GUTES KLIMA FÜR MORD - F. R. Lockridge - E-Book

GUTES KLIMA FÜR MORD E-Book

F. R. Lockridge

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Beschreibung

An einem drückend heißen Nachmittag verlässt Frank Bradley sein New Yorker Büro im 12. Stock - durch das Fenster! Sprang er, fiel er - oder hat man ihn hinuntergestoßen?

Lieutenant Shapiro von der Kriminalpolizei ermittelt in einem ihm unbekannten Milieu: in der Welt der Reklame-Industrie, wo jeder die Kunst der Täuschung perfekt beherrscht...

 

Der Roman Gutes Klima für Mord von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1975; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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F. R. LOCKRIDGE

 

 

Gutes Klima für Mord

 

Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

GUTES KLIMA FÜR MORD 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

An einem drückend heißen Nachmittag verlässt Frank Bradley sein New Yorker Büro im 12. Stock - durch das Fenster! Sprang er, fiel er - oder hat man ihn hinuntergestoßen?

Lieutenant Shapiro von der Kriminalpolizei ermittelt in einem ihm unbekannten Milieu: in der Welt der Reklame-Industrie, wo jeder die Kunst der Täuschung perfekt beherrscht...

 

Der Roman Gutes Klima für Mord von F. R. Lockridge (eigentlich Richard Orson Lockridge; * 26. September 1898 in Missouri; † 19. Juni 1982 in South Carolina) erschien erstmals im Jahr 1975; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.  

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME. 

  GUTES KLIMA FÜR MORD

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Sie sagte etwas mit schläfriger Stimme zu ihm, doch sie lag in dem breiten Bett von ihm abgewandt, und er konnte nicht verstehen, was sie sagte.

»Hm?«, fragte Tony Cook leise.

»Seit meiner Schulzeit«, erklärte Rachel. Diesmal waren ihre Worte ein wenig deutlicher. »Das habe ich dir doch erzählt.« Sie drehte sich auf den Rücken. »Aber du hörst eben nie zu.«

»Ja, mein Schatz«, erwiderte Tony. »Was hast du mir erzählt?«

»Dass ich Schauspielerin werden will«, antwortete Rachel Farmer. »Nur bin ich leider zu groß. Ich müsste neben einem Basketballspieler auftreten. Aber für diese Rolle brauchen sie eine hochgewachsene Frau, sagt Mr. Bradley. Fotogen muss sie natürlich auch sein. Er meint, ich würde es schon schaffen. Die Probeaufnahmen waren okay. Die gute Gloria kommt sowieso nicht groß zu Wort, ehe sie umgebracht wird.«

Tony stützte sich auf einen Ellbogen und blickte auf sie hinunter. Es war ein heißer Juliabend in Manhattan, und sie trug nichts, was eine eingehende Musterung gestört hätte.

»Fotogen bist du«, stellte er fest. »Aber wer, zum Teufel, ist Mr. Bradley? Und Gloria? Ich kann dir leider nicht ganz folgen, mein Herz.«

»Werbeagentur«, erklärte Rachel. »Ich habe in den letzten zwei Jahren ziemlich viel für die Leute gearbeitet. Größtenteils Fotos, aber auch ein paar Fernsehspots.«

»Ach, und dieser Bradley macht jetzt wohl einen Film?«, fragte Tony. »Und hat dir eine Rolle gegeben?« Abrupt setzte er sich auf. »Etwa in Hollywood?« Beunruhigung lag in seiner Stimme.

Sie wandte sich ihm zu und schüttelte den Kopf. Sie hatte ihr dunkles Haar wieder wachsen lassen. Es lag über ihrer rechten Schulter und bedeckte fast ihre Brust.

»Nein«, erwiderte Rachel. »Hier in New York, Tony. Es ist fürs Fernsehen - ein Pilotfilm. Sie hoffen, dass eine Serie daraus wird. Ein Krimi.«

Tony stellte fest, dass seine Gedanken abschweiften. Aber nicht weit. Mit einiger Anstrengung sammelte er sie wieder.

»Wann?«, fragte er.

»Wann was?«

»Wann soll diese Geschichte gedreht werden?«

»Wenn das Drehbuch akzeptiert ist, sagt Mr. Bradley. Vorausgesetzt, dass Miss Claymore dann frei ist. Peggy Claymore. Wir haben sie letzten Winter gesehen. Du weißt doch, in dem Stück After Hours. Die Kritiker hielten nicht viel von dem Stück, aber von ihr waren sie ganz begeistert. Jedes Mal, wenn sie auf der Bühne stand, hast du Schwingungen ausgesandt. - Lass das, Tony!«

»Ich sende nur Schwingungen aus«, versetzte Tony. »Ich wusste nicht, dass es dich stört.«

»Du lenkst mich ab. Dir scheint es völlig schnuppe zu sein, dass aus mir vielleicht noch ein Filmstar wird.«

»Im Gegenteil, ich freue mich für Sie, Miss Farmer«, entgegnete Tony so förmlich, als stünden sie sich bei einem Empfang gegenüber. »Und im Übrigen sende ich an zierliche, kleine Blondinen keine Schwingungen aus.«

»Na bitte«, sagte sie. »Du erinnerst dich genau an sie. Kein Wunder, ich vermute, es geht den meisten Männern so.

Kurz und gut, sie spielt Enid Brook. Paul und Enid Brook sind Privatdetektive. In dem Pilotfilm entlarven sie meinen Mörder. Ich meine, Glorias Mörder. - Tony!«

»Erzähl weiter. Das ist alles sehr interessant, Liebling. Diese Peggy Claymore spielt also eine Privatdetektivin und du spielst...«

»Du erwartest doch wohl nicht von mir, dass ich klar denken kann, wenn du...«

»Nein«, erwiderte Tony. »Jetzt ist nicht der Moment...«

»Dann rede doch nicht so viel. -Oh!«

»Ja«, sagte Tony.

Sie hörten auf zu reden.

Nachdem sie geduscht hatten, schlüpfte Rachel in einen leichten Morgenrock und sah ihm beim Anziehen zu.

»Deine Krawatte sitzt ganz schief«, stellte sie fest und band sie ihm noch einmal.

Dann setzte er sich neben sie auf das kleine Sofa im Wohnzimmer und schenkte zwei Cognacs ein. Es war inzwischen nach ein Uhr morgens - sonntagmorgens. Ausnahmsweise jedoch hatte Tony diesen Sonntag frei.

»Es ist wirklich nicht so, dass ich mich für deine mögliche Zukunft als Fernsehstar nicht interessiere«, sagte Tony. »Das weißt du doch, nicht wahr?«

»Na schön, Tony. Aber morgen hörst du mir zu, ja?«

»Wenn wir beide angezogen sind«, meinte Tony und stand auf.

Rachel sah zu, wie Detective Anthony Cook seine Schulterpistolentasche anlegte. Er beugte sich über sie und küsste sie leicht. An der Tür sagte er: »Gegen zehn?«

»Ja, Liebster.«

»Vergiss die Sicherheitskette nicht.«

»Nein, Tony. Die vergesse ich nie.«

Von der Gay Street, einer kurzen Straße in Greenwich Village, war es nicht weit bis zu Tony Cooks Wohnung in der Zwölften Straße. Während Tony durch die Dunkelheit schritt, hatte er leichte Gewissensbisse. Er hätte ihr vielleicht doch aufmerksamer zuhören sollen. Für sie war es wichtig. Aber andere Dinge sind auch wichtig, sagte er sich, als er die Treppe zu seiner Wohnung hinaufstieg. Morgen - das heißt, heute -, wenn wir aufs Land fahren, höre ich aufmerksamer zu. Da haben wir ja auch beide unsere Kleider an.

  Zweites Kapitel

 

 

Es war ein schöner Sonntag auf dem Land gewesen. Beim Mittagessen in dem kühlen, kleinen Gasthaus hatte Tony das Gespräch nochmals auf ihre Karriere als Filmschauspielerin gebracht, doch sie war nicht darauf eingegangen.

»Das haben wir doch schon besprochen«, meinte Rachel. »Ich habe dir gestern Abend alles darüber erzählt, was ich weiß. Du hast mir gar nicht richtig zugehört. Im Übrigen soll die Sache nicht an die große Glocke gehängt werden, glaube ich.«

Er hatte mit Nachdruck versichert, er hätte sehr wohl zugehört. Jedenfalls bis zu dem Moment, als er abgelenkt worden war. Und das wäre schließlich so sehr ihre eigene Schuld wie die seine.

»Schön, schön«, sagte Rachel. »Wir lenken einander ab. Ich bin ja froh, dass es so ist. Und jetzt fahren wir noch ein Stück, ja?«

Sie waren einer stillen, schmalen Straße gefolgt, die durch hügeliges, bewaldetes Land führte. Tony hatte die Klimaanlage des gemieteten Wagens abgeschaltet und die Fenster geöffnet.

»Was ist das für ein komischer Geruch?« hatte Rachel gefragt.

Tony hatte ihr erklärt, der komische Geruch sei frische Landluft, vermischt mit ein wenig Dunggeruch.

Sie hatten die Rückfahrt früh angetreten, um dem Stoßverkehr zu entkommen. Nachdem sie den Mietwagen wieder abgegeben hatten, fuhren sie mit einem Taxi zu Hugo’s in der Sixth Avenue zum Essen. Es war erst kurz nach neun, als sie die Treppe zu Rachels Wohnung hinaufstiegen.

»Nein, Tony«, sagte Rachel bestimmt, als er sie in die Arme nehmen wollte. »Ich muss morgen bei Tagesgrauen aufstehen, weil ich einen Termin habe. Einen Gute-Nacht-Kuss kannst du mir natürlich geben. - Nein, Tony! Lass das. Geh jetzt nach Hause. Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich nicht nach Hollywood gehe. - Tony! Bitte! Gute Nacht. Es war ein wunderschöner Tag. Gute Nacht.«

Ernstlich böse ist sie mir sicher nicht, dachte Tony, als er am Montagmorgen kurz nach acht an seinem Schreibtisch im Dienstraum der Mordkommission saß. Und sie wird wegen dieser Filmrolle wenigstens nicht von New York weg müssen. Es war schlimm genug, als sie damals zu Modeaufnahmen für drei Tage nach Paris musste.

Berichte, die getippt werden mussten, stapelten sich auf seinem Schreibtisch. Er tippte verbissen. Über das Wochenende waren Menschen getötet worden. Etwas Interessantes war nicht darunter. Was, zum Teufel, war das für eine Einstellung! Aber auch Kriminalbeamte verspüren manchmal Langeweile. Langeweile und Abscheu zu gleicher Zeit. Vielleicht empfand man, wenn man lange genug dabei war, nicht einmal mehr Abscheu oder Zorn. Ich hoffe, ich mache Schluss, ehe es so weit kommt, dachte Anthony Cook.

Gegen halb drei zog Tony seinen letzten Bericht aus der Schreibmaschine und zündete sich eine Zigarette an. Die konnte er endlich mit Bedacht und Genuss rauchen. Die anderen, die er sich automatisch beim Tippen ansteckte, verglühten meist vergessen im Aschenbecher.

Er stimmte mit Detective Mark Ferguson, der gerade aus dem Urlaub zurückgekommen war, darin überein, dass die Yankees endlich wieder ein bisschen Mumm zeigten und dass es auch höchste Zeit sei, wenn sie in der Liga noch einen vorderen Platz erreichen wollten. Ja, es sei ein langweiliger Tag gewesen, aber besser ein wenig Langeweile als endlose Überstunden.

Es war nach drei Uhr, keine Stunde mehr bis zum Schichtwechsel, als Lieutenant Nathan Shapiro aus seinem Büro in den Dienstraum trat und Tony Cook zu sich winkte. Shapiros langes Gesicht trug einen Ausdruck tiefer Niedergeschlagenheit, so als trüge er den Jammer der ganzen Welt. Shapiros Gesicht wirkte eigentlich immer so. Nur schien der Ausdruck heute noch etwas ausgeprägter als sonst, dachte Tony, als er sein Jackett anzog und zu Shapiro trat.

»Sie und ich«, stellte Shapiro mit Grabesstimme fest, »kriegen immer die verzwickten Fälle. Kennen Sie sich im Werbegeschäft aus, Tony? Ich meine, abgesehen davon, dass Ihre Freundin Werbeaufnahmen macht? Wie geht es Rachel übrigens?«

Tony erwiderte, Rachel gehe es gut, und erkundigte sich nach Rose. Shapiros Gesicht hellte sich etwas auf. Rose sei gesund und munter, erklärte er. Er hätte versucht, sie zu überreden, für eine Woche in die Catskills zu fahren, weil es da sicher kühler sei als in Brooklyn, aber sie weigere sich strikt.

»Wenn ich es hier aushalte, meint sie, dann könne sie es auch. Typisch, nicht?«

Tony nickte. Im Werbegeschäft kenne er sich leider auch nicht aus, bemerkte er dann.

Sie stiegen in einen Streifenwagen mit uniformiertem Fahrer.

»Das dachte ich mir schon«, stellte Shapiro fest und gab dem Fahrer eine Adresse in der Madison Avenue an. »Ich kenne mich da auch nicht aus. Ich habe es Bill gesagt, aber geholfen hat es gar nichts. Wie immer. Uns schanzt er dauernd die verzwickten Fälle zu.«

»Vielleicht weil Sie sie unweigerlich knacken, Nate«, versetzte Tony.

Er wusste längst, dass Shapiro überzeugt war, Captain William Weigand, Leiter der Mordkommission Manhattan Süd, übertrüge ihm rücksichtsloserweise stets solche Fälle, in die Leute verwickelt waren, deren Lebensstil und Mentalität außerhalb seines Erfahrungsbereichs lagen.

»Die Kollegen vom Revier haben die Sache als verdächtigen Todesfall gemeldet«, sagte Shapiro, während der Streifenwagen durch die belebten Straßen fuhr. »Charlie Fremont ist ein vorsichtiger Zeitgenosse. Da ist ein Mann sieben Stockwerke tief gestürzt. Aus einem Fenster. Tot natürlich. Charlie kommt die Sache nicht koscher vor. Wie, sagt er, hat der das Fenster überhaupt aufgekriegt?«

»Vielleicht ist es ein altes Haus«, meinte Tony. »Müsste ich Fremont kennen?«

»Captain. Vom Revier«, antwortete Shapiro. »Gründlicher Bursche. War er immer schon. Ein guter Polizist. Von Natur aus misstrauisch.«

»Das sind Sie aber auch«, stellte Tony fest. »Hatte der Tote einen Namen?«

»Bradley«, erwiderte Shapiro. »Von der Firma Folsom, Akins und Bradley oder so ähnlich. Da sind wir schon.«

Sie hielten vor einem Eckhaus unterhalb der 42. Straße in der Madison Avenue. Es war ein älteres Gebäude, keiner der modernen, gesichtslosen Glaskästen.

»Da sind wir schon«, wiederholte Shapiro.

Tony saß ein, zwei Sekunden stumm da und starrte auf den Hinterkopf des Fahrers. Dann sagte er: »So ein Zufall«, erklärte sich aber nicht näher. Bradley war schließlich kein ungewöhnlicher Name. In der Werbebranche gab es wahrscheinlich einige Manager mit dem Namen Bradley.

Sie gingen ins Foyer des Gebäudes. Der Tafel neben den Aufzügen entnahmen sie, dass sich die Geschäftsräume der Firma Folsom, Akins & Bradley im zwölften Stock befanden. Sie fuhren hinauf.

Der Aufzug schoss mit beinahe beängstigender Geschwindigkeit in die Höhe und kam mit einem Ruck zum Stillstand. Seine Türen öffneten sich, und Shapiro und Tony Cook traten in einen kleinen Vorraum. Auf der Tür ihnen gegenüber stand Folsom, Akins & Bradley. Sie traten ein und blieben vor einem Schreibtisch stehen, hinter dem eine sehr gepflegte, junge Dame saß. An den Seitenwänden standen tiefe Ledersessel. Sie waren alle unbesetzt.

»Ja, bitte?«, fragte die junge Dame.

»Wir sind von der Polizei, Miss«, sagte Shapiro und zeigte ihr seine Dienstmarke.

»Durch diese Tür, Lieutenant«, sagte das Mädchen. »Und dann geradeaus bis zum vorletzten Büro links. Da sind sie alle.«

Sie hat sich tatsächlich meine Dienstmarke angesehen, dachte Shapiro.

Sie traten durch die Tür, die sie ihnen gezeigt hatte, und schritten einen Gang zwischen Schreibtischen hindurch, von denen nur drei besetzt waren. Jenseits des Großraumbüros gelangten sie in einen breiten Korridor, der zu beiden Seiten von geschlossenen Türen gesäumt war. Ganz hinten stand auf der linken Seite eine Tür offen. Ein Schild mit der Aufschrift Mr. Bradley war an der Tür befestigt.

Sie traten in ein kleines Zimmer mit einem kleinen Schreibtisch. An dem Schreibtisch saß niemand. Hinter dem Schreibtisch befand sich eine weitere Tür. Sie war ebenfalls offen. Stimmen drangen aus dem Nebenraum. Sie traten durch diese Tür in ein großes Büro. Es war nicht so kühl hier wie in den anderen Räumen. Ein Fensterflügel auf der linken Seite stand weit offen.

Am Fenster stand ein hochgewachsener, weißhaariger Mann. Er hatte dem Büro - dem massigen Schreibtisch mit den zwei Telefonapparaten darauf und dem hochlehnigen Ledersessel dahinter - den Rücken zugekehrt.

»Tag, Charlie«, sagte Shapiro, und der weißhaarige Mann drehte sich um.

»Ah, Ihnen hat man die Sache also aufgebrummt, Nate«, bemerkte Charlie Fremont. »Scheußlicher Sturz für den armen Kerl.«

Es befanden sich noch zwei andere Männer im Raum. Einer trug ein Sportsakko mit der Dienstmarke der Polizei daran. Er saß in einem tiefen Sessel vor dem Schreibtisch. Der Mann, der neben ihm im zweiten Besuchersessel saß, hatte breite Schultern und trug einen tadellos geschnittenen grauen Anzug. Er stand auf, als Shapiro und Tony ins Zimmer traten. Er hatte blondes, kurzgeschnittenes Haar und ein sonnengebräuntes, kantiges Gesicht. Auf der Oberlippe saß ein knapp gestutztes Bärtchen. Der Mann trug ein weißes Hemd und eine dunkelrote Fliege. Er nickte Tony und Shapiro zu. Auf seinem Gesicht lag ein abwartender Ausdruck. Er sagte nichts. Etwa Ende Vierzig, dachte Tony, als er das Nicken erwiderte und dann Detective Ken Latham begrüßte.

Shapiro trat zu Captain Charles Fremont und blickte in die Tiefe.

»Ein Dach vom fünften Stock«, bemerkte Fremont. »Sie können sehen, wo er aufgeschlagen ist.«

Auf dem Dach war eine graue Decke ausgebreitet. Es schien nichts darunter zu sein.

»Wie lange ist es her, Charlie?«, fragte Nate Shapiro.

»Ungefähr eine Stunde, vielleicht auch anderthalb«, antwortete Fremont. »Bis jetzt haben wir niemanden aufgetrieben, der den Sturz gesehen hat. Ich dachte, von da drüben könnte uns jemand den genauen Zeitpunkt sagen, aber damit war’s Essig. Die waren alle hart an der Arbeit. Da hatte keiner Zeit, aus dem Fenster zu gaffen.«

Da drüben war die Fassade eines zweiten Hochhauses. Hinter den Fenstern konnte man Männer und Frauen an ihren Schreibtischen bei der Arbeit sehen.

»Wir wissen also nicht, wann er gestürzt ist?«

»Wahrscheinlich gegen drei Uhr«, sagte der große, gebräunte Mann. »Wir kamen um Viertel vor drei zurück. Ein Mann wartete auf ihn, sagte Miss Kline. Er sei nur ungefähr zehn Minuten in Franks Büro gewesen, erzählte sie mir. Ein Mann namens Langhorn.«

Sie wandten sich vom Fenster ab.

»Das ist Mr. Akins, Nate«, sagte Fremont. »Lieutenant Shapiro, Mr. Akins. Von der Mordkommission.«

»Mordkommission?«, echote Akins überrascht und fragend. »Der arme Frank ist doch gewiss durch eigene Unachtsamkeit aus dem Fenster gestürzt. Wenn ich ihn bat, ein Schutzgitter anbringen zu lassen, hat er mich jedes Mal ausgelacht.«

»So war es wahrscheinlich auch«, meinte Shapiro. »Aber wir müssen uns eben vergewissern. Das ist Detective Cook, Mr. Akins. Wir werden Sie nicht lange aufhalten. Mr. Bradley war ihr Kompagnon, wenn ich recht unterrichtet bin. Ich meine, Ihrer und Mr. Folsoms.«

»Ja«, bestätigte Akins. »Meiner. Ted Folsom hat sich schon vor mehreren Jahren vom Geschäft zurückgezogen. Er hat die Agentur gegründet. Ehe Frank dazukam, hieß die Firma Folsom und Akins. Wie sie jetzt heißen wird, weiß der Himmel. Vor ein paar Stunden noch - fürchterlich ist das, Lieutenant. Unglaublich!«

Er schüttelte wie fassungslos den Kopf.

»Vor ein paar Stunden noch war alles in bester Ordnung«, fuhr er fort. »Verdammt noch mal. Ich schlage vor, wir gehen in mein Büro, oder haben Sie etwas dagegen? Hier habe ich dauernd das Gefühl, jeden Moment müsste Frank auf tauchen.«

Er führte sie zu einer Tür und in ein Büro, das ebenso groß und ähnlich eingerichtet war wie Bradleys. Die Fenster, durch die die schrägen Strahlen der Nachmittagssonne fielen, waren geschlossen. Sie waren, wie Nate Shapiro feststellte, gar nicht zu öffnen.

Leslie Akins setzte sich hinter seinen Schreibtisch und deutete auf die Besuchersessel. Shapiro, Fremont und Tony Cook nahmen Platz. Detective Latham war im anderen Büro geblieben.

»Es ist kühler hier«, bemerkte Akins.

Er hätte sie nicht darauf hinzuweisen brauchen. Die Temperatur in dem klimatisierten Raum war merklich niedriger als die in Bradleys Büro.

»Viel kühler«, stimmte Shapiro zu.

»Im ganzen Haus ist es kühler, als es Frank lieb ist - war. Wir mussten die Leitung abdichten lassen, als er zu uns kam. Und bewegliche Fenster einbauen lassen.«

»Mr. Bradley hatte etwas gegen Klimaanlagen?«

»Meiner Ansicht nach war es eine Marotte, Lieutenant. Er hatte mit der Stirnhöhle zu tun, viele Kopfschmerzen, und er war der Meinung, dass Klimatisierung da nur schade. Woher er das hatte, weiß ich nicht. Man sollte meinen, dass es eher umgekehrt ist, nicht wahr? Durch die Klimaanlage wird zumindest ein Teil des Schmutzes aus der Luft herausgefiltert. Aber es hatte keinen Sinn, darüber mit Frank zu diskutieren. Jeder von uns hat eben seine Marotten.«

Nate Shapiro nickte zustimmend.

»Hat sich diese Stirnhöhlengeschichte je so ausgewirkt, dass Mr. Bradley schwindlig wurde?«, erkundigte er sich dann.

»Nicht, dass ich wüsste. Ah, ich sehe schon, worauf Sie hinauswollen. Wegen des niedrigen Fensterbretts drüben. Nein, er hat jedenfalls nie etwas von. Schwindelanfällen gesagt. Er hat eigentlich überhaupt kaum von seiner Gesundheit gesprochen. Abgesehen von dieser Stirnhöhlengeschichte. Auf mich wirkte er immer ausgesprochen fit. In bester körperlicher Verfassung für sein Alter.«

»Wir müssen alle Möglichkeiten überprüfen«, erklärte Shapiro. »Wie alt war Mr. Bradley denn?«

»Etwa fünfzig. Zehn Jahre lang betrieb er seine eigene Agentur, ehe er sich mit uns zusammentat. Das war, nachdem Ted Folsom sich zurückgezogen hatte.«

»Und wann war das, Mr. Akins?«

»Vor nahezu drei Jahren, Lieutenant. Ja, im Oktober werden es drei Jahre. Er hat natürlich mehrere Klienten mitgebracht. Einen sehr großen. Hopkins Industries. Die Kosmetikfirma. Seifen, Shampoos, Desodoriermittel und so weiter. Die Leute haben gerade ein neues Erzeugnis auf den Markt gebracht. Eine Zahnpasta. Blitzo heißt sie. Wegen der blitzenden, weißen Zähne. Frank hat den Namen kreiert. Im September läuft die Werbung im Fernsehen an. Jeder Spot dreißig Sekunden.«

Nate Shapiro nickte und fragte sich, was das alles mit Bradleys Sturz aus dem Fenster zu tun hatte.

»Dreißig Sekunden?«, warf Charles Fremont ein. »Das ist aber wenig Zeit.«