Die Schwarze Fledermaus 50: Geister der Vergangenheit - G.W. Jones - E-Book

Die Schwarze Fledermaus 50: Geister der Vergangenheit E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Ein Wohnungseigentümer wird bei einem Einbruch erschossen. Der Täter, ein ehrbarer junger Mann, steht vor einer erfolgreichen beruflichen Karriere. Die Schwarze Fledermaus stellt sich die Frage, warum dieser ausgezeichnete Student zum Kapitalverbrecher wurde.

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 50

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

6039 – Verräterische Spuren von G. W. Jones

6040 – Regie des Todes von G. W. Jones

6041 – Wer überlebt, stirbt! von G. W. Jones

6042 – Quinn unter Verdacht von G. W. Jones

6043 – Wölfe jagen im Rudel von G. W. Jones

6044 – Das Versteck am See von G. W. Jones

6045 – Johnny Hampelmann von G. W. Jones

6046 – Der Todeskandidat von G. W. Jones

6047 – Der vergessene Mord von G. W. Jones

6048 – In der Stadt lauert der Tod von G. W. Jones

6049 – Die Giftschlange von G. W. Jones

6050 – Geister der Vergangenheit von G. W. Jones

G. W. Jones

Geister der Vergangenheit

Aus dem Amerikanischenvon W. Arnemann

Das Abenteuer Geister der Vergangenheit erschien im April 1948 unter dem Titel Inheritance of Murder in dem amerikanischen ­Magazin Black Book Detective.

Die Schwarze Fledermaus

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-050-5

Kapitel 1

Von den großen Herrensitzen wie dem der Nortons, zu denen weit ausgedehnte, hektargroße Liegenschaften gehörten, waren nicht viele übriggeblieben, schon gar nicht in der Nähe einer Millionenstadt wie Chicago. Unter einem mächtigen, schmiedeeisernen Tor begann ein gewundener Weg, der in der Auffahrt vor dem massiven Portal mit vier weißen Pfeilern endete.

Der gleiche Eindruck großzügiger Gestaltung herrschte auch im Innern vor, doch ließ das Haus die Kälte vermissen, die solche weiträumigen Bauten gewöhnlich ausstrahlen. Seine warme Atmosphäre verriet vielmehr den kultivierten Geschmack der Besitzer. Ein lebens­großes Gemälde Paul Nortons, dem dieses Anwesen einst gehört hatte, der nunmehr aber schon seit über sechs Jahren tot war, hing im Empfangssalon und fiel dem Eintretenden sofort ins Auge. Der Tisch im Esszimmer bot mit Leichtigkeit zwanzig Gästen Platz. Im Augenblick saßen vier Personen an ihm, die von einem Dienstmädchen in schwarzem Kleid und weißem Schürzchen bedient wurden.

Den Platz am Kopfende des Tisches nahm Lila ­Norton ein, eine schlanke, grauhaarige Frau mit regelmäßigen, angenehmen Gesichtszügen, die ein teures Kleid trug. Auch mit fünfundfünfzig Jahren war sie noch eine schöne Frau, die des unauffälligen Make-ups, das sie aufgelegt hatte, kaum bedurfte.

Zu ihrer Rechten saß ihr Sohn Richard, ein stattlicher junger Mann mit breiten Schultern und athletischem Körperbau. Er hatte welliges schwarzes Haar und dunkle Augen, in denen ein brütender Ausdruck lag. Um seinen Mund spielte fast immer ein leichtes Lächeln.

Zu Gast waren Ralph Blane und seine Frau, ein Ehepaar, das gleichfalls zu den oberen Zehntausend gehörte. Es war eine ruhige Abendgesellschaft und eine angenehme dazu, wie Blane mit einem Lächeln zu Richard Norton sagte.

„Sie haben nun Ihr Studium abgeschlossen, Dick“, äußerte er, „und ich muss schon sagen, Sie haben sich im Examen prächtig geschlagen. Ist es nicht an der Zeit, dass Sie sich nach einer Tätigkeit umsehen? Ich wäre gern bereit, Ihnen in der Finanzwelt zum Start zu verhelfen, und bei dem Ansehen, in dem Ihr Vater gestanden hat, möchte ich annehmen, dass Sie es weit bringen werden.“

Dick Norton nickte.

„Sehr freundlich von Ihnen, Mister Blane. Vielleicht werde ich Ihr Angebot akzeptieren, aber nicht sofort. Ich versuche noch, mir über mich selbst klarzuwerden, und dazu brauche ich ein wenig Zeit. Meine Mutter versteht das, nicht wahr, Mutter?“

Mrs Norton lächelte und legte eine Hand auf den Arm ihres Sohnes.

„Du weißt, dass ich dich nie gedrängt habe, etwas zu beginnen, auf das du dich noch nicht genügend vorbereitet fühltest, Dick. Ich bin stolz auf dich. Nicht jeder Student besteht sein Examen mit Auszeichnung.“

„Und ist dabei noch so beliebt wie Dick“, ergänzte Mrs Blane. „Du solltest nur erleben, wie sich die Mädchen um ihn reißen, Lila. Er gibt keiner den Vorzug, und sie stellen alles Mögliche an, damit er auf sie aufmerksam wird. Dein Sohn ist wirklich in jeder Hinsicht ein ungewöhnlicher junger Mann.“

Dick grinste.

„Auch, um mir über die Frauen klarzuwerden, brauche ich Zeit, Mistress Blane. Sofern es irgend geht, überhaste ich nichts. Ich möchte mein Ziel kennen, damit ich es rasch erreiche, wenn ich einmal darauf zusteure.“

„Er ist wie sein Vater“, meinte Mrs Norton liebevoll. „Nun, Dick, du brauchst nicht länger zu bleiben. Ich weiß, dass ein junger Mann manches lieber tut, als sich in unserer Gesellschaft zu langweilen. Also fort mit dir! Komm aber früh nach Hause!“

Dick schob seinen Stuhl zurück und stand auf.

„Danke, Mutter!“ Er verbeugte sich vor den Gästen. „Es war wirklich schön, dass Sie uns wieder einmal aufgesucht haben. Und Dank nochmals für Ihr Angebot, Mister Blane, auf das ich vielleicht wirklich einmal eingehen werde.“

„Das können Sie jederzeit“, erwiderte Blane herzlich. „Jederzeit, Dick. Einen jungen Mann wie Sie kann ich immer brauchen.“

Nachdem Dick nach oben gegangen war, wandte Blane sich an Mrs Norton.

„Wirklich ein ungewöhnlicher Bursche. Ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn er seinen Weg nicht machen würde. Er wirkt auf den ersten Blick sympathisch, ist gut erzogen, sieht blendend aus und gibt sich bei aller Höflichkeit ungezwungen. Ich möchte ihm eine große Karriere vorhersagen, Lila. Du kannst stolz auf ihn sein.“

Lila Norton strahlte. „Ich bin es auch, Ralph. Wie ich ohne ihn über die Zeit nach Pauls Tod hinweggekommen wäre, weiß ich heute noch nicht. Dick hat mir nie auch nur den geringsten Ärger bereitet. Er kommt früh nach Hause, sucht sich seine Freunde sorgfältig aus, spielt nicht, und ich habe niemals festgestellt, dass er nach Alkohol roch. Ich musste ihn sogar drängen, damit er sich das Rauchen angewöhnte.“ Sie lachte. „Einem Laster sollte mein Sohn doch wenigstens frönen.“

Auf seinem Zimmer band Dick Norton seine gedeckte Krawatte um, zog das Seidentuch zurecht, das in seiner Brusttasche steckte, und fuhr sich rasch mit dem Kamm durch die Haare. Er schlüpfte in einen Mantel, musterte sich erneut im Spiegel und lächelte breit.

Dieses Lächeln wies eine bemerkenswerte Eigenart auf. Es umspielte nur seine Lippen. Seine Augen blieben dunkel und zeigten keine Spur von Fröhlichkeit.

Im Mantel kehrte Dick ins Esszimmer zurück, küsste seine Mutter liebevoll und verabschiedete sich von den übrigen. Er verließ das Haus und holte einen kleinen Sportzweisitzer aus der Garage, den er gemächlich die Auffahrt hinunterrollen ließ. Auf der Straße schlug er die Richtung zur Stadt ein.

Nach zwei Meilen beschlich ihn das unheimliche Gefühl, er werde verfolgt. In seinem Rückspiegel war jedoch kein Scheinwerferpaar zu erkennen, das stets in gleicher Entfernung hinter ihm blieb. Trotzdem wollte das sonderbare Empfinden nicht von ihm weichen, sodass er endlich an den Straßenrand fuhr und auf die Bremse trat. Er wartete eine geraume Weile. Aber kein Wagen fuhr vorüber, und so setzte er seine Fahrt fort.

In der Stadt hielt er vor einem eleganten, großen Hotel, wo er den Wagen dem Portier übergab, der ihn kannte. Dick ging in die Halle, gab Hut und Mantel an der Garde­robe ab und tanzte, nachdem er einen überfüllten Saal betreten hatte, mit einem reizvollen Mädchen. Von allen Seiten wurde er begrüßt und grüßte freundlich und ungezwungen zurück.

Zum zweiten Tanz forderte er ein attraktives, blond­haariges Mädchen von achtzehn oder neunzehn Jahren auf. Die beiden gaben ein hübsches Paar ab und unterhielten sich angestrengt beim Tanzen.

„Dein Vater will doch wohl eine Rede halten?“, erkundigte sich Dick.

„Dad lehnt nie eine Aufforderung zum Reden ab“, entgegnete das Mädchen mit mokantem Lächeln. „Und Mutter sitzt da und bewundert seine ausdrucksvolle Sprechweise, wenn sich alle anderen Zuhörer schon längst langweilen. Können wir nicht wenigstens eine Weile irgendwo anders hingehen, Dick, wo man heißere Musik macht als hier?“

Dick schüttelte den Kopf. „Das wäre unfair. Dein Vater ist wirklich ein gewandter Redner, und ich möchte mir anhören, was er sagt. Hinterher komme ich an deinen Tisch, und dann können wir vielleicht ein anderes Tanzlokal besuchen.“

Das Mädchen, das sich geschmeichelt fühlte, war erfreut und zeigte es auch. Nach einer Weile brachte Dick sie an ihren Tisch zurück und warf dann einen Blick auf seine Armbanduhr. Sie zeigte zwanzig Minuten vor neun. Um halb zehn sollte Kenneth Porter, der Vater des Mädchens, seine Ansprache beginnen, und bis zehn Uhr würde er mindestens reden.

Dick ging ins Foyer, zündete sich eine Zigarette an und schlenderte durch eine Seitentür ins Freie, als hätte er vor, einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft zu machen. Sobald er um die nächste Ecke gebogen war, beschleunigte er seine Schritte. Dabei schlug er den Kragen seines Jacketts hoch, um seine weiße Hemdbrust und den teuren Binder zu verbergen. Nachdem er auch sein Haar noch zerwühlt hatte, indem er einmal mit den Fingern durch seine Frisur fuhr, wechselte er in eine schleppende Gangart über, behielt aber sein rasches Tempo bei.

Während er die Richtung zur Innenstadt einschlug, befiel ihn wieder das Gefühl, beobachtet zu werden. Er schob das Kinn vor und begann mit einer Reihe von Manövern, um den Verfolger zu erkennen.

Er bog plötzlich um eine Ecke und blieb sofort stehen. Tatsächlich kam kurz darauf ein kleiner, eleganter Mann um dieselbe Ecke. Er blieb aber weder stehen, noch schenkte er Dick Norton auch nur die geringste Beachtung. Wie ein Cop oder Privatdetektiv wirkte er nicht, eher schon wie der Bedienstete einer gutsituierten Familie.

Dick stieß einen erleichterten Seufzer aus und setzte sich wieder in Bewegung. Er eilte in einen U-Bahn-Schacht, lief die Treppe hinunter und erreichte den Bahnsteig. In der Ferne vernahm er das Rollen eines heranbrausenden Zuges, dann ganz nahe das rasche Klappern hoher Absätze. Dick behielt die Stufen unauffällig im Auge. Durch das Drehkreuz kam eine außergewöhnlich hübsche Blondine.

Unter anderen Umständen wäre Dick in Versuchung geraten, sie unter irgendeinem Vorwand anzusprechen. Mit ihrem frischen Teint und den klaren blauen Augen hätte das Mädchen jeder Titelbildschönheit Konkurrenz machen können. Ganz zu schweigen von der Figur, mit der sie im Badeanzug und bei einer Misswahl kaum schlecht abgeschnitten hätte.

Doch in dieser Nacht hatte Dick kein Interesse für sie. Er spürte nur Erleichterung, weil kaum anzunehmen war, dass sie ihm nachgespürt hatte. Um dennoch kein Risiko einzugehen, beobachtete er sie auch im Zug. Sie stieg bald wieder aus, und Dick schalt sich wegen seines Argwohns einen Narren.

Im unteren Teil der Stadt verließ er die U-Bahn, erreichte die Straße und wandte sich nach Westen. Das Viertel, in dem er ausgestiegen war, gehörte zu den Slums. Schmutzige Mietshäuser wechselten mit billigen Absteigen und noch billigeren Kneipen. Dick hielt sich im Schatten und warf gelegentlich einen Blick auf die Uhr. Danach ging er jedes Mal schnell weiter.

Das Gefühl, verfolgt zu werden, unterdrückte er gewaltsam. Er sagte sich, dass er wahrscheinlich nur nervös war, denn wie, um alles in der Welt, sollte ihm jemand auf die Spur gekommen sein? Trotzdem blieb er aus Gewohnheit dann und wann unvermittelt stehen, brannte sich eine Zigarette an und warf einen forschenden Blick in die Runde.

Die Straße lag nahezu verlassen vor ihm. Ein Betrunkener stolperte an ihm vorbei und murmelte sinnloses Zeug vor sich hin. Dick, der wiederum seinen Schritt verhalten hatte, wartete einige Minuten lang, schnippte dann seine Zigarette in den Rinnstein und stieg eilig die Stufen eines schon reichlich baufälligen Mietshauses hinauf.

Mit einem Schlüssel öffnete er die Tür und schaute nochmals zurück, ehe er sie hinter sich schloss. Er gewahrte niemanden, der ihn beobachtet haben konnte, und doch war dies geschehen. Ganz in der Nähe drückte sich ein riesenhafter Mann in eine dunkle Einfahrt.

Dick Norton stieg drei Treppen hinauf, schob einen zweiten Schlüssel ins Schloss einer Tür und betrat eine Vier-Zimmerwohnung. Sie war armselig möbliert und roch nach schalem Bier und Zigarettenqualm. Dick warf seinen Mantel über einen Sessel, verriegelte die Tür und ging zu einem Wandsims, auf dem zwei Flaschen und mehrere Gläser standen.

Er goss sich ein halbes Glas voll und trank es mit zwei Zügen aus. Dann zündete er sich eine Zigarette an und behielt sie im Mundwinkel, während er hastig seine Kleider wechselte und in einen billigen, dunkelbraunen Anzug fuhr, unter dem er ein Hemd von derselben Farbe trug. Er setzte einen zerbeulten alten Hut auf und zog ihn tief in die Stirn. Schließlich verbarg er seine Augen noch hinter einer Brille mit dunklen Gläsern und musterte sich dann im Spiegel.

Aus einem Schrankfach holte er eine schwerkalibrige Automatic und lud sie. Ein Totschläger, der aus einer lederüberzogenen Bleikugel bestand, wanderte gleichfalls in seine Tasche. Unter seine Jacke schnallte er einen Satz Einbrecherwerkzeuge. Sie waren klein, kunstvoll gefertigt und beulten sein Jackett nicht im Geringsten aus.

Eine Taschenlampe und ein Schlüsselbund vervollständigten seine Ausrüstung. Er hatte nicht länger als zehn Minuten in der Wohnung zugebracht. Sobald er die Straße wieder erreichte, eilte er zu einer Großgarage, wo ihn der Angestellte mit Pete begrüßte und offenbar gut kannte. Er stieg in einen Sedan von neutraler Farbe, dessen Schnelligkeit ihm für seine Zwecke genügte.

Am Seeufer entlang fuhr er zu den vornehmen Wohnbezirken Chicagos, die weit vom Schlachthofviertel und dem Industrielärm der Vorstädte entfernt lagen. Er hielt sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung und sah immer wieder in den Rückspiegel. Ein einzelnes Scheinwerfer­paar blieb beharrlich hinter ihm. Er verringerte das Tempo. Der Wagen, den er beobachtet hatte, überholte ihn und verschwand in der Dunkelheit. Am Lenkrad saß der kleine, gelassen wirkende Mann, dem Dick begegnet war, als er das Hotel verließ.

Binnen kurzem beunruhigte ihn ein zweites Scheinwerferpaar. Dick verfluchte sich als einen Feigling, der sich von Hirngespinsten verwirren ließ. Auch der zweite Wagen huschte an ihm vorbei. Er wurde von der bemerkenswert hübschen Blondine gefahren, der Dick in der U-Bahn begegnet war.

Weitere Scheinwerfer nahm er nicht wahr. Den Wagen, der nunmehr hinter dem seinen herfuhr, konnte Dick Norton nicht sehen, denn der Verfolger hielt sich ein gutes Stück hinter ihm und rollte ohne Licht dahin. Sein Fahrer war der Riese, der in der Einfahrt gegenüber von Dicks billiger Wohnung gestanden hatte.

Dick bog in ein elegantes Wohnviertel ein, parkte seine Limousine an einer dunklen Stelle, stieg aus und ging zu Fuß weiter. Als er einen Polizisten gewahrte, der seine Runde machte, sprang er über eine Hecke, duckte sich dahinter zu Boden und wartete, bis der Cop vorüber war.

Dann eilte er weiter, bis er ein vornehmes Haus erreichte. Im Flur brannte Licht, aber Dick war sicher, dass sich niemand in dem Haus aufhielt. Er wusste mit Bestimmtheit, dass der Eigentümer gerade eine langweilige Rede auf der Gesellschaft hielt, die er, Dick Norton, verlassen hatte. Die Frau des Hauses befand sich gleichfalls dort, und die Tochter wartete auf Dick Norton, der ihr versprochen hatte, sie später in irgendein Tanzlokal zu führen.

Dick grinste bei dem Gedanken daran vor sich hin, während er die Portaltreppe emporstieg und sich an die Arbeit machte. Mit einem funkelnagelneuen Schlüssel öffnete er mühelos die Tür. Er hatte den Schlüssel nach einem Wachsabdruck angefertigt, den er vom Schlüssel des Hauseigentümers genommen hatte.

Er wusste, wo sich der Wandsafe befand, und er wusste auch, dass er Juwelen im Wert von dreißigtausend Dollar enthielt, die die Familie aus ihrem Banktresor geholt hatte, weil sie am nächsten Morgen in aller Frühe verreisen wollte.

Dick benutzte seine Taschenlampe nicht. Er kannte jeden Zentimeter des Weges, den er sich oft genug eingeprägt hatte. Trotzdem wäre er fast über ein Sitzkissen gestürzt. In dem Bemühen, das Gleichgewicht zu wahren, stieß er polternd gegen einen Tisch. Er fluchte leise, entspannte sich dann aber wieder. Schließlich war das Haus leer. Was hatte er also zu befürchten?

Ohne Schwierigkeiten fand er den Safe und betätigte den Mechanismus, der die Wandtäfelung zurückgleiten ließ und die Safetür freigab. Seine Einbrecherwerkzeuge benötigte er nicht einmal. Er hatte zweimal neben dem Hausbesitzer gestanden, während dieser den Safe öffnete, und hatte sich die Zahlenkombination genau eingeprägt.

Er drehte die Scheibe, öffnete die Tür und griff nach den Kästchen, die das Geschmeide enthielten. Im nächsten Augenblick fuhr er hastig herum, duckte sich und zog seine Waffe. Irgendwo im Haus hatte er ein Geräusch vernommen, das sich anhörte, als würde ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und herumgedreht. Er entsicherte die Automatic und richtete sie auf die Tür.

Nichts geschah. Dick wusste, dass er keine Zeit mehr verlieren durfte. Möglichst bald, nachdem Porter seine Rede beendet hatte, musste er wieder im Hotel auftauchen. Mit seinen behandschuhten Händen zog er die Behälter aus dem Safe, öffnete sie nacheinander und verstaute ihren Inhalt in verschiedenen Taschen. Ein Bündel Banknoten, das er entdeckte, eignete er sich gleichfalls an.

Als er die Safetür geschlossen hatte, ließ er die Täfelung wieder an ihren Platz zurückgleiten. Sein Werk war getan.