Die schwarze Fledermaus 58: Die Dokumente des Selbstmörders - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 58: Die Dokumente des Selbstmörders E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Rechtsanwalt Paul Riker ist in Partylaune, doch nach einem Anruf fertigt er einen Umschlag mit Dokumenten, benachrichtigt seinen Kollegen Tony Quinn und erschießt sich.Als Quinn in Rikers Wohnung eintrifft, findet er den Toten, doch nicht den angekündigten Umschlag. Die darin enthaltenen Dokumente müssen hochbrisant sein, denn schon bald werden Mordanschläge auf Quinn verübt.

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IN DIESER SERIE BISHER ERSCHIENEN:

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones

6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

6039 – Verräterische Spuren von G. W. Jones

6040 – Regie des Todes von G. W. Jones

6041 – Wer überlebt, stirbt! von G. W. Jones

6042 – Quinn unter Verdacht von G. W. Jones

6043 – Wölfe jagen im Rudel von G. W. Jones

6044 – Das Versteck am See von G. W. Jones

6045 – Johnny Hampelmann von G. W. Jones

6046 – Der Todeskandidat von G. W. Jones

6047 – Der vergessene Mord von G. W. Jones

6048 – In der Stadt lauert der Tod von G. W. Jones

6049 – Die Giftschlange von G. W. Jones

6050 – Geister der Vergangenheit von G. W. Jones

6051 – Der Mordmacher von G. W. Jones

6052 – Die Lügenmörder von G. W. Jones

6053 – Stadt aus Hass von G. W. Jones

6054 – Mord im Rathaus von G. W. Jones

6055 – Der sterbende Millionär von G. W. Jones

6056 – Die Bande der jungen Mörder von G. W. Jones

6057 – Die verschwundene Million von G. W. Jones

6058 – Die Dokumente des Selbstmörders von G. W. Jones

DIE DOKUMENTE DES SELBSTMÖRDERS

DIE SCHWARZE FLEDERMAUS

BUCH 58

G. W. JONES

Übersetzt vonW. ARNEMANN

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

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Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

Copyright © 2023 BLITZ-Verlag  

Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati, Mario Heyer

Logo: Mark Freier

Illustration: Ralph Kretschmann

Satz: Torsten Kohlwey

Alle Rechte vorbehalten.

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7579-5691-2

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INHALT

Einführung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

EINFÜHRUNG

Das Abenteuer The Dennison Documentserschien im Herbst 1949 unter dem Titel The missing Millionin dem amerikanischen ­Magazin Black Book ­Detective.

Tony Quinn

1. KAPITEL

Der teure, schwere Wagen fuhr an einem der elegantesten Wohnhäuser Chicagos vor. Der livrierte Chauffeur stieg aus, öffnete seinem Herrn die Wagentür und wartete mit gezogener Mütze.

Das Paar im Wagen wechselte noch einen zärtlichen Kuss, bevor der Mann Anstalten machte, auszusteigen. Er war hochgewachsen, sehr elegant, und seine angegrauten Schläfen gaben ihm etwas unendlich Vornehmes. Seinem Anzug war auf den ersten Blick anzusehen, dass er vom teuersten Schneider stammte.

Der Mann sagte zu seiner Begleiterin: „Wir sehen uns um acht Uhr dreißig, Lois. Du hast also zwei Stunden Zeit zum Umziehen.“ Er lächelte. „Du siehst, ich werde einen sehr verständnisvollen Gatten abgeben! Das ist eine unserer letzten Verabredungen, mein Schatz. Von Sonnabend angefangen wird unser ganzes Leben ein einziges glückliches Rendezvous sein.“

Lois Lloyd strich ihm leicht mit den Fingerspitzen über die Wange.

„Ich bin die glücklichste Frau der Welt, Paul. Ich kann es noch gar nicht fassen, dass ich in einer Woche Mistress Paul Riker sein werde ‒ die Frau eines der prominentesten Rechtsanwälte von Chicago!“

„Das Glück ist ganz meinerseits“, erwiderte Paul Riker mit dem Lächeln des Verliebten. „Ich werde Fred schicken, um dich abzuholen, Liebling. Bevor wir zu der Party gehen, trinken wir noch einen Cocktail in meiner Wohnung, ja? Du sollst dich etwas an sie gewöhnen ‒ damit dir das Einleben dann nicht gar zu schwer wird!“

Er stieg aus und wandte sich an den Chauffeur.

„Fred, gehen Sie jetzt essen, holen Sie dann Miss Lloyd um acht Uhr dreißig ab und bringen Sie sie hierher! Jetzt können Sie sie nach Hause fahren.“

„Jawohl, Sir.“

Der livrierte Chauffeur tippte an den Mützenschirm.

Paul Riker sah dem Wagen nach, bis er vom Verkehr verschluckt wurde, und ging dann ins Haus. Er nickte dem Pförtner freundlich zu, trat dann ans Empfangspult und fragte nach Post. Er steckte die paar Briefe zu sich, die eingegangen waren, fuhr darauf mit dem Lift zu seiner Wohnung hinauf und unterhielt sich unterwegs mit dem Liftführer über das Wetter.

Im vierundzwanzigsten Stock betrat er seine Wohnung. Sie war, seinem ganzen Lebensstil entsprechend, kostbar und elegant eingerichtet. Zwei große antike Bronzevasen standen zu beiden Seiten der Eingangstür, die mit Mosaik ausgelegt war. Er ging durch die Diele direkt in das große Wohnzimmer, legte Hut und Mantel auf einen Sessel und mixte sich behaglich einen Drink an der Hausbar. Er stand unter einem wertvollen Bild, einem echten Renoir, an dem er sich nie sattsehen konnte. Lächelnd hob er das Glas und trank der Frau auf dem Bild zu. Das Leben war herrlich! Und in wenigen Tagen würde er es mit der reizenden Lois teilen.

Lois war von erlesener Schönheit ‒ wie alles, womit Paul Riker sich umgab. Sie hatte die strahlendsten blauen Augen, die er je gesehen hatte, goldblondes Haar und die Figur einer Schönheitskönigin. Außerdem aber war sie klug, amüsant und temperamentvoll.

Er trank sein Glas aus, während er, behaglich in einem Sessel zurückgelehnt, die Abendzeitungen las. Nach einer halben Stunde erhob er sich, überlegte, ob er sich noch einen Drink genehmigen sollte, verzichtete dann aber darauf und stellte sein leeres Glas auf die Bar. Er würde mit Lois noch einen Cocktail trinken; denn die Party, die sie dann gemeinsam besuchen wollten, würde vermutlich ziemlich feucht werden.

In seinem Schlafzimmer zog er sich aus. Dann ging er ins Bad, um sich zu rasieren. Er wusch sich heiß, nahm eine kalte Dusche, trocknete sich sorgfältig ab und ging ins Schlafzimmer zurück. Er holte seinen neuen Smoking aus dem Schrank, legte ihn über einen Stuhl und begann sich anzukleiden.

Er war gerade mit dem Binden seiner Krawatte beschäftigt, als das Telefon läutete. Rasch ging er ins Wohnzimmer, hob ab und setzte sich. Er sagte nur: „Hallo“, und dann nichts mehr.

Je länger er horchte, desto mehr wich alles Blut aus seinem Gesicht. Seine Lippen wurden schmal.

Schließlich legte er auf, ohne noch ein weiteres Wort gesagt zu haben.

Minutenlang blieb er wie betäubt sitzen, in tiefe Gedanken versunken. Als er sich endlich erhob, schwankte er ein wenig.

Er ging zu dem Bild von Renoir hinüber. Aber diesmal gönnte er ihm keinen bewundernden Blick. Er fasste den Rahmen mit beiden Händen und drehte ihn zur Seite. Eine Safetür wurde dahinter sichtbar.

Riker drehte die Zahlenkombination, öffnete den Safe und entnahm ihm seinen einzigen Inhalt: einen langen, bräunlichroten schweren Umschlag, der mit mehreren Siegeln versehen war. Er schloss den Safe, brachte das Bild an die alte Stelle und ging zu seinem Schreibtisch.

Hier saß er eine Weile, den dicken Umschlag in der Hand. Endlich griff er zur Feder und schrieb auf den Umschlag: Die Dennison-Papiere.

Dann lehnte er den Umschlag gegen die Stehlampe, sodass man ihn nicht übersehen konnte.

Wieder in seinem Schlafzimmer, überprüfte er sorgfältig den Sitz seines Binders und schlüpfte in die mitternachtsblaue Smokingjacke.

Aus einer Schublade nahm er eine 38er-Pistole, lud sie und steckte sie zu sich. Wieder ging er zum Telefon im Wohnzimmer. Er musste eine Nummer aus dem Telefonbuch heraussuchen und fand sie rasch ‒ unter Q gab es nicht viele Namen. Er wählte die Nummer Anthony Quinns.

„Mister Quinn?“, fragte er, als sich eine Stimme meldete.

„Nein, Sir. Hier ist nicht Mister Quinn, sondern sein Butler. Wer spricht dort, bitte?“

„Paul Riker. Ich möchte Mister Quinn sprechen. Sagen Sie ihm, es sei sehr dringend.“

Einige Sekunden später hörte Riker die volle, sympathische Stimme Tony Quinns.

Riker meldete sich unter seinem Namen. „Hallo, Tony! Sie sind sicher sehr überrascht, von mir zu hören. Ich nehme an, dass Sie mir nicht gerade grün sind. Sie wissen ja, dass ich einer Ihrer Gegner war, als Sie sich damals für den Posten des Staatsanwaltes für besondere Aufgaben bewarben. Nun, Sie sind es seinerzeit trotz meines Einspruchs geworden, und ich hoffe, Sie sind nicht nachtragend, zumal Sie ja mittlerweile den Staatsdienst quittiert haben und wir nun Kollegen sind.“

Quinn lachte. „Bestimmt nicht. Was kann ich für Sie tun, Mister Riker?“

„Sie können mir einen Gefallen tun, Tony. Ich weiß, dass man sich auf Sie unbedingt verlassen kann. Lassen Sie sich so schnell wie möglich zu meiner Wohnung fahren. Kommen Sie ohne weitere Anmeldung herauf. Sie liegt im vierundzwanzigsten Stock. Meine Tür wird unverschlossen sein. Treten Sie ein, gehen Sie gleich ins Wohnzimmer. Dort finden Sie auf dem Schreibtisch, an die Lampe gelehnt, einen Umschlag, den ich soeben mit der Aufschrift Die Dennison-Papiere versehen habe. Ich möchte, dass Sie diesen Umschlag an sich nehmen, Quinn. Verstehen Sie?“

„Was enthält der Umschlag?“, fragte Quinn in scherzhaftem Ton. „Alle schwarzen Punkte Ihres Lebens?“

„Nicht aus meinem ‒ aus dem Leben eines anderen, Tony“, antwortete Riker ernst. „Öffnen Sie den Umschlag auf der Stelle. Verlieren Sie keine Sekunde. Handeln Sie sofort seinem Inhalt entsprechend. Der Besitz der Papiere wird Sie in große Gefahr bringen, fürchte ich. Aber ich weiß, dass Sie keine Gefahr scheuen. Auch nicht, seit Sie erblindet sind.“

„Danke!“, sagte Quinn. „Ich werde tun, was Sie verlangen. Etwas in Ihrer Stimme sagt mir, dass das kein Spaß ist. Werden Sie dort sein, wenn ich ankomme?“

„Nein.“ Ein seltsamer Ausdruck trat in Rikers Augen. „Nein, ich werde nicht da sein. Und vielen Dank, Tony! Sie werden schon wissen, was zu tun ist, wenn Sie den Inhalt des Umschlages kennen.“

Riker legte den Hörer auf und sah auf seine Uhr. In vierzig Minuten würde Lois kommen.

Entschlossen durchquerte er das Schlafzimmer, ging ins Bad, stieg in die Wanne und zog den Brausevorhang zu. Ohne eine Sekunde zu zögern, schoss er sich eine Kugel in den Kopf.

* * *

Sehr nachdenklich hatte Tony Quinn nach dem Anruf den Hörer wieder auf die Gabel gelegt. Seine Augen, die von tiefen Narben umgeben waren, starrten blicklos ins Leere. Diese Narben waren das Einzige, was seine sonst so regelmäßigen Züge entstellte ‒ ein trauriges Andenken an jene verhängnisvolle Sekunde, die ihn das Augenlicht gekostet hatte.

Silk Kirby, sein Diener und Vertrauter, fragte etwas besorgt: „Schlechte Nachrichten, Sir?“

„Ich weiß nicht recht.“ Quinn runzelte die Stirn. „Das war Paul Riker. Merkwürdig, dass er mich um einen Gefallen bittet. Er mochte mich nie und hat sich damals meiner Ernennung zum Staatsanwalt für besondere Aufgaben heftig widersetzt, weil er selbst auf den Posten scharf war.“

„Den Namen Riker kenne ich“, sagte Silk. „Er ist ein ziemlich prominenter Anwalt, nicht wahr?“

Quinn nickte. „Nach dem missglückten Versuch, Staatsanwalt zu werden, ist er in die Industrie eingestiegen. Und das mit großem Erfolg. Ich bin ihm seither keine fünf Mal mehr begegnet. Bin gespannt, was er von mir will. Hol den Wagen aus der Garage, Silk! Wir fahren gleich hin. Ich hatte den Eindruck, dass etwas wirklich Wichtiges und Dringendes vorliegt.“

Silk gehorchte, ohne weitere Fragen zu stellen. Zwei Minuten später war er mit dem Wagen vor dem Haus.

* * *

Als Silk vor dem großen Appartementhaus hielt, stieg Quinn zwar allein aus, blieb aber dann hilflos stehen, bis sein Begleiter ihn am Arm fasste und zum Eingang führte.

Der Lift brachte sie zum vierundzwanzigsten Stock. Sie stiegen aus. Silk fand Paul Rikers Namensschild und drückte die Klinke nieder. Die Tür ließ sich ohne Weiteres öffnen. Silk klopfte ein paar Mal, aber da niemand antwortete, traten sie ein.

Quinn sagte: „Führ mich gleich ins Wohnzimmer, Silk! Zu Rikers Schreibtisch.“

Silk schob seinen Herrn durch die Tür.

Quinn tappte mit dem weißen Stock vor sich herum, bis er den Sessel traf und ihm ausweichen konnte. Silk führte ihn zum Schreibtisch und sagte etwas ratlos: „Mister Riker wollte Ihnen den Umschlag auf den Schreibtisch legen, Sir?“

„Ja. Er muss dort sein. An die Schreibtischlampe gelehnt.“

Silk schüttelte den Kopf. „Ich sehe keinen Umschlag. Soll ich in den Schubladen suchen?“

Quinn antwortete nicht.

Silk warf ihm einen Blick zu ‒ und sein Puls beschleunigte sich.

Der Blinde stand in gespannter Haltung da, die Nasenflügel gebläht, und schnupperte in der Luft.

„Nicht nötig“, sagte Quinn plötzlich. „Hier ist etwas passiert, Silk. Es riecht nach Pulver. Hier ist vor Kurzem eine Schusswaffe abgefeuert worden. Lass uns in den übrigen Räumen nachsehen.“

Silk ließ seinen Arm los und eilte ins Bad. Er riss den Vorhang beiseite und stieß einen unterdrückten Schrei aus. Quinn wusste sofort, was das bedeutete.

„Ein Toter in der Badewanne, Sir!“, rief Silk. „Er hat eine Pistole in der Hand. Die Kugel ist durch die Schläfe in den Kopf gegangen.“

„Tot ‒ bestimmt?“, fragte Quinn.

„Kein Herzschlag mehr, Sir. Aber er ist noch warm. Muss sich eben erst erschossen haben. Ein großer, schlanker Mann mit grauen Schläfen.“

„Ja, das ist Paul Riker. Silk, durchsuch die ganze Wohnung. Wir müssen uns vergewissern, ob auch wirklich niemand hier ist.“

Silk verschloss zunächst die Wohnungstür, durchsuchte dann jeden Winkel der Wohnung, jeden Schrank. Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, stand Quinn immer noch reglos auf derselben Stelle.

„Wir sind allein in der Wohnung, Sir“, meldete Silk.

„Gut!“

Sofort ging eine auffallende Veränderung mit Quinn vor. Er legte den weißen Stock ab. Seine bisher scheinbar toten, blicklosen Augen wurden plötzlich lebendig und hellwach. Die unsichere Haltung des Blinden fiel von ihm ab wie eine Verkleidung. Mit raschen, sicheren Schritten ging er ins Badezimmer, beugte sich über die Wanne und untersuchte die Leiche.

Vorsichtig durchwühlte er die Taschen des Toten, ohne jedoch etwas Besonderes zu finden.

Dann machte er sich an eine sorgfältige Untersuchung der Wohnung, wobei Silk ihm half. Trotz aller Gründlichkeit gingen sie so vorsichtig zu Werk, dass sie keine Spuren hinterließen und nichts an dem Zustand der Wohnung veränderten.

Der bewusste Briefumschlag fand sich nicht ein.

Silk zuckte die Achseln. „Es handelt sich um einen einfachen Diebstahl. Man kann es nicht einmal Einbruch nennen, denn die Wohnungstür war ja nicht abgeschlossen.“

„Aber was enthielten diese Papiere?“, überlegte Quinn. „Ihr Inhalt muss sehr schwerwiegend gewesen sein. So schwerwiegend, dass Riker ihretwegen Selbstmord verübte. Silk, ruf die Polizei an! Kommissar McGrath möchte bitte sofort herkommen und die Mordkommission mitbringen. Für den Fall, dass doch mehr hinter der Sache steckt, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.“

Silk verständigte die Polizei. Und dann saßen sie eine Weile und warteten.

Plötzlich richtete Quinn sich auf.

„Was ...“, begann Silk. Aber er verstummte rasch, als er Quinns Geste sah.

Gleich darauf hörte auch Silk ein Geräusch: das Schließen der Lifttür, dann Schritte im Flur.

Über Quinns Augen fiel wieder der Schleier der Blindheit. Den weißen Stock zwischen den Knien, hockte er scheinbar hilflos und verloren in seinem Sessel.

Jemand klopfte an die Wohnungstür.

Auf einen Wink Quinns ging Silk öffnen.

Die schöne Lois trat rasch ein. „Pünktlich wie immer!“, rief sie fröhlich. Dann hielt sie erschrocken inne und starrte Silk an, der sich höflich verneigte.

„Wer sind denn Sie?“

Silk trat beiseite, um ihr den Weg freizugeben. „Bitte treten Sie ein, Miss ...“

„Lloyd.“

„Bitte, gehen Sie ins Wohnzimmer, Miss“, sagte er mit einer entsprechenden Geste. „Mister Quinn wird mit Ihnen reden wollen.“

„Wie? Quinn? Sonderbar!“, murmelte das Mädchen verwirrt. „Wo ist Paul Riker? Ich komme ihn abholen. Wir wollten zu einer Party ...“

„Es hat sich etwas an seinen Plänen geändert, Miss“, sagte Silk ausweichend. „Bitte!“

Er ging voran, öffnete ihr die Wohnzimmertür und ließ sie eintreten. „Das ist Miss Lloyd, Sir.“

Ihre Unsicherheit wuchs, als sie den Blinden sah. Sie setzte sich langsam.

„Was ‒ was ist los?“, fragte sie ängstlich. „Irgendetwas ist geschehen! Ich spüre es ‒ etwas liegt in der Luft ...“

Quinn sagte so schonend wie möglich: „Ich wünschte, es wäre ein Irrtum. Aber leider ist es die Wahrheit. Miss Lloyd, Paul hat Selbstmord begangen.“

„Nein!“

Sie war leichenblass. Wie ein Signal leuchtete ihr Mund, dessen Rouge sie mit ihrer ersten unbeherrschten Geste grotesk verwischt hatte.

„Paul Riker hat mich hierher gebeten“, erklärte ihr Quinn. „Von dem geplanten Selbstmord sprach er nicht. Aber er sagte, er würde einen Briefumschlag für mich auf seinem Schreibtisch hinterlassen. Ihm lag sehr viel daran, dass der Umschlag in meine Hände gelangte. Er versprach, die Wohnungstür offen zu lassen. Miss Lloyd, haben Sie jemals etwas von den Dennison-Papieren gehört?“

„Dennison? Nein. Nein, bestimmt nicht. Den Namen hat Paul mir gegenüber nie erwähnt.“

„So. Und Sie hatten heute Nachmittag nicht den Eindruck, dass er erregt oder unsicher war?“

„Ganz im Gegenteil, Mister Quinn! Er war vergnügt und sprach von unserer Hochzeit. Sie können Fred Tormay fragen ‒ das ist Pauls Chauffeur.“

Quinn drehte den Kopf zu Silk. „Geh hinunter und hol den Fahrer herauf, Silk! Aber sag ihm nicht, was geschehen ist. Sag nur, dass Riker ihn sprechen will.“

„Jawohl, Sir!“

Silk eilte davon, und Quinn wandte sich wieder dem Mädchen zu.

„Ich werde Ihre Hilfe brauchen, Miss Lloyd.“

Sie wühlte mit fahrigen Bewegungen in ihrer Handtasche, um ihr Taschentuch zu finden.

„Wenn Paul tot ist, so ist er ermordet worden“, sagte sie mit tiefster Überzeugung, und brach in Tränen aus.

„Sprechen Sie sich nur ruhig aus, Miss Lloyd“, ermunterte Tony Quinn die Untröstliche.