Die Schwarze Fledermaus 35: Auf falscher Fährte - G.W. Jones - E-Book

Die Schwarze Fledermaus 35: Auf falscher Fährte E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Nostalgie-Crime (Die Schwarze Fledermaus Band 35) 184 Seiten Tony Quinn reist in die kleine Stadt Haverford, Illinois. Er möchte einem Freund helfen, dessen Tochter im Alkoholrausch einen Mann zu Tode gefahren haben soll.Quinns Recherche schreckt die ortsansässigen Politiker auf. Zu spät bemerkt er, dass in den mustergültigen Biedermännern der Stadtverwaltung skrupellose Mörder stecken.

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 35

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

G. W. Jones

Auf falscher Fährte

Aus dem Amerikanischenvon W. Arnemann

Das Abenteuer Auf falscher Fährte erschien im Winter 1945 unter dem Titel The Skeleton‘s Secret in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Commissioner Warner

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-035-2Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1 – Ein mysteriöser Unfall

Es war eine dunkle, regnerische Nacht, als Janet Davidson, ein hübsches und zartes junges Mädchen, eine Party verließ, um nach Hause zu fahren. Das Fest hatte harmlos angefangen, war aber dann zu einem lärmenden Trink­gelage ausgeartet. Solche Veranstaltungen waren nicht nach Janets Geschmack. Sie brach heimlich auf und war der Meinung, dass ihr Aufbruch unbemerkt geblieben war.

Sie ging zu ihrem Wagen hinaus, der zwischen anderen Wagen parkte, und stieg ein.

Janet sah nicht die beiden Männer, die in einem der anderen Wagen kauerten und sie beobachteten.

Sie fuhr zur Stadt zurück und warf zuweilen einen Blick auf das Tachometer, um sich zu vergewissern, dass sie die Geschwindigkeitsgrenze nicht überschritt. Als Tochter des Staatsanwalts konnte sie sich solche Übertretungen nicht leisten. Im Übrigen wusste sie, dass ihr Vater gerade in diesen Tagen besonders strenge Geschwindigkeitskontrollen angeordnet hatte. Es wäre recht peinlich, im Zuge dieser Aktion von Polizisten angehalten zu werden.

Zu ihrer Überraschung sah sie nach kurzer Zeit eine rote Ampel mit einem Umleitungsschild. An dieser Stelle war vor Kurzem eine gute neue Straße gebaut worden, wie die Sehne eines Bogens. Die Umleitung führte nun wieder über die alte, kurvenreiche Strecke.

Janet wunderte sich, dass sie bei der Hinfahrt kein derartiges Umleitungsschild bemerkt hatte, bog aber arglos in die vorgeschriebene Straße ein.

Sie fühlte sich nicht wohl und ein wenig schwindlig. Sonderbar, dachte sie, ich habe nur noch einen einzigen Cocktail getrunken! Sollte er so stark gewesen sein?

Der Cocktail hatte ihr nicht geschmeckt, und sie hatte einen zweiten abgelehnt, obwohl man ihn ihr aufdrängen wollte.

Die Straße war in ziemlich schlechtem Zustand und überdies unbeleuchtet. Janet schaltete die Scheinwerfer auf Fernlicht. Aber bei den vielen scharfen Kurven half auch das nicht viel.

Plötzlich hörte sie einen heiseren Schrei.

Etwas krachte gegen ihren Wagen.

Sie trat heftig auf die Bremse. Aber sie spürte selbst, dass ihr Reaktionsvermögen merklich herabgesetzt war.

Der Wagen geriet ins Schleudern, rammte einen Alleebaum und kam endlich zum Stehen.

Mit hämmerndem Puls saß Janet einen Augenblick wie gelähmt da.

Dann merkte sie, dass sich von hinten ein anderer Wagen näherte. Und im Licht seiner Scheinwerfer sah sie etwas, das sie entsetzt aufschreien ließ.

Auf der Straße lag ein Mann. Und die unnatürliche, verdrehte Lage des Körpers ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er tot war.

Janet stieg aus und lief zu der Unfallstelle zurück. Ihre Knie waren weich wie Gummi. Sie schwankte und fiel, noch bevor sie die Stelle erreichte.

Der fremde Wagen stoppte mit kreischenden Bremsen. Ein Polizist in Uniform sprang heraus. Dann der ebenfalls uniformierte Fahrer, ein Polizeisergeant.

Janet schluchzte: „Ich ‒ ich glaube, ich habe ihn überfahren! Ich habe ihn nicht gesehen. Es war so dunkel und ‒ und ‒ er muss mir direkt in den Wagen gelaufen sein ‒“

Der Polizist war neben der Leiche niedergekniet und hatte sie flüchtig untersucht. „Sergeant, er ist tot!“, rief er jetzt. „Junge, Junge, den hat’s aber erwischt!“

Janet konnte sich den Hergang immer noch nicht erklären. „Ich versteh es nicht!“, jammerte sie. „Ich habe ihn nicht gesehen. Ich ‒ ich weiß nicht, was mit mir los ist ‒ ich fühle mich so ‒ so schwach ‒ mir ist schwindlig ‒“

Der Sergeant sagte grob: „Sie sind betrunken, meine Dame ‒ das ist es! Hauchen Sie mich mal an! Natürlich ‒ Sie haben vielleicht eine Fahne! Sie sind ja blau wie ein Veilchen! Sie haben ihn nicht gesehen? Das kann ich mir denken! Mike, halt‘ sie fest! Ich seh’ mir den Wagen an.“

Der Polizist packte Janet unsanft am Arm.

Sie wehrte sich nicht. Sie fühlte sich zu schwach dazu. Hilflos murmelte sie: „Ich habe nur einen einzigen Drink genommen ‒“

Der Polizist sagte spöttisch: „Fragt sich, wie groß. Vielleicht war’s ein Eimer voll.“

Der Sergeant kam zurück. Er sah sehr ernst drein.

„Der rechte Kotflügel ist voll Blut. Und ein Stofffetzen hing an der Stoßstange ‒ vermutlich von seinem Anzug. Natürlich haben Sie ihn überfahren; da gibt es gar keinen Zweifel. Hören Sie mal, junge Dame! Wie schnell sind Sie überhaupt gefahren?“

Sie antwortete sofort: „Nicht ganz fünfzig. Ich weiß es genau, weil ich kurz vorher auf das Tacho gesehen hatte.“

Auf seine zweifelnde Miene hin setzte sie rasch hinzu: „Mein Vater hat mich gewarnt, zu schnell zu fahren. Ich heiße Janet Davidson. Mein Vater ist Walter Davidson. ‒“

Der Sergeant pfiff durch die Zähne. „Was?! Sie sind die Tochter des Staatsanwalts? Das ist peinlich! Hören Sie, Miss Davidson, Ihre Aussage stimmt nicht. Der Wagen ist gegen einen Baum geprallt, und dabei ist die Tachonadel blockiert worden. Sie steht auf fünfundsiebzig. Und Sie behaupten, Sie sind nicht ganz fünfzig gefahren! Kann nicht stimmen. So leid es mir tut ‒ wir müssen Sie mitnehmen, Miss. Egal, wer Sie sind. Wir können keine Ausnahme machen. Das wäre auch Ihrem Vater nicht recht. Mike, du bleibst bei ihrem Wagen und sorgst dafür, dass niemand was anrührt. Ich nehme die Dame mit und schicke den Leichenbeschauer und einen Fotografen raus.“

*

Als man Staatsanwalt Walter Davidson telefonisch von dem Unfall benachrichtigte, kam er sofort selbst zur ­Polizei.

Der Pförtner lächelte anzüglich und wies ihn zu den Gefangenenzellen.

Davidson war ein kräftiger, breitschultriger Mann mit grauen Schläfen und einem geraden, offenen Blick. Jetzt sah er erregt und abgespannt aus.

Im Korridor stieß er auf einen Polizeiarzt, der gerade aus dem Polizeigefängnis kam.

„Ist sie verletzt?“, fragte er besorgt.

Der Arzt schüttelte den Kopf. „Das nicht, Walter. Aber sternhagelvoll. Tut mir leid. Ist eine sehr unangenehme Geschichte.“

Plötzlich schob Walter Davidson das Kinn vor, und seine Augen verengten sich. Er ging rasch auf den Haftraum zu und wurde sofort eingelassen. Mehrere Polizisten und Reporter lungerten umher.

„Hinaus!“, fuhr Davidson sie an. „Ihr alle! Ich möchte mit meiner Tochter reden.“

Sie zogen sich eingeschüchtert zurück.

Er betrat eine der Zellen. Man hatte sie nicht einmal abgeschlossen.

Janet saß wie ein Häufchen Unglück auf der Pritsche und starrte mit verglastem Blick vor sich hin.

Als ihr Vater eintrat, hob sie den Kopf, sprang dann sofort auf und warf sich schluchzend in seine Arme.

„Daddy! Oh, Daddy! Ich habe nur einen einzigen Cocktail getrunken, ich schwöre es dir! Er hat mir nicht einmal geschmeckt. Ich trank ihn nur, weil man mir so zusetzte! Dann wurde mir das ganze Fest zu laut und unerfreulich, und ich stahl mich heimlich davon. Es waren viele Fremde dort, die ich nicht kannte. Ich stieg in den Wagen, um nach Hause zu fahren. Unterwegs wurde mir schlecht. Die Straße war gesperrt; ich musste eine Umleitung nehmen. Du weißt ‒ die alte Haarnadelkurve. Es war sehr dunkel. Und ich konnte den Mann nicht sehen. Ich verstehe nicht, wo er so plötzlich hergekommen ist. Ich bin nicht mehr als fünfzig gefahren; ich weiß es ganz bestimmt! Ich hatte gerade auf das Tacho gesehen!“

Davidson streichelte ihr beruhigend die Wangen. „Ich glaube dir ja, Kindchen, Wir werden das schon in Ordnung bringen. Du hast nur einen Cocktail getrunken, sagst du? Was für einen?“

„Ich weiß nicht, wie das Zeug hieß. So ein heller mit einer Olive drin war es. Ich mochte ihn nicht.“

„Hm. Von einem Martini kann diese Wirkung unmöglich herrühren“, überlegte Davidson.

Janet weinte leise vor sich hin. „Ich habe ihn nicht gesehen. Ich fühlte nur, wie etwas gegen den Wagen krachte, und stoppte sofort. Gleich darauf kam ein Polizeiwagen. Er muss direkt hinter mir hergefahren sein.“

Kalter Zorn glomm in Davidsons Augen auf. Er murmelte: „Sie haben alles arrangiert, das ist mir völlig klar! Es ist ein abgekartetes Spiel! Eine Gemeinheit, wie sie von diesen Ratten durchaus zu erwarten war! Mein armes Kind, ich werde alles für dich tun! Zuerst einmal werde ich dich hier herausholen. Ich bin bald wieder da.“

Er unternahm die nötigen Schritte für die Haftentlassung seiner Tochter. Man verlangte eine unverhältnismäßig hohe Kaution.

Dann stellte er den Sergeanten, der die Verhaftung vorgenommen hatte.

„Es war mir selber peinlich, Mister Davidson!“ Der Mann wand sich vor Verlegenheit. „Aber was konnte ich anderes tun? Der Mann war tot ‒ wir haben noch nicht rausgekriegt, wer er war ‒ irgendein unbekannter Landstreicher wahrscheinlich. Und die Dame hatte einen sitzen. Sie konnte sich ja nicht mal aufrecht halten und hatte eine Fahne, die zehn Meter gegen den Wind zu riechen war. Sie behauptet, sie sei keine fünfzig gefahren. Aber das Tacho stand auf fünfundsiebzig!“

Davidson sagte kalt: „Sorgen Sie dafür, dass meine Tochter sofort aus der Zelle gebracht wird. Die Formalitäten sind erledigt.“

Man führte Janet aus der Zelle, und ihr Vater nahm sie am Arm und wandte sich der Gruppe zu, die ihn mit unverhohlener Schadenfreude beobachtete. Es waren einige der einflussreichsten Männer der Stadt.

Davidson sagte eisig: „Endlich habt ihr es also geschafft, mir eins auszuwischen. Seit dem letzten Wechsel in der Stadtverwaltung habt ihr alles getan, um mich zu Fall zu bringen. Ihr schreckt vor nichts zurück. Aber jetzt bin auch ich zu allem entschlossen. Ich stehe allein in diesem Kampf ‒ gegen euch alle ‒ gegen die ganze Bande. Und darum werde ich mir jetzt Hilfe holen.“

Bürgermeister Armstrong, ein hagerer, kahlköpfiger Mann mit einem Raubvogelgesicht, trat einen Schritt vor. „Hören Sie mal zu, Davidson!“, verwahrte er sich mit empörter Miene. „Sie beleidigen uns alle! Uns tut die Sache genauso leid wie Ihnen. Ist eben Pech. Jaja, auf die heutige Jugend kann man sich nicht verlassen. Aber was meinen Sie damit, dass Sie sich Hilfe holen wollen?“

Davidsons Stimme wurde honigsüß. „Das will ich Ihnen sagen, meine Herren. Euer Ehren, Herr ­Bürgermeister“, er verneigte sich spöttisch, „Sie wissen genau, dass Sie diesen Posten nur durch skrupellose Schiebung bekommen haben! Ihre Wahl war eine Farce. Sie wissen, dass ich der Gegenpartei angehöre. Und ich betrachte es als meine vornehmste Aufgabe, Ihnen auf die Finger zu sehen.“

Bürgermeister Armstrong zuckte die Achseln. „Versuchen Sie doch, mir irgendwas nachzuweisen, wenn Sie können!“

„Ich kann es nicht“, musste Davidson bekennen. „Weil ich noch nicht weiß, was ihr eigentlich vorhabt. Aber als Staatsanwalt habe ich das Recht, auf unbestimmte Zeit einen Vertreter für mich zu bestimmen. Und ich werde mir die Hilfe eines Mannes sichern, der mit euresgleichen umzugehen versteht und das schon mehr als einmal bewiesen hat.“

Armstrong grinste unverschämt. „Vielleicht können Sie den Chef des FBI dazu bewegen, seinen Posten aufzugeben und hier in Haverford nach dem Rechten zu sehen.“

„Nein. Der Mann, den ich herbitten werde, dürfte Ihnen allen ganz ungefährlich erscheinen. Er ist nämlich blind. Er sieht nur mit den Fingern, den Ohren ‒ und dem Hirn. Es ist ein außergewöhnlicher Mann. Vielleicht haben Sie schon von ihm gehört. Er ist Staatsanwalt in einer größeren Stadt als Haverford ‒ nämlich Chicago. Und die Erfahrungen, die er dort mit Verbrechern gesammelt hat, werden ihm hier zustattenkommen. Sein Name ist Tony Quinn. Guten Abend, meine Herren!“ Ohne die Wirkung seiner Worte abzuwarten, wandte Davidson sich brüsk um und führte seine Tochter hinaus.

Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lachte Armstrong trocken auf. „Er holt sich einen Blinden zu Hilfe! Hat man so was schon gehört? Mir scheint, Davidson wird langsam senil.“

Aber ein anderer aus der Gruppe, ein Dickwanst, der fast aus seinem teuren Anzug platzte, zog ein seidenes Taschentuch aus der Brusttasche seines Jacketts und wischte sich die Stirn. „Bürgermeister!“, sagte er bedenklich. „Diesen Tony Quinn kenne ich! Es ist der einzige Mann, den ich fürchte. Er hat manchen von meinen Freunden hinter Schloss und Riegel gebracht. Und seinetwegen hab ich mich aus Chicago zurückgezogen. Mir wurde der Boden dort zu heiß. Wenn er auch blind ist ‒ es gibt keinen, der uns gefährlicher werden könnte als Quinn! Der Mann ist das reinste Dynamit, das können Sie mir glauben!“

Kapitel 2 – Mordversuch

Vierundzwanzig Stunden später stand Walter Davidson auf dem Bahnsteig und wartete auf die Einfahrt des Zuges, der ihn nach Chicago bringen sollte.

Jemand berührte ihn an der Schulter.

Er wandte sich um und sah Bürgermeister Armstrong.

„Sie wollen also wirklich Ihre Drohung wahrmachen und sich Hilfe aus Chicago holen, Davidson? Das würde ich mir an Ihrer Stelle lieber noch einmal überlegen. Wenn es sich um Janet handelt ‒“

„Es handelt sich um alle Einwohner dieser Stadt!“, erklärte Davidson bestimmt. „Ich weiß, dass hier irgendetwas vorgeht, und dass viele der einflussreichsten Männer von Haverford unter einer Decke stecken. Mir ist es bisher nicht gelungen, aufzuklären, was hier eigentlich gespielt wird. Aber Quinn wird es schaffen. Er ist der Mann dazu. Ich werde alles dransetzen, ihn zum Herkommen zu bewegen.“

Armstrong zuckte die Achseln. „Ich kann Sie natürlich nicht daran hindern. Aber ich rate Ihnen doch dringend davon ab, einen Fremden hierherzuholen. Wir mögen solche Einmischungen nicht. Er könnte Schwierigkeiten haben. Auch für Ihre eigene Gesundheit ist es sicher nicht das Richtige.“

Davidson antwortete nicht, denn in diesem Augenblick fuhr sein Zug ein. Er stieg ein und suchte sich einen Platz. Aber er atmete erst auf, als der Zug aus der Halle fuhr. Er kannte Armstrong und seine Bande. Sie scheuten vor nichts zurück.

Davidson lehnte sich in die Polster zurück und schloss die Augen. Er überlegte, wie er Tony Quinn dazu überreden könnte, für eine Weile nach Haverford zu kommen und die Verhältnisse zu sondieren. Er hatte nur wenig konkrete Anhaltspunkte, um Quinn von der ­Notwendigkeit seines Eingreifens zu überzeugen. Die Verbrecher in seiner Stadt arbeiteten zu raffiniert, um sich eine Blöße zu geben.

Mit großer Geschwindigkeit jagte der Zug seinem Ziel entgegen. Sie waren nicht mehr weit von Chicago entfernt, als Davidson den Blick eines Mannes auf sich ruhen fühlte, der am anderen Ende des Pullmanwagens saß.

Plötzlich stand der Fremde auf und kam auf ihn zu. Er verneigte sich höflich und lächelte. „Sind Sie nicht Mister Walter Davidson, Staatsanwalt aus Haverford? Ich habe früher in Haverford gewohnt und glaubte, Sie zu erkennen.“

Davidson nickte. „Ja, das bin ich.“

Der Mann fuhr fort: „Ich bin etwa um die Zeit weggezogen, als der Skandal mit dem Stadtkämmerer passierte. Wissen Sie noch? Paul Flavin hieß er. Er ist mit über einer Million durchgebrannt.“

„Und ob ich mich erinnere!“, erwiderte Davidson. „Ich gäbe allerhand darum, wenn ich ihn heute noch aufstöbern könnte! Obwohl von dem Geld nicht mehr viel übrig sein dürfte. Paul Flavin lebte auf großem Fuß. Und es ist fünf Jahre her, seit er das Geld gestohlen hat.“

Der Fremde senkte die Stimme. „Ich kannte Flavin recht gut. Und an der letzten Station hat ein Mann den nächsten Waggon bestiegen, der ihm verdammt ähnlich sah! Ich möchte schwören, dass er es war. Ich dachte mir, es würde Sie interessieren.“

Davidson erhob sich langsam. „Das kann man wohl sagen! Vielen Dank für den Tipp. Ich werde mir den Kerl gleich ansehen. Wenn es wirklich Flavin ist, steht Ihnen die Belohnung zu, die auf seine Ergreifung ausgesetzt ist.“

Er ging zum nächsten Waggon durch. Die Tür war nicht abgeschlossen, und er öffnete sie vorsichtig ‒ auf einen plötzlichen Angriff des flüchtigen Verbrechers gefasst.

Nichts geschah.

Der Wagen war dunkel, bis auf die Nachtbeleuchtung und die vorüberhuschenden Lichter der Vorstadt, durch die der Zug fuhr.

Davidson kniff die Augen zusammen, um sich an das Dunkel zu gewöhnen.

Er sah eine Gestalt auf einer Sitzbank liegen. Allem Anschein nach schlafend.

War es Paul Flavin?

Davidson schloss die Tür hinter sich und trat näher. Wenn es sich herausstellte, dass der Schläfer ein Fremder war, konnte er sich rasch entschuldigen. War es aber Flavin ‒

Unwillkürlich ballte Davidson die Hände zu Fäusten. Er hatte lange auf diesen Augenblick gewartet! Die Veruntreuung des Stadtkämmerers hatte die Steuerzahler von Haverford eine gute Million gekostet. Und seither war das Vertrauen zu den Behörden nie wieder ganz hergestellt worden.

Davidson trat auf den Schläfer zu und beugte sich über ihn, um ihn zu wecken.

Aber der Mann hatte keineswegs geschlafen.

Mit einem Ruck fuhr er jetzt auf und schlang einen mächtigen Arm um Davidsons Hals. Er drückte zu und schnürte ihm die Luft ab.

Davidson wehrte sich verzweifelt, konnte sich aber nicht aus dem eisernen Griff befreien. Der Fremde war bedeutend stärker als er, ein Muskelmann mit Armen wie Stahl.

Immer mehr Lichter flitzten an den Fenstern vorüber.

Davidson merkte plötzlich, dass er ganz nahe an eines der Fenster gedrängt wurde und dass die große Scheibe heruntergelassen worden war. Drohend gähnte die Öffnung.

Der Muskelmann ließ seinen Hals los, packte ihn plötzlich mit der Linken an der Brust und hielt ihn auf Armlänge von sich. Dann versetzte er ihm einen brutalen Fausthieb mit der Rechten, hob ihn vom Boden auf und schleuderte ihn durchs Fenster.

Sie passierten gerade einen Güterbahnhof mit vielen Rangiergleisen. Für Davidson gab es mehrere Möglichkeiten, zu sterben: Entweder brach er sich beim Sturz aus dem fahrenden Zug den Hals ‒ oder er landete auf einem Gleis und wurde von einem der vielen Güterzüge überfahren, die ständig hier durchrollten.

Der Muskelmann grinste und machte sich augenblicklich daran, das Fenster wieder hochzuschieben. Sobald das erledigt war, ging er seelenruhig in den anderen Waggon.

Im Vorbeigehen raunte er dem Mann, der Davidson auf Flavins Anwesenheit aufmerksam gemacht hatte, zu: „Ein gewisser Herr ist vorzeitig ausgestiegen. Hat sich eingebildet, er hat Flügel, und ist glatt aus dem Fenster geflogen. Wir sehen uns später.“

*