den Fremden mit ausgesuchtester Höflichkeit.
Ob es möglich sei — fragte Frank —, die Persönlichkeiten noch festzustellen, die auf dem Fest anwesend waren?
Der Direktor schien nachzudenken. „Die Veranstaltung“, sagte er endlich, „war von dem hiesigen Autoclub inszeniert. Sämtliche Teilnehmer der deutschen Sternfahrt waren geladen. Aber auch andere Gäste.“
„Hm — sicherlich kannten Sie doch auch einige?“
„Unter den Masken kaum.“
„Da waren zum Beispiel zwei Inder. Larven trugen sie nicht! Sahen übrigens fabelhaft aus. Sicherlich sind Sie ihnen auch aufgefallen.“
„Sie meinen den Maharadscha von Agipura?“
„Wie — was — Maharadscha von — ein richtiger Maharadscha?“
„Natürlich. Hat dem Club dafür, daß er mitmachen durfte, fünftausend Lire gestiftet. War drei Tage hier in der Gegend, weil er an seiner Dampfjacht eine Reparatur durchführen lassen mußte.“
Frank hatte aufgehorcht. „Und sein Begleiter?“
„War sein Haus-, Hof- und Zeremonienmeister, soll ein indischer Jogi gewesen sein.“
„Donnerwetter — jetzt wird es interessant!“
„Die Jacht ist übrigens heute früh wieder abgedampft.“
Frank fuhr zusammen. „Wirklich? Wo hatten denn die Herren hier gewohnt?“
„Hier nicht. In Abbazia. Sie sind dort aber weiter nicht aufgefallen, weil sich der Maharadscha sonst hier nur in europäischer Tracht zu zeigen pflegt.“ Lächelnd fuhr der Direktor fort: „Er hat den Spieß eben umgekehrt. Während er sonst hier — von seinem Standpunkt aus natürlich — verkleidet herumlief, zeigte er sich wegen des Festes in seiner wahren Tracht — und wirkte nun auch wieder verkleidet.“
„Sehr originell. — Wissen Sie zufällig, wohin die Jacht unterwegs ist?“
„Nein. Aber das wird sich schon feststellen lassen.“
Frank stellte noch viele Fragen. Seine Teilnahme für den Maharadscha schien keine Grenzen zu kennen. Der Inder sollte immense Reichtümer besitzen. Alljährlich pflegte er zwei große europäische Reisen zu unternehmen, zumal ihm die europäische Kultur zu behagen schien. Auch sollte er ebenso wie die englische, die deutsche und französische Sprache fließend beherrschen. Ach italienisch sprach er noch leidlich. Gewöhnlich reist er mit seinem Vertrauten allein. Im vergangenen Jahr hatte er aber auch einmal seinen Hofstaat mit, der aus 22 Personen bestand. Manchmal leistete er sich jeglichen Luxus, — ein andermal wieder lebte er still und zurückgezogen, ganz wie es seine hochherrliche Laune verlangte.
„Sagen Sie mal“, fragte Frank weiter, als er dies alles vernommen hatte, „wie hielt er es denn mit den Frauen — ich meine — gab es auch galante Abenteuer bei ihm?“
Der Direktor blickte auf seine geflegten Fingernägel und lächelte. „Sie wollen auch rein alles wissen! Es würde mich überhaupt lebhaft interessieren zu hören, warum Sie sich so eingehend nach ihm erkundigen?“
„Das will ich Ihnen gern sagen. Weil ich vermute, daß hier eine Frau von ihm entführt worden ist!“
Jetzt war es an dem Direktor, erstaunt zu sein. „Was sagen Sie Herr? Eine Frau entführt?“
„Ja. Ein Mädchen. Gestern abend, beziehungsweise heute nacht, hier auf dem Fest!“
Der Direktor schien sichtlich unangenehm berührt zu sein. „Hier auf dem Fest? Wie kommen Sie zu dieser Behauptung?“
Frank berichtete, was sich ereignet hatte. Auch der Direktor besinnt sich jetzt dunkel, eine hübsche junge Dame und einen jungen Herrn mit dem Maharadscha und dessen Vertrauten zusammen gesehen zu haben. „Und die Polizei ist benachrichtigt?“ fragte er ängstlich.
„Ja“, gab Frank zu, „aber ich habe ihr nicht reinen Wein eingeschenkt. Ich denke, wir können die Sache diskret bearbeiten. Ist Ihnen auch wohl so angenehmer!“
Der Direktor blickte ihn geradezu dankbar an. „Selbstverständlich. Ich werde natürlich gern alles tun, um Ihnen zu helfen.“
„Den größten Dienst haben Sie mir bereits durch Ihre Auskunft erwiesen“, erwiderte Frank verbindlich, „eins nur sagen Sie bitte noch — wir sind da bei einer Frage von mir stehen geblieben — halten Sie das, was ich annehme, auch für möglich?“
„Hm, hm — na ja — es könnte schon möglich sein. Und was Sie da von Ihrem Freund erzählten — diese Inder sollen ja suggestive Kräfte besitzen von einer Stärke und Eindringlichkeit — wovon wir uns hier keine Vorstellung machen können.“
„Ich sehe: Sie denken dasselbe wie ich. Nur so wäre das alles auch zu erklären. Der Jogi hat das Mädel und meinen Freund einfach in einen somnambulen Zustand versetzt, ihren Willen gelähmt und ihnen das suggeriert, was er, beziehungsweise sein Herr wollte!“
„Kann schon sein.“
„Donner ja — dann muß aber gehandelt werden. Wird man hier wohl ein Wasserflugzeug starten können?“
„Das wird schwer halten, Herr Ohlsen — eher in Triest.“
„Verdammt — geht wieder Zeit verloren!“
„Ich würde überhaupt erst einmal festzustellen versuchen, wohin die Jacht sich gewendet hat. Sie werden nicht gleich das ganze Mittelmeer abgrasen wollen!“
„Aber erlauben Sie, das Schiff muß zunächst einmal durch die Adria fahren. Ich erwische es noch — darauf können Sie sich verlassen.“
„Und die Mittel zu einem solchen Flug?“
„Stehen mir unbeschränkt zur Verfügung. Geld spielt bei mir keine Rolle. Wenn es auch heißt, daß dies nicht glücklich macht — manchmal, wie in diesem Fall, ist es recht angenehm.“
„Gestatten Sie eine Frage — sie mag etwas indiskret sein — haben Sie solches Interesse an dieser Dame?“
„Ich nicht persönlich. Aber mein Freund, der hier draußen wartet. Und schließlich die Eltern auch, denen gegenüber ich dazu verpflichtet bin, das Mädchen wieder herbeizuschaffen.“
„Hm — ein romantisches Abenteuer!“
„Allerdings. Jedenfalls spannend. Aber wir verreden die Zeit, wir werden uns sofort nach Triest auf den Weg machen müssen. Sie können mir noch einen Gefallen tun: hier ist Geld, bitte! Suchen Sie bereits telephonisch ein Flugzeug, ein Wasserflugzeug natürlich, für uns zu mieten. Wie Sie dazu kommen, ist Ihre Sache. Fragen Sie sich telephonisch durch. Es wird schon gehen!“ Er reißt die Tür auf: „Hallo, Horst, fertigmachen. Wir starten sofort nach Triest.“
Horst folgt willenlos. Er hat zunächst keine Zeit zu fragen. Wie der Wind rast der Wagen die Serpentinen zum Karst hinauf. Drohend schachteln die Berge sich ineinander. Spärlicher Pflanzenwuchs — Oede, Leere. Es hat für einen, der die Landschaft nicht kennt, etwas Beklemmendes, über den Karst zu fahren. Die milde Luft, die noch an der Adria herrschte, ist plötzlich einem rauhen Klima gewichen. Der Kontrast ist sehr groß.
Starke Steigungen wechseln mit ebensolchem Gefälle. Unvorhergesehene, unübersichtliche, schwer zu schätzende Kurven erfordern am Steuer einen ganzen Mann.
Nur abschnittweise konnte Frank Horst berichten. In Horsts Augen kommt ein düsteres Glühen. Er atmet schwer. Ja, nach Triest, nur schnell — schnell ein Flugzeug — dem Schiff nach! Man muß es erwischen!
Endlich erblickt man den herrlichen Hafen Triest von der Höhe aus. Ein unvergeßlicher Anblick — doch beide haben jetzt keine Zeit, die Natur zu beachten.
Am Hafen wird Halt gemacht. Dort liegen drei Wasserflugzeuge schaukelnd vor Anker. Sehnsüchtig blickten die drei Freunde hinüber.
Frank ruft in Fiume an, spricht mit dem Direktor. Jawohl — es ist gelungen. Man soll sich bei dem Hafenmat melden.
Ein kleiner dicker Italiener blinzelt die Freunde an. „Signore Ohlsen?“ (Er sagte: Ossen.) „Sie können ein Flugzeug haben. Aber sehr teuer, sehr teuer, Herr Ohlsen! 500 Lire pro Tag!“
„Ist es startbereit?“ überhörte Frank den Einwand.
„Sofort, sofort.“
„Und Brennstoff — wie lange kann es sich halten?“
„Oh — lange, lange, Herr Ohlsen. Sehr viele Stunden!“
„Rufen Sie den Piloten, bitte. Hier sind tausend Lire — für alle Fälle, als Sicherheit.“
Der Italiener krümmt sich; er grinst vor Freude. Dann rundet er seine Hände vor dem Mund und ruft nach einem Schuppen hinüber: „Giacomo, allo, Giacomo, komm schon, mußt fliegen, die Herren sind da!“ —
Zwanzig Minuten später schweben sie schon in der Luft. Es ist ein älterer Apparat für vier Personen, ohne jede Bequemlichkeit. Ein wenig klapprig und ausgeleiert, gar nicht gepflegt — aber man fliegt wenigstens, man kommt auch vom Fleck. Der Wind, aus nordwestlicher Richtung, steht günstig.
Wiederum geht es diesmal in südöstlicher Richtung, über den Karst dahin. Von oben sah er ganz anders aus. Die Höhenunterschiede verschwammen. Aber die Oede blieb. In der Ferne hatte man stets die Küste in Sicht. Weit schweifte der Blick über das blaue Meer.
Der Führer des Flugzeuges rief den Freunden die Namen der Orte zu, von denen er auch den kleinsten zu kennen schien. Bald waren Pola und dann die Spitze der Halbinsel erreicht. Es ging nun aufs offene Meer hinaus.
Horst steckte sich nervös eine Zigarette nach der anderen an. „Du glaubst bestimmt, daß sie sich auf der Jacht befindet?“ fragte er den Freund.
„Natürlich. Wo sonst?“
„Wenn man uns nun dort festnimmt?“
„Festnimmt? Wie meinst du das?“
„Na — wenn man uns auf der Jacht einsperrt — oder uns sofort etwas antut,“
„Man wird sich hüten. Und wenn schon — dann machen wir eben erst einmal eine hübsche Fahrt nach Indien mit!“
Horst staunte über den Gleichmut des Freundes. Er war zum Scherzen nicht aufgelegt. Unwirsch fuhr er sich durch das hellblonde Haar. „Mit Uschi“, sagte er, „hat man jedenfalls keine großen Umstände gemacht. Der Maharadscha braucht sich gar nicht zu wundern, wenn ich ihm an die Kehle springe!“
„Hoho — gleich so hitzig! Auf seinem Schiff werden wir wohl etwas diplomatischer vorgehen müssen.“
„Wie denkst du dir das überhaupt?“
„Offengestanden denke ich mir noch gar nichts. Was zu tun ist, werden die näheren Umstände erst ergeben.“
„Halloh“, rief jetzt der Flugzeugführer, „Boot in Sicht!“
Frank, das Glas vor den Augen, suchte die See ab. Ja — dort, ganz in der Ferne, erblickte man eine Rauchwolke über dem Wasser. „Gehen Sie tiefer herunter!“ gebot Ohlsen, „wir müssen erst sehen, ob es das richtige ist!“
Horsts Finger zitterten. Die Zigarette entglitt seiner Hand. „Aber, was sagen wir denn, wenn wir ankommen?“ fragte er, „vielleicht hält das Schiff gar nicht an! Wir können es doch nicht mit Bomben bewerfen!“
Frank lachte. Der Apparat senkte sich eben. Jetzt konnte man die Konturen des Dampfers schon deutlicher unterscheiden. Horst riß Frank das Glas aus der Hand.
„Du mußt deine romantischen Ideen mal etwas zähmen!“ erwiderte Frank auf den Einwand des Freundes, in solchen Lagen heißt es zunächst: ruhig Blut bewahren! Der Augenblick wird schon die rechte Entscheidung bringen. Vielleicht hast du die Liebenswürdigkeit, mich handeln zu lassen und dich selbst zunächst ein wenig passiv zu verhalten. Selbstverständlich ist es auch möglich, daß die Jacht einfach nicht abstoppt. Aber dann würden wir uns ja vor ihren Kurs legen können. Es gibt immer vielerlei Möglichkeiten!“
Zwei Stunden nachdem der Dampfer überflogen wurde, kam die gesuchte Jacht des Maharadschas tatsächlich in Sicht. Sofort ging das Flugzeug, das sich erneut auf eine gewisse Höhe emporgeschraubt hatte, wiederum tiefer und steuerte direkt auf das Schiff zu.
Auf der Jacht wurde man aufmerksam. Schon verlangsamte sie ihre Fahrt. Der Pilot gab jetzt Zeichen, daß man völlig abstoppen sollte. Der Aufforderung wurde Folge geleistet.
„Na, siehst du!“ faßte Frank den Freund bei der Hand, „es klappt schon!“ Horst starrte das große, prachtvolle Schiff an, neben dem der Apparat eben auf die ruhige See niederglitt. Auf Deck der Jacht konnte man mehrere Personen erkennen.
„Hallo!“ rief der Flugzeugführer in italienischer Sprache hinüber, „macht mal ein Boot los und schickt es her. Wir haben mit euch zu reden!“
Tatsächlich wurde auch dieser Wunsch gleich erfüllt. Zwei Matrosen ruderten das Boot heran. Frank und Horst stiegen vorsichtig ein. Der Pilot blieb in dem Flugzeug.
An Deck der Jacht wurden die beiden Freunde von einem Inder empfangen. Der Mann sah gut aus. In stolzer, aristrokatischer Haltung trat er den Freunden entgegen. Auf englisch sagte er: „Was verschafft mir die Ehre, meine Herren?“
Frank nahm das Wort: „Wir wünschen den Maharadscha zu sprechen!“
Um den straffen, asketischen Mund des Inders glitt ein ironisches Lächeln. „Bedaure außerordentlich“, erwiderte er, „Ihnen dieses Vergnügen nicht bereiten zu können. Seine Hoheit befindet sich nicht auf dem Schiff!“
Die beiden Freunde blickten einander betroffen an. Dann wandte sich Frank wieder dem Inder zu. „Das kann wohl nicht stimmen. Sie belieben, uns irrezuführen. Wahrscheinlich will sich Ihr Herr nur nicht sprechen lassen!“
Der Inder neigte ein wenig das Haupt. Jede seiner Bewegungen war gemessen. „Es tut mir aufrichtig leid“, erwiderte er, vollkommen ruhig, „daß Sie meinen Worten so wenig Glauben schenken! Aber Sie können sich gerne selbst überzeugen! Gemi!“ rief er einem in der Nähe stehenden anderen Inder zu, „führe die Herren durch das Schiff!“
Der Angeredete verneigte sich fast bis zum Boden. Dann machte er eine Geste, daß man ihm folgen möge.