Die schwarze Fledermaus 51: Der Mordmacher - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 51: Der Mordmacher E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Die Polizei steht vor einem Rätsel. Ein Mann wurde ermordet, doch der mutmaßliche Täter hielt sich zum Tatzeitpunkt viele hundert Kilometer entfernt vom Ort des Geschehens auf.Tony Quinn versucht in der Maske der Schwarzen Fledermaus dieses Rätsel zu lösen.

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 51

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

6039 – Verräterische Spuren von G. W. Jones

6040 – Regie des Todes von G. W. Jones

6041 – Wer überlebt, stirbt! von G. W. Jones

6042 – Quinn unter Verdacht von G. W. Jones

6043 – Wölfe jagen im Rudel von G. W. Jones

6044 – Das Versteck am See von G. W. Jones

6045 – Johnny Hampelmann von G. W. Jones

6046 – Der Todeskandidat von G. W. Jones

6047 – Der vergessene Mord von G. W. Jones

6048 – In der Stadt lauert der Tod von G. W. Jones

6049 – Die Giftschlange von G. W. Jones

6050 – Geister der Vergangenheit von G. W. Jones

6051 – Der Mordmacher von G. W. Jones

6052 – Die Lügenmörder von G. W. Jones

6053 – Stadt aus Hass von G. W. Jones

6054 – Mord im Rathaus von G. W. Jones

G. W. Jones

Der Mordmacher

Aus dem Amerikanischenvon Hublocher

Das Abenteuer Der Mordmacher erschien im Juni 1948 unter dem Titel The Murder Maker in dem amerikanischen ­Magazin Black Book Detective.

McGrath

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-142-7

Kapitel 1 – Eine Krankheit namens Verbrechen

Er war ungefähr einssechzig groß und gut proportioniert, einer der beweglichen Leute, die einen an lebende Puppen erinnern. In diesem Fall handelte es sich allerdings um eine schon recht alte Puppe; denn William Gallaway war über siebzig. Sein Gesicht wie auch seine leicht gebeugte Gestalt verrieten sein Alter, aber seine Augen und die Mentalität waren die eines jungen Mannes.

Er ging auf den großen Schreibtisch zu, hinter dem ein Mann saß, der allem Anschein nach blind war. ­William Gallaway sagte: „Mister Quinn, mein Name ist ­William Gallaway. Ich nehme an, Sie haben schon von mir gehört.“

Tony Quinn lächelte freundlich und streckte seinem Besucher unsicher die Hand hin, so, als ob er sich nicht ganz im Klaren darüber sei, wo dieser nun wirklich stand. Gallaway drückte die dargebotene Hand warm. Dann nahm er Platz.

Gallaway sagte: „Es ist wirklich überraschend, dass ein Mann wie Sie so viel im Kampf gegen das Verbrechen tun kann. Ich finde, unglaublich wäre der richtige Ausdruck dafür.“

Quinn lachte freundlich: „Mister Gallaway, was ich getan habe, ist im Vergleich mit Ihren Leistungen herzlich wenig. Und nicht nur im Zusammenhang mit Verbrechen ‒ Ihr Name wird auch in einem Atemzug mit jeder einigermaßen interessanten Sache genannt.“

Gallaway nickte zufrieden: „Ich glaube, wir haben uns gegenseitig genügend gelobt, wie wär’s, wenn wir zum geschäftlichen Teil übergingen?“

„Nein, noch etwas“, sagte Quinn schnell. „In den vergangenen sechs oder acht Monaten haben Sie ungewöhnliche Arbeit geleistet. Ich denke daran, dass Sie hohe Belohnungen für die Festnahme von berüchtigten Verbrechern ausgaben. Sie haben jeden Privatdetektiv und Kriminalisten angespornt, sein Bestmöglichstes zu geben. Sie haben von jedem einfachen Polizeibeamten angenommen, er habe wirklich zwei Paar Augen und zwei Paar Ohren. Ehrlich gesagt, Sie beherrschen die Kunst, Verbrechen aufzudecken, wie kein anderer. Nun möchte ich wissen, was Sie dazu bewogen hat.“

Gallaway kratzte sich am Kinn: „Vielleicht mein Egois­mus. Ich hänge eine Sache gern an die große Glocke. Vielleicht auch deshalb, weil ich beobachtet habe, wie das Verbrechertum sich immer mehr ausbreitet, und dass eingeschritten werden muss. Das Verbrechen ist mit Tuberkulose oder Krebs zu vergleichen. Es fasst Wurzeln und greift um sich. Riesensummen sind aufgewandt worden ‒ ich selbst habe einiges dazu beigesteuert ‒ um die Erreger von Krankheiten zu entdecken, die die Menschheit heimsuchen. Alles gut und schön, aber die Krankheit, die wir Verbrechen nennen, vernichtet nicht nur viele Leben, sondern zerstört obendrein Eigentum.“

„Und deshalb“, sagte Tony Quinn langsam, „haben Sie über eine Million Dollar investiert, um dem ­Verbrechen Einhalt zu gebieten. Vielleicht hilft es; es ist sogar ­anzunehmen.“

Gallaway rückte seinen Stuhl näher an den Schreibtisch heran und sah den Staatsanwalt einen Moment lang sinnend an. Er sah ein festes Kinn und volle Lippen, die zu einem raschen Lächeln bereit waren. Die breite Stirn und die stumpfen, leblosen Augen in den dunklen Höhlen. Die tiefen Narben, von der Säure eingeätzt, die Tony Quinn das Augenlicht geraubt hatte.

Gallaway sagte: „Ich glaube, annehmen zu dürfen, dass Sie sich fragen, warum ich zu Ihnen kam und auch noch auf absoluter Geheimhaltung bestehe. Um es ehrlich zu sagen, Mister Quinn, ich glaube, dass ich ermordet werden soll.“

Quinn hob die Augenbrauen. „Ermordet? Glauben Sie, die Unterwelt habe wegen der Aktion, die Sie gegen sie gestartet haben, einen Preis auf Ihren Kopf ausgesetzt?“

„Nein“, antwortete Gallaway geknickt. „Ich wollte, es wäre so harmlos. Ich wüsste genau, wie man mit solchen Leuten umspringt und wie ich mich vor ihnen schützen könnte. In diesem Fall entspringt die Drohung einer viel näherliegenden Quelle. Einer nämlich, gegen die ich nichts unternehmen kann, weil ich es nicht bestimmt weiß, und sollte ich fehlgreifen, nun ‒ es geschähe eine furchtbare Ungerechtigkeit.“

„Was gibt Ihnen denn Anlass, zu glauben, dass Sie sich in Gefahr befinden?“

Gallaway seufzte. „Bis jetzt habe ich zwei Mord­anschläge überlebt. Das erste Mal mit einem Wagen, ­dessen Fahrer offensichtlich die Kontrolle über das Steuer verloren hatte. Sollte der Fahrer tatsächlich mörderische Absichten auf mich gehabt haben, so hatte er sich nicht überlegt, dass ich für mein Alter noch recht flink bin. Ich bin ihm ausgewichen.“

„Und beim zweiten Mal?“

„Viel geschickter. Man könnte es teuflisch nennen. Diesmal war es Gift ‒ und es hätte fast seinen Zweck erfüllt. Aber das ist alles, was ich Ihnen darüber sagen kann, Mister Quinn. Ich weigere mich, irgendjemanden zu beschuldigen.“

Quinn machte eine hilflose Geste. „Wie soll ich Sie dann aber schützen?“

„Ich will nicht beschützt werden. Wenn ich umgebracht werde, dann ist eben Schluss. Ich bin ein sehr müder alter Mann. Ich habe herzlich wenig zu verlieren. Sollte es aber doch geschehen, dann wünsche ich, dass der Mörder verhaftet und bestraft wird.“

„Dann geben Sie uns also einen Fingerzeig?“, fragte Quinn.

„Sogar mehr als das.“ Gallaway entnahm seiner Tasche ein großes, braunes Kuvert. Es war dreifach versiegelt. Er legte es auf den Tisch, schob es Quinn zu und erwartete, dass er es an sich nähme. Als Quinn aber keine Anstalten machte, den Umschlag zu ergreifen, fiel es Gallaway ein, dass der Mann ja vollständig blind war.

Gallaway fuhr fort: „Ich habe gerade ein versiegeltes Kuvert auf Ihren Schreibtisch gelegt. Sperren Sie es bitte in Ihren Safe und heben Sie es auf. Ich möchte es ­jederzeit zurückverlangen können. Im Falle meiner Ermordung öffnen Sie es bitte. Sie werden darin den Namen des Mörders und die Gründe für seine Tat finden.“

Quinns Hand streifte über den Tisch, bis sie den Umschlag berührte. Er nahm ihn und legte ihn in seine Schreibtischschublade.

„Wie Sie wünschen, Mister Gallaway. Das Kuvert bleibt so lange verschlossen, bis Sie es zurück­verlangen, oder ‒ bis das eingetreten ist, was Sie befürchten. Natürlich kann ich diese Handlungsweise nicht befürworten.“

„Warum denn nicht?“, fragte Gallaway schnell.

„Weil es nicht ganz gesetzesmäßig ist. Ich könnte Ihre Angabe vielleicht nicht einmal als Beweis benützen. Trotzdem, wenn mir Ihr Hinweis ermöglicht, einen Mörder zu fassen, wird es seinen Zweck erfüllen.“

Gallaway streckte ihm die Hand nochmals hin, zog sie aber dann wieder zurück, da ihm eingefallen war, dass Quinn ja blind war.

Er sagte: „Vielen Dank. Ich kam zu Ihnen, weil ich glaube, dass Sie der fähigste Beamte im Büro der Staatsanwaltschaft sind.“

Quinn stand auf. „Mister Gallaway, sollte ein weiterer Anschlag auf Ihr Leben erfolgen, so möchte ich davon erfahren, um entsprechende Vorkehrungen treffen zu können. Betrachten Sie meine Besorgnis ruhig als selbstsüchtig, aber ich sehe es nicht besonders gern, dass einem Mann, der so viel für die Verhütung von Verbrechen tut wie Sie, etwas geschieht.“

Gallaway setzte mit beiden Händen seinen Hut auf und brachte ihn durch einen Kniff in eine Form, die nicht ganz zu seinem Alter passen mochte.

Er lächelte ein wenig.

„So viel kann ich Ihnen sagen ‒ selbst wenn ich in diesem Augenblick tot umfallen würde, mein Kampf gegen das Verbrechen ginge weiter. In meinem Testament habe ich festgelegt, dass ein guter Teil meines Nachlasses als Belohnung für die Ergreifung berüchtigter Gangster ausgesetzt wird. Guten Tag, mein Herr.“

Quinn setzte sich langsam nieder. Als sich die Tür hinter Gallaway geschlossen hatte, ging die Tür zu einem Nebenzimmer auf und ein kahlköpfiger, mittelgroßer Mann trat ein.

Silk sagte: „Hat man so was schon gehört. Der Mann weiß, dass er ermordet werden soll, und unternimmt nichts anderes dagegen, als uns den Namen des Mörders zu hinterlassen. In einem versiegelten Kuvert. Wie stehts, Sir? Soll ich es öffnen?“

Quinn verwarf die Idee. „Nein, Silk. Das Kuvert kommt in meinen Safe. Bitte, leg es gleich hinein. ­Gallaway weiß, was er tut, und ich werde versuchen, mit ihm zusammenzuarbeiten, obwohl es mich irgendwie komisch berührt.“

Silk nahm den Umschlag, den Quinn ihm hinhielt. „Glauben Sie, dass ein Mann wie er, mit seinem Geld ‒ und der Millionen verschenkt ‒, vielleicht nicht ganz bei Sinnen ist?“

„Alles andere als das. Gallaway ist noch immer so scharfsinnig wie damals, als er sich zum reichsten Mann des Landes hocharbeitete. Ich habe gemerkt, dass er mir die Beschreibung des Mannes, der nach seinem Leben trachtet, gegeben hätte, wenn er mir mehr Vertrauen hätte schenken können.“

Silk spottete: „Sie glauben doch nicht im Ernst, er wäre hergekommen, wenn er Ihnen nicht vertrauen würde, Sir?“

„So meine ich es nicht, Silk. Ich glaube eher, ­Gallaway befürchtet, dass er falsch kombiniert und dass ich als Staatsbeamter den Mann festnehmen müsste, dessen Namen er angeben würde. Aber ‒ Schluss damit. Wir haben an andere Dinge zu denken.“

Komischerweise konnten ihn aber die anderen Dinge auch nicht von den Gedanken an den Millionär und seine sonderbare Bitte abbringen. Am späten Nachmittag hatte Quinn sich alles zurechtgelegt. Er rief Silk zu sich.

„Gallaway wird mir als Tony Quinn wahrscheinlich nicht mehr sagen. Aber vielleicht der Schwarzen ­Fledermaus. Und deshalb wird Mister Gallaway heute Abend Besuch bekommen. Er wird sich darauf verlassen können, dass der Mann, dessen Namen er bekannt gibt, vorerst nicht gerichtlich belangt wird. In der Zwischenzeit kannst du Butch und Carol benachrichtigen, dass sie sich bereithalten. Ich habe ein komisches Gefühl in der Magengegend.“

Um halb sechs war Büroschluss, und bald danach ging Quinn zu seinem Wagen. Auf Silks Arm gestützt, bewegte er sich rasch vorwärts. Den schweren weißen Stock, den er dabeihatte, trug er fast immer unter dem Arm. Angestellte, die im gleichen Gebäude arbeiteten, grüßten ihn und er erwiderte die Grüße. Er machte ein so frohes Gesicht, als ob er sehen könnte.

Silk fuhr ihn nach Hause in eine der außerhalb der Stadt liegenden Wohngegenden, in der es anstatt Wolkenkratzern einstöckige Wohnhäuser, umgeben von großen Gärten, gab. Quinns Villa lag am Ende einer Einbahnstraße. Es war ein imposantes, großes Haus. Vom Gartentor führte ein Weg zur Haustür und von dort aus um das Haus herum in den dahinter liegenden Garten.

Hinter dem Anwesen lag eine kleine Seitenstraße, die wohl kaum mehr als ein Privatweg genannt werden konnte. Sie führte zur Garage hinter dem Haus. Außer Tony Quinn benutzte sie niemand.

Silk bereitete das Abendessen zu. Quinn hörte die Nachrichten, bis er feststellen musste, dass er kaum hinhorchte. Seine Gedanken waren zu sehr William ­Gallaway und dessen Problemen zugewandt.

Nach dem Essen ruhte Quinn sich in der Bibliothek aus. Es war ein hoher, großer Raum, alle vier Wände mit Bücherregalen angefüllt. Quinn setzte sich in einen alten Ledersessel vor den offenen Kamin. Er griff nach Tabak und Pfeife. Die Bewegungen waren die eines Blinden.

Trotzdem konnte Tony Quinn besser sehen als ein Durchschnittsmensch. Seine Blindheit war vorgetäuscht ‒ und er hatte gute Gründe dafür. Die Unterwelt kannte ihn als eine in schwarz gehüllte, Unheil bringende Gestalt, nämlich die Schwarze Fledermaus. Wenn man wüsste, dass Tony Quinn diese Gestalt verkörperte, hätte er nur noch wenige Tage oder Stunden zu leben gehabt. Es lag im Interesse seiner Sicherheit, dass er sein Doppel­leben geheim hielt.

Um acht Uhr wurde Quinn unruhig. Um acht Uhr fünfzehn rief er Silk, der sämtliche Vorhänge in der Bibliothek zuzog. Daraufhin erhob Quinn sich schnell. Seine Bewegungen waren nicht die eines Blinden. Seine Augen waren nicht mehr trüb und tot, sondern sehr lebhaft. Er trat auf ein Bücherregal zu, langte hinter die Bücherwand und drückte einen Knopf. Eine geschickt versteckte Tür öffnete sich, und Quinn betrat das weiß getäfelte Laboratorium. Er machte einen Stahlschrank auf und entnahm ihm einen schwarzen Anzug. Dann zog er sich rasch um.

Bald darauf betrachtete er sich kritisch im großen ­Spiegel.

Sein Kopf steckte in einer eng anliegenden Haube. Sie sollte nicht zu einem billigen theatralischen Aussehen beitragen; aber wenn Tony Quinn ohne diese Haube ausgegangen wäre, hätten ihn die Narben um seine Augen verraten.

Er ließ eine schwere Automatik in eine Schultertasche gleiten, glättete das darüber liegende Jackett und streifte eng anliegende Handschuhe über. Dann nahm er die Haube wieder ab. Sie würde in der Öffentlichkeit zu viel Aufsehen erregen, und er ersetzte sie durch einen breitkrempigen Hut.

In der Zwischenzeit hatte Silk das Haus abgesperrt und war dabei, den Wagen aus der Garage zu fahren. Die Schwarze Fledermaus ging zur Hinterwand des Labors, fasste den Eisenring im Boden und hob eine Falltür hoch. Er kletterte eine kurze Leiter hinab in einen engen Tunnel, durch den er eine hinter dem Wohnhaus liegende Gartenlaube erreichte. Von hier aus war es nur ein Katzen­sprung bis zu der Gartentür, an der Silk ihn erwartete.

Die Schwarze Fledermaus glitt in die Dunkelheit. Sein Blick durchsuchte das Dunkel; seine Ohren waren ganz auf Geräusche eingestellt, die von einem Umherschleichenden verursacht werden könnten. Nachdem er sich versichert hatte, dass die Luft rein war, bewegte er sich schnell auf den Wagen zu.

In der Dunkelheit war er kaum mehr als ein Schatten.

Die Schwarze Fledermaus war auf der Jagd.

*

Etwa eine halbe Stunde später schlich die Schwarze Fledermaus auf die Hintertür von William Gallaways Anwesen zu. Es lag in einem Viertel, in dem nur reiche Leute wohnten. Bäume, Büsche und sogar die achtlos auf dem Rasen liegen gelassenen Gartengeräte störten die Schwarze Fledermaus nicht, da er in der Dunkelheit ebenso gut wie bei Tageslicht sehen konnte. Er war wirklich einmal blind gewesen. Nach erfolgreicher Behandlung war ihm eine glänzende Idee gekommen. Wie Tony selbst sagte, als Ausgleich und Lohn für die vielen Monate, in denen er wirklich blind gewesen war. Er war fähig, im dunkelsten Raum Kleinigkeiten und Farben zu unterscheiden, die durchschnittliche Augen nicht einmal wahrnehmen konnten.

Kapitel 2 – Eine Vorahnung erfüllt sich

Er erreichte die Hintertür des Hauses und horchte eine Weile angestrengt. Die Tür ließ sich rasch öffnen, und er stand bald darauf in der Küche. Leise schloss er die Tür hinter sich.

Offensichtlich hatten die Hausangestellten den Abend frei. Die Schwarze Fledermaus schlich durch die Butler­loge ins Esszimmer mit den schweren Möbeln und ging geräuschlos um den massiven Tisch und die Stühle herum.

Der einzige Lichtstrahl schien aus dem Zimmer am Ende eines langen Korridors zu kommen. Die Schwarze Fledermaus schlich vorsichtig auf das Zimmer zu.

Er blieb wie erstarrt stehen. Leises Stöhnen war an sein Ohr gedrungen. Seine rechte Hand tastete unter sein Jackett, bis er die schwere Automatik in der Faust hielt. Er entsicherte sie und bewegte sich katzenartig über den Gang. Er verhielt vor der Tür, aus deren Spalt gelbes Licht flutete.

Hier hörte er das Stöhnen wieder.

Im gleichen Augenblick bemerkte er leichten Pulvergeruch.

Ohne auch nur einen Moment zu zögern, stieß er die Tür auf und trat ins Zimmer. Die Pistole lag schussbereit in seiner Hand.

William Gallaway saß hinter seinem Schreibtisch. Seine Hände umklammerten die Schreibtischkanten, und er musste seinen ganzen Willen aufbieten, um sich aufrecht zu halten. Durch sein Hemd sickerte frisches Blut. Vorauseilende Schatten des Todes verliehen seinem alten, faltigen Gesicht eine fahle Blässe.

Die Schwarze Fledermaus hastete auf ihn zu. Die Lippen des Mannes bewegten sich lautlos. Vorsichtig hob ihn die Schwarze Fledermaus vom Stuhl und schleppte ihn zum Ledersofa. Er richtete ihn leicht auf, riss das Hemd von seiner Brust und untersuchte die Wunde.

Gallaways Brust wies zwei eng beieinanderliegende Einschüsse auf. Die beiden Kugeln mussten das Herz fast gestreift haben. Er lag im Sterben, und die Schwarze ­Fledermaus wusste, dass ärztliche Hilfe zu spät kommen würde.

Die Schwarze Fledermaus fragte: „Erkennen Sie mich?“

Nochmals versuchte Gallaway zu sprechen. „Ja ‒ die Schwarze Fledermaus“, hauchte er mit großer Anstrengung.

„Dann wissen Sie also, dass ich gekommen bin, um Ihnen zu helfen. Aber ich kam zu spät. Und auch das wissen Sie.“

„Ja. Ich werde sterben. Ich weiß. Es ‒ macht ‒ nichts ‒“

„Wer war es, Mister Gallaway?“

Gallaway versuchte den Kopf zu schütteln. „Nein ...“

„Sie müssen es sagen“, beschwor ihn die Schwarze Fledermaus. „Ich weiß, dass Sie bei Tony Quinn ein versiegeltes Kuvert hinterlegt haben. Ich weiß auch, dass es den Namen des mutmaßlichen Mörders enthält. Ist dieser Name mit dem des Mörders identisch?“

„Nein, ich sage es keinem Maskierten“, beharrte ­Gallaway.

Die Schwarze Fledermaus sah sich im Zimmer um. Alle Vorhänge waren zugezogen. Er schloss die Tür und drehte den Schlüssel um. Dann wandte er sich ­Gallaway wieder zu und riss mit einer hastigen Bewegung die schwarze Haube vom Kopf.

Ein gequältes Lächeln huschte über Gallaways Lippen. „Ich wusste es doch“, brachte er hervor. „Sie mussten die Schwarze Fledermaus sein. Außer Quinn weiß niemand von der Existenz des Briefes, und er hätte es nie weitererzählt. Deshalb müssen Sie Quinn sein.“

„Schnell, die Zeit drängt. Ich habe Sie etwas gefragt. Antworten Sie!“, beschwor ihn die Schwarze ­Fledermaus.