Die Schwarze Fledermaus 37: Bunte Steine - G.W. Jones - E-Book

Die Schwarze Fledermaus 37: Bunte Steine E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Jemand hat ein effektives System erfunden, Juwelen und Diamanten zu rauben. Inspektor McGrath versucht, die Rätsel der Straftaten zu entschlüsseln, und bittet Tony Quinn um Hilfe. Der arbeitet in der Maske der Schwarzen Fledermaus unter Hochdruck, um Chicagos skrupellosesten Verbrecher zu enttarnen.

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 37

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

G. W. Jones

Bunte Steine

Aus dem Amerikanischenvon W. Arnemann

Das Abenteuer Bunte Steine erschien im Sommer 1945 unter dem Titel Murder on the Loose in dem amerikanischen Magazin Black Book Detective.

Silk Kirby

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-037-6Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1. Kapitel

Mrs Franklin P. Ankrum warf einen Blick auf den Brief, den sie soeben erhalten hatte, und ließ ihn ärgerlich auf den Toilettentisch zwischen die Döschen und Parfümfläschchen fallen.

„Französisch!“, rief sie in klagendem Ton. „Wo Evelyn doch genau weiß, dass ich kein Französisch kann!“

Sie griff nach einer Puderquaste und hüllte sich in eine Wolke duftenden Puders.

Mrs Ankrum war Ende Vierzig, dick und hässlich. Aber ihr Schlafrock allein war ein Vermögen wert.

Sie beklagte sich bei ihrer Zofe.

„Wissen Sie, Myra, das tut meine Freundin Evelyn nur, um mich zu ärgern. Es soll mir zeigen, wie gebildet sie ist. Wahrscheinlich handelt es sich wieder um eine Einladung. Aber ich kann sie nicht lesen. Wenn das so weitergeht, muss ich Sie entlassen und mir eine französische Zofe nehmen!“

Das war natürlich scherzhaft gemeint. Denn bei dem herrschenden Personalmangel war sie heilfroh, eine Perle wie Myra bekommen zu haben.

Myra sah mit ihrem hellblonden Haar und der schlanken, zierlichen Figur reizend aus in der schwarzen Stubenmädchentracht mit weißem Schürzchen und Häubchen.

Sie lächelte.

„Wenn Sie wünschen, Madam, kann ich Ihnen ja den Brief vorlesen.“

Mrs Ankrum wandte sich auf ihrem Stuhl um.

„Was? Sie können Französisch? Aber ‒ aber Sie sind doch keine Französin?“

„Nein, Madam, aber ich beherrsche die Sprache.“

Mrs Ankrum nahm den Brief und reichte ihn ihr über die Schulter, während sie sich weiter mit ihrer Verschönerung beschäftigte.

„Dann lesen Sie, mein Kind.“

Myra las ihr den Brief vor und übersetzte ihn fließend. Es handelte sich tatsächlich um eine Einladung zu einem Wohltätigkeitsbasar, der in vier Tagen stattfinden sollte.

Mrs Ankrum strahlte.

„Großartig! Zu all Ihren anderen Fähigkeiten auch noch das! Evelyn wird vor Ärger platzen, wenn sie hört, dass ich eine Zofe habe, die Französisch kann!“

Myra sagte bescheiden: „Ich stand im Dienst bei einer französischen Familie, Madam, da habe ich es gelernt.“

Mrs Ankrum überlegte. „Könnten Sie den Brief nicht für mich beantworten?“

„Natürlich, Madam. Ich schreibe ihn ‒ und Sie brauchen ihn dann nur abzuschreiben.“

„Ausgezeichnete Idee!“, kicherte Mrs Ankrum.

„Was soll ich schreiben, Madam? Wollen Sie die Einladung annehmen?“

„Aber gewiss! Evelyn ist meine beste Freundin. Und ihre Partys sind berühmt.“

Die Zofe fasste Mut und fragte neugierig: „Werden Sie das Rote Emblem tragen, Madam?“

Mrs Ankrum fuhr herum und starrte das Mädchen misstrauisch an.

„Wie kommen Sie darauf?“ fragte sie hastig. „Warum fragen Sie? Das Rote Emblem ist einer der größten Rubine, die es auf der ganzen Welt gibt. Er ist so wertvoll, dass ich ihn nur zu ganz wichtigen Anlässen trage. Ganz bestimmt nicht zu einem Wohltätigkeitsbasar bei dieser albernen Evelyn! Ich möchte bloß wissen, warum Sie sich dafür interessieren!“

Das Mädchen senkte die Augen.

„Verzeihen Sie meine Neugier, Madam. Aber ich würde ihn gern einmal zu sehen bekommen. Ich liebe schöne Dinge.“

„Hm. Ist das alles?“, fragte Mrs Ankrum, ohne ihren Argwohn zu verbergen.

„Natürlich! Oder verdächtigen Sie mich etwa, dass ich ihn stehlen möchte, Madam?“, rief die Zofe gekränkt.

Mrs Ankrum beruhigte sich etwas.

„Ich verdächtige jeden Menschen, ihn stehlen zu wollen“, murmelte sie halb entschuldigend. „In letzter Zeit haben sich die Einbrüche und Raubüberfälle gehäuft, bei denen wertvoller Schmuck die Beute war. Nein, natürlich verdächtige ich nicht Sie persönlich, Myra. Zu Ihnen habe ich Vertrauen. Sie sind eine ideale Zofe. Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen und werde sogar Ihren Lohn erhöhen.“

*

Myra war eine höchst ungewöhnliche Zofe.

Zunächst hieß sie gar nicht Myra, sondern Carol Baldwin. Und es war das erste Mal, dass sie sich in diesem Beruf versuchte.

Sie tat es im Auftrag der Schwarzen Fledermaus ‒ ihres Freundes. Mrs Ankrum war nicht die Einzige, die von den Juwelenrauben gehört hatte. Und die Schwarze ­Fledermaus fing an, sich für diese Sache zu interessieren.

Carol Baldwin war ein Mädchen, das sich in jeder Situation zurechtfand. Für gewöhnlich war sie lebhaft, geschmackvoll gekleidet und so auffallend hübsch, dass die Männer auf der Straße stehenblieben, um ihr nachzusehen. Jetzt verwendete sie wenig Make-up und gab sich so bescheiden und unscheinbar wie eine Maus.

Ihr Arbeitstag im Hause Mrs Ankrums war um sechs Uhr dreißig zu Ende. Danach verließ sie die Luxuswohnung in dem großen, teuren Wohnblock, fuhr mit dem Lieferantenaufzug hinunter und trat auf die Seitenstraße hinaus. Sie wandte sich nach links und ging zur nächsten Bushaltestelle.

Wäre sie etwas schneller gegangen, so hätte sie bequem den Bus erreichen können, der sie gerade überholte. Aber sie schien keine Eile zu haben und erreichte die Haltestelle, als er bereits abgefahren war.

Noch ein anderer Fahrgast hatte keine Eile ‒ ein breitschultriger Riese, der soeben angeschlendert kam und sich dann gegen einen Laternenpfahl lehnte, um auf den nächsten Bus zu warten.

Er war breit wie ein Panzerschrank, mit einem mächtigen Schädel zwischen den breiten Schultern. Seine Fäuste sahen aus wie Schaufeln. Und man konnte sich vorstellen, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen war. Aber sein Gesicht war so gutmütig wie das eines Kindes.

Carol kaufte sich eine Zeitung am nächsten Stand, stellte sich dann ebenfalls an die Haltestelle und schien sich in die Lektüre zu vertiefen. In Wirklichkeit hielt sie die Zeitung so, dass man ihr Gesicht nicht sehen konnte, und flüsterte dem Muskelmann an der Haltestelle verstohlen zu.

„Mistress Ankrum trägt das Rote Emblem diese Woche nicht.“

Der Riese kaute gleichgültig an einem Streichholz und glotzte dumm ins Leere. Aber er hörte sehr aufmerksam auf das, was Carol ihm sagte, und nickte unmerklich.

Sie fuhr leise fort. „Sie hat Angst ‒ wegen der vielen Juwelenraube, von denen sie gelesen hat. Ich werde heute Abend Augen und Ohren offen halten, wenn ich in meiner neuen Pension bin. Ich werde versuchen, zur gewohnten Zeit anzurufen. Bleib erreichbar, Butch. Vielleicht brauche ich dich. Dann musst du als mein Verlobter aufkreuzen. Du nennst dich dann Hank Leonard. Merk dir den Namen.“

Und lächelnd fügte sie hinzu. „Wenn es nötig sein sollte, dass du mich umarmst, um die Sache echt erscheinen zu lassen ‒ dann bremse deine Muskeln etwas und denk, dass ich nur eine schwache Frau bin!“

Der Riese verzog keine Miene.

Gleich darauf kam der nächste Bus.

Carol stieg ein, ohne dem Riesen einen Blick zu schenken.

Er stieg ebenfalls ein, beachtete sie aber ebenso wenig wie sie ihn.

Sie sah sich nicht um, als er zwei Haltestellen weiter ausstieg.

Sie selbst fuhr etwa zwanzig Minuten, bis der Bus in einer Vorstadtstraße hielt.

Hier gab es keine Wolkenkratzer, keine großen Wohnblocks. In dieser Gegend standen große, alte Privathäuser, die früher von wohlhabenden Familien bewohnt wurden. Jetzt dienten viele dieser Häuser als Pensionen, deren Inhaberinnen auf Vorauszahlung der Miete bestanden.

Das letzte Haus am Ende einer Sackgasse war eines der größten. Es enthielt dreißig Zimmer. Die meisten waren an Stubenmädchen, Chauffeure und Herrschaftsdiener vermietet.

Carol hatte hier ein kleines, aber behagliches Zimmer im Dachgeschoss.

Sie nahm auch ihre Mahlzeiten im Hause ein. Das war hier so üblich.

Das Essen war erstaunlich gut ‒ besser als in manchen der Herrschaftshäuser, in denen diese Hausangestellten arbeiteten. Bei dem nicht allzu hohen Pensionspreis gab dieser Umstand Carol zu denken. Das Essen wurde übrigens berechnet, gleichgültig, ob es verzehrt wurde oder nicht. Das bewirkte, dass fast alle Mieter ständig ihre Mahlzeiten hier einnahmen. Und dabei wurde natürlich mit Vorliebe über die Familien geschwatzt, bei denen sie arbeiteten.

In der Halle traf Carol einige Mädchen, die sie kannte. Sie blieb stehen, um ein paar Worte mit ihnen zu wechseln.

Sie begrüßte betont freundlich ein schlankes, übertrieben geschminktes Stubenmädchen namens Linda. Diese Linda hatte ihr ausdrücklich diese Pension empfohlen. Sie arbeitete bei einer anderen Familie in dem Wohnblock, in dem auch die Ankrums ihr Appartement hatten. Carol hatte das Gefühl, dass Lindas Empfehlung kein reiner Zufall war. Aber gerade deshalb bemühte sie sich immer, zu diesem Mädchen besonders liebenswürdig zu sein.

Die Pensionsinhaberin, Mrs Carter, kam vorbei und beehrte Carol mit einem süßsauren Lächeln.

Mrs Carter war groß und hager wie eine Bohnenstange. Sie kleidete sich nach der Mode ihrer Jugend, die schon einige Jahrzehnte vorüber war. Ihr strähniges Haar trug sie hoch auf dem Kopf zu einer Art Vogelnest zusammengedreht. Und ihr langer, dürrer Hals steckte in einem weißgestärkten Stehkragen.

Ihren Pensionsgästen gegenüber versuchte sie, die liebenswürdige Wirtin zu spielen. Aber es gelang ihr nie, auch nur ein wenig echte Herzlichkeit in ihren Gesichtsausdruck zu legen. Wenn ihr Mund auch manchmal heuchlerisch lächelte ‒ ihre Augen blieben immer hart und kalt.

Carol ging auf ihr Zimmer und zog sich um.

Sie rauchte noch eine Zigarette. Dann untersuchte sie ihre beiden Koffer.

Beide waren verschlossen. Aber bei genauer Untersuchung stellte sie fest, dass sie während ihrer Abwesenheit geöffnet und wieder verschlossen worden waren.

Sie hatte etwas Ähnliches erwartet. Darum hatte sie nichts mitgenommen, was ihre Identität oder ihre Absichten verraten konnte. Die Schwarze Fledermaus hatte sie vorher gewarnt.

Pünktlich um acht Uhr ging Carol zum Essen hinunter.

Man traf sich in dem großen Speisesaal an einer Tafel, die früher für große Bankette benutzt worden war. Sie war T-förmig aufgebaut.

Die Pensionswirtin saß am Kopfende der Tafel, von wo aus sie alles übersehen konnte. Der Blick ihrer kalten Vogelaugen wanderte ständig von einem ihrer Gäste zum anderen.

Links neben der Wirtin saß Jacques.

Seinen Familiennamen kannte Carol nicht. Alle wussten nur, dass er Jacques hieß. Seine genaue Stellung in diesem seltsamen Haushalt war niemandem so recht klar. Er schien jedenfalls Hahn im Korb. Und Carol hatte bemerkt, dass Mrs Carter sich gelegentlich von ihm herum­kommandieren ließ, als gehöre die Pension ihm und nicht ihr.

Dieser Jacques war Carol von Anfang an unsympathisch und sogar unheimlich.

Er war so fett, dass er wie eine Tonne wirkte. Seine Wangen sahen aus, als ob er sie ständig aufbliese. Und sein Kinn hing in mehreren Stufen bis auf seine Brust hinunter.

Seine Augen waren hinter dicken Brillengläsern verborgen, die ihren Ausdruck völlig verzerrten. Man konnte nicht sagen, ob die Augen groß oder klein, rund oder schmal waren und welche Farbe sie hatten. Das gab ihm etwas Unheimliches und Beklemmendes.

Der Stuhl zu Mrs Carters Rechten war an diesem Abend leer. Dort pflegte Mrs Carters Sohn zu sitzen, wenn er zu Hause war.

Der junge Mann hieß Compton Carter und war Carol nicht viel sympathischer als Jacques. Er hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht und ein mürrisches Wesen. ­Compton Carter war allerdings nur selten da. Und von den Gästen schien das keiner zu bedauern.

Als Carol den Speisesaal betrat, war dieser bereits von lebhaftem Stimmengewirr erfüllt. Die Mädchen schwatzten während der ganzen Mahlzeit. Und Mrs Carter und Jacques bemühten sich sichtlich, sie noch dazu zu ermuntern.

Carol erriet, warum.

Jetzt zum Beispiel führte ein junges Mädchen das große Wort, das bei einer gewissen Mrs Collier, der Gattin eines Millionärs, angestellt war.

Das Mädchen erzählte lang und breit von dem herrlichen Diamantenhalsband, das ihre Arbeitgeberin an diesem Abend trug.

Die anderen Gespräche erstarben nach und nach, und alle hörten zu.

„Zwei Detektive der Versicherungsgesellschaft haben es ins Haus gebracht“, erzählte das Mädchen wichtig­tuerisch. „Morgen holen sie es wieder ab.“

„Tatsächlich?“, fragte Jacques interessiert.

„Ja ‒ ich glaube, sie kamen in einem Panzerwagen Ihr solltet das Halsband sehen! Das funkelt und blitzt wie tausend Feuer! Mistress Collier wird heute Abend alle anderen Damen aus dem Feld schlagen!“

So ging das Geschwätz weiter.

Carol hörte sich alles an und hielt Augen und Ohren offen. Aber sie selbst beteiligte sich nur selten am Gespräch.

Nach dem Essen saß Carol eine Weile auf der Veranda.

Eines der Mädchen kam hinaus, um sie zu holen.

Der dicke Jacques hatte nach ihr geschickt.

Er kam ihr entgegen und begrüßte sie mit einem öligen Lächeln.

„Wir machen heute Abend eine kleine Filmvorführung“, erklärte er ihr. „Ein paar komische Kurzfilme und einen Film von der letzten Pariser Modenschau. Solche Vorführungen machen wir regelmäßig an einem Abend in der Woche. Wir tun alles, um den Mädchen den Aufenthalt bei uns so angenehm wie möglich zu machen.“

Carol nickte ihm strahlend zu.

„Ja, das tun Sie wirklich! Ich fühle mich hier schon wie zu Hause. Und ich freue mich riesig auf die Modenschau!“

Sie hätte gern die Augen des fetten Mannes gesehen, die sich hinter den dicken, verzerrenden Brillengläsern verbargen. Blickten sie ruhig und harmlos ‒ oder waren sie argwöhnisch zu schmalen Schlitzen zusammengezogen? Es war ihr immer äußerst unangenehm, mit ihm zu reden, ohne seine Augen sehen zu können. Seine Brille verschaffte ihm stets einen großen Vorteil über seinen Gesprächspartner.

Er forderte sie mit einer Geste auf, wieder in den Speise­saal zu kommen, wo die Filmvorführungen stattfinden sollten.

Die große Tafel war an die Wand geschoben worden, die Stühle zu improvisierten Sitzreihen aufgestellt, Leinwand und Projektor waren bereits an ihrem Platz.

Mrs Carters mürrischer Sohn, Compton Carter, tauchte von irgendwoher auf und begann, sich mit dem Apparat zu beschäftigen.

Sein Blick fiel auf Carol, und er lächelte ihr zu ‒ wenn man sein wölfisches Zähneblecken so nennen wollte.

Der fette Jacques blieb an der Tür stehen, als müsse er die Pensionsgäste zählen, wenn sie an ihm vorbeikamen.

Man erwartete, dass alle Gäste an diesen wöchentlichen Veranstaltungen teilnahmen. Und alle erschienen tatsächlich, zum Teil, um ihre Wirtin nicht zu kränken, zum Teil, weil es wirklich immer irgendeine Attraktion gab wie zum Beispiel heute die Vorführung der letzten Pariser Modelle. So etwas interessierte natürlich alle Frauen.

Der Schwarzen Fledermaus war es aufgefallen, dass regelmäßig am Tag nach diesen Veranstaltungen in den Zeitungen von irgendeinem neuen Juwelenraub zu lesen war. Und häufig war eine der Familien betroffen, deren Hauspersonal in Mrs Carters Pension wohnte. Allerdings nicht immer. Carol fragte sich deshalb, ob es noch andere ähnliche Pensionen in der Stadt gab.

Carol suchte sich einen Stuhl in der Nähe der Tür. Sie war entschlossen, sobald das Licht ausging, bei erster Gelegenheit aus dem Saal zu schlüpfen. Sie hatte einen Anruf zu tätigen, und vom Haus aus wagte sie nicht zu telefonieren. Sie war sicher, dass hier alle Gespräche abgehört wurden. Es war wichtig, dass die Schwarze ­Fledermaus von dem Geschwätz der Zofe über Mrs ­Colliers Diamantenhalsband erfuhr.

Sobald die Filmvorführung im Gange war, erhob Carol sich leise und drückte sich aus dem Saal. Unbemerkt, wie sie glaubte. Jacques hatte seinen Posten an der Tür aufgegeben. Sie konnte ihn nirgends bemerken. Und alle anderen hatten ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Film gerichtet.

Carol wusste, dass zwei Häuserblocks weiter ein Drugstore mit Telefonzellen war, und schlug diese Richtung ein. Sie hoffte, ihren Anruf rasch erledigen und dann ebenso unbemerkt wieder ins Haus schlüpfen zu können.

Bevor sie den Drugstore betrat, warf sie einen Blick durch eines der Fenster ins Innere.

Sie sah mehrere Leute, aber keiner von ihnen schien ihr verdächtig.

Rasch trat sie ein und ging geradewegs auf eine der Telefonzellen im Hintergrund des Ladens zu.

In der Zelle öffnete sie ihre Handtasche und entnahm ihr außer der Telefonmünze einen kleinen Spiegel. Während sie sich dem Telefon zuwandte, hielt sie den Spiegel so, dass sie in ihm den Laden im Auge behalten konnte.

Sie warf ihre Münze ein und wählte. Silk, der Diener und Vertraute der Schwarzen Fledermaus, meldete sich.