Die schwarze Fledermaus 53: Stadt aus Hass - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 53: Stadt aus Hass E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Staatsanwalt Tony Quinn erhält den Auftrag, in einer fremden Stadt die Anklage gegen einen Mann zu vertreten, der von vielen Bürgern dieser Stadt gehasst und des Mordes beschuldigt wird. Als Quinn mit dem Angeklagten spricht, zweifelt er an dessen Schuld, obwohl alle Indizien gegen den Mann sprechen. Doch als Staatsanwalt muss Quinn den Mann auf den elektrischen Stuhl bringen, als Schwarze Fledermaus setzt er alles daran, um die Unschuld des Angeklagten zu beweisen.

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DIE SCHWARZE FLEDERMAUSBand 53

In dieser Reihe bisher erschienen:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

6039 – Verräterische Spuren von G. W. Jones

6040 – Regie des Todes von G. W. Jones

6041 – Wer überlebt, stirbt! von G. W. Jones

6042 – Quinn unter Verdacht von G. W. Jones

6043 – Wölfe jagen im Rudel von G. W. Jones

6044 – Das Versteck am See von G. W. Jones

6045 – Johnny Hampelmann von G. W. Jones

6046 – Der Todeskandidat von G. W. Jones

6047 – Der vergessene Mord von G. W. Jones

6048 – In der Stadt lauert der Tod von G. W. Jones

6049 – Die Giftschlange von G. W. Jones

6050 – Geister der Vergangenheit von G. W. Jones

6051 – Der Mordmacher von G. W. Jones

6052 – Die Lügenmörder von G. W. Jones

6053 – Stadt aus Hass von G. W. Jones

6054 – Mord im Rathaus von G. W. Jones

G. W. Jones

Stadt aus Hass

Aus dem Amerikanischenvon Heinz Zwack

Das Abenteuer Stadt aus Hass erschien im November 1948 unter dem Titel City of Hate in dem amerikanischen ­Magazin Black Book ­Detective.

Silk Kirby

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Harald GehlenTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogogestaltung: Mark FreierIllustration: Ralph KretschmannSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-144-1

Kapitel 1 – Der große Mann von Norwood

Die Stadt Norwood war nicht so auseinandergezogen wie die meisten Kleinstädte. Norwood war kompakt und barst beinahe aus seinen Nähten. Die letzte Volkszählung hatte ergeben, dass hier mehr als 116.000 Einwohner lebten, und dazu war im Koreakrieg noch eine große Anzahl von Arbeitern mit ihren Angehörigen gekommen, die auch ansässig geworden waren.

Der Name Norwood passte nicht ganz. Eigentlich hätte die Stadt Bolton oder Boltonville oder so ähnlich heißen müssen. Wenn man auf dem vierspurigen Highway in die Stadt kam, sah man als Erstes ein graues Fabrikgebäude: die Bolton Metallwerke. Ein Kilometer weiter kam eine Industrieanlage, die den Namen Bolton Gussstahl trug. Insgesamt gab es in Norwood acht Fabriken, die in irgendeiner Form von Jonathan Bolton geleitet, kontrolliert oder beherrscht wurden.

Auf dem Hauptplatz der Stadt standen zwei Bronze­statuen. Eine stellte General Ephraim Bolton dar, einen Helden des Bürgerkrieges, den man hier auf einem Schlachtross aus Bronze verewigt hatte. Die andere Statue war zu Ehren von Virgil Bolton aufgestellt. Sie zeigte ihn auf einem Stuhl sitzend und ein Buch in der Hand haltend. Auf dem Sockel des Denkmals waren ein paar Zeilen eines Gedichts eingemeißelt, das von ihm stammte.

Die öffentliche Bücherei war von einem Bolton gegründet und erbaut worden. Der größte Flügel des ­städtischen Krankenhauses trug den Namen Bolton. Wohin ein Besucher auch sehen mochte, der Name Bolton fiel ihm immer wieder ins Auge. Und das hatte dazu geführt, dass der Name Bolton jedem Bürger der Stadt zum Halse heraus­hing.

Aber nur wenige verliehen ihrer Meinung Ausdruck, denn sonst hätten sie es mit Jonathan Bolton zu tun bekommen, und J. B. war nicht irgendein Bürger, er war die Seele von Norwood. Direkt oder indirekt kontrollierte er fast alles, was es zu kontrollieren gab. Einige sagten, dass er selbst keine richtige Vorstellung von seinem Reichtum habe. Andere wieder behaupteten, dass der erste Dollar, den er je verdient hatte, immer noch zuunterst in seinem Geldsack läge.

Die Meinung, die die Leute von J. B. hatten, war nicht die gleiche, die man gemeinhin von anderen reichen Leuten hat. Es gab weder Neid noch den geheimen Wunsch, einen Teil seines Reichtums zu besitzen, und auch nicht die unausgesprochene Frage, wieso es einem Menschen gestattet war, so viel zu besitzen. Nein, das einzige Gefühl, das die Bürger von Norwood für J. B. empfanden, war reiner, kalter Hass.

Niemand nannte ihn je anders als J. B. Sein Äußeres war auch wirklich nicht dazu angetan, seine Mitmenschen für ihn einzunehmen. Ein Kranz roter Haare bildete eine Art Mönchstonsur auf einem sonst kahlen Schädel. J. B. war groß, kräftig und stark wie ein Ochse. Sein Blick war Befehl, und wenn er den kleinen Finger hob, sprang ein jeder. J. B. war einer der Angehörigen jener Gattung von Menschen, die man Tycoon, das heißt Industriekapitän, nennt.

Er betrat gerade das Bolton-Gebäude, Norwoods Wolken­kratzer, ein Bauwerk von zwanzig Stockwerken, dessen obere sieben Geschosse er als Büros benutzte. Natürlich stand im Vorraum ein Privatlift für ihn bereit, mit Teppichen, Spiegelwänden und blitzsauber. Nur J. B. benutzte ihn, wenigstens hatte man noch nie von einem anderen Benutzer gehört.

Die Türen wurden vor ihm aufgerissen. Leute ­sprachen ihn an und verbeugten sich. Man machte ihm Platz, und das einzige Anzeichen dafür, dass er es überhaupt bemerkte, war ein leichtes Zucken um seine Mund­winkel. Er hatte einen kräftigen Mund mit Lippen, die weder zu dünn noch zu breit waren. Seine Augen funkelten blau und blickten forschend in die Runde.

Er betrat sein Büro. Ein Angestellter hielt ihm die Tür auf. Eine Sekretärin reichte ihm eine Liste mit den Namen der Leute, die angerufen hatten. Seine erste Sekretärin stellte gerade eine Vase mit Astern auf seinen Schreibtisch aus Mahagoni.

In seinem Privatbüro angekommen, tat J. B. einen tiefen Atemzug und stürzte sich in die Arbeit. Er verschwendete keine Zeit und hielt es für selbstverständlich, dass auch andere dies nicht täten. Wenigstens soweit es die Zeit betraf, für die er sie bezahlte. J. B. sah auf seinen Terminkalender und legte dann den Hebel seiner Sprechanlage um.

„Miss Rosten“, sagte er ruhig, „ich sehe, dass Sie heute Leon Atkinson auf die Liste gesetzt haben. Sagen Sie ab. Ich will Mister Atkinson nicht sehen, weder in einer wichtigen noch in einer unwichtigen Sache.“

Nachdem er bis Mittag gearbeitet hatte, wurde ihm sein Lunch gebracht. Während er aß, konferierte er mit seinen Betriebsleitern und Ingenieuren. Er hatte noch nie jemanden eingeladen, mit ihm zu speisen.

Der Tag schien ihm wie im Flug zu vergehen, denn er war unablässig tätig. Um fünf Uhr gingen die Angestellten. Um fünf Uhr zehn meldete seine Sekretärin, die immer mit dem Gehen wartete, bis auch J. B. nach Hause ging, dass Henry Ventres am Telefon sei.

„Sagen Sie ihm, dass ich ihn weder sehen noch sprechen will“, erklärte J. B. „Und zwar weder heute noch sonst wann.“

Dann hatte J. B. für etwa eine halbe Stunde Ruhe. Er behauptete oft, dass er zwischen fünf und halb sechs mehr schaffe als während des ganzen übrigen Tages. Es war etwa sechs Uhr, als seine Bürotür aufgerissen wurde. Miss Rosten versuchte vergeblich, einen hochgewachsenen, schlanken Mann daran zu hindern, einzutreten. Sie war seinen Kräften nicht gewachsen. Er schob sie einfach zur Seite, trat ein und stieß sie aus dem Zimmer. Dann knallte er die Tür zu und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Ein breites Grinsen spielte um seinen etwas zu groß geratenen Mund.

„Sie wollen mich also nicht sehen, J. B.“, sagte er. In seiner Stimme war keine Spur von Angst zu bemerken, eher ein Ton des Triumphs. „Der Kaiser von Norwood weigert sich, einen Mann zu empfangen, der ebenso wichtig ist wie er selbst ‒ ja sogar noch wichtiger, möchte ich fast sagen.“

J. B. seufzte nur und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

„Schön, Atkinson, jetzt sind Sie also da. Sie haben sich Zutritt erzwungen. Ich kann mir ja anhören, was Sie zu sagen haben.“

Atkinson ging auf den Schreibtisch zu. Er setzte sich frech auf die Kante und ließ ein Bein schwingen, wobei er mit dem Absatz gleichgültig gegen die polierte Seitenwand des Schreibtischs schlug.

„J. B.“, sagte er langsam, „heute ist der Tag, auf den ich seit vielen Jahren hingearbeitet habe. Ich habe mir oft überlegt, was ich sagen würde, wie ich es schaffen würde. Ich habe mir sogar Reden zurechtgelegt und Gesten dazu einstudiert. Aber keines von beiden ist nötig. Die Tatsachen genügen. Ich habe soeben die Kontrolle über einundfünfzig Prozent der Aktien der Bolton-Werke erworben.“

Die Hände des Industriekapitäns krampften sich jäh zusammen. Der Bleistift, den sie hielten, brach mit einem scharfen Knacken auseinander, das die plötzlich in dem Büro lastende Stille nur noch zu betonen schien.

Atkinson warf den Kopf zurück und lachte. „Das tut weh, was? Ich bin seit einer Ewigkeit hinter den Aktien her. Und jetzt habe ich genug davon, um Sie aus dem Sattel zu heben.“

J. B. stand auf und schob seinen Stuhl mit dem Fuß zurück. Er ging um den Schreibtisch herum. Plötzlich packte er den anderen bei der Kehle, riss ihn hoch und schlug ihm die Faust ins Gesicht.

Atkinson schrie, als sie ihn traf. Er wehrte sich, aber seine Schläge waren schwach und trafen auf einen Körper, der aus Stahl zu bestehen schien. J. B. schlug ein zweites Mal heftig zu. Atkinson taumelte rückwärts gegen einen Stuhl, warf ihn um und stürzte darüber.

Erschrocken von dem Lärm, öffnete Miss Rosten die Tür und spähte angstvoll durch den Spalt. Sie sah Atkinson auf dem Boden liegen, während J. B. auf ihn zuging. Da schloss sie hastig wieder die Tür. Sie presste das Ohr dagegen.

„Stehen Sie auf!“, hörte sie J. B. sagen. „Machen Sie, dass Sie hier rauskommen, ehe ich Sie umbringe. Und benutzen Sie die andere Tür.“

Miss Rosten hörte Atkinson aufstehen und die Tür zu dem anschließenden Büro öffnen, durch die man den Privat­lift erreichte.

„Das werden Sie noch bereuen“, vernahm sie Atkinsons Stimme. „Ich werde Sie fertigmachen, J. B.! Ich werde Sie von dem hohen Ross herunterholen, auf dem Sie jetzt noch sitzen. Ich kann Sie aus den Bolton-Werken hinausdrücken und damit gleichzeitig aus allen anderen Fabriken in der Stadt. Sie werden noch an mich denken!“

Was Miss Rosten nicht wahrzunehmen vermochte, war, dass J. B.s Augen sich verengten. „Ich gebe Ihnen noch eine Minute, Atkinson“, sagte er. „Dann kommen Sie nicht mehr ohne fremde Hilfe hier raus!“

„Sie werden noch von mir hören“, drohte Atkinson mit schriller Stimme, dann schlüpfte er hastig aus dem Raum, und die Tür schlug mit lautem Knall hinter ihm zu.

J. B. sah plötzlich viele Jahre älter aus. Er ging um den Schreibtisch herum und rief einen Mann an, der geschworen hatte, nie die Aktien zu verkaufen, die er von den Bolton-Werken besaß. Atkinson hatte nicht geblufft. Der Mann hatte verkauft ‒ ein raffinierter Schachzug ­Atkinsons, den dieser mit einer horrenden Summe eingeleitet hatte. Der Handel war bereits abgeschlossen.

J. B. legte den Hörer auf und fuhr sich mit der Hand über die Wangen. Dann legte er den Schalter der Sprechanlage um und sagte: „Ich habe noch länger zu tun. Sie können heimgehen, Miss Rosten.“

Dann ging er unruhig im Zimmer auf und ab. J. B. war es nicht gewohnt, Schlappen einzustecken. Und jetzt war er geschlagen ‒ geschlagen. Es hatte ihn getroffen wie der Blitz aus heiterem Himmel.

Natürlich war Atkinson nicht der Einzige, der hinter der Sache steckte. Alle hatten sich gegen ihn verschworen. Sie hatten es schon bei seinem Großvater versucht und bei seinem Vater ‒ und waren abgeschlagen worden. J. B. stöhnte. Er war weich geworden, er hatte vergessen, dass ein Mann in seiner Position Tag und Nacht, jede Sekunde sprungbereit sein musste.

Endlich schaltete er die Schreibtischlampe aus, fuhr in seinen Mantel und setzte den grauen Homburg auf. Er öffnete die Tür zu dem angrenzenden Büro und ging auf den Lift zu. Er hatte das Licht nicht eingeschaltet, und als er mit der Fußspitze gegen einen Körper stieß, stolperte er.

J. B. sprang auf und schaltete das Licht ein. Der kalte Schweiß brach ihm aus. Leon Atkinson lag vor ihm. Er war über seinen ausgestreckten Arm gestolpert.

J. B. sah die Würgemale an Atkinsons Kehle. Man hatte ihn ermordet, und es hatte dazu kräftiger Fäuste bedurft ‒ Fäuste wie die seinen. Bei dem Gedanken sah J. B. seine Hände an und schauderte.

Er fasste sich langsam wieder, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und blickte zur Lifttür hinüber. Ein Lichtstrahl drang durch die Fugen. Die Kabine war da. J. B. fuhr zum Erdgeschoss hinunter. Sein Wagen stand auf der Straße, zwischen zwei Zeichen, auf denen zu lesen stand, dass hier bei Tag und Nacht niemand sein Fahrzeug parken durfte. Der Platz gehörte J. B.

Zum ersten Male in seinem Leben fühlte J. B., dass er Hilfe brauchte, aber er wusste nicht, an wen er sich wenden sollte. Seine Anwälte konnten ihn beraten, gewiss ‒ aber welchen Rat konnten sie ihm geben? Atkinson war tot und lag in seinem Büro, und er, J. B., hatte allen Grund gehabt, ihn umzubringen.

Der Großindustrielle lenkte seinen Wagen durch die überfüllten Straßen und achtete dabei nicht auf die Verkehrspolizisten, die ihn respektvoll grüßten, wenn er an ihnen vorüberfuhr. Er hatte die Stadt schon beinahe hinter sich und war in die Straße eingebogen, die zum Villen­vorort führte, als er einen Wagen hinter sich bemerkte, der schnell aufholte. Zunächst glaubte er, es wäre die Polizei; er verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Ein Polizeifahrzeug wäre ihm fraglos mit heulender Sirene gefolgt.

Der Wagen setzte zum Überholen an. Es blitzte und krachte. Pistolenschüsse! J. B. riss das Lenkrad herum und spürte, wie die Reifen sich in den Grasboden des Straßenrandes fraßen. Die Pistole bellte noch zweimal auf, als die beiden Wagen nebeneinander herfuhren. Dann noch einmal, als der andere Wagen an dem J. B.s vorüberzog.

J. B. spürte keinen Schmerz, hörte keine Kugeln in seinen Wagen schlagen und brachte es fertig, den schweren Cadillac wieder auf die Straße zu dirigieren. Der andere Wagen war fast aus seiner Sicht verschwunden. Er fuhr ohne Licht. J. B. bremste und hielt an. Er tastete sieh ab, beugte sich aus dem Wagenfenster und sah sich die linke Seite seines Wagens an. Der Cadillac hatte ebenso wenig etwas abbekommen wie sein Besitzer.

J. B. fuhr weiter, nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihm niemand mehr folgte. Das Tor zu seinem Grundstück stand weit offen, und er fuhr hinein. Kurz vor seiner Villa fuhr er an dem Relais einer Signalanlage vorbei, die seinen alten Butler davon unterrichtete, dass er kam. Das Licht in der Einfahrt flammte auf.

J. B. hielt nicht an, sondern fuhr ums Haus herum in die Garage. Er schaltete die Scheinwerfer ab, stieg aus ‒ und blieb abrupt stehen. Jemand stand unter der Tür ‒ eine dunkle Gestalt, die er nicht erkennen konnte. Die Gestalt hob die rechte Hand. Etwas kam pfeifend auf J. B. zugeflogen.

Er duckte sich, verlor das Gleichgewicht und fiel. Der Gegenstand, den der Fremde nach ihm geworfen hatte, traf die Holzwand hinter ihm. Die Gestalt unter der Tür verschwand. J. B. stand auf und sah das noch zitternde Messer, das sich mit der Spitze in die Holzwand gebohrt hatte. Er schauderte und sprang zum Lichtschalter. Nichts geschah.

Er erreichte die Hintertür, und Thornton, sein Butler, ließ ihn ein. Thornton war etwa siebzig und offenbar keiner Gefühlsregung fähig. Er bemerkte zwar, dass sein Herr vor Erregung zitterte, gab das aber durch keine Regung zu erkennen.

J. B. ging wortlos in sein Arbeitszimmer und holte seine 38er Automatik. Er versicherte sich, dass die Waffe geladen war, und schob sie in die Hüfttasche.

Dann aß er zu Abend. Das Essen schmeckte ihm in seiner derzeitigen Verfassung wie Stroh, aber er zwang es sich hinein. Dabei dachte er nach. Das Ganze ergab keinen Sinn ‒ erst wurde Atkinson ermordet, dann erfolgten zwei Anschläge auf sein Leben. Er war sich darüber im Klaren, dass er eigentlich die Polizei verständigen musste, konnte aber nicht das eine melden und das andere verschweigen.

Um halb zehn nahm er einen Highball. Während Thornton den Cocktail mixte, verlor er beinahe seine sichere Gelassenheit. Es war das erste Mal, dass J. B. Alkohol trank.

J. B. spürte, wie ihm das ungewohnte Getränk zu Kopf stieg, aber der Alkohol beruhigte seine Nerven. Er schmeckte ihm. Darum trank er einen weiteren Cocktail. Dann legte er den Kopf etwas zur Seite und horchte. Thornton war in sein Zimmer im ersten Stock hinauf­gegangen, das wusste er. Aber das Geräusch, das J. B. jetzt hörte, kam nicht aus dem ersten Stock, sondern aus seinem Arbeitszimmer.

J. B. stand auf, stellte das Glas vorsichtig weg und ging zur Tür. Er schaltete das Licht aus, zog die Automatik aus der Tasche und ging den dunklen Flur hinab. Aber in seinem Bemühen, keinen Lärm zu machen, streifte er die Armlehne eines Sessels, der kratzend am Boden entlangscharrte.

Ein Mann kam aus dem Arbeitszimmer. Er hatte die Hutkrempe ins Gesicht gezogen und den Mantelkragen hochgeschlagen. Er blickte in J. B.s Richtung und rannte auf die Pendeltür am Ende des Korridors zu. J. B. hob die Waffe.

„Stehen bleiben!“, rief er. „Stehen bleiben oder ich schieße!“

Der Mann rannte weiter. J. B. schoss. Der Mann warf beide Hände hoch, rannte noch ein paar Schritte und stürzte dann zu Boden, dass es dröhnte.

J. B. ging mit schussbereiter Waffe auf den Mann zu. Er stieß ihn vorsichtig mit dem Fuß an und drehte ihn um. Er konnte das Gesicht nicht erkennen. Es war zu dunkel, und so strich er ein Zündholz an und kniete neben dem Mann nieder.

J. B. spürte, wie die Flamme ihm die Fingerkuppen verbrannte, aber er blies sie nicht aus. In ihm war jedes Gefühl erloschen. Endlich ging das Streichholz von selbst aus. J. B. erhob sich. Licht flammte auf. Thornton kam die Treppe herunter. Seine spindeldürre Gestalt war in einen grauen Hausmantel gehüllt.

„Thornton“, sagte J. B., „gehen Sie wieder hinauf und packen Sie mir einen kleinen Koffer. Nur das Notwendigste: Zahnbürste und Zahnpasta, Rasierzeug, Kopfwehtabletten, ein frisches Hemd, Socken, ein paar Taschentücher. Alles, was ich im Gefängnis brauchen könnte.“

„Im Gefängnis, Sir? Sie scherzen!“

„Nein, es ist mein voller Ernst. Rufen Sie meinen Anwalt an und sagen Sie ihm, er soll sofort zum Polizeipräsidium fahren und dort auf mich warten. Und dann rufen Sie die Polizei an. Sagen Sie, dass Leon Atkinson tot in meinem Büro liegt und Henry Ventres ebenfalls tot in meinem Haus.“

Mit dieser Anordnung hatte J. B. den größten Fehler seines Lebens begangen.

Kapitel 2 – Auf höchsten Befehl

Die Sekretärin des Gouverneurs kam in den Vorraum und sagte: „Sie möchten bitte gleich hereinkommen, Mister Quinn; Sie auch, Mister Kirby.“

Der Mann in dem Ledersessel stand auf und hielt seinen weißen Stock vor sich. Er war hochgewachsen, hatte breite Schultern und ein Charaktergesicht ‒ wenn auch seine Augen tot und ausdruckslos blickten.