Die schwarze Fledermaus 26: Die Killer aus dem U-Boot - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 26: Die Killer aus dem U-Boot E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Vor der amerikanischen Atlantikküste taucht ein U-Boot aus den Fluten auf. Die Passagiere, fünf deutsche Spione, gehen an Land. Sie wurden beauftragt, Tod, Angst und Chaos in die USA zu bringen.Aus dem Amerikanischen von Harald GehlenDie Printausgabe umfasst 178 Buchseiten.

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 26

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

G. W. Jones

Die Killer aus dem U-Boot

Aus dem Amerikanischenvon Harald Gehlen

Das Abenteuer Die Killer aus dem U-Boot erschien im Mai 1943 unter dem Titel Captains of Death in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Die Schwarze Fledermaus

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-026-0Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Mörder aus Übersee

Für einen Betrachter hätte es von dem einsamen Strand aus in der Dunkelheit wie ein Riff ausgesehen. Aber Riffe bewegen sich nicht und dieses Objekt glitt, wenngleich langsam, durchs Wasser. Es wurde größer, bis es die Form und Proportionen eines U-Bootes angenommen hatte.

Die Luke des Kommandoturms öffnete sich und ein Mann mit einem Nachtsichtgerät streckte seinen Kopf heraus. Er untersuchte den Strand intensiv, dann kletterte er an Deck. Ein Offizier folgte ihm, anschließend fünf Männer in zivil.

Danach schlüpften ein paar Matrosen aus der Luke. Sie trugen ein unaufgeblasenes Gummiboot und einen Gastank. Man ließ Gas aus dem Tank strömen, das Boot nahm seine Form an und wurde vorsichtig zu Wasser gelassen.

Einer der Männer in zivil beobachtete aufmerksam die Ereignisse. Er salutierte, schüttelte Hände wie ein Roboter und ließ sich dann ins Gummiboot gleiten.

Die anderen vier wiederholten seine Gesten und das Boot legte ab. Das U-Boot blieb über Wasser, bis das Gummiboot das Ufer erreicht hatte. Dann leerte sich das Deck, die Luke des Kommandoturms wurde geschlossen und das U-Boot ging wieder auf Tauchfahrt. Am Strand standen die fünf Männer in einer Gruppe zusammen. Fritz Brehm hieß ihr Anführer. Er sprach mit leiser Stimme und in perfektem Englisch.

„So, wir sind angekommen. Dieser Teil des Strands wird nicht patrouilliert, wir sind also verhältnismäßig sicher. Denken Sie immer daran – wir sind Angehörige der neuen Ordnung. Lassen Sie sich von Nichts, was Sie in diesem rückständigen Land sehen oder hören, beeinflussen. Wir sind hier, um den Amerikanern den Krieg zu bringen, sodass sie es nie vergessen werden. Gibt es Fragen? Daimler, Sie haben das Wort.“

Gebhart Daimler war ein Mann mit breiten Schultern und einem runden Gesicht, der wie ein Hafenarbeiter aussah. Bei Tageslicht hätte man seine gelben Zähne sehen können, wenn er lächelte.

„Ich fühle mich der Herausforderung gewachsen, Herr Kapitän. Ich warte nur auf Ihre Anweisungen.“

Fritz Brehm nickte. „Was ist mit Ihnen, Gauss?“

Wolfram Gauss war klein und hinter seiner Brille schauten Kulleraugen hervor. Er zuckte mit den Schultern.

„Wir wurden handverlesen für diese Aufgabe und genau instruiert. Wir sprechen alle Englisch und haben bereits in den Vereinigten Staaten gelebt. Ich bin für alles bereit.“

„Und Sie, Schinkel?“

Brehm sah den vierten Mann an, ein schlankes, beinahe elegantes Individuum. Schinkel trug eine Melone auf dem Kopf, einen dunklen Mantel und schwarze Handschuhe. Seine dünne Oberlippe schmückte ein Schnauzbart, der ihn wie den aalglatten Bösewicht in einem Theaterstück wirken ließ. Er lachte leise.

„Ich frage mich, Herr Kapitän, wo unser Sprengstoff ist? Wie sollen wir ohne Dynamit für Chaos sorgen?“

Brehm führte die Männer zu einer kleinen Hütte. Er zog eine Waffe, näherte sich vorsichtig, stellte aber durch eine rasche Untersuchung fest, dass sie seit Monaten nicht betreten worden war. Er gab den anderen Zeichen, die Hütte zu betreten, und schloss anschließend die quietschende Tür.

„Schinkel hat eine wichtige Frage gestellt“, sagte er. „Ich bin froh, dass keiner von Ihnen zu viele Fragen auf der Fahrt hierher gestellt hat. Da ich das Kommando habe, wurden mir alle Anweisungen mitgeteilt. Nun werde ich sie Ihnen weitergeben. Ich ... Freytag, Sie halten sich die ganze Zeit zurück. Haben Sie Angst?“

„Nein. Nein, Herr Kapitän.“

Karl Freytag war der Jüngste der Gruppe und sprach selbstbewusst. Er wollte nicht zeigen, dass er daran dachte, was mit den anderen passiert war, die bei zwei vorherigen Einsätzen an Land gegangen und auf dem Elektrischen Stuhl gelandet waren.

Freytag war siebenundzwanzig Jahre alt, mit harten Muskeln und einer schlanken, athletischen Figur, sein Gesicht von tiefen Falten durchzogen, in denen Hass auf alles lag, was nicht mit der neuen Ordnung konform ging. Er hatte verlernt, was Freude bedeutete, aber nicht, was Angst war. Die konnte ihm auch die neue Ordnung nicht nehmen.

„Wir können es uns nicht leisten, darüber nachzudenken, was passiert, wenn wir erwischt werden“, sagte Brehm. „Wir haben die nötigen Papiere mit verschiedenen amerikanischen Namen – Führerscheine, Einberufungsbescheide, Gewerkschaftsmitgliedsausweise. Wir sollten in der Lage sein, jede Kontrolle zu bestehen – wenn wir unsere Köpfe benutzen. Wir müssen vergessen, was denen passiert ist, die es vor uns probiert haben. Der Elektrische Stuhl ist eine barbarische Art, einen Menschen zu töten. Diese Amerikaner erledigen ihre Angelegenheiten nicht auf die gleiche ordentliche Art wie die Deutschen – die Klinge einer Axt, das Knallen von Gewehren. Nein, sie sind Barbaren, das dürfen wir nicht vergessen.“

Karl Freytag musste sich bemühen, ein Zittern zu unterdrücken. Er war erst sechzehn gewesen, als er zuletzt in den USA war, aber bereits damals wurde er von Albträumen geplagt, nachdem er von den Hinrichtungen in Sing Sing gelesen hatte. Aber er ließ sich nichts anmerken, sondern sagte nur: „Ich bin bereit, für unser Vaterland und unseren Führer zu sterben, Herr Kapitän.“

„Das sind wir alle“, sagte Brehm knapp. „Nun zu den Anweisungen. Behalten Sie sie im Gedächtnis. Mit Sprengstoff und weiteren Utensilien, die wir benötigen, wird uns Dr. Mars ausstatten. Das ist zumindest der Name, unter dem er hier bekannt ist. Er steht an der Spitze aller unserer geheimen Kräfte hier in Amerika. Noch nicht einmal ich kenne ihn und keiner von Ihnen wird ihn jemals kennenlernen.“

„Aber, Herr Kapitän“, protestierte Daimler, „wie können wir mit ihm zusammenarbeiten, wenn es uns nicht gestattet ist, ihn zu treffen?“

„Durch seine Untergebenen und durch mich, Dummkopf“, blaffte Brehm ihn an. „Wir brechen umgehend auf und trennen uns. Wir begeben uns auf direktem Wege nach Chicago und suchen die Adressen auf, die ich Ihnen geben werde. Treten Sie jedem mutig gegenüber und haben Sie keine Angst. Die Amerikaner haben keine Ahnung von unserem Vorhaben.

Sobald Sie die genannten Adressen erreicht haben, halten Sie sich dort für vierundzwanzig Stunden auf, dann wenden Sie sich an die Kontakte, die ich Ihnen nenne. Daimler, Sie werden den Anfang machen, Gauss, Sie sind der Zweite, Schinkel der Dritte und Sie, Freytag, der Vierte. In dieser Reihenfolge, mit jeweils einem Tag Abstand, nehmen Sie Kontakt auf, erhalten Instruktionen und führen sie aus.“

„Ist es uns erlaubt, irgendetwas darüber zu erfahren, was wir tun sollen, Herr Kapitän?“, fragte Schinkel.

„Eines kann ich Ihnen sagen“, antwortete Brehm. „Die Zerstörung von Objekten, die für die Kriegsführung dieser dummen Nation essenziell sind, gehört dazu – und soll so ausgeführt werden, dass so viele Männer und Frauen wie möglich dabei sterben. Den Amerikanern soll eine Lektion erteilt werden, die sie niemals vergessen. Nun teile ich Ihnen die letzten Befehle mit. Hören Sie genau zu.“

Fritz Brehm gab ihnen detaillierte Instruktionen und wies jeden der Männer an, seinen Teil des Programms drei Mal zu wiederholen. Als er zufrieden war, verließen sie die Hütte einer nach dem anderen und verschwanden hinaus in die Nacht.

Karl Freytag ging als Zweiter. Er eilte über den Strand, kam zu einer Straße und warf einen Blick auf eine Karte, die er in seiner Hosentasche mit sich trug. Er stellte seinen aktuellen Aufenthaltsort fest, und da er sich in der Region auskannte, warf er die Karte weg und machte sich rasch auf den Weg.

Nach einer Stunde kam er an eine Autobahn und die Endhaltestelle einer Buslinie. Er war gut mit amerikanischem Geld ausgestattet und erstand ein Busticket. Bevor die Fahrt begann, kaufte er sich eine Tageszeitung in einem kleinen Laden.

Er stieg in den Bus ein, machte es sich auf einem Platz bequem und verfluchte das schwache Licht im Innenraum, unwissend, dass die Beleuchtung kurzfristig gedimmt worden war. Er las über den Krieg und runzelte die Stirn. Nichts von dem, was in der Zeitung stand, wurde in Deutschland berichtet. Clevere Propaganda war es allemal und er war fast bereit, ihr teilweise Glauben zu schenken.

Amerikanische Bomber über Deutschland. Das kontinuierliche Zurückdrängen der Japsen in der Südsee. Der wachsende Ärger über die Achse in Südamerika. Lustige Geschichten über Mussolini. Für diesen Babyaffen hegte er eh keinen Respekt.

Als er weiterblätterte, erblickte er die Gesichter zweier Männer. Darunter stand folgende Bildunterschrift:

Mörder erhalten Höchststrafe!

Freytag hielt die Zeitung ganz dicht vor seine Nase, las jedes Wort des Artikels und anschließend den ganzen Text noch mal von vorne. Es ging um eine Hinrichtung am Vorabend. Zwei Mörder wurden auf den Elektrischen Stuhl geschickt und der Reporter ging ins Detail. Er berichtete von der Henkersmahlzeit der beiden, dem Zerschneiden des Hosenbeins, der Rasur, um den Schädel freizulegen, den Füßen in Pantoffeln, dem Gang zum Schafott, der grünen Tür, den Zeugen, dem schrecklichen Stuhl auf einer Gummimatte, den Elektroden und den mit Salzwasser getränkten Schwamm.

Karl Freytag fuhr mit der Zunge über seine Lippen, warf die Zeitung auf den Boden und versuchte, den Elektrischen Stuhl zu vergessen. Und doch konnte er sie beinahe vor sich sehen, die sechs Spione, die ihr Leben darin gelassen hatten. Zwei von ihnen hatte er gut gekannt. Sie hatten an der gleichen Schule wie er ihre Ausbildung gemacht.

Ein Blick nach draußen in die Dämmerung ließ ihn seine Angst vergessen. Er hob die Zeitung wieder auf. Sein Blick fiel auf ein anderes Bild. Es war das Foto eines Mannes, der zweifellos einst attraktiv gewesen war, aber etwas war mit seinem Gesicht passiert. Die Augen wirkten seltsam und lagen in tiefen Höhlen. Mit mäßigem Interesse las Freytag die Geschichte unter dem Foto.

Der blinde Anwalt Anthony Quinn, früherer Bezirksstaatsanwalt, wurde gestern zum Vizepräsidenten der Anwaltskammer gewählt. Mr. Quinn wohnt 1104 Avalon Street und hat seine Büros im Carmody-Gebäude. Bei seiner Nominierung erklärte der Präsident Arnold, dass der Kammer nie ein besserer oder ehrlicherer Anwalt als Quinn begegnet sei.

Freytag knetete seine Lippen und sein raffinierter, kleiner Verstand begann, heftig zu arbeiten. Durch seinen Kopf gingen Visionen vom Elektrischen Stuhl. Noch nie in seinem Leben hatte Karl Freytag vor irgendetwas eine solche Angst gehabt. Sollte er jemals zum Tode verurteilt werden, würde er komplett durchdrehen.

„Letztendlich“, murmelte er leise vor sich hin, „kann ich mich hier mit meinen gefälschten Papieren durchschlagen. Niemand muss erfahren, wer ich bin oder was mein Auftrag ist. Ich habe Geld und kann mir noch mehr beschaffen. Es war nicht meine Idee, hierher zu kommen. Ich wurde auserwählt, da ich in den Vereinigten Staaten gelebt hatte und die Sprache und Gebräuche kannte. Man hat mich gar nicht gefragt. Nein! Man hat mir den Befehl gegeben und mich auf die Reise geschickt. Befehle! Ich bin sie so leid. Ich bin den Krieg leid – und das ganze Leben.“

Er stieg am Stadtrand aus dem Bus, begab sich zu einer U-Bahn-Station und legte damit einige Dutzend Blocks zurück. Dann nahm er einen Bus quer durch die Stadt, stieg aus und ging zu Fuß weiter.

Karl Freytag hatte es nun eilig. In großer Hast, um sein Leben zum Preis vier anderer zu feilschen. Freytag war eine Ratte. Eine besonders gerissene Ratte, da seine Pläne Bequemlichkeit für ihn bedeuteten. Und Sicherheit – vor allem vor dem grausamen Elektrischen Stuhl.

Beinahe am Ende der Straße angekommen, entdeckte er bei genauem Hinsehen ein Holzschild, das an einem ordentlichen, weißen Zaun befestigt war. Darauf stand: Anthony Quinn

Karl Freytag gab sich einen Ruck und öffnete das Tor. Als er den Pfad zum Haus hinaufschritt, sah er, dass Quinns Anwesen groß war und von Wohlstand zeugte. Das war hervorragend.

Schwach drang Licht durch die Vorhänge, aber abgesehen davon gab es kein Lebenszeichen aus dem Haus.

Kapitel 2 – Abschiedsparty

Tony Quinns Anwesen war groß und zeugte von Wohlstand. Die Zimmer waren geräumig und gut ausgestattet. Sogar besser ausgestattet, als ein gewöhnlicher Besucher, der nicht alles sehen durfte, ahnen konnte. So leuchtete ein Signal im Haus auf, wenn das Tor geöffnet wurde. Wenn jemand die Treppenstufen hinaufstieg, vor oder hinter dem Haus, leuchtete ein zweites Signal auf. Die Klingel an der Vordertür war so verkabelt, dass die Ankunft eines Besuchers durch den Alarm eines Signaltongebers in der Küche angekündigt wurde – und durch Lichtsignale in Quinns geheimem Labor.

Nur vier Personen wussten von der Existenz des Labors und es gab zwei Zugänge. Der eine führte von einem Gartenhaus hinter dem Anwesen durch einen Tunnel unter dem Gebäude zum Laboratorium. Der andere Eingang war eine Geheimtür in der Wand von Quinns Arbeitszimmer.

In dieser Nacht war das Labor festlich geschmückt. Apparaturen, die normalerweise chemische Untersuchungen durchführten, waren zur Seite geräumt worden. Mikroskope, spektroskopische Kameras, Geräte, die ultra­violette Strahlen erzeugten – alles war abgedeckt und in Schränken verstaut worden.

Die größte Laborbank war von der Wand weggerückt worden und mit einer rot-weiß-blauen Tischdecke geschmückt. Auf diesem improvisierten Tisch standen Wein, Scotch, Soda, Zigarren und Zigaretten, dazu türmten sich diversen Speisen darauf.

Vier Personen saßen um den Tisch herum. Einer war Tony Quinn in einem Tweedanzug. Er war der Mann, dessen Bild Freytag in der Zeitung gesehen hatte. Tony Quinn, den alle für blind hielten. In diesem Moment wirkten seine Augen aber alles andere als blind. Sein Blick war klar und fröhlich.

Neben Quinn saß Carol Baldwin, hübsch, blond und mit einem Lächeln auf den Lippen. Silk Kirby, in seinem Butleranzug, hob sein Weinglas. Silk, Seide, war sein Spitzname, der nicht treffender hätte ausfallen können. Einst war Silk ein raffinierter Schwindler, der selbst einem nackten Mann noch Geld aus der Tasche ziehen konnte. Er war damals so aalglatt, wie sein Spitzname vermuten ließ.

„Auf Butch!“ Silk hob sein Glas in die Luft. Quinn und Carol standen auf. „Vielleicht nicht die hellste Kerze am Leuchter, aber so stark wie eine große Eiche. Auf Butch, der uns verlässt, um zu den amerikanischen Streitkräften zu stoßen. Auf Butch – und Gott helfe den deutschen Krauts, sobald er ihnen sein Talent im Zusammenschlagen von Köpfen präsentiert.“

Der riesige Butch, in dessen Pranken das Weinglas beinahe komplett verschwand, lief puterrot an. Er räusperte sich und sprach mit heiserer Stimme.

„Meine Damen und Herren, ich möchte euch gerne ... Ach, Quatsch, ich halt doch hier keine Rede, das ist mir zu förmlich. Ich möchte einfach Danke sagen. Ich hatte gar keine Abschiedsparty erwartet – oder Geschenke. Die sind echt klasse. Die Armbanduhr, die Silk mir geschenkt hat. Ich ... Hey, Silk, hast du sie jemandem abgenommen, der sich nicht darüber beschweren kann?“

„Ich habe sie einem Juwelier abgenommen und ihm dafür Papiergeld gegeben“, sagte Silk spitz.

„Okay!“ Butch grinste. „Und diese Geldbörse von Carol. Die ist wirklich toll. Und vom Boss – ich meine, von Mr. Quinn – genug Knete, dass ich die anderen Soldaten zu dem ein oder anderen Spielchen herausfordern kann. Junge, Junge, dabei werde ich zum Millionär! Ich danke euch vielmals und ich verspreche euch, dass jeder Kraut von mir eine Kopfnuss erhält und jedes Schlitz... Nun, da Carol dabei ist, rede ich nicht weiter. Ihr wisst, was ich meine. Danke.“

Butch setzte sich, leerte sein Glas und griff nach dem Essen. Es war faszinierend, ihm dabei zuzusehen, wie er es wegstopfte. Tony Quinn lachte.

„Vergiss nicht, morgen rechtzeitig für deine medizinische Untersuchung aufzuwachen, Butch. Die Ärzte werfen wahrscheinlich nur einen Blick auf dich, stecken dich in eine Rüstung und stellen dich zur Panzerdivision ab. Es tut uns leid, dass wir dich verlieren. Seit langer Zeit führen wir vier einen eher privaten Krieg gegen Gauner und Mörder. Wir haben sie ausgetrickst und besiegt. Nun gibt es einen anderen Krieg, der so groß ist, dass wir alle teilnehmen müssten. Aber ich kann nicht gehen.

Zum ersten Mal tut es mir leid, dass ich mich als Blinder ausgebe. Nur kann ich nicht preisgeben, dass es sich um einen Bluff handelt, weil mich mein guter Freund Captain McGrath von der Polizei dann sofort in eine Zelle sperrt, und in den Krieg kann man nicht ziehen, wenn man in einer Gefängniszelle steckt. Silk ist zu alt, um eingezogen zu werden. Carol erwähnte, dass sie sich dem Frauenkorps anschließen wolle, aber ich hoffe, ich konnte sie überzeugen, dass ich sie hier viel dringender brauche.“

„Ich bin ziemlich überzeugt, Liebling.“ Carol legte eine Hand auf Quinns Arm. „Es gibt so viele Dinge, die wir von hier aus tun können. Dinge, zu denen nicht einmal die Polizei oder sogar das FBI in der Lage sind. Die Schwarze Fledermaus und seine kleine Gruppe werden an der Heimatfront kämpfen.“

Plötzlich sprang Silk auf und ging zur Geheimtür.

„Das vordere Tor wurde gerade geöffnet“, sagte er. „Seht – die violette Lampe leuchtet. Jemand befindet sich vor dem Haus und nun betätigt er die Türklingel. Ich werde sehen, wer es ist.“

Quinn stand ebenfalls rasch auf und ergriff einen Blindenstock, der in einer Ecke lehnte. Er lächelte Carol an, winkte Butch zu und dann passierte etwas Merkwürdiges. Sein klarer, aufgeweckter Blick wurde auf einmal glasig und stumpf. Er stierte starr geradeaus, mit bewegungslosem Blick, wie der eines vollkommen blinden Mannes. Mit seinem Stock ertastete er sich seinen Weg zur Geheimtür. Sie schloss sich hinter ihm.

„Verdammt noch mal“, sagte Butch. „Ich wette, es ist Captain McGrath. Der Kerl fährt uns regelmäßig in die Parade. Ich schulde ihm noch eine Ohrfeige, bevor ich meine Uniform anlege, Carol.“

Carol lächelte. „Tu das nicht, Butch. Nicht, wenn du Hitler und Tojo bekämpfen willst. McGrath würde dich wegsperren und dein Motiv für den Angriff ermitteln. Und wenn er es jemals rausfindet, landen Silk, Tony und ich ebenfalls im Knast. Und nun iss weiter.“

*

Tony Quinn schritt zu einem Sessel in seinem Arbeitszimmer. Der Sessel war auf den Kamin ausgerichtet, in dem noch ein wenig Glut übrig geblieben war. Er nahm den Stock zwischen seine Beine, ergriff seine Pfeife und füllte sie mit Tabak. Er zündete sie gerade an, als Silk den Raum betrat.

„Ein Besucher, der seinen Namen nicht nennen wollte, Sir. Sagt, er müsse Sie sofort und unter vier Augen sprechen.“ Silk senkte die Stimme. „Ein komischer Kauz, wenn Sie mich fragen.“

„Führe ihn herein“, sagte Quinn. „Schließlich bin ich ein Anwalt und Menschen brauchen Anwälte, wenn sie in Schwierigkeiten stecken.“

Silk verließ das Zimmer, kehrte mit Karl Freytag zurück und stellte einen Sessel für den Besucher in Quinns Nähe hin. Freytag sah Quinn gleichzeitig spöttisch und herausfordernd an und machte Gesten, dass der Diener den Raum verlassen solle. Als Silk ruhig aus dem Zimmer ging, verspürte er das unerklärliche Bedürfnis, dem Mann ins Gesicht zu schlagen, so stark, wie er es noch nie zuvor bei einer anderen Person gespürt hatte.

„Ich bin Tony Quinn“, sagte der offensichtlich blinde Mann zu Freytag. „Sie wollten mich sprechen?“

Freytag wedelte mit seiner Hand einen Zentimeter vor Quinns Augen. Er gab nicht die geringste Reaktion von seinem Gegenüber. Freytag lehnte sich zufrieden in seinem Sessel zurück.

„Sie wollten testen, ob ich wirklich blind bin oder nicht, habe ich recht?“ Quinn lächelte verschmitzt. „Ich habe den Lufthauch von Ihrer Hand gespürt. Glauben Sie mir, ich bin wirklich blind. Nun, was führt Sie zu mir?“

„Sie sind schlau“, sagte Freytag. „Aber Sie sind ein blinder Mann, und ein Mann, der nicht sehen kann, ist hilflos, stimmt’s? Also erzähle ich es Ihnen. Mein Name ist Karl Freytag. Ich befinde mich erst seit vier Stunden in Ihrem Land, nachdem ich einem deutschen U-Boot entstiegen bin. Was halten Sie davon?“

Quinns Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. „Ich denke, Sie brauchen eher einen Psychiater als einen Anwalt, Mr. Freytag. Nehmen wir einmal an, was Sie behaupten, sei die Wahrheit. Warum erzählen Sie mir das? Warum kommen Sie zu mir?“

„Sie glauben mir also nicht“, knurrte Freytag. „Natürlich klingt es seltsam, aber ich kann es beweisen. Legen Sie Ihre Hand an diese Waffe. Es ist das neueste Modell von Luger. Da – erkennen Sie die Form der Waffe? Nun – dies hier ist ein Eisernes Kreuz. Ich habe es erhalten, als ich bei der Panzerdivision war, bei der Invasion Polens. Ich habe Soldaten getötet, die sich in einem Haus versteckten. Mehrere Frauen und Kinder sind auch gestorben, aber das war nicht meine Schuld und, ganz davon abgesehen, ein paar weniger von der Sorte machen die Welt zu einem besseren Ort.“

Quinn fuhr in seinem Sessel herum. „Freytag“, sagte er frei heraus, „wenn ich nicht blind wäre, würde ich Sie mit Vergnügen zu Brei schlagen. Verlassen Sie mein Haus!“

„Nein, warten Sie.“ Freytag lachte rau. „Hören Sie mich zuerst an. Ich bin nicht alleine gekommen. Vier weitere sind hier – irgendwo in Chicago. Wir alle sind Absolventen der Rückwanderer-Schule, in der die Nazis Saboteure ausbilden. Wir wurden geschickt, um die acht Männer zu ersetzen, die kürzlich gefangen wurden.“

„Dann bereiten Sie sich auf einen Schock vor“, blaffte Quinn. „Erzeugt von dem gleichen Elektrischen Stuhl, der sechs Ihrer Landsleute den Garaus gemacht hat.“

Quinns Blick wirkte leer und tot, aber er sah, welchen starken Effekt die Worte bei seinem Gegenüber hinterließen. Freytag lief grün an und begann zu zittern. Er leckte seine Lippen und fluchte wild auf Deutsch.

„Nein! So will ich nicht enden. Deswegen bin ich zu Ihnen gekommen, um mich vor dem Elektrischen Stuhl zu retten. Ich habe Angst davor. Nicht vor dem Tod, darauf wurden wir trainiert. Aber vor dem furchtbaren Stuhl! Nein, nicht ich. Ich werde dabei helfen, die Männer zu finden, die mit mir gekommen sind. Sie müssen mich unterstützen.“

„Einen Moment mal“, sagte Quinn. „Sie sprechen ein akzentfreies Englisch. Ist das so eine Art Scherz?“

Freytag verzog die Lippen zu einer Grimasse. „Das werden Sie nicht mehr denken, wenn diese Männer ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden Flugzeugfabriken, Schiffe, Brücken, Kaufhäuser in die Luft jagen. Wir haben so was Monate lang trainiert. Ihre Polizei und Ihr FBI können sie nicht aufhalten – außer, Sie hören auf mich und helfen mir.“