Die Schwarze Fledermaus 33: Samariter des Todes - G.W. Jones - E-Book

Die Schwarze Fledermaus 33: Samariter des Todes E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Ein Richter kündigt Enthüllungen auf einer Pressekonferenz an. Dabei treffen ihn tödliche Schüsse. Tony Quinn ist Zeuge des Attentats. In der Maske der Schwarzen Fledermaus versucht er, den Mord aufzuklären.

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 33

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

G. W. Jones

Samariter des Todes

Aus dem Amerikanischenvon Heinz Zwack

Das Abenteuer Samariter des Todes erschien im Sommer 1944 unter dem Titel Death For Charity in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Carol Baldwin

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-033-8Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1

Der nüchtern wirkende Gerichtssaal war mit Blumen geschmückt worden, was den kahlen Raum noch amtlicher wirken ließ.

Die Blumen galten Richter Jasper Bailey. Bailey war ein allgemein beliebter Mann, einer jener Männer, die unter allen Umständen und in jeder Situation ihre Ruhe und ihr ausgeglichenes Wesen bewahren. Als Anwalt hatte er sich oft mit Fällen befasst, die ihm keinen Cent Gewinn einbrachten. Jetzt hatte man ihn zum Richter ernannt.

Ein Großteil der Zuhörer in dem bis zum Rande gefüllten Gerichtssaal befand sich hier, um ihm Glück zu wünschen. Nur ein Mann, der zwischen zwei Polizeibeamten saß, teilte die allgemeine Hochstimmung nicht. Das war Flashy Hanks, der unter Mordanklage hier saß und um sein Leben kämpfte. Sein Fall war der erste, den der neue Richter führen sollte.

Einer der prominenten Anwälte, die innerhalb der Umfriedung vor dem Richterstuhl saßen, lächelte warm, aber seine Augen blieben dabei starr und glasig ‒ die Augen eines Blinden. Sie waren von tiefen Narben umgeben.

Tony Quinn sah trotz der Narben und trotz der glasigen Augen gut aus. Er hatte ein schmales, aristokratisch wirkendes Gesicht mit kräftig ausgebildetem Kinn, und sein schwarzes Haar lag in weichen Wellen dicht am Schädel an.

Hinter ihm saß ein breitschultriger Mann mit etwas groben Zügen und einem dichten Schnurrbart. Die Plakette, die er am Rockaufschlag trug, kennzeichnete ihn als Detektivinspektor. Erst kürzlich war eine Anweisung ergangen, wonach Beamte wie McGrath vor Gericht verpflichtet waren, ihre Plaketten offen sichtbar zu tragen.

„Was führt Sie her, Mister Quinn?“, fragte McGrath gerade. „Ich wusste gar nicht, dass Sie sich für die Verhandlung gegen Flashy Hanks interessieren.“

„Das tue ich auch nicht“, erwiderte Quinn lächelnd. „Jedes Mal, wenn ich hier auftauche, meinen Sie, ich wüsste aus einem bestimmten Grund etwas ganz Besonderes über den jeweiligen Fall. Inspektor, wann werden Sie endlich einmal glauben, dass ich nicht die Schwarze Fledermaus bin?“

„Im Vertrauen gesprochen“, McGrath sprach im Flüsterton, „nie! Trotzdem freut es mich, dass Sie mit dem Fall nichts zu tun haben. Aber diesmal geht es Flashy an den Kragen. Wir haben einen Augenzeugen für den Mord, den der Bursche begangen hat.“

Quinn zuckte mit keinem Muskel, obwohl er Flashy Hanks deutlich sehen konnte ‒ Tony Quinn war nämlich nicht blind und in der Tat ‒ wie Inspektor McGrath argwöhnte ‒ die Schwarze Fledermaus.

Flashy war hager, hatte strähniges Haar, und seine Lippen waren dauernd zu einem verächtlichen Lächeln verzogen. Es war nicht das erste Mal, dass er unter Mord­anklage stand; aber bisher waren jedes Mal den wichtigen Zeugen unangenehme Dinge zugestoßen ‒ zum Beispiel durch eine Kugel oder ein Messer oder vielleicht auch durch Gift.

„Ist es ein Geheimnis?“, forschte Inspektor McGrath. „Ich meine, dass Sie hier sind?“

„Ganz und gar nicht“, erwiderte Tony Quinn. „Ich warte hier auf die nächste Verhandlung, und da dachte ich mir, ich könnte mir inzwischen diesen Termin hier auch anhören.“

McGrath nickte. „Sagen Sie, Sie sind doch trotz Ihrer Erblindung noch immer Staatsanwalt?“

Quinn nickte. „Ja. Staatsanwalt für besondere Aufgaben. Aber das wissen Sie doch.“

McGrath zuckte die Achseln und grinste.

Ein Gerichtsdiener kam aus einer Seitentür und schlug mit einem Hammer auf den Richtertisch.

„Ich bitte um Ruhe im Zuhörerraum. Die Verhandlung beginnt.“

Jedermann erhob sich, und der frischgebackene Richter schritt auf den Richterstuhl zu. Er sah gut aus, und sein gepflegtes weißes Haar verlieh ihm das Aussehen besonderer Würde. Er lächelte und nickte seinen Bekannten im Publikum freundlich zu ‒ und er schien viele zu kennen.

Richter Bailey machte eine leichte Verbeugung.

„Bitte, setzen Sie sich“, begann er. „Ich möchte Ihnen zunächst sagen, wie dankbar ich allen meinen Freunden bin. Es ist keine Kleinigkeit, zum Richter an einem so großen Gericht berufen zu werden ‒ aber ebenso schön ist es für mich, so viele Freunde zu haben. Ich sehe auch Anwälte unter Ihnen. Ich hoffe, dass wir gut ­zusammenarbeiten werden. Und dann sehe ich noch eine Menge Reporter. Bitte, bleiben Sie noch einen Augenblick. Für Sie wird es gleich etwas zu berichten geben.“

Alle Blicke ruhten auf Richter Bailey. Nur wenige Leute bemerkten, wie die schweren Pendeltüren des Gerichtssaales sich öffneten und ein etwa fünfzigjähriger Mann eintrat.

Sein schmales Gesicht war kalkweiß, und er hielt einen abgetragenen Hut in der Hand. Er sah sich schnell um und blickte dann unverwandt auf den Richter. Mit zuerst zögernden, dann langsam entschlossener wirkenden Schritten trat er auf die Tür zu, die die Galerie vom eigentlichen Gerichtssaal absperrte. Er hatte die Tür schon zur Hälfte offen, als ein Gerichtsdiener ihn erblickte.

Richter Bailey fuhr inzwischen ernst und würdevoll fort: „Es macht mir deshalb wenig Freude, dass ich gezwungen bin …“

Richter Bailey hielt inne, denn er hatte den Fremden erblickt. Kein Muskel im Gesicht des Richters verriet, dass er den Mann kannte, umso mehr aber arbeitete es in den Zügen des Fremden. Lange, ehe zwei Gerichtsdiener ihn erreicht hatten, warf er den Hut weg. Und nun wurde die schwere Automatik sichtbar, die er in der Hand hielt.

Er hob die Waffe, zielte und drückte ab. Sieben Schüsse knallten nacheinander. Fünf davon trafen Richter Bailey in den Kopf.

*

Inspektor McGrath war mit einem Tigersatz aufgesprungen, während die beiden Gerichtsdiener noch auf den Fremden zurannten. Beide hatten Gummiknüppel, und beide verstanden damit umzugehen. Der Mörder sackte zu Boden.

Dann wurde es ganz still im Saal. Das Schweigen dauerte vielleicht eine halbe Minute, bis den völlig überraschten Menschen klar wurde, was soeben vor ihren Augen geschehen war. Danach schien der ganze Gerichtssaal förmlich zu explodieren, Polizeibeamte suchten sich zu dem Mörder vorzudrängen, Reporter rannten zu den Ausgängen, um eine Telefonzelle zu erreichen; Anwälte hasteten herum.

Nur ein Mann blieb an seinem Platz: Tony Quinn. Von einem Blinden erwartete man nicht, dass er auch nur ahnte, was soeben vorgefallen war. Aber Tony Quinn hatte das schauerliche Geschehen in jeder Einzelheit mitverfolgt.

Beinahe automatisch ‒ und ohne dass sein Kopf sich dabei bewegt hätte ‒ flog der Blick seiner scheinbar blinden Augen zu Flashy Hanks. Flashy sah so überrascht aus, dass es beinahe belustigend wirkte. Dann breitete sich langsam ein hässliches Grinsen über seine Züge aus. Flashy schien sich zu freuen.

Ein fast kahlhäuptiger Mann bahnte sich schwitzend den Weg zu Quinn. „Ich ‒ ich hätte Sie nicht allein lassen dürfen!“, keuchte er.

„Schon gut, Silk“, beschwichtigte Tony Quinn ihn.

Seine Augen waren jetzt auf den Richterstuhl gerichtet, wo eine blutüberströmte Gestalt in schwarzer Robe über den Tisch gesunken war.

Silk Kirby wusste nicht, was vorgefallen war. Als Quinns Diener und Vertrauter machte er sich Sorgen, dass er nicht zugegen gewesen war. „Ich habe Schüsse gehört, Sir ‒ ich weiß nicht …“

„Man hat nicht auf mich geschossen, Silk“, sagte Quinn gedämpft, sodass niemand ihn hören konnte. „Richter Bailey ist ermordet worden.“

Silks Blicke flogen sofort zu Flashy Hanks, den zwei stämmige Polizisten festhielten. Auch Silk bemerkte das hämische Grinsen des Verbrechers.

„Verdammt!“, keuchte Silk. „Was bildet sich diese Ratte eigentlich ein? Das hat doch er arrangiert!“

„So scheint es“, gab Quinn zu. „Aber manchmal kann man sich irren. Silk, führ mich ins Richterzimmer. Das ist jetzt leer. Wenn man uns später fragt, kannst du ja sagen, du hättest mich dorthingebracht, um mich in Sicherheit zu bringen, falls noch etwas passieren sollte.“

Auf Silk gestützt, tastete Quinn sich mit seinem Stab langsam zu dem Privatbüro des Richters. Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, war freilich seine gespielte Hilflosigkeit wie weggewischt.

Er ließ die Maske des Blinden völlig fallen. Seine starren, glasigen Augen wurden lebendig. Sofort fielen ihm einige Dinge auf. Der Füllhalter des Richters lag offen neben einigen Papieren auf dem Tisch.

„Was hat er geschrieben?“, fragte Quinn. „Die Feder ist noch feucht. Er muss gerade mit dem Schreiben fertig geworden sein, Silk. Wo ist es?“

Quinn zog die Schreibtischladen eine nach der anderen auf, fand aber nichts von Belang. Dann griff er nach einem Löschblatt, das neben dem Füllhalter auf dem Tisch lag. Es war ganz neu und sichtlich erst einmal benutzt worden. Die Buchstaben waren umgekehrt, aber Quinn hatte sie schnell entziffert.

„Was er auch geschrieben hat“, meinte Quinn, zu Silk gewandt, „es war an den Oberrichter adressiert.“

„Das ist doch nicht ungewöhnlich, oder?“, meinte Silk.

„Nein, natürlich nicht. Aber ich würde viel darum geben, wenn ich wüsste, was Richter Bailey in dem Brief geschrieben hat. Silk, seine Stimme klang so ‒ so verändert Ich habe es genau gehört. Du weißt, seit meiner Blindheit kann ich feinere Nuancen wahrnehmen als andere Menschen. Ich habe das Gefühl, dass er gerade im Begriff war, etwas ganz Wichtiges zu sagen. Er hat die Reporter gebeten, dazubleiben. Und irgendjemand wollte verhindern, dass er sagte, was er sagen wollte.“

„Jetzt will ich Ihnen etwas sagen“, meinte Silk in vertraulichem Ton, den er nie anschlug, wenn sie sich in Gegenwart anderer Leute befanden. „Der Prozess gegen Flashy Hanks ging um Leben und Tod. Man weiß sehr wohl, dass er die Verhandlung hinausschieben wollte, was ihm aber nicht gelang. So hat er sich eben einen Killer engagiert, der dadurch alles aufhielt, dass er den Richter erschoss.“

„Vielleicht“, sinnierte Quinn und runzelte die Stirn, „vielleicht auch nicht. Schließlich gibt es noch eine ganze Menge andere Richter.“

„Aber Sir“, warf Silk ein, „sie haben den Mörder ja festgenommen. Im Augenblick kann er zwar nicht reden, dafür haben die zwei Gerichtsdiener mit ihren Gummiknüppeln gesorgt ‒ aber wenn er aufwacht, werden sie ihn schon zum Reden bringen.“

Quinn ließ sich plötzlich ohne ein weiteres Wort auf den Stuhl sinken, und seine Augen wurden wieder glasig. Er schob den Stock zwischen die Knie. Die Tür öffnete sich. Inspektor McGrath trat ein und musterte Quinn argwöhnisch.

„Wer ist da?“, fragte Quinn.

„McGrath!“, knurrte der Inspektor. „Ich wollte nur sehen, was aus Ihnen geworden ist.“

„Ich habe Mister Quinn hierhergeführt, damit er nicht im Wege ist“, erklärte Silk. „Sie haben doch nichts dagegen?“

„Warum sollte ich?“ McGrath lehnte sich an den Schreibtisch. Er bemerkte nicht, wie Quinn verstohlen nach dem Löschblatt griff und es in seiner Tasche verschwinden ließ.

„Was ist denn, Inspektor?“, fragte Quinn sanft. „Der Fall dürfte ganz klar liegen. Sie haben doch den Mörder.“

„Quinn“, knurrte McGrath. „Das ist ein ganz vertrackter Fall. Natürlich stand der Bursche, der Richter Bailey erschossen hat, in Flashys Diensten, denn Flashy war der Einzige, der ein Motiv für die Tat hatte.“

„Und?“, fragte Quinn erwartungsvoll.

„Und ‒ nun, die Gerichtsdiener sind mit dem Kerl nicht gerade sanft umgegangen. Vor ein paar Sekunden ist er aufgewacht. Er behauptet, er wisse nicht, wer er sei, wo er sei oder was geschehen sei. Der Arzt sagt, der Bursche hätte eine schwere Gehirnerschütterung und könne sich möglicherweise wirklich an nichts erinnern.“ McGrath kaute wütend auf seinem erkalteten Zigarrenstummel. „Warum muss ein im Grunde einfacher Fall so verteufelt kompliziert werden?“, stöhnte er verzweifelt.

„Vielleicht war er das schon von Anfang an“, meinte Quinn sanft.

McGrath hörte ihn nicht mehr. Er war bereits wieder hinausgerannt.

Kapitel 2

Tony Quinn fuhr zum Mittagessen nach Hause. Das war ungewöhnlich, denn normalerweise ließ er sich von Silk immer etwas zu essen ins Büro bringen. Aber Quinn brauchte einen ruhigen Ort, um ungestört nachdenken zu können. Vor seinem geistigen Auge sah er immer noch Richter Baileys zusammengekrümmte Gestalt über dem Richtertisch liegen, den Fremden durch die Tür treten und daneben das feixende Gesicht des Verbrechers auf der Anklagebank.

Silk servierte und wartete sichtlich darauf, dass Quinn etwas sagte. Er wurde nicht lange auf die Folter gespannt.

„Glaubst du immer noch daran, dass Flashy Hanks den Mann dafür bezahlt hat, dass er Richter Bailey ermordete?“, fragte Quinn plötzlich.

„Selbstverständlich ‒ warum sollte ich nicht?“, erwiderte Silk. „Bailey hatte doch auf der ganzen Welt keinen Feind. Es scheint, dass er einer der beliebtesten Männer in ganz Chicago war ‒ und wirklich ein von Grund auf ehrlicher Mensch. Ich kann mir einfach nicht vorstellen. dass er in eine Sache verwickelt sein könnte, die zu einem Mord führt.“

„Wenigstens nicht aus freien Stücken“, pflichtete Quinn ihm bei. „Aber manchmal geschehen Dinge, an denen auch ein ehrlicher und anständiger Mann nichts ändern kann. Ich glaube, dass Richter Bailey mit so etwas zu tun hatte und gerade im Begriff war, das bekanntzugeben, als er erschossen wurde.“

Silk schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, Sir, aber ich glaube, diesmal muss ich McGrath recht geben. Flashy Hanks steckt hinter der ganzen Sache. Natürlich, es gibt andere Richter, aber Flashy hat ein Motiv und genug Geld, um irgend so einen Idioten dazu zu bringen, vor gefülltem Gerichtssaal den Richter zu erschießen.“

Quinn schlürfte seinen Kaffee und lehnte sich zurück.

„Das klingt alles so einfach ‒ als ob jemand sich ausgerechnet hätte, dass Flashy Hanks ein augenfälliges Motiv hatte und genau der Typ ist, der nicht zögern würde, einen Mord begehen zu lassen, wenn ihm das nützte. Im Gegensatz zu dir und Inspektor McGrath bin ich der Ansicht, dass Hanks nichts anderes als ein Strohmann ist, der vorgeschoben wird, um die Wahrheit zu verbergen. Wusstest du, dass es in Baileys Familie eine höchst geheimnisvolle Geschichte gibt?“

Silk runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.

„Richter Bailey“, erklärte Quinn, „stammt aus einer alten und hoch angesehenen Familie. Seltsame Leute übrigens. Seine Schwester Adelaide spielte einmal eine große Rolle in der Gesellschaft. Es gab keine Veranstaltung, die ohne sie hätte stattfinden können. Aber in letzter Zeit hat sie sich zurückgezogen.“

„Mit der Zeit bekommt man das auch satt“, meinte Silk.

„Richtig. Und dann haben wir da noch Richter Baileys Bruder. Er ist zumindest ebenso bekannt ‒ wenn nicht noch bekannter ‒ wie der Richter und seine Schwester. Sidney Bailey arbeitet seit Jahren in einer ganzen Anzahl von sozialen Verbänden und steht damit im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Er hat schon sehr viel Gutes für die Armen getan.“

Silk goss eine zweite Tasse Kaffee ein. Seine Augen hatten zu leuchten begonnen. Er schien eine Idee zu haben.

„Dann existiert noch ein Neffe ‒ der Sohn einer verstorbenen Schwester des Richters“, fuhr Quinn fort. „Von ihm weiß ich nur, dass man ihn nicht für voll nimmt ‒ weshalb, weiß ich nicht.“

„Und wo liegt das Geheimnis, Sir?“

Quinn blickte lächelnd auf. „Das kommt jetzt ‒ und das ist es auch, was den Fall für mich interessant macht: Ein weiterer Bruder namens Rollin ist vor zehn Jahren verschwunden.“

„Verschwunden? Well, Sir ‒ auch das passiert hin und wieder.“

„Bei Rollin Bailey liegt die Sache anders als in den meisten Fällen. Er hatte keinen Grund, zu verschwinden ‒ überhaupt keinen. Er hatte Geld, eine angesehene Position in der Gesellschaft, Freunde ‒ kurzum: Er schien glücklich und zufrieden. Vor zehn Jahren war er am Morgen zu seiner Arbeitsstelle unterwegs. Übrigens übte er die sehr schlecht bezahlte Tätigkeit des Direktors einer Kunstgalerie aus. Rollin war ein äußerst methodischer Mann, der jeden Tag genau denselben Weg ging. Er kaufte sich wie gewöhnlich seine Morgenzeitung und ein paar Zigarren, nickte dem Verkehrspolizisten an der Ecke zwischen der Walnut Street und der Blaine Street zu ‒ und wurde nie mehr gesehen.“

„Manche Leute haben eben eines Tages plötzlich alles satt“, meinte Silk.

„Das bestreite ich ja gar nicht, Silk. Ich sage nur, dass es in der Familie von Richter Bailey einen dunklen Punkt gibt. Sie hat sich nie sonderlich bemüht, Rollin wiederzufinden. Es hieß sogar einmal, die Polizei habe ihn gefunden und wüsste, weshalb er verschwunden sei.“

Silk schob das Geschirr zusammen. Er zögerte. „Soll das heißen, Sir, dieses Geheimnis reizt Sie so, dass die Schwarze Fledermaus sich mit dem Fall befassen wird?“

„Das soll es. Die Sache interessiert mich wirklich. Wir haben alle Elemente eines geheimnisvollen Falles vor uns, der im Mord an Richter Bailey gipfelt. Der Mörder behauptet, er habe das Gedächtnis verloren. Wir beide, du und ich, werden dem Mann heute Nachmittag einen Besuch abstatten.“

Silk spitzte den Mund zu einem Pfiff.

„Wir fahren in einer Stunde“, erklärte Quinn. Er stand auf, tastete sich mithilfe seines Blindenstockes durch mehrere Zimmer und setzte sich schließlich in seinen Lieblingssessel vor dem Kamin. Er stopfte sich die Pfeife, steckte sie an und lehnte sich bequem zurück.

Tony Quinn galt noch gar nicht allzu lange Zeit als einer der vielversprechendsten Staatsanwälte ganz Chicagos. Die Unterwelt zitterte vor ihm.

Und dann geschah es eines Tages, dass ein angeklagter Gangster vor Gericht versuchte, ein wichtiges Beweisstück dadurch zu vernichten, dass er eine Säureflasche danach warf. Tony Quinn hatte es verhindern wollen, dabei hatte der Inhalt der Flasche sich über sein Gesicht ergossen. Er war auf der Stelle geblendet worden, und noch heute erinnerten die tief eingegrabenen Narben um seine Augen an jenen furchtbaren Tag.

Kurz darauf hatte er begonnen, einen berühmten Augenarzt nach dem anderen aufzusuchen ‒ aber alle mussten ihm die gleiche Auskunft geben: Tony Quinn würde zeit seines Lebens ein Blinder bleiben. Kein Arzt konnte ihm das Augenlicht zurückgeben.