Die schwarze Fledermaus 59: Mörderstadt - G.W. Jones - E-Book

Die schwarze Fledermaus 59: Mörderstadt E-Book

G. W. Jones

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Beschreibung

Ein wohlhabender Frührentner wird erpresst. Er sieht keinen anderen Ausweg und tötet seinen Erpresser. Die Polizei von Lakeview glaubt, den Tathergang geklärt zu haben, der Rentner wird ins Gefängnis gesteckt. Doch schon bald findet man dort seine Leiche.

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In dieser Reihe bisher erschienen

6001 – Der Anschlag von G. W. Jones

6002 – Der Sarg von G. W. Jones

6003 – Angriff der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones 6004 – Ein harmloser Fall von Angelika Schröder

6005 – Tote schweigen nicht von Margret Schwekendiek

6006 – Liga der Verdammten von G. W. Jones

6007 – Die Spione von G. W. Jones

6008 – Der Kreuzzug von G. W. Jones

6009 – Der Flammenpfad von G. W. Jones

6010 – Der Sieg der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones 6011 – Das Trojanische Pferd von G. W. Jones

6012 – Die Spur des Drachen von G. W. Jones

6013 – Das Gesetz der Schwarzen Fledermaus von G. W. Jones 6014 – Das nasse Grab von G. W. Jones

6015 – Stadt in Angst von G. W. Jones

6016 – Der unsichtbare Tod von G. W. Jones

6017 – Die Stimme der Gerechtigkeit von G. W. Jones

6018 – Die Augen des Blinden von G. W. Jones

6019 – Die Todesmaschine von G. W. Jones

6020 – Schatten des Bösen von G. W. Jones

6021 – Teufel ohne Gesicht von G. W. Jones

6022 – Prophet des Todes von G. W. Jones

6023 – Die Morde der Nazi-Spione von G. W. Jones

6024 – Die siebte Kolonne von G. W. Jones

6025 – Millionen für einen Mörder von G. W. Jones

6026 – Die Killer aus dem U-Boot von G. W. Jones

6027 – Die Vampire von Moosehead von G. W. Jones

6028 – Wächter in Schwarz von G. W. Jones

6029 – Rache aus dem Jenseits von M. S. Jones

6030 – Fabrik des Todes von G. W. Jones

6031 – Auf höchsten Befehl von A. S. Jones

6032 – Die weiße Hexe von G. W. Jones

6033 – Samariter des Todes von G. W. Jones

6034 – Mordgeschäfte von G. W. Jones

6035 – Auf falscher Fährte von G. W. Jones

6036 – Der Mann im Koffer von G. W. Jones

6037 – Bunte Steine von G. W. Jones

6038 – Tödliches Vermächtnis von G. W. Jones

6039 – Verräterische Spuren von G. W. Jones

6040 – Regie des Todes von G. W. Jones

6041 – Wer überlebt, stirbt! von G. W. Jones

6042 – Quinn unter Verdacht von G. W. Jones

6043 – Wölfe jagen im Rudel von G. W. Jones

6044 – Das Versteck am See von G. W. Jones

6045 – Johnny Hampelmann von G. W. Jones

6046 – Der Todeskandidat von G. W. Jones

6047 – Der vergessene Mord von G. W. Jones

6048 – In der Stadt lauert der Tod von G. W. Jones

6049 – Die Giftschlange von G. W. Jones

6050 – Geister der Vergangenheit von G. W. Jones

6051 – Der Mordmacher von G. W. Jones

6052 – Die Lügenmörder von G. W. Jones

6053 – Stadt aus Hass von G. W. Jones

6054 – Mord im Rathaus von G. W. Jones

6055 – Der sterbende Millionär von G. W. Jones

6056 – Die Bande der jungen Mörder von G. W. Jones

6057 – Die verschwundene Million von G. W. Jones

6058 – Die Dokumente des Selbstmörders von G. W. Jones 6059 – Mörderstadt von G. W. Jones

6060 – Das perfekte Böse von G. W. Jones

6061 – Der Meistermörder von G. W. Jones

6062 – Unter Druck von G. W. Jones

Mörderstadt

Die schwarze Fledermaus

Buch 59

G. W. Jones

Inhalt

Titelinfo

Der Abschiedsbrief

Fehlende Beweise

Das Rezept

Mord beim zweiten Versuch

Die Gestalt in Schwarz

Bild eines Verbrechens

Das Ultimatum

Belagerungszustand

Die Tatwaffe

Mörder auf Rädern

Ein Mörder kommt aufs Zimmer

Menschliches Ziel

Verlassen Sie sofort die Stadt!

Fäuste im Dunkeln

Mitternächtlicher Streifzug

Der Scharfschütze

Knapp entkommen

Erklärungen

Verbeamtete Betrüger

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Copyright © 2024 BLITZ-Verlag  

Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mark Freier

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7579-6980-6

6059v1

Titelinfo

Originaltitel: Murder Town

Black Book Detective, Thrilling Publications, Chicago, Winter 1950

Aus dem Amerikanischen von Harald Gehlen

Der Abschiedsbrief

Ein zufälliger Beobachter hätte sein Alter auf sechzig geschätzt und sicher bei sich gedacht: Da geht ein wirklich kranker Mann.

Paul Garvin dachte nicht an die Zeiten zurück, als er darum kämpfte, eine Fabrik zum Laufen zu bringen, eine gewaltige Serienproduktion aufzubauen und mehreren Tausend Menschen eine Arbeit zu geben. In der Tat grämte er sich oft über den Moment der Schwäche, als er sich darauf berufen hatte, doch auch ein Anrecht auf ein wenig Erholung zu haben, und sein Unternehmen verkauft hatte. Aber auch das ging ihm in diesem Moment nicht durch den Kopf.

Der Ruhestand hatte keinen alten Mann aus ihm gemacht und er befand sich in einigermaßen guter Verfassung, zumindest laut Dr. Howard Fox, der nicht nur sein Hausarzt, sondern auch der Ehemann seiner Nichte war.

Er näherte sich über die East Harrison Street dem Grant Park und überquerte die South Michigan Avenue, ohne das schwere Verkehrsaufkommen, das Quietschen von Bremsen und das Fluchen der Taxifahrer wahrzunehmen. Er betrat langsam den Park, mit hängenden Schultern, den Blick zum Boden gerichtet, die Fäuste so fest geballt, dass die Fingernägel sich in die Handinnenflächen bohrten. Der Frühling hatte gerade begonnen, aber die Luft war noch kalt. Dennoch hatte sich Schweiß unter seinem Hut gebildet, der ihm nun an seiner Nase vorbei das Gesicht hinunterlief. Er wischte das Rinnsal weg.

Er setzte sich auf eine Bank, lehnte sich nach vorne und starrte auf den Gehweg. Niemand nahm von ihm Notiz. In Chicago kümmerten sich die Leute lieber um ihre eigenen Angelegenheiten.

Paul Garvin zog langsam seinen rechten Handschuh aus. Er knöpfte seinen Mantel auf, rutschte ein Stück nach vorne und tastete nach seiner Gesäßtasche. Seine Finger berührten den Griff einer Waffe.

Ein Mann setzte sich plötzlich neben ihn und Garvin ließ die Waffe los. Der Mann schlug eine Tageszeitung auf und begann zu lesen. Da fiel Garvin auf, dass zu viele Leute sich in der Umgebung aufhielten. Babys in Kinderwagen, junge Mütter, Stadtmenschen, denen es nach dem Winter nach ein paar Sonnenstrahlen dürstete. Sich vor den Augen dieser Menschen das Gehirn aus dem Kopf zu pusten, wäre eine grässliche Tat.

Garvin erhob sich plötzlich. Seine Entscheidung war gefallen. Es musste getan werden, und zwar bald ... aber nicht hier. Nicht in der Öffentlichkeit. Er wollte alleine sterben, ohne dass sich jemand einmischen und Fragen stellen konnte. Einfach eine Kugel durch seinen Kopf, schnell und erbarmungsvoll effizient. Garvin trottete einen Pfad hinunter in Richtung eines ruhigeren Bereichs des Parks.

Er ließ den Buckingham-Brunnen hinter sich und entdeckte schmale Pfade inmitten von Wildwuchs, ähnlich denen, die er aus seiner Kindheit kannte, wenn er beim Urlaub auf dem Land durch Wälder gestreift war. Und in einer abgelegenen Ecke des Parks fand er die richtige Bank für sein Anliegen.

Eine Sache musste er jedoch noch erledigen. Er hätte es beinahe vergessen, doch dann wäre sein Tod vollkommen sinnlos. Er nahm ein Notizbuch aus seiner Tasche, gekauft in einem Schreibwarengeschäft auf der Columbus Avenue. Ein paar Minuten lang schrieb er ohne Pause in seiner altmodischen, etwas extravaganten Handschrift, die seinen Freunden wohlbekannt war.

Als er fertig war, blätterte er zur ersten Seite zurück und las, was er geschrieben hatte. Seine Lippen bewegten sich, als sie jedes Wort lautlos formten.

Mein Tod liegt in meinen Händen und niemand anderes soll dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Ich nehme mir mein Leben, da ich es vor einer Woche verwirkt habe, als ich einen Mann ermordet habe. Es mochte sich bei ihm um eine besonders niedere Form von Kreatur gehandelt haben, zu der Erpresser gewöhnlich gehören, aber er war eine lebender und atmender Mensch mit jedem Recht, sein Leben fortzusetzen, ganz gleich, welchen Beruf er ausübte und welche Macht er über mich hatte. Ich konnte seine Forderungen nicht erfüllen und der Erpressung kein Ende setzen, daher habe ich ihn getötet. Nun muss ich mein eigenes Leben beenden. Bitte informieren Sie Doktor Howard Fox aus Lakeview. Als Arzt und Ehemann meiner geliebten Nichte wird er am besten wissen, wie er die Nachricht von meinem Tod bekannt macht.

Garvin war zufrieden mit dem Geschriebenen. Er unterschrieb, steckte den Füller in seine Westentasche, das Notizbuch vorsichtig zurück in die Manteltasche und griff erneut nach der Waffe. Er legte sie auf seinen Schoß und blickte hinab auf das nickelüberzogene Grauen.

Blitzschnell zog er sich den Hut vom Kopf und bedeckte die Waffe damit. Zwei Jungen, ungefähr fünf Jahre alt, kamen eine Böschung herab in seine Richtung. Sie hielten Waffeln mit jeweils zwei Kugeln in ihren Händen und balancierten sie unsicher vor sich her, als sie im Gras hinunterrutschten.

Einer von ihnen stolperte. Seine Waffel blieb zwar in seiner Hand, aber die eiskalten Kugeln segelten durch die Luft, vollführten einen wunderschönen Parabelflug und landeten als eklige Sauerei direkt vor Garvins Füßen. Ein paar Spritzer landeten auf seinem Hosenbund.

Der Junge beobachtete das Schauspiel mit regem Interesse, bis zu dem Zeitpunkt, als die Eiscreme im Gras landete. Dann begannen seine Lippen zu beben und er brach in Tränen aus.

Auch Garvins Lippen bewegten sich. Er brachte ein müdes Lächeln zustande. Der erste Anflug von Heiterkeit, den er seit Tagen gefühlt oder zur Schau gestellt hatte.

„Na na“, sagte er tröstend, „das ist kein Grund zu weinen. Ich bin mir sicher, es gibt eine ganze Menge mehr Eiscreme dort, wo die herkam.“

„Aber ich hab kein Geld mehr“, schluchzte der Junge.

Garvin griff in seine Tasche und fand dort ein paar Münzen. Vorsichtig balancierte er dabei die Waffe auf seinem Schoß, die der Hut verdeckte. Er wollte dem Jungen einen Vierteldollar geben, aber zögerte. Er hatte mehr als zweihundert Dollar in seinen Taschen und würde sicher nichts mehr davon ausgeben können. Keiner der Jungen war wirklich gut gekleidet. Spontan nahm er die Geldscheine aus seiner Tasche, teilte sie auf und gab sie den Jungen.

„Nun“, sagte er, „lauft los und holt euch so viel Eiscreme, wie ihr wollt. Aber kommt nicht hierher zurück. Versteht ihr? Kommt nicht wieder hierher!“

„Wow ... wow, ja“, brachte einer der Jungen hervor. Er konnte so viel Geld nicht zählen, aber er wusste, dass man sich davon viel mehr als eine Waffel mit zwei Kugeln leisten konnte. Sie drehten sich herum, flitzten davon und riefen dabei einen unverständlichen Namen. Garvin wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte. Es musste einen Erwachsenen geben, der die Jungen in den Park begleitet hatte, und wenn der das ganze Geld entdeckte, würde er der Sache auf den Grund gehen.

Garvin legte den Hut zur Seite, nahm die Waffe, und bevor er sich noch einen klaren Gedanken zugestand, drückte er ab. Die Waffe machte überraschend wenig Krach. Garvins Kopf wurde durch die Wucht des Schusses nach links gerissen. Blut sickerte an seiner Schläfe herunter. Er sackte langsam nach vorne. Die Waffe fiel aus seiner schlaffen Hand mitten in die Pfütze aus schmelzender Eiscreme.

Während Garvin zusammensackte, kam ein kleiner, dünner Mann hinter dem Busch hervor, hinter dem er bis dahin gehockt hatte. Seine Beine wirkten steif wie die eines Mannes, der es nicht gewohnt war, zu laufen, aber er beeilte sich aufgrund der Dringlichkeit seiner Mission. Er schnaufte heftig bereits nach dieser kleinen Anstrengung.

Er sah sich rasch um, sah niemanden herrennen und kam zu der Erkenntnis, dass niemand den Schuss gehört hatte. Er ließ sich neben dem schlaffen Körper nieder und pfiff dabei die Hymne der amerikanischen Marine als eine Aneinanderreihung schiefer Töne. Er kniete sich hin, um die Waffe aufzuheben, und fluchte darüber, dass er sich dabei klebrige Finger holte. Er nahm ein Taschentuch aus seiner Tasche und wischte die geschmolzene Eiscreme von der Waffe und von seinen Händen.

Er schob die Waffe in seine Tasche, packte Garvins Kragen und zog ihn in eine sitzende Position. Er balancierte den Körper in eine gerade Sitzhaltung, zog ihm den Hut wieder an und die Krempe in die Stirn, sodass man die Schusswunde nicht auf Anhieb sehen konnte. Die ganze Zeit über pfiff er schrill vor sich hin.

Dann hielt er einen Moment lang inne, und helle, kleine Augen inspizierten die Umgebung, seine Ohren waren gespitzt. Er rutschte etwas näher an Garvin heran und achtete darauf, dass dieser nicht nach vorne oder zur Seite sackte. Eine Hand von ihm fuhr unter Garvins Mantel, ohne dafür die Knöpfe öffnen zu müssen. Er schien ein Experte darin zu sein, in Innentaschen zu greifen, ohne die Kleidung durcheinanderzubringen.

Er holte das Notizbuch hervor, blätterte es auf und las schnell die Notizen eines Mannes, der fest entschlossen war, seinem Leben ein Ende zu setzen. Er lächelte böse, ohne seine Pfeifen auch nur für eine Note zu unterbrechen.

Er erhob sich, schaute auf Garvin hinab und stieß einen wütenden Fluch aus. Er hob seine Hand und schlug ihm hart ins Gesicht. Garvin lag nun mehr, als dass er saß, auf seiner Seite der Bank. Der kleine Mann, der nun wieder fröhlich vor sich hin pfiff, schritt davon. Durch das Gewicht der Waffe war seine Seitentasche leicht ausgebeult.

Als sein Pfeifen in der Ferne langsam verstummte, erschien eine Frau mit zwei Jungen, an jeder Hand einen. Sie schritt so schnell voran, dass sie die Jungen hinter sich herzog. Die Gesichter der beiden waren mit Eiscreme und klebriger Zuckermasse verschmiert. Ihre Hemdtaschen steckten voller Süßigkeiten und sie bemühten sich, eine Tüte Popcorn, eine Flasche Brause und allerlei Schokoriegel nicht aus den Händen zu verlieren, als sie hergeschleift wurden.

Als die beiden Jungen Garvin auf der Bank liegen sahen, brüllten und schrien sie gleichzeitig, dass das der Mann war. Die Frau, bis aufs Äußerste gereizt, hatte ein Bündel Quittungen in ihre Manteltasche gesteckt, von denen ein paar aus der Tasche herausragten.

„Sie“, wandte sie sich an den Mann auf der Bank. „Hey ... Sie Vollidiot!“

Garvin bewegte sich nicht. Sie beugte sich zu ihm runter. „Wofür haben Sie meinen Kindern das Geld gegeben? Zweihundert Dollar, vielleicht sogar mehr. Sind Sie verrückt?“

Sie nahm ihm den Hut ab, der sein Gesicht verbergen sollte. Sie erblickte das Blut, sah die Wunde und die graue Farbe, die Garvins Gesicht angenommen hatte. Sie packte die beiden Jungen, erhob den Kopf, und die erholsame Ruhe, die normalerweise über dem Park lag, wurde von einem Schrei nach dem anderen gestört.

Aber die Mutter der beiden Jungen irrte sich.

Der kleine Mann, der die Waffe und das Notizbuch gestohlen hatte, irrte sich auch. Und zwar gewaltig.

Garvin gab ein leises Stöhnen von sich, als der Parkpolizist angetrabt kam, von den Schreien alarmiert. Garvin war weit davon entfernt, tot zu sein, jedoch nicht weit entfernt vom Tod selbst. Aber das wusste er in diesem Moment noch nicht.

Fehlende Beweise

Captain McGrath setzte sich rittlings auf einen Stuhl seines Polizeibüros im Hauptquartier der Polizei von Chicago. Er beäugte Paul Garvin kritisch. Garvins Kopf war ordentlich verbunden worden, er rauchte eine von McGraths Zigarren und hatte es sich vollkommen entspannt in einem Ledersessel bequem gemacht.

„Mister Garvin, als Polizeibeamter begegne ich allen möglichen Charakteren“, richtete McGrath nun das Wort an sein Gegenüber. „Die meisten von ihnen sind nicht sonderlich helle. Und nun sitzen Sie hier. Ein wohlhabender Mann. Ein erfolgreicher Mann. Die Art von Mann, die ich bewundere. Und Sie erzählen mir eine Geschichte, die irrsinniger ist als die Träume eines Drogensüchtigen.“

Garvin seufzte. „Ich habe Ihnen die absolute Wahrheit erzählt. Ich habe versucht, mir das Leben zu nehmen. Warum es mir nicht gelungen ist, kann ich mir nicht erklären, denn ich habe mir die Waffe direkt an meine Schläfe gehalten und den Abzug gedrückt.“

McGrath drehte sich herum, nahm eine Kugel von seinem Schreibtisch und rollte sie zwischen seinen Fingern. „Die hier hat man bei der Parkbank gefunden. Ich sage Ihnen, was passiert ist, laut unserer Ballistikexperten, und die irren sich sehr selten. Die Kugel ist kaum verformt, obwohl es sich um ein Bleispitzgeschoss handelt. Die Waffe wurde direkt an Ihrer Schläfe oder sehr nah daran abgefeuert. Aber im letzten Moment geriet sie leicht in Schieflage. Doch das war es nicht, was Ihnen das Leben rettete. Unsere Experten haben genug Schießpulver aus ihrem Kopf geholt, um zu belegen, dass es sich um altes, ineffektives Zeug handelte, wodurch die Kugel keine tödliche Wirkung mehr haben konnte.“

Garvin schüttelte leicht den Kopf. „Ich habe wenig Erfahrung damit, mir das Leben zu nehmen, Captain. Ich habe die Waffe mit Kugeln geladen, die schon jahrelang bei mir herumlagen.“

„Okay.“ McGrath seufzte. „Wir überspringen das Thema. Nun behaupten Sie, dass es Ihre Waffe war und Sie sich aus freien Stücken das Leben nehmen wollten. Ich frage Sie nicht, warum ... noch nicht. Nun, wenn Sie die Wahrheit sagen, wo ist dann die Waffe?“

„Haben Sie sie nicht gefunden?“ Garvin schnappte nach Luft.

„Nein, haben wir nicht. Auch nicht das Notizbuch, in das Sie Ihre letzten Worte gekritzelt haben. Garvin, wenn Sie jemanden decken, der versucht hat, Sie umzubringen, hören Sie auf mit den Spielchen. Beim nächsten Mal könnte das Schießpulver in der Kugel wirksam sein.“

Garvin schaute ihn aus großen, runden Augen an. „Aber Captain McGrath. Ich hatte eine Waffe und ich habe die Nachricht verfasst. Ich habe nicht geträumt. Zum Teufel, ich habe den Selbstmord so nüchtern geplant wie ein paar der Geschäfte, die mich zu einem reichen Mann gemacht haben. Ich wusste, was ich tat, ich habe nur einen Fehler bezüglich der Qualität der Munition gemacht, das ist alles.“

„Und wo ist die Waffe?“, fragte McGrath geduldig. „Die Notizen mit Ihren letzten Worten?“

„Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich nehme an, die Waffe könnte gestohlen worden sein, aber das Notizbuch befand sich in meiner Tasche und war nicht zu sehen. Sie sagten, dass mich niemand durchsucht hat.“

„Okay.“ McGrath wirkte weiterhin geduldig. „Wir räumen fürs Erste ein, dass Sie die Wahrheit sagen. Also, warum haben Sie versucht, sich das Leben zu nehmen?“

„Warum? Weil ich ein Mörder bin. Ich habe einen Mann getötet, Captain, und war zu feige, die Konsequenzen zu tragen. Glauben Sie mir, ein Mann, der sich das Leben nimmt, ist die schlimmste Form eines Feiglings. Das war mir klar, als ich den Abzug betätigte.“

„Ach ja?“ McGrath atmete langsam aus. „Sie sagen, Sie hätten jemanden ermordet. Warum ... wen ... und wo?“

„Ich kenne den Namen des Mannes nicht. Er war ein Erpresser. Captain McGrath, ich warne Sie inständig. Versuchen Sie nicht, eine Aussage darüber von mir zu erzwingen, was er gegen mich in der Hand hatte, denn dazu werde ich nichts sagen. Keinen weiteren Kommentar werde ich zu diesem Thema abgeben.“

„Dann fahren Sie fort, Garvin.“

„Dieser Erpresser hat seine Forderungen gestellt. Wenn ich mich weigern würde, einzuwilligen, würden ein paar unschöne Dinge passieren. Die Gelegenheit ergab sich und ich habe ihn getötet. Erschossen. Seine Leiche befindet sich hinter einem halb eingestürzten Schuppen in einer verlassenen Ziegelei, ungefähr drei Kilometer von meinem Haus entfernt.“

McGrath betrachtete seine Notizen. „Das ist in Lakeview, nicht weit von hier.“

„Knapp sechzig Kilometer nördlich von hier. Ja, das stimmt. Eigentlich ist es nicht mein Haus, es gehört meinem Schwager, der dort mit seiner Tochter wohnt. Sie glauben mir nicht, oder?“

„Warum sollte ich Ihnen glauben?“, fragte McGrath. „Sie sagten, da war eine Waffe, doch da war keine. Sie sprachen von einem Notizbuch mit Ihren letzten Worten, und das existiert auch nicht. Nun behaupten Sie, es gäbe eine Leiche.“

„Angenommen, ich bringe Sie dorthin, sofort?“

McGrath kratzte sich am Kinn. „Sie meinen das ernst, oder? Lakeview befindet sich natürlich außerhalb meiner Zuständigkeit. Ich denke, ich rufe einen unserer stellvertretenden Bezirksstaatsanwälte an.“

„Tun Sie, was immer Sie für richtig halten.“ Garvin zuckte mit den Achseln. „Ich bin ein Mörder. Ich gebe es zu und ich bin bereit, mich meiner Strafe zu stellen.“

„Dieser Bezirksstaatsanwalt ist nicht wirklich ein Stellvertreter“, erklärte McGrath. „Er wird geführt als Bezirksstaatsanwalt mit Sonderbefugnissen. Wenn der große Junge in einem Fall nicht weiterkommt, ruft er Tony Quinn an.“

„Quinn? Ich habe von ihm gehört. Er ist blind, nicht wahr?“

„Ja“, sagte McGrath nachdenklich. „Er kann in einer halben Stunde hier sein. Auf interessante Fälle wie dem Ihren springt er immer an, Mister Garvin.“

„Dann ziehen Sie ihn auf jeden Fall hinzu“, sagte Garvin.

* * *

Der Mann, der kurze Zeit später das Büro betrat, war von kräftiger Statur und sehr gut gekleidet. Seine Augen waren leer und tot, er hatte einen weißen Stock in der Hand. Seine Gesichtszüge waren markant, mit einem kantigen Kinn und unerschütterlichen Mundwinkeln. Um die Augen herum befanden sich tiefe Krater, die von schweren Verbrennungen zu zeugen schienen. Seine Hand, die den Stock hielt, war schlank und sah zart aus. Seine Finger bewegten sich, so als hätte er Schwierigkeiten, sie still zu halten. Als wollten sie die Dunkelheit um ihn herum erkunden.

Seine andere Hand lag auf dem Arm von Silk Kirby, ein schlanker Mann von fünfzig Jahren, mit einer Glatze und einem vollkommen ausdruckslosen Gesicht. Er arbeitete in vielen unterschiedlichen Funktionen für Tony Quinn, aber keine davon reichte aus, um zu erklären, was ihn wirklich mit dem blinden Mann verband. Es war eine tiefe Freundschaft.

Quinns Stock klackte über den Boden, als er sich vorwärtsbewegte. McGrath stellte einen Stuhl für ihn hin und mit Silks Hilfe nahm Quinn Platz. Ohne Vorrede begann McGrath, den Fall zu skizzieren.

Bevor er auch nur halb fertig war, unterbrach Quinn ihn abrupt. „Captain, mein Wagen steht draußen. Ich denke, wir können das Gespräch fortsetzen, während Silk uns dorthin fährt, wo Mister Garvin behauptet, die Leiche vor einer Woche deponiert zu haben.“

„Das wollte ich auch vorschlagen“, murmelte McGrath. „Wollte nur, dass Sie beide sich vorher miteinander vertraut machen. Okay, ich bringe Garvin mit. Es tut mir leid, ich muss meine Handschellen benutzen, Mister Garvin, aber das ist die übliche Vorgehensweise bei Verdächtigen, die einen Mord gestanden haben.“

„Das macht mir nichts aus.“ Garvins Mundwinkel umspielte ein zartes Lächeln. „Wie Sie sagen, es ist die übliche Vorgehensweise.“

* * *

Silk fuhr die gepflegte Limousine im schnellen Tempo auf der West-Side-Schnellstraße nach Norden und weiter auf die Saw Mill River Road. Er hielt die hohe Geschwindigkeit und verlangsamte nur, als sie sich der Mautstelle näherten. Dann beschleunigte er wieder, blieb auf der Überholspur und hielt das Auto bei ungefähr 110 Stundenkilometern.

Während seine toten Augen starr durch die Windschutzscheibe starrten, sprach Quinn, ohne sich dabei umzudrehen.

„Mister Garvin, macht es Ihnen etwas aus, mir zu erzählen, wodurch der Erpresser auf Sie aufmerksam wurde?“

„Darüber möchte ich nicht sprechen“, sagte Garvin schlicht.

„Gut. Das Verbrechen hat sich sowieso außerhalb meines Bezirks abgespielt. Es interessiert mich nur, da sie bei meinem Revier gelandet sind ... beziehungsweise meine Aufmerksamkeit auf sie gelenkt wurde, das trifft es besser. Wann haben Sie diesen Mann getötet?“

„Gestern vor einer Woche“, sagte Garvin ohne zu zögern.

„Sie haben ihn erschossen und seine Leiche in einer verlassenen Ziegelei zurückgelassen“, fuhr Quinn fort. „Seltsam, dass er nicht als vermisst gemeldet oder seine Leiche gefunden wurde. Aber das kommt vor. Wir setzen das Verhör fort, sobald wir die Leiche gefunden haben.“

„Das werden wir nicht“, grummelte McGrath. „Ich weiß nicht, was es mit dem Fall auf sich hat, aber er hat wegen der Waffe gelogen, mit der er Selbstmord begangen hat, und auch wegen eines Notizbuchs, in das er angeblich eine letzte Nachricht geschrieben hat. Ich denke, jemand hat die Waffe an seinen Kopf gehalten, glaubte, ihn getötet zu haben, und ist davongelaufen. Garvin weiß, wer es war, will es aber nicht verraten.“

Quinn wandte sich an Garvin. „Sie wissen, Mister Garvin, wenn wir keine Leiche oder einen Beweis für den Mord finden, werden Sie möglicherweise in einer Anstalt für Psychopathen landen?“

„Ich werde im Gefängnis landen“, sagte Garvin überzeugt, „wo ich hingehöre. Ich bin nicht verrückt und auch kein Lügner. Wie Sie schon sagten, lassen Sie uns abwarten und sehen, was wir finden.“

Sie verließen schließlich die Schnellstraße und fuhren über einen engen Zementweg, der eine Schleife beschrieb, auf eine Schotterstraße. Sie erreichten die Spitze eines Hügels, von der aus die Stadt ins Sichtfeld kam. Sobald sie die Ausläufer der Stadt erreicht hatten, sahen sie zur Linken ein Haus, in dem Garvin angeblich wohnte. Ein bescheidener Wagen parkte am Straßenrand, mit einem MD-Nummernschild.* [Fußnote Anfang] *In den USA erhalten Ärzte MD-Kennzeichen, womit sie praktisch überall kostenlos parken können, wenn sie im Dienst sind. MD steht für Medical Doctor (Doktor der Medizin). [Fußnote Ende]

Garvins Anweisungen folgend fuhr Silk in Richtung Osten durch die Stadt, kam zu einer unbefestigten Straße, die offensichtlich seit Jahren kaum noch befahren worden war, bis die riesigen, beklemmenden Umrisse der einst betriebsamen Ziegelei in Sicht kamen.

Garvin teilte Silk mit, wo er den Wagen abstellen sollte. Sie stiegen alle aus. Quinn lehnte sich mit beiden Händen auf den Stock, bis Silk ihm zur Seite trat, um ihn zu führen.

Garvin zerrte ungeduldig an den Handschellen, die ihn mit McGrath verbanden, und ging geradewegs auf eine Hütte zu, die scheinbar früher mal als Werkzeugschuppen genutzt wurde. Beinahe zog er McGrath zur Rückseite des Schuppens.

Quinn, auf Silks Arm gelehnt, mit dem Stock in der anderen Hand, kam auf dem unebenen Boden deutlich langsamer voran, aber eine faszinierende Verwandlung hatten seine Augen durchgemacht. Sein Blick war nicht länger tot, seine Augen funkelten, während sie die Umgebung absuchten.

Seine Stimme war ein Flüstern. „Garvin führt uns nicht an der Nase herum, Silk. Er weiß ganz genau, wo er hinwill.“

Daraufhin wurde sein Blick wieder tot und leer. Silk führte Quinn zu der Stelle, wo Garvin und McGrath standen und auf einen Haufen halbverrottetes Stroh starrten. Fette blaue Fliegen summten laut wie Bienen durch die von der Sonne gewärmten Luft. Garvin wirkte erstaunt, McGrath nur gelangweilt und ein wenig verärgert.

„Hier“, sagte McGrath mit offen zur Schau gestelltem Sarkasmus, „ist die Stelle, wo er die Leiche deponiert haben will. Es ist ein Haufen Stroh, Tony. Er sagt, er habe es auf den Toten geworfen. Ich bin gerade damit fertig, im Stroh herumzustochern, und hier ist keine Leiche.“

„Aber ich sage Ihnen, sie war da. Ich habe den Mann getötet und hier mit Stroh bedeckt zurückgelassen.“

„Mac, ein Mann, der erschossen wurde, verliert eine Menge Blut“, sagte Quinn. „Blut lockt Fliegen an und ich scheine eine überraschend große Anzahl von ihnen summen zu hören. Im Frühling begegnet man normalerweise nicht so vielen von ihnen, außer sie wurden von etwas angezogen.“

„Die meisten von ihnen schwärmen um den eingestürzten Schuppen“, ergänzte Silk.

Mit einem Ruck an den Handschellen brachte McGrath Garvin in Bewegung. Als Silk und Quinn die Stelle erreichten, kam McGrath schon wieder aus dem halb in sich zusammengefallenen Schuppen heraus.

„Es stimmt“, sagte er mürrisch. „Es gab etwas, das die Fliegen angezogen hat, Tony. Ein toter Mann.“

Quinn reagierte rasch. „Silk, geh zum Wagen und benutze das Autotelefon. Nimm Kontakt mit dem Polizeifunk auf. Sie sollen die Behörden von Lakeview hierher bestellen. Captain, Mister Garvin steht unter Mordverdacht und befindet sich offiziell unter Arrest durch die Behörden von Lakeview.“

McGrath ließ die Kette der Handschellen leise klingeln. „Irgendwie war es ja zu erwarten gewesen, Tony. Aber ich gebe zu, dass ich überrascht bin. Nun müssen wir nur noch die Waffe und Ihr Notizbuch finden, um zu beweisen, dass Sie kein kompletter Lügner sind, Garvin.“

„Die muss man mir gestohlen haben, als ich bewusstlos war“, erklärte Garvin. „Ich erzähle die Wahrheit.“

Silk kehrte zurück und teilte mit, dass die Lakeview-Polizei so schnell wie möglich da sein würde.

„Silk, begleite mich in den Schuppen oder was auch immer das ist“, sagte Quinn. „Dann sag mir genau, was du siehst. Mac, Ihr Job ist es, auf den Verdächtigen aufzupassen.“

Silk führte seinen offensichtlich blinden Begleiter zum Eingang des Schuppens. Die Tür hatte sich aus einer Angel gelöst und Silk schob sie weiter zurück. Sie betraten das düstere Halbdunkel in Inneren. Tony Quinns leerer Blick füllte sich wieder mit Leben.

„Auffällige Kleidung, teure Schuhe und Armbanduhr. Eine Waffe liegt neben der Leiche. Hast du den Mann schon mal gesehen, Silk?“

„Nicht, dass ich wüsste. Aber es kann sein, dass ich ihm schon mal begegnet bin. Er sieht nicht wirklich hübsch aus, Sir.“