Die schwarze Fledermaus 25: Millionen für einen Mörder - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 25: Millionen für einen Mörder E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Harvey Lansing, der wegen Mordes fälschlich zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde, flieht, um sich an seinen Peinigern zu rächen.Eine für die Regierung kriegsentscheidende Formel muss vor den Spionen der Nazis geschützt werden.Was hat der Chemiker Weston, der scheinbar dem Wahnsinn verfallen ist und im Sanatorium des zwielichtigen japanischen Arztes Dr. Kroo lebt, damit zu tun?Die Schwarze Fledermaus greift in das Geschehen ein.Aus dem Amerikanischen von Alfons WinkelmannDie Printausgabe umfasst 216 Buchseiten.

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 25

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

G. W. Jones

Millionen für einen Mörder

Aus dem Amerikanischenvon Alfons Winkelmann

Das Abenteuer Millionen für einen Mörder erschien im März 1943 unter dem Titel Millions for a Murderer in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Carol Baldwin

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-025-3Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Marotten eines toten Mannes

Jedes leise Quietschen zerrte an Matt Hanlons Nerven. Das uralte Gebäude der Chemiefabrik schien unter der Feuchtigkeit des Nieselregens in dieser Nacht zu ächzen und zu stöhnen.

„Ich bin ein Narr, das hier ernst zu nehmen“, flüsterte Hanlon. „Wäre ich bei Verstand, würde ich nicht hier im Dunklen darauf warten, dass ein geflohener Mörder zurückkehrt. Vermutlich muss die Sache, die er vor fünf Jahren hier in diesem Raum gefunden hat, etwas mit dem alten Jared zu tun haben, und dennoch ...“

Langsame, quietschende Schritte vom Korridor draußen vor der Tür unterbrachen seinen geflüsterten Monolog. Weil er offensichtlich ein Narr war, weil er hier ohne Licht an einem Schreibtisch saß, wo vor fünf Jahren ein Mord begangen worden war, schaltete Matt Hanlon die Lampe neben sich ein.

Er wusste, dass die Schritte von Barnaby stammen mussten, dem alten Wachmann. Er könnte dem alten Barnaby kaum vernünftig erklären, weshalb er hier im Dunklen saß. Der Wachmann klopfte leise. Hanlon tat so, als wäre er mit einigen Papieren beschäftigt, während er den alten Barnaby aufforderte, hereinzukommen.

Die uralte Bürotür war solide gebaut, und sie hatte kein Querholz. Barnaby würde nicht merken, dass das Licht gerade erst eingeschaltet worden war.

„Entschuldigen Sie, Mr. Hanlon“, sagte Barnaby und rieb sich das Kinn mit dem grauen Stoppelbart. „Ich nehme fast immer die Treppe, aber mein rheumatisches Knie macht mir zu schaffen, Sir. Ich fahre mit dem Aufzug und schicke ihn wieder hoch.“

„Aber natürlich, Barnaby“, sagte Hanlon. „Und, Barnaby, Sie müssen sich erst wieder im oberen Flur umsehen, wenn ich gegangen bin. Ich sage Ihnen Bescheid. Ich arrangiere ein paar Sachen, vielleicht zum letzten Mal.“

Der alte Barnaby nickte traurig.

„Ja, Sir. Verstehe schon. Wenn die Woche zu Ende ist, drehe ich auch keine Runden mehr. Mr. Wright, möge seine Seele in Frieden ruhen, hat gut für mich vorgesorgt, aber nach zwanzig Jahren werde ich den Ort hier vermissen. In regnerischen Nächten wie der hier scheint die alte Fabrik mit mir zu sprechen. Manchmal höre ich ...“

Hanlon warf einen raschen Blick zu der skeletthaften Form der Feuertreppe draußen vor dem offenen Fenster hinüber.

„Ja, Barnaby, wahrscheinlich ist das so“, sagte er, um ihn am Weiterreden zu hindern. „Gehen Sie nur und nehmen Sie den Aufzug.“

„Danke, Sir.“ Der alte Barnaby wich zur Tür zurück und schloss sie hinter sich.

Hanlon hörte das Quietschen der altmodischen Seile am Aufzug. Der Lastenaufzug hatte mindestens ein Vierteljahrhundert seine Dienste geleistet, sowohl für Fracht als auch für Menschen.

*

Matt Hanlon schaltete die Schreibtischlampe wieder aus. Das offene Fenster wurde zu einem Rechteck unverminderter Schwärze. Regen fiel trostlos auf die Feuertreppe draußen.

Dann wurden sämtliche kleinen Geräusche abrupt von einem Knirschen und einem Krach übertönt. Mit einem raschen, nervösen Fluch war Hanlon auf den Beinen. Dann war ihm plötzlich übel. Das sekundenlange Geräusch des Splitterns draußen endete in einem gewaltigen Knall, der die ganze uralte Chemiefabrik erschütterte.

Als Hanlon die Tür aufbekommen hatte, sah und roch er den feinen, trockenen Staub, der wie Rauch in dem alten Aufzugschacht emporstieg. Ein gerissenes Stahl­kabel drehte und wand sich immer noch wie eine geköpfte Schlange.

Hanlon nahm drei Stufen auf einmal, als er die vier Stockwerke hinabstürmte. Er wurde von den Glühbirnen an den Kehren geleitet. Der schwache Schein der Glühbirne im Korridor des Erdgeschosses reichte aus, dass sich Hanlon der Magen zusammenzog.

„Nach zwanzig Jahren würde er diesen Ort vermissen“, brummelte Hanlon schwer. „Aber jetzt nicht mehr, Barnaby.“

Es war sinnlos, nach dem Puls des alten Barnaby zu tasten. Sein Hals war im Tod auf groteske Weise verdreht. Jared Wright hatte eine Pension zur Verfügung gestellt, die der Wachmann nicht benötigen würde.

Matt Hanlon machte sich auf den Weg zum Telefon im ersten Stock, hielt jedoch plötzlich inne. Auf einmal kam ihm der Gedanke, dass das Herabstürzen des Aufzugs kein Unfall gewesen war.

„Was bedeutet, jemand war von der Erwartung ausgegangen, dass ich ihn als Erster benutzen und abstürzen würde“, murmelte er grimmig. „Der alte Barnaby ist lediglich an meiner Stelle gestorben, und ...“

Er war bereits auf der Treppe und stieg rasch wieder hinauf. Dieser Aufzug war so präpariert worden, dass er nach seinem Aufstieg herabfallen würde, und das vor nicht einmal einer Stunde.

„Wenn es ein Mord ist, dann befindet sich der Mörder immer noch im Gebäude, und das bedeutet, dass er hinter der Aufnahme her sein kann“, dachte Hanlon. „Der alte Jared Wright war vielleicht nicht so kauzig gewesen, wie es den Anschein hatte.“

Er hatte die Kehre der Treppe im dritten Stockwerk erreicht, bevor Verstand und Vorsicht wirklich wieder funktionierten.

Beim Gedanken an den Tod, dem er gerade entronnen war, an die Gefahr, die vielleicht nach wie vor dort oben lauerte, drückte er sich an die dunkle Wand und lauschte.

Ihm ging auf, dass er unbewaffnet war, obwohl er den Anweisungen gefolgt war, in einem Mordzimmer, das seit fünf Jahren verschlossen gewesen war, auf den Mann zu warten, der wegen dieses Mordes vor fünf Jahren verurteilt worden war.

Die Anweisungen, die in der scheinbar wahnsinnigen Forderung kulminierten, sich mit einem Mann zu treffen, der wegen Mordes verurteilt war und eine lebenslange Haft absaß, fanden sich auf der Aufnahme in dem Diktafon, das Matt Hanlon oben gelassen hatte.

Und diese Aufnahme war vielleicht das merkwürdigste Erbe, das ein sterbender Mann jemals hinterlassen hatte. Denn dort hieß es, dass Jared Wright, Alleininhaber der Chemiefirma Wright-Jones, Matt Hanlon die Summe von 100.000 Dollar hinterlassen hatte, sowie die Bewachung eines gewissen Harvey Lansing, vor fünf Jahren zu lebenslänglich verurteilt wegen Mordes an Jared Wrights Partner, Thaddeus Jones.

Darüber hinaus legte diese phantastische Aufnahme auf dem Diktafon die heutige Nacht als die Zeit sowie das Büro, wo Thaddeus Jones ermordet worden war, als den Ort fest, wo Matt Hanlon Harvey Lansing, einen zu lebenslänglicher Haft Verurteilten, treffen und in Obhut nehmen sollte. Dennoch war ihm bislang nichts davon zu Ohren gekommen, dass Lansing geflohen war.

Weil er sich jedes einzelne Wort dieser Aufnahme eingeprägt hatte, zog Hanlon jetzt, während er dort horchend hockte, in Betracht, dass sie möglicherweise der Wahrheit entsprach. Was unglaublich erschienen war, nahm allmählich als mögliche Tatsache Gestalt an. Denn Hanlon atmete immer noch den feinen, trockenen Staub ein, der den Tod eines anderen Mannes an seiner Stelle verkündigt hatte.

*

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Matt Hanlon, Chemiker und drei Jahre lang Sekretär des verstorbenen Jared Wright, das Gefühl gehabt, allein deswegen einen Narren aus sich zu machen, weil er den Marotten eines toten Mannes gehorcht hatte.

Als hart arbeitender und stets gesetzestreuer Mann hatte Hanlon nicht einmal die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Jared Wrights mit einer Bedingung verknüpfte Hinterlassenschaft von 100.000 Dollar ernst gemeint sein konnte. Was für Matt Hanlon zu einem beträchtlichen Vermögenszuwachs führen würde, war klar und deutlich in einem legalen Dokument festgelegt worden. Die Bedingungen waren freilich etwas anderes.

Dass er selbst zu einem Verbrecher werden würde, persönlich verantwortlich für die Freiheit eines flüchtigen Sträflings, oder dass er in tödliche Gefahr geriete, war bis jetzt nicht in Matt Hanlons geradliniges Bewusstsein eingedrungen.

Wie erstarrt verharrte er eine lange Minute an der dunklen Wand. Die Anweisung und die Warnung auf dieser Diktafonaufnahme in dem Apparat gingen ihm immer wieder durch den Kopf.

„Sie werden Harvey Lansing beschützen, und zwar mit jedem Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel. Ich habe praktisch mein gesamtes Vermögen beiseitegelegt, sechs Millionen in bar, die dem Mann ausgezahlt werden sollen, der den absolut überzeugenden Beweis dafür liefert, der im Anschluss an den Mord an Thaddeus Jones fehlte.

Lansings Verurteilung erfolgte, wie Sie gut wissen, allein aufgrund von Indizienbeweisen. Ich glaube fest daran, dass einer von fünf Männern die Wahrheit über den Mord kennt. Ich habe jeden dieser fünf Männer davon in Kenntnis gesetzt, dass die sechs zur Verfügung gestellten Millionen in Anspruch genommen werden können. Abgesehen von meinem Anwalt Lester Shott und Ihnen selbst weiß keine andere Person von dieser ungewöhnlichen Belohnung für die erfolgreiche Wiederaufnahme der Mordsache, und es wird auch in Zukunft niemand wissen.

Die fünf Männer, die ich meine, werden sich rechtzeitig mit Ihnen in Verbindung setzen. Ich warne Sie, vorsichtig zu sein. Während ich auch keinen anderen Beweis als meine Intuition habe, bin ich doch davon überzeugt, dass eines der bedeutendsten chemischen Geheimnisse der Welt mit dem Tod von Thaddeus Jones in Zusammenhang gestanden hatte und steht. Ich hinterlasse Ihnen diese schwere Verantwortung, weil ich Vertrauen in Sie habe, außerdem wegen Ihrer Beziehung zu meiner Schutzbefohlenen, Marley Weston.“

Matt Hanlons breite Lippen schlossen sich zu einer grimmigen Linie, als ihm der Name Marley Weston in den Sinn kam. Vielleicht um ihretwillen, wenn auch aus sonst keinem anderen Grund, müsste er diese Sache durchstehen, wie von Jared Wright gewünscht, wenn an dessen Worten auch nur ein Fünkchen Wahrheit wäre.

Plötzlich knallten zwei Pistolenschüsse von der Treppe über ihm. Geschosse pfefferten die Wand dicht neben Hanlons Kopf und sausten davon.

Hanlon ließ sich fallen, drückte sich flach auf den Boden und fluchte unterdrückt. Warum hatte er die Waffe des toten Wachmanns nicht mitgenommen, bevor er losgegangen war?

Er hörte ein Schlurfen. Der Schütze kam vorsichtig die Treppe herab. Wenn Hanlon sich rührte, würde das Licht an der Kehre auf ihn fallen. Noch ein paar Schritte mehr, und der entschlossene Mörder konnte ihn nicht verfehlen.

Hanlon spannte sich an, darauf vorbereitet, in einem verzweifelten Sprung über den erleuchteten Bereich zu setzen. Der herannahende Mörder schritt jetzt rascher aus, als er beabsichtigt hatte. Erneut knallte seine Pistole, aber das Geschoss ging irgendwo in die Irre, denn Hanlon hatte einen Blick auf eine sich rasch bewegende, schattenhafte Gestalt oberhalb des Schützen bekommen. Er hörte das Knirschen von Metall auf Knochen. Der Mörder stürzte die Treppe herab, Hals über Kopf.

*

Sobald der Schütze zu Hanlons Füßen landete, erkannte dieser, dass der Schädel des Mannes gespalten war, und eine trockene, bittere Stimme ertönte.

„Heben Sie die Hände und kommen Sie hoch, wo ich Sie besser sehen kann! Ich möchte nicht schießen, aber ich werd’s tun.“

Matt Hanlon hatte das Gefühl, als würde er die letzten Stufen der Treppe in einem unwirklichen Traum hinaufsteigen. Im Licht von oben tauchte ein gräuliches, knochiges Gesicht auf. Der Mann, der dort stand, hatte eine Automatikpistole auf Hanlon gerichtet.

In diesem Moment wurde alles zur Tatsache, was bei Jared Wrights seltsamer Forderung an Matt Hanlon unmöglich erschienen war. Hanlon hatte Harvey Lansing, der des Mordes an Thaddeus Jones beschuldigt war, niemals gesehen. Aber ihm waren zahllose Fotos in der Zeitung gezeigt worden. Und der große Mann, der dort stand und die Waffe stetig auf ihn gerichtet hielt, war Harvey Lansing. Sein Haar war eine dichte, weiße, kurz gestutzte Mähne.

„Sie sind Matthew Hanlon?“

Der Sträfling sprach ruhig, obwohl auf dem Lauf seiner Waffe, den er nach wie vor mit ruhiger Hand auf Hanlon richtete, der helle frische Blutfleck glänzte.

„Ja, ich bin Hanlon“, sagte Matt. „Ich habe nicht ... nun gut, ich habe auf Sie gewartet, aber ich habe nicht geglaubt ... Sagen Sie, Lansing, ich schätze, ich weiß noch nicht, was ich glauben soll, außer dass ich Ihnen anscheinend mein Leben schulde und ...“

„Das war Glück, Hanlon“, unterbrach ihn Lansing. „Ich bin froh, rechtzeitig auf der Szene erschienen zu sein, aber es tut mir auch leid. Ich fürchte, ich habe diesen Burschen umgelegt. Ich musste rasch und schnell zuschlagen.“

„Ja ... ja.“ Hanlon nickte. „Schon gut. Es ist alles verrückt, aber irgendwie sind Sie hier, und Jared Wright hatte gesagt, dass ich Ihnen helfen soll. Aber vor nur wenigen Augenblicken wurde der alte Barnaby, der Wachmann, im Aufzugschacht getötet, und dieser Bursche, den Sie niedergestreckt haben, hat auf mich geschossen. Ich muss mir überlegen, ob ich Ihnen weiterhin helfen soll, oder ...“

„Mund halten, Hanlon!“ Die Stimme des Sträflings war auf einmal kalt wie Stahl. „Wenn das eine Frage ist, vergessen Sie’s! Wir gehen dort raus, wo ich reingekommen bin, über die Feuerleiter. Sie gehen voraus.“

„Aber, Lansing, warten Sie!“, protestierte Hanlon. „Wir müssen uns um Barnaby kümmern, und um diesen anderen Toten. Ich kann nicht einfach so rausgehen oder mich entscheiden.“

Lansings Waffe stieß Hanlon in die Rippen.

„Sie können den Toten nicht helfen, Hanlon“, sagte er gleichmütig. „Inzwischen suchen sämtliche Gesetzes­hüter im Staat nach mir. Ich habe keine Chance, wenn ich zurückgebracht werde. Lassen Sie nicht zu, dass es mir leidtut, Ihnen das Leben gerettet zu haben.“

Hanlon ging in das abgedunkelte Büro voraus, wo Thaddeus Jones vor fünf Jahren ermordet worden war.

„Anscheinend bleibt mir keine Wahl, Lansing“, sagte er. „Sie sagen, wir gehen raus, aber wohin? Ich hatte ehrlich nicht daran geglaubt, dass Sie fliehen könnten. Ich habe keine Pläne gemacht.“

„Ich mache die Pläne, Hanlon“, sagte der Flüchtling selbstsicher. „Tatsächlich habe ich meinen Plan entworfen, bevor meine Flucht arrangiert worden war. Sie sollen mich direkt zum Haus von Tony Quinn fahren. Danach sehen wir weiter.“

„Tony Quinn!“ Hanlon war augenblicklich auf der Hut. „Aber Lansing, Sie wollen doch nicht alles noch schlimmer machen! Ich weiß, er war der Staatsanwalt, der Sie in den Knast geschickt hat, aber Jared Wright hatte ein paar andere Ideen ...“

„Jared Wrights Ideen sind jetzt meine“, unterbrach ihn Lansing. „Sie werden mir dabei helfen, sie umzusetzen, Hanlon. Bei Ihnen in Ihrem Wagen werde ich in Sicherheit sein, wenn wir zu Tony Quinns Haus in Riverside fahren.“

*

Hanlon war niemals mehr durcheinander gewesen. Er konnte sich keinerlei Grund vorstellen, weswegen ein geflohener Sträfling den Mann treffen wollte, der ihn fünf Jahre zuvor ins Gefängnis geschickt hatte. Es sah so aus, als ob er, Hanlon, dabei war, gezwungenermaßen an einem noch größeren Verbrechen teilzuhaben, als er befürchtet hatte.

„Aber Lansing“, versuchte er es erneut. „Tony Quinn ist inzwischen blind und hilflos. Abgesehen davon ist er wahrscheinlich gut geschützt. Sie wollen sich doch nicht an einem Blinden rächen?“

„Hanlon, wenn ein Mann fünf Jahre im Gefängnis gesessen oder seine Sehfähigkeit verloren hat, dann lernt er wirklich zu sehen“, erwiderte Lansing. „Ihnen bleibt keine Wahl. Wir werden zu Tony Quinn fahren.“

Kapitel 2 – Der Tod beendet eine Suchfahrt

Mehr als einhundert Kilometer voneinander getrennt waren zwei merkwürdige Ereignisse in dieser regnerischen nächtlichen Dunkelheit dennoch eng miteinander verbunden.

In dem einen Ereignis fuhr Matt Hanlon, das glatt rasierte, hagere junge Gesicht völlig verängstigt, sein Coupé vorsichtig über den Manhattan Riverside Drive. Sein Ziel war das ziemlich altmodische, jedoch ausgedehnte Haus von Tony Quinn, ehemaliger Distrikt-­Staatsanwalt.

Lange bevor er durch die teuflische Hand eines Gangsters geblendet worden war, war Quinn zu einem Einsiedler geworden, einer rätselhaften Gestalt. Sein ständiger Begleiter war ein gewisser Silk Kirby. Was jedoch nur wenige außer Quinn wussten, war, dass dieser einmal ein Dieb und Trickbetrüger gewesen war.

Es bestand, aus gutem Grund, der starke Verdacht, dass der blinde Tony Quinn ebenfalls der gefürchtetste Menschenjäger und Verbrecherfeind war, der als die Schwarze Fledermaus bekannt war. Aber eindeutige Beweise dafür fehlten.

Matt Hanlon hatte sich bei diesem Besuch Quinns alle Möglichkeiten überlegt, wie er die Rache verhindern könnte, die der Mann an seiner Seite an Tony Quinn nehmen würde. Harvey Lansing war dem Gefängnis für lebenslänglich Verurteilte entkommen. Aber Matt ­Hanlons Chancen, etwas dagegen zu unternehmen, erschienen dürftig. Der gräuliche, knochige Harvey Lansing hielt weiterhin eine Automatik in seine Seite gedrückt, während das Coupé im Regen nach Norden fuhr.

Fast gleichzeitig fand das andere Ereignis statt, und zwar in der Nähe der östlichsten Spitze von Long Island. Scheinbar konnte es unmöglich eine Verbindung zu ­Harvey Lansings zweifelhaftem Besuch bei Tony Quinn oder den seltsamen Forderungen haben, die der verstorbene Jared Wright gestellt hatte, dem Leiter der Chemiefirma Wright-Jones – aber es gab sie.

Dank des Nieselregens schienen die Lichter im Himmel, die den Ort Greenport markierten, der vom Austern- und Fischfang lebte, nur sehr schwach. Ein paar Kilometer entfernt, unweit der berühmten felsigen östlichen Landspitze von Shelter Island, flammte ein heller Schein auf und erlosch wieder.

Dieser Schein kam vom Deck eines Austernfischerboots. Aber im Lichtschein zeigte sich, dass eine Taucherausrüstung, komplett mit Lastkran und Pumpen, bereitstand. Vier Männer fläzten sich an Deck und sahen einem Mann zu, der gerade aus dem Wasser gekommen war und sich den Taucherhelm abnehmen ließ.

Ein glatt rasierter, rundlicher Mann mit roten Wangen und einer Brille, deren Gläser im Regen glitzerten, hatte anscheinend das Kommando. Er wedelte unermüdlich mit den kurzen Armen.

„Nun? Nun?“ Aus seiner Stimme klang Ungeduld. „Bist du drauf gestoßen?“

„Kann ich noch nicht genau sagen, Mr. Spencer“, knurrte der Taucher. „Ich bin auf einen ausgebrannten Schiffsrumpf gestoßen, aber da war ein tiefes Loch drin. Hat einige Zeit gekostet, mich da reinzubuddeln und zum Motor zu kommen. Beim nächsten Mal, wenn ich runtergehe, versuche ich, eine Tür zu öffnen.“

Die meisten Menschen im Drogengroßhandel von New York hätten in Thomas Spencer, dem rundlichen Mann, einen der wohlhabendsten Drogenhändler erkannt. Dass er rätselhafterweise in einer dunklen Nacht hier draußen im Regen ein Tauchunternehmen befehligte, war bemerkenswert.

Was die drei anderen Männer auf dem flachen Deck des Austernfischerboots betraf, so waren sie anscheinend Leibwächter, Überbleibsel der einstmals blühenden Organisierten Kriminalität vor dem Krieg. Wie um diese Überlegung zu unterstreichen, hielten zwei der Männer eine schlanke Maschinenpistole vom neuesten Typ in der Hand.

Der Helm des Tauchers wurde wieder festgeschraubt, und er ließ sich erneut langsam ins Wasser sinken. Einer der Männer, der ihm zusah, sorgte für die notwendige Beleuchtung, und er schaltete sie ab, sobald der Taucher bereit zum Abstieg war.

*

Die Vorsicht mit dem an- und ausgehenden Licht erwies sich jedoch als verschwendet. Der Steuermann eines nahezu lautlosen Speedboats war schlau. Sein schnelles Fahrzeug hielt direkt und ohne jegliche Beleuchtung auf das vor Anker liegende Austernfischerboot zu.

Plötzlich flammte ein leuchtender, breiter Strahl auf. Sein Schein badete die gesamte seltsame Tauchszene in Licht, während der Taucher gerade halb über der Reling des größeren Schiffs hing.

Zusammen mit dem Lichtstrahl ertönte sogleich ein Geklapper, wie von einer Nietpistole, die auf Stahl einhämmerte. Keine Leuchtspurmunition war nötig, um den Effekt des bellenden vollautomatischen Gewehrs auf dem Speedboat zu zeigen.

Der Taucher warf die dick ummantelten Arme in die Höhe, fiel über die Reling und blieb dort hängen. Einer der Leibwächter mit Maschinenpistole wollte diese benutzen, lag jedoch sogleich auf dem Boden, die unbenutzte Waffe unter sich begraben.

Der stämmige Thurman Spencer, der wohlbekannte Drogenhändler, hüpfte auf und nieder, wie ein Kind, das sich über ein Spielzeug freute.

„Da, holt sie euch! Verdammt! Haltet sie auf!“

Spencer schien die Gefahr nicht zu erkennen und unternahm keinerlei Bemühung, dem hereinströmenden Tod aus dem Weg zu gehen.

Einem zweiten Mann mit einer Maschinenpistole gelang es, ein paar Feuerstöße auf das heranjagende Boot und dessen Scheinwerfer abzugeben. Anscheinend verfehlte er sein Ziel. Er stürzte ebenfalls auf seine Automatik und lag ziemlich still da.

Der dritte Mann dachte daran, wie gnadenlos Spencer war. Es kostete ihn das Leben, rettete jedoch den Drogenhändler. Er schrie auf, sprang zu Spencer hinüber, warf ihn um und stieß ihn in das offene Ruderhaus auf dem Deck des Austernfischerboots.

„Die wollen Sie umpusten, Boss!“, waren die Worte des Verbrechers.

Es waren seine letzten Worte, denn er fing Kugeln ein, die wahrscheinlich Thurman Spencer das Leben gekostet hätten. Er hustete zweimal und gesellte sich zu seinen beiden Gefährten im Tod.

Das schießende Speedboat umkreiste das vor Anker liegende Austernfischerboot. Eine scharfe Stimme tönte durch den Regen.

„Wir haben sie erledigt. Wir gehen an Bord!“

„Keine Zeit dafür.“ Die Antwort hatte etwas Befehlshaberisches an sich. „Die Schüsse werden die Polizei von Greenport dazu veranlasst haben, ein Boot rauszuschicken. Schwingt euch da rauf und trennt ihre Ankerkette durch, sodass das Ding mit der Ebbe wegtreibt.“

„Aber sie werden es an den Haken nehmen!“, gab der erste Sprecher zu bedenken.

„Dann werden sie sich den Kopf darüber zerbrechen müssen“, sagte die befehlshaberische Stimme. „Und wenn sie Thurman Spencer finden sollten, wird es den anderen zu denken geben. Aber bewegt dieses Austernfischerboot von der Stelle.“

Etwa fünf Minuten später war das alte Austernfischerboot mit seiner Fracht aus Leichen frei und verlor sich in der schwarzen, regnerischen Dunkelheit. Der Taucher hing immer noch über der Reling, und der nach wie vor lebende, jedoch verblüffte Thurman Spencer lag im Ruderhaus des Boots. Es trieb auf Montauk Point zu, auf der anderen Seite des Zuflusses, der offen zur Weite des Atlantiks war.

Schiffe kamen von Greenport herüber, während das schnelle Speedboat mit seinem schallgedämpften Motor Richtung Sag Harbor verschwand, der alten Walfängerstadt auf dem Festland.

Ohne Beleuchtung, anhand derer es auszumachen gewesen wäre, trieb das alte Austernfischerboot mit der Ebbe hinaus auf den offenen Atlantik. Der rundliche Spencer kletterte aus dem Ruderhaus und tastete sich weiter.

*

Anscheinend waren seine Nerven völlig in Ordnung. Beim Umhertasten fand er nur Tod. Seine einzige Reaktion war unterdrücktes Fluchen und heftiges Schimpfen. Eine Beule am Kopf war seine einzige Verletzung.

Spencer sah die Lichter von Schiffen, die auf der Suche nach dem Schauplatz der Schießerei näher kamen. Deswegen schaltete er keine Lichter ein und gab sich nicht die Mühe, den Motor des Austernfischerboots zu starten. Stattdessen machte er ein kleines Ruderboot bereit und schob es ins Wasser.

„Ich werde von Glück sagen können, wenn ich nicht auf dem Meer verloren gehe“, dachte Spencer grimmig, als er zu rudern anfing und das Boot gegen das hinausströmende Wasser hielt. „Wenn ich bloß wüsste, wer von den anderen die Karte dort fallen gelassen hat, wo ich sie gefunden habe, dann mir wieder aus der Tasche gestohlen hat, als ich sie mir lediglich eingeprägt hatte. Wenn ich nur wüsste, wer das in diesem mörderischen Boot war – und zweifellos wüsste, wer Thaddeus Jones ermordet hat.“

Er nahm Ziel auf das nächstgelegene Land. Und seine nächsten gemurmelten Worte bewiesen, dass Spencer kein allzu patriotisch veranlagter Amerikaner war.

„Selbst wenn ich aufs Meer hinausgetragen“, murmelte er, „und von einem Nazi-U-Boot aufgefischt werde, könnte das angesichts dessen, was ich anzubieten habe, nicht allzu schlimm sein. Wir müssen sowieso früher oder später mit den Nazis ins Geschäft kommen ... wenn ich bloß wüsste, wer Jones umgebracht hat ...“

Er entkam nur knapp dem Scheinwerfer eines Suchfahrzeugs, und für einen Augenblick lang waren seine Gedanken völlig mit dem Entkommen beschäftigt.

„Diese Sache mit Harvey Lansings Ausbruch rückt uns ganz schön auf die Pelle“, fuhr er dann mit seinen Überlegungen fort. „Vielleicht hat Lansing ein paar Informationen hinsichtlich des Zeugs, das dort draußen versunken ist. Ich muss einen weiteren Versuch unternehmen, dieses Wrack zu erreichen.“

Spencer war so glücklich, ein Licht an der Küste zu sehen. Er hielt darauf zu. Ein wenig später erreichte er einen Highway und erwischte einen Nachtbus, der zumindest in Richtung New York City fuhr.

Der einzige Eindruck, den die Tragödie anscheinend auf ihn gemacht hatte, bestand in einem grimmigen, verwunderten Lächeln, was wohl die Polizei denken würde, wenn sie schließlich die Bootsladung voller Leichen auffischte.

Es war ein hereinkommendes Fischerboot, das den treibenden Austernfischer an den Haken nahm. Vielleicht eine Stunde später nahm die Polizei von Greenport Kontakt zu New York City und anderen auf, um die drei toten Männer und einen bewusstlosen Taucher zu identifizieren, der schwer verletzt war.

Der seltsame Schusswechsel vor der Spitze von Shelter Island versprach, ein absolutes Mysterium zu bleiben, falls nicht der verletzte Taucher wiederbelebt werden konnte und reden würde.

Auf der Fahrt nach New York City in seinem eigenen Wagen, den er in Riverhead geparkt hatte, zeigte Thurman Spencer, der wohlhabende Drogenhändler, ein grimmiges Gesicht. Er holte eine kleine Diktafonaufnahme aus einer Innentasche, sah, dass sie von einem Tuch gut geschützt war, und schob sie wieder zurück.

„Wenn ich bloß wüsste, welcher der vier Männer in diesem Speedboat war, wüsste ich besser, welche Karten ich auszuspielen hätte“, war Spencers wiederholte Sorge. „Es ist sicher, dass derjenige, der diesen Angriff und die Morde vorbereitet hat, jetzt weiß, dass ich klug bin, und ich werde jetzt eine besondere Zielscheibe sein.“

Kurze Zeit später parkte Thurman Spencer seinen Wagen und betrat eine öffentliche Telefonzelle. Er suchte eine Adresse und eine Telefonnummer heraus. Der Name war der von Tony Quinn, ehemaliger Distrikt-­Staatsanwalt, jetzt der allgemeinen Ansicht zufolge blind, obwohl Fragen in dieser Richtung Thurman Spencer zu Ohren gekommen waren. Er wählte und wartete. Er hörte das wiederholte Läuten im Hörer im Haus von Tony Quinn.

*

Nach fünf Minuten jedoch hatte Spencer immer noch keine Antwort erhalten, und er gab ungeduldig auf.

„Ich hätte wirklich Glück, wenn Tony Quinn gerade im Augenblick nicht in der Stadt wäre“, knurrte er und hängte den Hörer ein. „Ich werde ihn später anrufen. Der klügste Zug wäre jetzt der, sich an Quinn zu hängen, wenn er bei der Aufklärung von Verbrechen auch nur halb so schlau ist, wie die Leute sagen.“

Tatsache in dieser Angelegenheit war, wenn Spencer es nur hätte erraten können, dass Tony Quinn wirklich absolut daran interessiert gewesen wäre, zu diesem Zeitpunkt mit Thurman Spencer in Verbindung zu treten. Aber im Haus von Quinn nahm niemand einen Telefonanruf entgegen, obwohl Quinn und mehrere andere Leute sich in der Bibliothek seines Hauses an der Riverside aufhielten.

Es nahm niemand den Hörer ab, weil das Leben eines hübschen Mädchens im Moment davon abhing, dass niemand im Raum auch nur den kleinen Finger rührte, und zwar auf Anweisung des Mannes, der dem Mädchen eine Automatik in den Rücken gedrückt hielt.