Die schwarze Fledermaus 24: Die siebte Kolonne - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 24: Die siebte Kolonne E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Überfall auf der nächtlichen Gartenparty des Industriellen Paul Anderson. Die Gäste werden ausgeraubt, zwei Männer ermordet. Tony Quinn vermutet, dass hinter dem Überfall ein Netzwerk der Nazi-Spione steckt.Butch, Quinns treuer Helfer, lässt sich in die Bande einschleusen. Wie kann die Schwarze Fledermaus die teuflischen Hintermänner enttarnen, deren Ziel es ist, das Kriegsglück zugunsten der Achsenmächte zu wenden?Aus dem Amerikanischen von Christian DörgeDie Printausgabe umfasst 190 Buchseiten.

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 24

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

G. W. Jones

Die siebte Kolonne

Aus dem Amerikanischenvon Christian Dörge

Das Abenteuer Die Siebte Kolonne erschien im Januar 1943 unter dem Titel The Seventh Column in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Tony Quinn

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-024-6Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Das Mord-Festival

Paul Andersons Anwesen war nur spärlich beleuchtet. Gemäß der Verdunkelungs-Vorschriften war die gesamte Beleuchtung abgeblendet. Dennoch hatten die hier versammelten Menschen keinerlei Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden.

Etwa 400 Menschen waren hier versammelt – und jeder von ihnen hatte als Eintrittskarte eine Kriegsanleihe in Höhe von 1.000 Dollar erworben. Die Dienerschaft versorgte die Anwesenden mit größter Sorgfalt, und an entsprechend vorgesehenen Stellen waren private wie offizielle Sicherheitskräfte postiert.

Das Motto der Party war: Patriotismus. Ein weltberühmtes Orchester spielte im Graben vor der Gartenbühne. Zahlreiche Uniformierte waren anwesend. Unter ihnen befand sich auch der weißhaarige Vize-Admiral Norbert Cooper, der bereits aus dem aktiven Dienst ausgeschieden war.

Jeden Tag seiner Dienstzeit hatte er im Navy-­Hauptquartier verbracht, wo er über den Karten feindlicher Stützpunkte, Häfen und Städte gebrütet hatte. ­Coopers vierzigjährige Dienstzeit hatte ihn in nahezu jeden Winkel der Welt geführt, und jeder dieser Orte war ihm schon von seinen Landkarten bestens vertraut gewesen: Zweifellos hätte er sie allesamt mit verbundenen Augen durchqueren können.

Paul Anderson, der Gastgeber, war ein Schifffahrts-­Unternehmer, und er besaß das Talent, ein Höchstmaß an Arbeit aus seinen Leuten – unter den für ihn zufriedenstellendsten Bedingungen – herauszuholen; in seinen Werften gab es keine Streiks, keine Verzögerungen. Die Schiffe verließen seine Werften in einem Umfang, dass Hitler und seine Vasallen zornig mit den Zähnen knirschten.

Bislang hatte Paul Anderson seine Gäste noch nicht begrüßt, und man vermutete, er sei hinter der Bühne damit beschäftigt, alles für die Show vorzubereiten, die im Anschluss an das Orchesterkonzert stattfinden sollte.

Eine Limousine, geschmückt mit dem Siegel der Stadt, näherte sich dem Eingang. Streifenpolizisten und Sicherheitsbeamte salutierten der aussteigenden militärischen Gestalt. Police Commissioner Warner nickte grüßend, dann war er einem zweiten Mann dabei behilflich, den Wagen zu verlassen.

Dieser zweite Mann war von durchaus eindrucksvollem Äußeren – abgesehen von seinem Gesicht. Er hatte breite Schultern, den Körper eines Kämpfers, und gekleidet war er in vollkommen makellose Abendgarderobe. Er trug einen Gehstock bei sich, und seine Augen waren leer, blicklos.

„Nun, Tony“, meinte Warner, „es macht alles einen vielversprechenden Eindruck. Haben Sie Ihre Anleihe zur Hand? Selbst Sekretär Morgenthau wird ohne diese Anleihe wohl kaum der Zutritt gewährt.“

Tony Quinn griff in seine Innentasche und grinste. Es war ein erfreuliches Lächeln, das seine Gesichtszüge aufhellte, doch es betonte auch die schrecklichen Narben, die sich tief in die Haut um seine leblosen Augen eingegraben hatten. Tony Quinn war blind. Die Narben waren die Folgen eines Säureanschlags auf ihn, als er noch als Bezirks-Staatsanwalt tätig gewesen war.

*

Die beiden Männer folgten langsam einem Pfad, zeigten ihre Anleihen am Eingangstor vor und mischten sich anschließend unter die Gäste. Jeder kannte Tony Quinn. Einige wenige senkten mitleidig den Blick, die meisten jedoch begrüßten ihn mit tief empfundener Aufrichtigkeit und schenkten den blicklosen Augen und den Narben, die sein Äußeres derart dominierten, keinerlei Beachtung.

„Wo ist Anderson?“, fragte Warner. „Wir sollten unseren Gastgeber nicht warten lassen.“

„Ich bedaure, Sir“, erwiderte einer der Diener. „Mr. Anderson ist noch hinter der Bühne beschäftigt. Wir erwarten in der Tat eine ganz besondere Show.“

„Wie sehr ich wünschte, diese Show sehen zu können“, sagte Tony Quinn mit größtem Bedauern. „Ich hoffe, Commissioner, Sie werden mir Ihre Augen leihen.“

Der Diener befüllte zwei silberne Kelche mit Punsch. „Ich kann Ihnen versichern, es wird großartig, Sir. Ich war dabei behilflich, die Aufführung vorzubereiten. Zunächst wird man eine Darstellung all jener eroberten Nationen sehen, die sich unter der Knute der Diktatoren beugen. Genau das steht auf dem Programm.“

„Hm“, machte Warner. „Kein sehr erfreulicher Auftakt.“

Der Diener lachte. „Ah – Sie sollten abwarten, was im Anschluss folgt. Jene Menschen, welche die unterworfenen Nationen repräsentieren, erheben sich. Und am Ende steht dort ein Galgen, Sir. Ein ganz normales Gerüst. Die letzte Szene zeigt einen gealterten Hitler, der mit der Schlinge um den Hals am Strick baumelt. Es handelt sich selbstverständlich nur um eine Puppe, aber wäre es nicht eine wahrhaft gelungene Party, wenn dieser alte Teufel wirklich dort baumeln würde?“

„Das wäre es tatsächlich“, kicherte Tony Quinn. „Eine überaus reizende Party, mein Freund. Ich danke Ihnen für die Informationen und für die Erfrischungen. Commissioner, ich würde es vorziehen, etwas abseits zu stehen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich vermag den Klängen besser zu folgen und mir eindringlicher vorzustellen, was vor sich geht, wenn ich nicht von allzu vielen Menschen umgeben bin.“

Warner nahm seinen Arm. „Ich habe den perfekten Platz gefunden, genau zwischen zwei großen Immergrün-­Sträuchern. Geradezu ein Logenplatz. Kommen Sie mit mir. Es scheint gleich loszugehen. Die Bühnenbeleuchtung wurde eingeschaltet.“

Sie nahmen ihre abseits gelegenen Plätze ein. Warner ließ seinen Blick über die Menge streifen, und er stellte mit Befriedigung fest, dass nicht alle Lichter in der Gartenanlage gelöscht wurden.

„Tony“, flüsterte er behutsam, „wenn Ihre Augen die Fähigkeit hätten, zu sehen, dann wären Sie nahezu geblendet vom Glanz all der Edelsteine, die heute Nacht hier versammelt sind. Warum? Sie strahlen heller als die gesamte Beleuchtung!“

„Und das bereitet Ihnen Sorgen“, erwiderte Quinn. „Ich hörte bereits von Hinweisen auf ein bevorstehendes Verbrechen. Silk liest mir sämtliche Zeitungsartikel, die sich damit befassen, vor. Diese Stadt kämpft ihren eigenen Krieg. Das Verbrechen erblüht geradezu in Kriegszeiten – begünstigt durch Verdunkelungen, Stromausfälle und Polizeikräfte, denen es an ausreichend Männern mangelt.“

„Das ist fraglos zutreffend“, stimmte Warner ihm zu, „aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Verbrechen immer derart perfekt funktioniert, wie es zugegebenermaßen im Verlauf der vergangenen zwei Monate der Fall gewesen ist. Zumindest nicht während irgendeines Krieges in der Vergangenheit. Polizeibekannte Kriminelle reisen heutzutage herum und scheinen über nahezu unbegrenztes Kapital zu verfügen. Die Rennstrecken sind voll mit ihnen, und sie schließen die irrwitzigsten Wetten ab. Wie gewonnen, so zerronnen, völlig hemmungslos – aber es zeigt, dass sie geradezu absurd erfolgreich sind.“

Quinn pfiff leise durch die Zähne. „Ich hatte keine Ahnung, dass es so übel aussieht.“

„Es ist übler, als es sich irgendein Reporter ausdenken könnte“, sagte Warner überzeugt. „So wurden beispielsweise die Drogendealer wegen des Krieges zunächst von ihrem Nachschub abgeschnitten; sie hatten größte Schwierigkeiten, den wirklich wichtigen Stoff – also jenes Zeug, das die Junkies brauchen – einzuschmuggeln. In letzter Zeit jedoch hat unser Drogen-Dezernat Dealer aufgegriffen, die Unmengen von dem Zeug bei sich hatten – und ich spreche von dem wirklich üblen Stoff. Sie verkaufen es billiger als je zuvor.“

„Interessante, wenngleich schlechte Neuigkeiten“, gab Quinn zu. „Was noch?“

„Die ganze Sache ist organisiert, Tony. Davon bin ich überzeugt. Die Jobs sind größer, die Beute ist umfangreicher, die Gauner erhalten größere Anteile von der Beute. Anders können wir uns ihre prall gefüllten Taschen nicht erklären. Und was noch schlimmer ist: Wir waren bislang nicht in der Lage, irgendetwas Handfestes herauszubekommen. Ich ... oh, hallo, Admiral. Ich hatte gehofft, Sie heute Abend zu treffen.“

Vize-Admiral Cooper schüttelte Warner die Hand. Dann sprach er Quinn an und drückte auch dessen eher zögerlich ausgestreckte Hand. „Schön, dass Sie hier sind, Quinn“, ließ er sich vernehmen. „Und noch schöner ist es, dass Sie den Mut aufbringen, wieder unter Menschen zu gehen. Viele Menschen, die durchgemacht haben, was Sie erleben mussten, hätten sich vom Leben abgewandt und würden sich davor hüten, ihr Heim zu verlassen.“

Quinn kicherte. „Ich fürchte, Sie missverstehen uns Blinde völlig, Sir. Wir geben niemals auf. Weit gefehlt. Viele sind für die Abwehr tätig – wir verarbeiten Details, die ein sehender Mensch bei Weitem nicht so gut verarbeiten könnte wie jemand, der in ewiger Dunkelheit lebt. Es verlangt uns nicht nach Mitleid, Sir.“

„Und sie werden auch keines von mir bekommen“, lachte Cooper. „Nun, ich muss weiter. Die Show wird jeden Moment beginnen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.“

Cooper entfernte sich mit großen Schritten.

Das Orchester eröffnete mit einer Fanfare, der Vorhang hob sich, und das erste Bühnenbild wurde sichtbar. Warner beschrieb es, aber gleichzeitig behielt er alles im Auge, überprüfte, ob seine Detectives auf der Hut waren. Bei einer Veranstaltung wie dieser konnte buchstäblich alles passieren, und Warner beschlich eine düstere Vorahnung.

Die Show verlief reibungslos. Ausgesprochen professionelle Schauspieler spielten ihre Rollen ganz hervorragend. Zwischen den Szenen spendete das Publikum freundlichen Applaus, und das Orchester spielte.

Schließlich hob sich der letzte Vorhang.

Auf der Bühne streiften die Schauspieler die symbolischen Ketten ihrer Unterdrückung ab. Im Mittelpunkt der Bühne stand ein Galgen – in der Tat ein echter Galgen. Der Strick war bis zum Vorhang hochgezogen, als diente er der Bühnendekoration.

Plötzlich bewegte sich der Strick. Eine Gestalt stürzte herab, ein grauenhafter Schrei schrillte von ihren Lippen. Das Seil straffte sich. Die Gestalt schnellte einmal nach oben, dann begann sie sich zu drehen. Scheinwerfer beleuchteten die Szenerie, und als für die Dauer eines kurzen Augenblicks das Gesicht erkennbar wurde, hielt das Publikum zunächst den Atem an, bevor die Frauen schließlich zu schreien begannen.

Tony Quinn hatte Mühe, sich unter Kontrolle zu halten. Denn seine nur scheinbar leblosen Augen vermochten in Wirklichkeit zu sehen – weit besser als die Augen von Commissioner Warner.

Warner zögerte nur ein oder zwei Sekunden nach diesem grässlichen Zwischenfall. Er eilte davon, ließ Quinn allein zurück. Dann erlosch jedes Licht in dem großen Herrenhaus und in dem Garten, der es umgab. Eine tiefschwarze Dunkelheit hüllte alles ein.

Die Frauen schrien jetzt lauter und häufiger. Die Männer fluchten und tasteten in der Dunkelheit umher.

Chaos brach aus.

*

Tony Quinn indes sah etwas völlig anderes. Etwas, das niemandem sonst auf dem Anwesen auffiel. In der Dunkelheit funktionierten seine Augen ebenso wie im hellsten Tageslicht. Sogar weiche Pastellfarben waren für ihn vollkommen sichtbar.

Zehn Sekunden, nachdem die Lichter verloschen waren, sah er Männer sich geschickt durch die Menge bewegen. Hartgesottene Männer, die Pistolen in der einen und Zangen in der anderen Hand hielten. Das Durcheinander der Stimmen und das Umstürzen der Stühle machten es schwer, verständliche Worte auszumachen. Niemand achtete in diesem Babylon auf die Frauen, die schrien, ihre Halsketten wären ihnen heruntergerissen und ihre Armbänder wären ihnen von den Gelenken geschnitten worden.

Niemand hörte sie – außer Tony, doch er war außerstande, sich zu bewegen, denn angeblich war er völlig blind, und diesen Anschein aufrechtzuerhalten war wichtiger für ihn, als die unbekannten Männer davon abzuhalten, die Juwelen in ihren Besitz zu bringen.

Er hörte einen Mann aufschreien. Quinn drehte den Kopf. Ein seltsames, bläulich-weißes Licht bewegte sich wie irrsinnig am äußeren Rand des Grundstücks entlang. Schlagartig war das Licht verschwunden. Der Schrei endete ebenso abrupt. Quinn war nun vollauf damit beschäftigt, sich zwischen den zahlreichen Tannenbäumen umzusehen und herauszufinden, was es mit dieser Randerscheinung auf sich hatte. Daher bemerkte er nicht den Mann, der auf ihn zukam – ein Mann mit einer Pistole in der Faust.

Die Waffe wurde ins Quinns Mitte gestoßen, und erschrocken wandte er den Kopf um.

„Nur die Ruhe, Kumpel“, sagte der Mann mit der Waffe. „Nimm die Hände hoch und lass uns nachsehen, wie viel Knete du in deinen Taschen hast.“

Quinn spielte weiterhin die Rolle des Blinden. „Ich verstehe nicht. Was geht hier vor? Ich bin blind. Ich kann überhaupt nichts sehen. Ich ...“

„Halt’s Maul oder du bist tot“, warnte ihn der Bewaffnete. „Hände hoch, hab’ ich gesagt.“

Quinn hob seine Arme weit in die Höhe. Der Mann durchsuchte seine Taschen, fand dort eine gut gefüllte Brieftasche und gab ein zufriedenes Grunzen von sich. Dann entdeckte er eine Armbanduhr an Quinns ­Handgelenk. Eine ganz besondere Uhr ohne Glas­abdeckung. Die Zahlen bestanden aus erhabenem Platin, sodass Quinn seine Finger auf sie legen und auf diese Weise die Zeit ablesen konnte. Diese Uhr überzeugte viele Menschen von der Tatsache seiner vollkommenen Blindheit, und nebenbei war sie eine gute Stange Geld wert.

Der Bewaffnete griff in seine Tasche und holte eine jener Zangen hervor, mit denen augenscheinlich jeder dieser Räuber ausgestattet war. Die Uhr abzunehmen wäre denkbar einfach gewesen, aber der zerstörerische Impuls in der Natur dieses Mannes schien es erforderlich zu machen, die Uhr stattdessen abzuschneiden.

Er legte die Schneiden der Zange an das goldene Armband. In diesem Moment kamen Quinns Hände herunter. Eine traf das Handgelenk des Bewaffneten, und die Automatik fiel zu Boden. Die andere schloss sich um den Hals des Räubers. Fachkundig bewegten sich Quinns Finger, suchten nach einem verwundbaren Nerv. Kraftvoll drückte er zu. Der Räuber gab ein würgendes Keuchen von sich und erschlaffte.

Quinn schaute sich um. Die Verwirrung befand sich noch immer auf dem Höhepunkt. Ein paar Taschenlampen blinkten vereinzelt auf, aber die Detectives, die sie in Händen hielten, wurden rasch von den Eindringlingen überwältigt.

Quinn hob den Bewusstlosen auf eine Schulter, drehte sich um und eilte zu einer Straße, die an das Grundstück grenzte. Eine Straße, die nur selten befahren wurde. ­Hindernisse, über die ein Mensch, der nur über gewöhnliche Augen verfügte, zweifellos gestolpert wäre, waren deutlich sichtbar für Tonys unglaubliche Augen. Er umging einen umgestürzten Stuhl, wich mehreren Bühnen-Requisiten aus und erreichte schließlich die bewusste Straße.

Der Straßenrand war mit dichten Büschen bewachsen. Er legte den Bewaffneten hinter einen davon und benutzte seine Faust nur ein einziges Mal – und das ausgesprochen effektiv. Dieser Kerl würde sich für mindestens eine Stunde nicht mehr bewegen.

Nachdem das erledigt war, kehrte er zurück zu seinem ursprünglichen Platz, nahm wiederum die Rolle des Blinden ein und wanderte mit vorgestrecktem Stock umher, seine Stimme flehte um Hilfe.

Bald gingen die Lichter wieder an. Dann fing alles wieder von vorn an, als das entsetzte Publikum die am Galgen baumelnde grässliche Gestalt erblickte. Quinn war nah genug, um die verzerrten Gesichtszüge erkennen zu können. Paul Anderson hatte ein letztes Mal die Rolle des Gastgebers gespielt. Er war an seinem eigenen Galgen erhängt worden.

Irgendjemand besaß die Geistesgegenwart und eilte hinter die Bühne, um den Vorhang herabzulassen. Ein anderer rief nach einem Arzt. Nach und nach legte sich die Aufregung. Grimmig dreinschauende Detectives liefen umher.

Kapitel 2 – Der Mann in Schwarz

Commissioner Warner fand Quinn kurz darauf. Schweiß glänzte auf Warners Gesicht. Sein Hemd war verschmutzt, seine Krawatte gelöst.

„Es ist genau das passiert, was ich befürchtet habe“, stöhnte er. „Nicht einmal die Anwesenheit all dieser Detectives konnte sie aufhalten. Tony, der kolossalste Raub wurde hier begangen – und überdies wurde ein Mord verübt.“

„Mord?“, fragte Quinn. „Um Himmels willen, Commissioner! Wer wurde ermordet? Und aus welchem Grund?“

„Paul Anderson. Und es wurde derart geschickt angestellt, Tony, dass ich aufs Höchste alarmiert bin. Die Räuber ermordeten Anderson nur aus einem einzigen Grund – um Verwirrung zu stiften und um von dem Raub abzulenken.“

„War er es, der am Galgen hing?“, wollte Quinn wissen. „Ich hörte irgendjemanden etwas in dieser Art schreien.“

„So ist es. Eigentlich hätte an diesem Strick eine Puppe – ausstaffiert wie Hitler – hängen sollen. Es wäre das große Finale der Bühnen-Show gewesen. Dementsprechend war eine Puppe hoch über der Bühne in Position gebracht worden. Im richtigen Moment zog ein Bühnenarbeiter an einem dünnen Seil, und die Puppe hätte herabstürzen sollen. Aber als besagter Bühnenarbeiter der Anweisung folgte, war es Paul Anderson, der sich oberhalb der Bühne befand, und der Strick lag um seinen Hals.“

„Wie schrecklich“, entfuhr es Quinn. „Es ist entsetzlich, Commissioner. Und Sie sind der Meinung, all das wurde inszeniert, um eine solche Verwirrung zu stiften, dass sich die Räuber unters Publikum mischen und es ausrauben konnten?“

„Jawohl. Die Frauen – wie auch die Männer – schrien auf angesichts des am Galgen baumelnden Anderson. Er selbst hat auch geschrien – allerdings zu spät. Ich hatte noch nicht die Zeit, meine Ermittlungen abzuschließen, aber ich glaube, Anderson wurde bewusstlos geschlagen, bevor man ihn in den Bereich über der Bühne schaffte. Der plötzliche Sturz hat ihn aufgeweckt, nur Sekundenbruchteile, bevor sein Genick brach. Tony, praktisch jede Frau wurde ihres Schmucks beraubt. Die Männer wurden mit Revolvergriffen geschlagen und ausgeraubt. Es grenzt an ein Wunder, dass es nur zwei Tote gegeben hat.“

„Zwei?“ Quinn keuchte. „Noch jemand außer Anderson?“

„Unglücklicherweise, ja. Admiral Coopers Leiche wurde hinter einem Gebüsch entdeckt. Scheinbar hat er mit einem der Räuber gekämpft, und in dem Handgemenge wurde auch ihm das Genick gebrochen. Leider kann ich Sie nicht nach Hause bringen. Ich werde einen meiner Männer ... da kommt Captain McGrath. McGraths Gesicht ist so rot, man könnte ihn mit einem gekochten Hummer verwechseln.“

Captain McGrath salutierte, dann musterte er Tony Quinn mit unverhohlener Boshaftigkeit.

Warner bemerkte dies nicht. Er sagte nur: „Captain, fahren Sie Mr. Quinn nach Hause. Nehmen Sie meinen Wagen. Sollten Sie nicht gehen wollen, weisen Sie einen anderen Mann an, ihn zu begleiten.“

„Ich mache das selbst“, schnappte McGrath. „Ich wollte sowieso mit Quinn reden. Kommen Sie ... hier ist mein Arm.“

Quinn nahm ihn und trat an McGraths Seite. Der Detective Captain bewegte sich schnell, und mehrmals wäre Quinn beinahe gestolpert und gestürzt. McGrath machte ein wütendes Gesicht und ging weiter, bis er den Pfad erreichte, der von dem Anwesen fortführte. Der Pfad wurde von dichten Büschen gesäumt.

Mit voller Absicht ließ Captain McGrath Tony Quinns Arm los und trat plötzlich einen Schritt zur Seite. „Kommen Sie hier herüber, Mr. Quinn“, sagte er. „Ich glaube, ich habe eben einen dieser Schurken gesehen ...“

Quinn irrte in die Richtung, wo McGrath stand. Er hätte direkt zu ihm gehen können, allerdings wusste Quinn: McGrath hätte sich nichts Besseres wünschen können. Daher taumelte Quinn in das Gebüsch, gab einen erschrockenen Schrei von sich und fiel hin.

McGrath half ihm auf die Beine, murmelte eine Entschuldigung und schleppte ihn buchstäblich zur Straße. Funkstreifen und drei Rettungswagen waren dort in aller Eile – und planlos – zusammengezogen worden. Eine Absperrung war um das Grundstück herum errichtet ­worden, aber McGrath und Quinn wurden ohne Pro­bleme durchgelassen.

McGrath half Quinn beim Einsteigen in den Dienstwagen, und der Detective setzte sich ans Steuer. Mit quietschenden Reifen, die den Zorn betonten, der in ihm loderte, fuhr er los.

McGrath sagte kein einziges Wort während der Zwei-Meilen-Fahrt durch die Stadt, aber als sie die ruhige, verdunkelte Straße erreichten, in der Tony lebte, fuhr er an den Bordsteinrand.

Quinn, dessen leere Augen unentwegt geradeaus starrten, suchte nach dem Türöffner und betätigte ihn.

„Vielen Dank, Captain.“

„Jetzt warten Sie mal ’ne Minute“, schnappte der Captain. „Das ist nicht Ihr Haus, und Sie wissen das.“

Quinn schien überrascht. „Aber, Captain, als Sie angehalten haben, dachte ich natürlich ...“

„Yeah ... natürlich haben Sie das gedacht. Wir sind ein paar Blocks von Ihrem Haus entfernt, aber ich habe hier angehalten, weil ich etwas auf dem Herzen habe.“

„Tatsächlich, Captain? Ist das nicht ein wenig ... ungewöhnlich? Es sei denn, es geht um das, was auf Andersons Party vorgefallen ist. Ich vermag mir nicht vorzustellen, wie ein Detective in diesem Moment an etwas anderes als an das denken kann.“

„Yeah, es geht um die Party, aber in erster Linie geht’s um Sie. Hören Sie Quinn, ich bin es leid, an der Nase herumgeführt zu werden. Was ich heute Nacht gesehen habe, hat für immer Klarheit zwischen Ihnen und mir ­geschaffen.“

Quinn hielt den Atem an. Vielleicht war McGrath Zeuge seines kurzen Kampfes mit dem bewaffneten Räuber gewesen. Doch McGraths nächste Worte legten die Vermutung nahe, dass nichts dergleichen der Fall war.

„Zwei Männer wurden auf dieser Party ermordet“, fuhr McGrath lächelnd fort. „Zwei großartige Jungs – wichtige Männer. Fünfzig Frauen wurden ihrer Juwelen beraubt, die ein Vermögen wert sind. Sie wissen das, nicht wahr?“

„Die Details sind mir nicht bekannt“, protestierte Quinn schwach.

„Jetzt sind sie es. Und auf Folgendes will ich hinaus: Ich war nie davon überzeugt, Sie wären blind. Sie, Tony, Sie sind die Schwarze Fledermaus. Sie sind der Typ, der mit Maske und Umhang umherschleicht. Sie sind der Mann, den die Unterwelt mehr fürchtet als jeden Cop der Vereinigten Staaten – einschließlich des FBI. Sie bekämpfen diese Ratten mit ihren eigenen Waffen, und das mögen die ganz und gar nicht.“

„Captain“, begann Quinn ausgesprochen geduldig, „Sie haben mich schon mehrfach verdächtigt, die Schwarze Fledermaus zu sein. Sie haben ebenfalls dafür gesorgt, dass erfahrene Augenärzte wie aus heiterem Himmel bei mir auftauchten und mich peinlich genauen Untersuchungen unterzogen haben. Diese haben Ihnen bestätigt, dass ich blind bin, dass ich niemals wieder werde sehen können – und Sie sind von all dem noch immer nicht überzeugt.“

„Und ich werde es niemals sein, bis ich die Schwarze Fledermaus in die Enge getrieben habe – bis ich ihr schließlich die Maske vom Gesicht reiße und sie als Sie entlarve, Quinn. Ich dachte, ich wäre nur darauf aus gewesen. Klar, die Schwarze Fledermaus hat mir viele Male geholfen. Dafür bin ich dankbar. Vielleicht hätte ich schon früher – wenn ich die Schwarze Fledermaus gefangen hätte – meine Versprechen gebrochen, ihn in eine Zelle zu werfen, aber jetzt – so wahr mir Gott helfe – wird es ganz sicher keine Zelle mehr sein. Ich würde Ihnen eine Kugel zwischen die Augen schießen.“

Ein besorgtes Stirnrunzeln zeigte sich auf Quinns Gesicht, als er sich McGrath zuwandte. „In der Tat, Captain“, sagte er, „so habe ich Sie noch niemals zuvor reden gehört. Ich kann nicht nachvollziehen, was Sie dazu veranlasst hat, sich in dieser Weise gegen mich zu wenden. Denn selbstverständlich bin ich nicht die Schwarze ­Fledermaus, aber mitunter hatte ich durchaus Vergnügen an Ihrem Spiel, zu beweisen, ich wäre es.“

„Sie wollen also wissen, was sich verändert hat, nicht wahr? Okay! Sie hätten nicht fragen müssen, denn genau aus diesem Grund habe hier angehalten. Ich glaube, Sie sind die Schwarze Fledermaus. Ich glaube, Sie können ebenso sehen wie ich – vermutlich sogar noch besser. Ich glaube, die Anwesenheit der Schwarzen Fledermaus hätte das Blutvergießen auf der Party verhindert – und die Verbrecher wären um ihr Leben gerannt. Verstehen Sie, worauf ich hinauswill?“

Quinn nickte düster. „Ja, das tue ich. Wäre ich die Schwarze Fledermaus und hätte ich mich dort befunden, ohne mich diesen Mördern und Dieben ­entgegenzustellen, so hätte ich Ihren Hass wohl verdient. Ich gebe Ihnen recht – die Schwarze Fledermaus hätte diesen Gangstern eine Menge Schaden zufügen und vielleicht sogar ein oder zwei Leben retten können. Wäre ich also die Schwarze Fledermaus, wäre Ihr Hass auf mich gerechtfertigt. Aber ich bin nicht die Schwarze Fledermaus. Und jetzt fahren Sie mich bitte nach Hause.“

„Okay.“ McGrath fuhr vom Straßenrand weg. „Ich wollte nur meine Karten offen auf den Tisch legen. Seien Sie gewarnt – von jetzt an werde ich alles tun, was in meiner Macht steht, um zu beweisen, dass Sie mit diesen Augen sehen können – und zu beweisen, dass Sie die Schwarze Fledermaus und ein Feigling sind.“

Als der Wagen ein zweites Mal hielt, öffnete Quinn die Tür und stieg aus, sich mit seinem Stock vorantastend. Er drehte sich noch einmal zu dem Wagen um.